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Abbildung 72 Integration von Detailinformationen in den Kontext

Mit dem blauen Fokuspunkt wird eine Verbindung zur Straße hergestellt. Zusätz-lich werden pro Fahrtrichtung dynamische Kamerabilder angezeigt.

5.1.5 Visualisierungskonzept

Neben der Interaktion ist gerade im Kontext von Mehrbenutzerumgebungen die Prozessvisualisie-rung, die dynamische und zeitkritische Darstellungen anzeigt, essenziell. Um den Anforderungen, die sich daraus ergeben, wenn mehrere Operatoren gleichzeitig auf eine gemeinsame Prozessvisuali-sierung zugreifen, gerecht zu werden, müssen geeignete Darstellungsformen geschaffen werden.

Die Vorstudie zeigt, dass die Probanden die Focus+Context-Darstellung der Hybrid Magic Lens-View (HML) gegenüber dem Overview+Detail-Entwurfsmuster der Split Screen-Darstellung präferieren.

Grund für das positive Abschneiden der Focus+Context-Darstellung ist die schnell erkennbare Verbindung von Detail- und Kontextinformationen. Infolgedessen ist die HML weiterentwickelt worden. Ferner wird die Folding-View vorgestellt, die sich an der Mélange Space Folding-Technik (Elmqvist et al., 2008) orientiert. Außerdem wird eine Visualisierung beschrieben, die die Verände-rungen in der Prozessdynamik darstellt und durch das Halo-Konzept von Baudisch und Rosenholtz (2003) motiviert ist.

Hybrid Magic Lens-View

Im Konzept wird der Ansatz verfolgt, den Fokuspunkt auf dem Wanddisplay zu vergrößern, indem eine Kombination aus Fisheye-Verzerrung und Magic Lens-Filter eingesetzt wurde. Maßgeblich für die Gestaltung der Visualisierung ist auch bei diesem Ansatz das Conceptual Blending (siehe Abbil-dung 73). Als Input Space 1 für die HML dient die Geometrie, die einem Pyramidenstumpf ähnelt und mit einer Art dehnbarer Karte überzogen ist. Um den Realitätsbezug dieses ersten Input Spaces nochmals zu steigern und so dem Operator ein Bewusstsein für den Raum zu schaffen, wird der verzerrte Teil in ein dunkles Grau eingefärbt. Um den Fokuspunkt wird durch die Fisheye-Verzerrung der angrenzende Bereich grafisch gestaucht. Das hat den Vorteil, dass die Vergrößerung des Fokuspunktes nicht die kontinuierliche Prozessdarstellung überdeckt. Die Stauchung erzeugt einen dreidimensionalen Effekt mit der Wirkung, als würde sich der Fokuspunkt aus der Prozessvi-sualisierung hervorheben. Dem Operator erscheint durch diesen Effekt der mittlere Bereich näher.

Als Input Space 2 wird im mittleren Bereich der Linse ein Magic Lens-Filter eingesetzt, um dadurch eine semantische Anreicherung des Prozessausschnitts zu erhalten. Die Linse ist um eine digitale, nicht realistische Eigenschaft erweitert worden. Der Grad der Detaillierung im Zentrum der Linse

Überwachung und Diagnose

kann je nach Situation angepasst werden. Somit kann jeder Operator nach seinen aktuellen Bedürf-nissen die Zoomstufe individuell wählen (siehe Abbildung 73).

Abbildung 73 Konzept der HML-View mit unterschiedlicher Zoomstufe

Das Verkehrsaufkommen wird in der Übersicht kumuliert und farblich codiert (grün = freier Verkehr, gelb = stockender Verkehr und rot = Stau) dargestellt. Die linke HML mit blauem Fokus ist auf eine niedrige Zoomstufe eingestellt, d. h.

wenige Detailinformationen. Die rechte HML mit rotem Fokuspunkt stellt eine hohe Zoomstufe dar.

