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Immunität

Im Dokument Botulismus bei Großkatzen (Seite 39-0)

OHISHI et al. (1979) überprüften 234 Serumproben von 15 Spezies freilebender Säu­

getiere und Vögel. Sie fanden bei Kojoten (Canis latrans), Wanderratten (Rattus norvegicus), Truthahn-Geiern (Cathartes aura) und Amerikanerkrähen (Corvus bra­

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chyrhynchos) Antikörper gegen die verschiedenen Neurotoxin-Typen A–F. Nur die Ratten fielen durch nur zwei positive von insgesamt zwölf Proben gegen die Typen B und C heraus. Neben einer bisher angenommenen angeborenen Immunität unbe­

kannter Natur bestimmter Spezies weisen diese Ergebnisse darauf hin, dass resis­

tente Spezies durch zirkulierende Antikörper geschützt werden. Dabei mag es sich nicht um den einzigen Schutzmechanismus handeln. Die Ursache der Antikörperbil­

dung bleibt offen. OHISHI et al. (1979) halten eine Toxinproduktion von im Verdau­

ungstrakt der Geier lebenden C. botulinum-Keimen wahrscheinlicher als die Aufnah­

me von Toxin aus der Umgebung, obwohl die Proben von Leber, Niere und Verdauungstrakt von acht Geiern negativ auf C. botulinum getestet wurden. Eine an­

dere Erklärung beim Auftreten von Antikörpern, speziell für Spezies, bei denen ein angeborener Schutzmechanismus unwahrscheinlich ist, wäre eine Exposition in ei­

nem Lebensalter, wo eine Resistenz aus unbekannten Gründen hoch ist. SUGIYAMA

und MILLS (1978) haben berichtet, dass neugeborene Mäuse C. botulinum trotz To­

xinproduktion ohne klinische Symptomatik im Magen-Darm-Trakt beherbergen kön­

nen. Schließlich wäre es auch denkbar, dass Säugetiere und Vögel temporär Wirte von C. botulinum sein können mit keinen oder geringen Symptomen. Das würde in hohem Maße für die geographische Ausbreitung von C. botulinum von Bedeutung sein.

Truthahn-Geier werden als hochgradig resistent gegen BoNT eingestuft. Es ließ sich nicht ermitteln, ob natürliche Antikörper, unspezifische antitoxisch wirkende Sub­

stanzen im Blut oder die Unfähigkeit des Toxins, den Blutkreislauf zu verlassen, da­

für verantwortlich sind. Es wird auch erwogen, dass eine Resistenz der präsynapti ­ schen Nervenenden dafür verantwortlich ist (KALMBACH, 1939, PATES, 1967 und COHEN, 1971, zit. nach OHISHI et al., 1979).

In endemischen Gebieten der Tropen können unter natürlichen Bedingungen Tiere auf der Weide in den ersten Lebensmonaten durch sporadische Aufnahme von Spo­

ren mit dem Futter eine aktive Immunität erwerben während sie durch passive mater­

nale Antikörper, z. B. durch Impfung, geschützt sind. Dieses ist z. B. für Rauschbrand bei Kälbern belegt. In der extensiven Weidehaltung erfolgt in der Regel eine kontinu­

ierliche Boosterung durch die sporadische Aufnahme von Sporen. Zum Krankheits­

ausbruch kommt es in der Regel erst dann, wenn aufgrund von Überstockung oder ungünstigen ökologischen Bedingungen der Infektionsdruck den bestehenden Im­

munschutz überwindet (SEIFERT, 1995).

Clostridien-Toxine wirken als Antigene, sobald sie in einen empfänglichen Organis­

mus eingebracht werden. Ein Toxinmolekül kann dabei mehrere antigene Determi­

nanten haben, die jeweils die Bildung eigener Antikörper induzieren. Diese schützen dabei nicht nur gegen die die Immunantwort auslösenden Toxine, sondern auch ge­

gen den toxinbildenden Erreger. Dieser wird atoxisch und phagozytiert (SEIFERT,

1 Botulismus | 27 1995). Verschiedene Toxinkomponenten wirken dabei unterschiedlich stark immuno­

gen beziehungsweise fördern die Immunogenität der anderen, wie z. B. die Hämag­

glutinine die der Neurotoxin-Komponente (LEE et al., 2005).