Der dem Konzept zugrundeliegende Algorithmus vergrößert den Fokusbereich, verzerrt ihn jedoch nicht. Durch die rechteckige Form der Fisheye-Verzerrung wird eine konstante Skalierung ermög-licht. Die Geometrie der Fokusregion wird sowohl für die Überwachungs- und Diagnoseebene als auch auf der Manipulationsebene verwendet, um eine stärkere mentale Verbindung der Ansichten zu schaffen. Der daraus resultierende Blend, die HML-View, erlaubt es mehreren Operatoren, an beliebigen Stellen im gesamten Informationsraum – in diesem Fall an der Übersichtskarte – effi-zient zu beobachten. Dabei bleibt der räumliche Kontext der Objekte erhalten. Die Zoom-Operation wirkt sich hierbei lediglich auf die Filtereigenschaften der Magic Lens, aber nicht auf die Skalierung der gesamten Prozessvisualisierung aus. Diese Restriktion verhindert, dass durch Zoo-men in der Ansicht Teile der Prozessvisualisierung in einen nicht sichtbaren Displaybereich gelan-gen. Außerdem müssen sich die Operatoren untereinander nicht auf eine bestimmte Zoomstufe festlegen. Durch vollständiges Herauszoomen wird die HML gänzlich ausgeblendet.

Folding-View

In der Prozessvisualisierung auf der Überwachungs- und Diagnoseebene wird beim Konzept der Folding-View eine Faltung abhängig von der Positionierung der Fokuspunkte vorgenommen. Die Space Folding-Technik Mélange von Elmqvist et al. (2008) ist auf Basis der Anforderungen aus dem Leitwartenkontext optimiert worden. Hierbei ist vor allem die Interaktion erweitert worden. Dabei wird analog zur HML eine Art Magic Lens-Filter integriert, um so eine grafische und auch eine se-mantische Vergrößerung der Prozessvisualisierung zu schaffen. Basierend auf der Focus+Context-Technik wird für die Darstellung von Detailinformationen in Abhängigkeit von der Position der Fokuspunkte eine Visualisierung gestaltet. Diese ermöglicht es, auf dem Wanddisplay lokale Details ohne Kontextverlust zu analysieren.

Die Folding-View basiert auf einer Kombination aus einem realen physischen Konzept mit digitalen Möglichkeiten. Eine Prozessvisualisierung in Form einer Kartendarstellung wird mit den Eigen-schaften eines gefalteten Papiers kombiniert (siehe Abbildung 74). Das Konzept der Faltung (Input

Überwachung und Diagnose

Space 1 nach der Notation des Conceptual Blending) enthält viele Eigenschaften aus der physischen Welt. Die Größe eines Papierblatts kann durch Falten verkleinert werden. Dabei sind alle Bereiche der Papieroberfläche auch weiter sichtbar. Der Input Space 2 (Konzept der Prozessvisualisierung) bietet digitale Möglichkeiten wie beispielsweise das kontextspezifische Ein- und Ausblenden von Informationen. Die digitale Welt schafft einen weiteren Vorteil innerhalb der Prozessvisualisierung durch Panning und Zooming.

Der als Folding-View bezeichnete Blend stellt eine Visualisierungstechnik dar, bei der die Prozessvisu-alisierung in Abhängigkeit von der aktuellen Position der Fokuspunkte gefaltet wird. Das realweltli-che Konzept eines gefalteten Blatt Papiers ermöglicht ein leichtes Verstehen des verzerrten Infor-mationsraums (Elmqvist et al., 2008).

Abbildung 74 Folding-View auf der Überwachungs- und Diagnoseebene

Die Abbildung zeigt ein Übersichtsbild eines gesamten Prozesses im Kontext der Verkehrsüberwachung. Innerhalb der Fokusregionen werden die Fahrbahnen je nach Verkehrsaufkommen farblich codiert. In den Falten zwischen den Fokusre-gionen wird lediglich eine kumulierte Verkehrssituation dargestellt (Schwarz, Butscher, et al., 2012b).

Die Fokuspunkte definieren die Fokusregionen, an denen die Detailinformationen dargestellt wer-den. Randbereiche werden durch horizontale und vertikale Falten vom Operator weg hinein in das Display (Z-Achse) projiziert. Diese Faltungen schaffen mehr Platz, um die Fokusregionen vergrö-ßert darzustellen zu können. Dadurch wird eine semantische Anreicherung der Regionen möglich.

Durch die Faltung bleibt der Kontext von Detailinformationen bewahrt. Neben dem Kontextbezug erhält der Nutzer durch das Konzept der Faltungen auch eine Orientierung über die Distanzen (Elmqvist et al., 2008).