SHAVE (1970) konnte bei Fasanen nach experimenteller Intoxikation keine Immun­

antwort auslösen. Tiere, die nach einer subletalen Dosis schwere Symptome entwi­

ckelten und überlebten, verstarben an einer zweiten geringfügig höheren Dosis To­

xin. Erst die Impfung mit Toxoid war schützend. Zu beachten ist, dass zwischen der Erstaffektion und dem Belastungsversuch nur zwei Wochen lagen.

Laut OHISHI et al. (1979) liegt in empfänglichen Tieren die letale Dosis unter der Toxinmenge, die für eine Immunantwort benötigt wird. Daher zeigen überlebende Pa­

tienten im Allgemeinen keine Immunität gegenüber dem Toxin.

Auch DINTER (1955) geht davon aus, dass die Toxinmenge, die nur eine vorüber­

gehende Erkrankung bei Nerzen hervorruft, unter dem Schwellenwert des immunisa­

torischen Reizes der entsprechenden Toxoiddosis liegen. Entsprechende Versuche an Nerzen und Mäusen zeigten, dass vorübergehender Botulismus zumindest keine ausgeprägte Immunität hinterlässt. Andererseits scheinen sich dennoch Spuren von Immunität zu bilden, wie die Untersuchung von zehn Serumproben von Menschenpa­

tienten zeigte, die Botulismus Typ B überstanden hatten.

MAWHINNEY et al. (2012) berichten dementsprechend, dass subklinische Dosen der Neurotoxine durchaus zu einer Serokonversion führen können.

Eine hohe Seroprävalenz von Antikörpern in einer Population ist meistens ein Indi­

kator für eine subletale Erkrankung oder eine effiziente Immunität (MURRAY et al., 1999).

2 Der Erreger 2.1 Taxonomie

1897 gelang VAN ERMENGEN die Isolierung eines Bazillus-ähnlichem Bakteriums, wel­

ches für mehrere schwerwiegende Lebensmittelvergiftungen verantwortlich war. Er bezeichnete es als Bacillus botulinus. Später wurde es aufgrund seiner Morphologie und seiner Anaerobizität der Gattung Clostridium zugeordnet. Die von C. botulinum gebildeten Neurotoxine lassen sich immunologisch in die verschiedenen Serovare A bis H unterscheiden (HATHEWAY, 1990; PECK et al., 2017). Unter dem Begriff C. botuli­

num werden Organismen zusammengefasst, die BoNT produzieren und Botulismus auslösen können (PRÉVOT u. BRYGOO, 1953, zit. nach DARKE et al., 1976). Weiterhin sind inzwischen zahlreiche Stämme bekannt, die mehr als ein BoNT bilden können oder die neben dem gebildeten Toxin ein ruhendes Gen für einen anderen Toxintyp besitzen. In letzterem Fall oder wenn ein Toxin in weit geringerem Maße produziert

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wird, wird der Buchstabe dieses BoNT klein geschrieben (z. B. Af). Kürzlich wurde erstmalig ein Stamm beschrieben, der für drei Neurotoxine enzymatisch aktive Gene in sich vereint (TAKEDA et al., 2005; KALB et al., 2014).

Die Nomenklatur, die sich allein auf die Eigenschaft BoNTs produzieren zu können gründet, wird der Situation nicht gerecht. Unter der Bezeichnung C. botulinum werden teilweise sehr verschiedene Erreger zusammen gefasst, die ohne die klinische Be­

deutsamkeit der verschiedenen Serovare vermutlich teilweise als eigene Spezies ge­

führt werden würden. Schon 1968 teilten HOLDEMAN und BROOKS C. botulinum in drei metabolische Gruppen ein. Stämme des Toxintyps G wurden später in eine vierte Gruppe aufgenommen. Nukleinsäuren-Hybridisierungen und 16s-rRNA-Analysen er­

geben vier Abstammungslinien, die mit den phänotypischen Gruppen korrelieren (COLLINS u. EAST, 1998).

Der Typ G wurde zuerst als C. botulinum Typ G bezeichnet (GIMÉNEZ u. CICCARELLI, 1970) und später wegen seiner erheblichen genotypischen Abweichungen in C. ar­

gentinense umbenannt (SUEN et al., 1988).

Neben der phänotypischen und genetischen Heterogenität der verschiedenen Gruppen ergeben sich auch Probleme durch die Existenz nahe verwandter, aber nicht toxigener Stämme. Sie werden als C. sporogenes bezeichnet (OLSEN et al., 1995). Durch Kreuzreaktivitäten der Typen E und F mit Neurotoxinen von C. butyri­

cum- und C. baratii-Stämmen wird die Situation zusätzlich unübersichtlich (HALL

et al., 1985; AURELI et al., 1986).

Es wurde weiterhin gezeigt, dass die Umwandlung eines C. botulinum-Typ-C-Stam­

mes in einen C. novyi-Typ-A-Stamm durch Verlust des Prophagen sowohl möglich als auch umkehrbar ist (EKLUND et al., 1974). Die Einordnung der C- und D-Stämme war generell lange Zeit mit verschiedenen Problemen verbunden. Bei Typ C und D liegt das Toxingen auf Bakteriophagen. Die Toxinbildung ist instabil und das Toxingen geht während der Kultivierung häufig verloren (OGUMA et al., 1976). Die Kenntnis der Besonderheiten der Typ C und D-Stämme mit der Lage des BoNT auf Phagen und des C2-Toxins auf dem Bakteriengenom, dem möglichen Phagenverlust sowie die möglicherweise häufigeren rekombinanten Ereignisse im Phagengenom durch wie­

derholte Reinfektion ermöglicht die verwirrenden bisherigen serologischen Ergebnis­

se zu interpretieren und macht die frühere Einteilung in Cα und Cβ und D (JANSEN, 1971, zit. nach NAKAMURA et al., 1978) obsolet (OGUMA et al., 1981; HUNTER u.

POXTON, 2002).

C. botulinum (Gruppe III), C. novyi und C. haemolyticum werden wegen ihrer engen genetischen Verwandtschaft und anderer Eigenschaften, insbesondere der Verknüp­

fung ihrer Pathogenität mit Plasmidomen (= Plasmide + Prophagen) trotz der unter­

schiedlichen Krankheitsbilder auch als C. novyi sensu lato zusammengefasst (SKARIN

u. SEGERMAN, 2014).

2 Der Erreger | 29 Kürzlich konnte gezeigt werden, dass es auch bei bestimmten Stämmen des Sero­

typs A, proteolytischen und nicht-proteolytischen Stämmen von Typ B sowie bivalen­

ten Ba, Ab und Bf zu einer extrachromosomalen Lage des BoNT-Gens auf großen Plasmiden kommen kann. Der BoNT-Gen-Transfer mindestens innerhalb der Spezi­

es wird damit möglich (MARSHALL et al., 2010).

Schließlich wurde 2005 ein Clostridium sp. RKD aus Fisch isoliert, welches trotz 99%iger Übereinstimmung mit C. tetani auf 16S-rRNA-Ebene ein Botulinum Typ-B-ähnliches Neurotoxin bildet. Bezüglich morphologischer, biochemischer und chemo­

taxonomischer Eigenschaften weist der Stamm sowohl zu C. botulinum als auch zu C. tetani Unterschiede auf (DIXIT et al., 2005).

2.2 Morphologie und Stoffwechselleistungen

C. botulinum ist ein überwiegend grampositives, in älteren Kulturen oft zunehmend gramnegatives, gerades bis sanft gebogenes Stäbchenbakterium mit ovalen, subter­

minalen, den Zellleib auftreibenden Sporen. Die Größe liegt meist zwischen 2–10 µm in der Länge und 0,5–2 µm in der Breite. Gebogene Stäbchen mit 20–45 µm Länge treten in unvorteilhaften Nährmedien auf. Die Bakterien sind peritrich begeißelt und beweglich. Sie erscheinen meist einzeln, aber auch als Paare und in kurzen Ketten.

Hochtoxische Stämme aller Typen neigen dazu, nur wenige Sporen zu bilden. Das Erscheinungsbild der Kulturen variiert nach Gruppe und Nähragar. Auf Stan­

dard-Nährmedium zeigen sich überwiegend opake, runde bis ausgefranste oder ge­

lappte Kolonien (SMITH u. WILLIAMS, 1984).