Der Algorithmus ist so umgesetzt worden, dass Falten bei zu großen Abständen zwischen den Fo-kuspunkten entstehen. D. h., es wird eine neue Falte eingefügt, wenn zwischen den beiden Fokus-punkten aus Mangel an Raum eine unverzerrte Darstellung der Prozessvisualisierung nicht mehr realisierbar ist. Die neue Falte nimmt mit steigender Distanz der Fokuspunkte an Tiefe zu. Somit wird in Verbindung mit der inhaltssensitiven Navigation ein kontinuierliches Verschieben der Fokusse erzeugt. Dabei wird die Faltung dynamisch daran angepasst. Analog zur HML ist die Schattierung in den Falten ein visueller Hinweis, der die Faltengröße darin unterstützt, die Tiefe und letztlich die Distanz der Fokusregionen korrekt einzuschätzen. Der entwickelte Faltungsalgorithmus sorgt mit Hilfe einer geführten Animation dafür, dass die Faltung nicht unvorhergesehen angezeigt bzw.

ausgeblendet wird, sondern kontinuierlich erscheint. Das ist auch der Hauptunterschied zu der von

Überwachung und Diagnose

Elmqvist et al. (2008) entwickelten Mélange-Technik. Bei dieser sind zum Teil weniger Faltungen notwendig, dafür erscheinen und verschwinden sie aber plötzlich. Der Algorithmus der Folding-View wird so implementiert, dass sich die Fokuspunkte niemals in einer Faltung befinden können. Zur Erleichterung der Orientierung wird die relative Position der Prozessvariablen zueinander beibehal-ten. Befindet sich ein Objekt (Straße) in der Prozessvisualisierung oberhalb eines anderen Objekts (Kreuzung), so bleibt die Position der Straße auch nach der Faltung oberhalb der Kreuzung.

Darüber hinaus unterscheidet sich das Konzept dahingehend von der Mélange-Technik, dass immer der gesamte Informationsraum sichtbar bleibt. Das ist für die Arbeit von Operatoren speziell auf dem Wanddisplay wichtig. Diese Technik ermöglicht eine kooperative Nutzung der Prozessvisuali-sierung. Dadurch wird über alle Operatoren hinweg ein einheitliches Prozessverständnis geschaffen.

Somit wird transparent, an welcher Stelle im Prozess die Operatoren tätig sind.

Circles

Veränderungen in der Prozessdynamik müssen dem Operator schnellstmöglich ersichtlich sein.

Gerade bei monotonen Überwachungstätigkeiten, die zu einem Rückgang der Vigilanz führen, müs-sen eintretende Ereignisse visuell hervorgehoben werden. Nach Rensink, O’Regan und Clark (1997) kann es beim Operator zu einer sog. Veränderungsblindheit (Change Blindness) kommen, wenn auf einem sehr großen Informationsraum visuelle Änderungen aufgrund von Informationsvielfalt nicht wahrgenommen werden. Hinzu kommt, dass der Operator beispielsweise durch ein Ereignis, z. B.

einen eingehenden Telefonanruf, abgelenkt wird. Eine zwischenzeitliche Abweichung in der Pro-zessvisualisierung kann nicht direkt wahrgenommen werden.

Für die Aktivierung auf der visuellen Ebene werden im Konzept sog. Circles eingesetzt, die die Stelle markieren, in der der Operator einen anormalen Betriebszustand vorfindet. Abbildung 75a zeigt die Integration der Circles in die HML-View und Abbildung 75b zeigt die Circles in der Folding-View.

Abbildung 75 Integration von Circles in der HML- und Folding-View

Die roten Circles (siehe grüner Pfeil) werden in der Prozessvisualisierung der (a) HML-View und der (b) Folding-View eingesetzt, um dem Operator Veränderun-gen in der Prozessdynamik zu signalisieren (Butscher, 2012).

Circles basieren auf dem Ansatz der Halos von Baudisch und Rosenholtz (2003). Halos stellen Objek-te, die außerhalb der Anzeigefläche liegen, durch einen Kreisausschnitt am Rande des Bildschirms dar. Dabei repräsentiert der Mittelpunkt des Kreissegments die Position des gesuchten Objekts, und der angedeutete Kreis spiegelt die Distanz von der aktuellen Position zum Objekt wider.

Im Gegensatz zu Halos werden Circles, die animiert ihre Größe ändern, nur im sichtbaren Informa-tionsraum angezeigt. Jedoch werden Veränderungen in der Prozessdynamik, die in den Falten der Folding-View verortet sind, dem Operator auch visuell zugänglich gemacht. Die Circles geben dem Operator auf dem visuellen Kanal die Interaktionsrichtung vor.

(a) (b)

Überwachung und Diagnose