C. botulinum wächst bis auf wenige Stämme der Gruppe III obligat anaerob. Wichti­

ge Enzyme des aeroben Stoffwechsels wie die Katalase, die Peroxidase und die Cy­

tochrom-Oxidase fehlen. Optimale Kulturbedingungen herrschen im Allgemeinen bei einer Temperatur zwischen 18 und 37 °C und einem pH-Wert von 7,0 bis 7,6.

(HATHEWAY, 1990; KRIEK u. ODENDAAL, 1994; BROOKS et al., 2011).

Aufgrund der großen Unterschiede bezüglich der Stoffwechselleistungen werden vier Gruppen unterschieden. Die Gruppe I beinhaltet die Stämme Typ A, die proteoly­

tischen Stämme der Typen B und F sowie die bivalenten Stämme der Typen A, B und F. Gruppe II subsumiert Typ-E-Stämme und die nicht-proteolytischen bzw. saccharo­

lytischen Stämme der Typen B und F. Die C. botulinum-Typen C und D finden sich in Gruppe III. Sie sind nicht-proteolytisch. Gruppe IV enthält die Typ-G-Stämme. Sie ver­

werten keine Glukose und können keine Lipase bilden. Detaillierte Angaben finden sich in der Tabelle II.2 (COLLINS u. EAST, 1998).

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Tabelle II.2: Phänotypische Eigenschaften BoNT-produzierender Organismen (mod. nach COLLINS u. EAST 1998)

Merkmal Gruppe

I II III IV C. butyricum C. baratii

Toxin-Typen A, B, F B, E, F C, D G E F + = alle Stämme positiv, - = alle Stämme negativ, +/-: einige Stämme positiv, andere negativ

2.3 Toxine

2.3.1 Botulinum-Neurotoxine (BoNTe)

Botulinum-Neurotoxine (BoNTe) gehören zu den potentesten biologischen Giften überhaupt (GILL, 1982). Die LD50 für 20 g Maus beträgt 24 pg BoNT/A, C und E und 50 pg BoNT/F (CHATLA et al., 2016) .

Es werden die sieben Toxintypen A bis G unterschieden. Ein weiterer potentieller Typ H wurde kürzlich vorgestellt (DOVER et al., 2014; FAN et al., 2016). Die Sequenzie­

rung von immer mehr BoNTs macht jedoch deutlich, dass diese Unterteilung unzurei­

chend ist, um ihre Vielfältigkeit oder die teilweise äußerst relevanten Variationen in­

nerhalb eines Serotyps darzustellen und führt zu einer weiteren Unterteilung in Subtypen. Subtypen werden mit arabischen Zahlen benannt wie z. B. A1, A2, A3

2 Der Erreger | 31 usw. (ScHIAVO et al., 2000; MONTECUCCO u. RASOTTO, 2015). Serotypen variieren in ih­

rer Aminosäuren-Sequenz zwischen 35–70 %, innerhalb eines Serotyps kommt es zu Abweichungen von 2,6–32 %. Mosaikformen mit Austausch ganzer Sequenzab­

schnitte statt einzelner Variationen sind für BoNT/C und D beschrieben. Solch eine Variationsbreite beeinflusst zwangsläufig den Gebrauch diagnostischer und thera­

peutischer Antikörper bzw. erklärt signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Vak­

zinen. Die ständig wachsende Anzahl ermittelter Sequenzen von verschiedenen BoNTen, die als Varianten bekannter Serotypen gehandhabt werden können, wie auch die Beschreibung des neuen Typ H, der durch keine der bisher verfügbaren an­

ti-BoNT Antikörper erfasst wird, führt zu großen Problemen bei der Entwicklung von Antiseren und Vakzinen. Schon jetzt werden manche der neuen BoNT-Subtypen kaum neutralisiert durch die verfügbaren Antikörper, die gegen den jeweiligen Sub­

typ 1 eines Serovars entwickelt wurden (SMITH et al., 2005; SMITH et al., 2007;

MORIISHI et al., 1996; MONTECUCCO u. RASOTTO, 2015; Peck et al., 2017). Eine Zusam­

menstellung repräsentativer Stämme der aktuell beschriebenen 40 BoNT-Subtypen innerhalb der Serovare A bis F findet sich bei Peck et al. (2017).

Das Neurotoxin wird als eine einzelne Polypeptidkette von ungefähr 150 kD gebildet, die bereits im Bakterium durch endogene Proteasen oder später im Verdauungstrak­

tes des Wirts in die aktive zweikettige Form gespalten wird. Sie besteht aus der leich­

ten Kette (light chain = LC, ca. 50 kD) und der schweren Kette (heavy chain = HC, ca.

100 kD), die durch eine Disulfidbrücke verbunden sind (MONTECUCCO u. ScHIAVO, 1994).

Das Bakterium bildet das BoNT als Teil eines stabilen Enzymkomplexes (Progeni­

tortoxin, Toxin complex = TC). Er schützt das Neurotoxin vor den rauhen Bedingun­

gen bezüglich pH, Salzgehalt, Temperatur und der Anwesenheit von Verdauungsen­

zymen im proximalen Verdauungstrakt und unterstützt die Translokation durch das Darmepithel (SIMPSON, 2004; LIN et al., 2010). In Abhängigkeit von dem Verhältnis zusätzlicher Hilfsproteine wie dem Hämagglutinin (HA) oder dem nicht-toxischem, nicht-hämagglutinierendem Protein (NTNH) kommen verschiedene Varianten vor.

Die kleinstmögliche funktionelle Einheit beinhaltet ein BoNT und ein NTNH (M-TC, ca. 300 kD / 12S). Der L-TC (ca. 500 kD / 16S) und der LL-TC, ein Dimer des L-TCs (mit ca. 900 kD / 19S) enthalten unterschiedliche Anteile von BoNT und der HA- und NTNH-Proteine. Je größer der Komplex ist, desto widerstandsfähiger ist er gegen vorzeitige Lyse (SAKAGUCHI, 1983; HUNTER u. POXTON, 2002). Das begründet teilwei­

se auch die höhere orale Toxizität des Komplexes gegenüber dem freien Toxin (OHISHI, 1977). Die Gene für die Hilfsproteine befinden sich oberhalb der Sequenz­

abschnitte, die für die BoNTe codieren. HA17, HA33, HA70, BotR (positive regulatory gene) und NTNH sind Teil des sogenannten HA-Clusters. Weiterhin existiert ein so­

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genannter orfX-Cluster (orf = open reading frames) mit Genen unbekannter Funktion.

Subtyp und Stamm bestimmen über die Zusammenstellung dieser Gene und lassen sich in drei verschiedene Gruppen einteilen (LIN et al., 2010 ; JOHNSON u. BRADSHAW, 2001).

Das alkalische Milieu des Dünndarms bewirkt eine Dissoziation des Komplexes un­

ter Freisetzung des Toxins. Die HA-Komponente bindet an Glykoproteine oder Gly­

kolipide des Darmepithels und unterstützt dabei den Bindungsvorgang. Für Typ B wurde gezeigt, dass das HA die Epithelbarriere u.a. an den tight junctions aufbricht und somit einen Durchtritt des Toxins ermöglicht. Das mag ebenfalls zu einer höhe­

ren Toxizität des 16S-Toxinkomplexes gegenüber dem 12S-Komplex oder dem frei­

en Toxin (7S) führen. Das BoNT überwindet die Darmbarriere über Transzytose und Endozytose und erreicht den Blut- und Lymphkreislauf. Die Existenz effizienter Transportmechanismen bzw. deren Fehlen mag neben der unterschiedlichen Affinität der BoNTe für die Nervenzellen für die speziesabhängige Empfänglichkeit gegen­

über einzelnen Toxintypen verantwortlich sein (SIMPSON, 2004; HUNTER u. POXTON, 2002, MATSUMURA et al., 2008).

Das BoNT entfaltet seine toxische Wirkung an der Synapse in einem vierstufigen Prozess mit Bindung an die Zelle, Internalisierung, Membrantranslokation und Ziel­

modifikation im Cytosol. Drei Domänen von je 50 kD auf dem zweikettigen, aktivierten Toxinmolekül sind daran beteiligt: Das COOH-terminale Ende der schweren Kette (HC) ist hauptsächlich für die neurospezifische Bindung verantwortlich und die NH2 -terminale Domäne (HN) ist im Prozess der Membrantranslokation über die Bildung von Kanälen involviert. Die NH2-terminale Domäne der leichten Kette besitzt Zink-ab­

hängige Endopeptidase-Aktivität und vermittelt die intrazelluläre katalytische Aktivität (SCHIAVO et al., 2000).

Die HC besitzt wiederum zwei Subdomänen (HCC und HCN) zu je 25 kD. Die C-termi­

nale HCC bindet an die in der Membran reich vorkommenden Polysialoganglioside.

Als ein Grund für die hohe Toxizität im Nanogramm-Bereich (LD50) der Botulinum-To­

xine wird das Doppel-Rezeptor-Modell vorgeschlagen. Häufige Gangliosidrezeptoren an der Membran mit geringer Affinität dienen der Anreicherung der BoNTs. Darüber hinaus besitzen die BoNTe Serotyp-spezifische Protein-Rezeptoren mit hoher Affini­

tät, die nur in geringer Anzahl in der Membran vorhanden sind und durch laterale Verschiebung der Gangliosid-gebundenen BoNTe besetzt werden. BoNT/C und D unterscheiden sich von den anderen Toxinen, da sie nicht auf ein Protein angewie­

sen sind. Sie binden gegebenenfalls an ein zweites Gangliosid (SWAMINATHAN, 2011).

Die Funktion der N-terminalen HCN ist nicht genau bekannt, eine Beteiligung der HCN in der pH-abhängigen Einleitung der Translokation mit Schutzfunktion der LC ge­

genüber dem niedrigen pH-Wert beim BoNT/A wird thematisiert. Nach der Veranke­

2 Der Erreger | 33 rung durch die doppelte Rezeptorbindung ist die HC zu einer 180°-Rotation in der Lage und die HN bildet die Membrankanäle zur Einschleusung der LC (FISCHER et al., 2008, RUMMEL, 2013).

Jedes BoNT hat ein spezifisches Ziel im SNARE-Komplex und spaltet eine be­

stimmte Peptidbrücke. BoNT/A und E spalten SNAP-25 (synaptosome associated 25kDa protein), BoNT/B, D, F und G spalten Synaptobrevin (VAMP = vesicle asso­

ciated membrane protein) und BoNT/C spaltet sowohl SNAP-25 als auch Syntaxin.

Diese Proteine ermöglichen die Verschmelzung der Acetylcholinvesikel mit der prä­

synaptischen Membran, sodass durch ihre Spaltung die Freisetzung von Acetylcholin an den cholinerg innervierten Muskelfasern verhindert wird (LINIAL, 1995; WILLIAM­

SON et al., 1996; ScHIAVO et al., 1995).

Neben der bekannten Hemmung der Freisetzung von Acetylcholin besitzen man­

che BoNTe noch Zytotoxizität (WILLIAMSON u. NEALE, 1998). Dafür müssen nahezu alle Syx1- beziehungsweise SNAP-25-Proteine durch BoNT/C beziehungsweise BoNT/E gespalten werden. Die dafür nötigen Toxinmengen sind weit höher als die für ihre letale Wirkung, sodass diese Wirkung bei der Pathogenese normalerweise nicht in Erscheinung tritt (PENG et al., 2013).

2.3.2 Weitere Toxine

C. botulinum Typ C und D können neben den Neurotoxinen BoNT/C1 und D weitere Toxine bilden, das C2- und das C3-Toxin (AKTORIES et al., 1987).

2.3.2.1 C2-Toxin

Das C2-Toxin, eine binäre Mono-ADP-Ribosyltransferase, wird von den meisten Typ C- und manchen Typ D-Stämmen produziert. Sein Gen ist auf dem Bakterienge­

nom codiert und unabhängig von der BoNT-Produktion (HUNTER u. POXTON, 2002).

Es wird nur während der Sporulation gebildet und ist während des vegetativen Wachstums nicht nachweisbar. Dabei korrelieren Sporenanzahl und C2-Toxizität ei­

ner Kultur (NAKAMURA et al., 1978). Das C2-Toxin ist Bestandteil des Sporenmantels und möglicherweise ein strukturelles Protein (YAMAKAWA et al., 1983).

Strukturell weicht das C2-Toxin von den BoNTen ab durch das Fehlen einer ver­

knüpfenden kovalenten Bindung zwischen den beiden gebildeten Polypeptidketten.

Beide Komponenten, eine leichte (Komponente I = C2I) und eine schwere Kette (Komponente II = C2II) sind für die Toxizität notwendig (IWASAKI et al., 1980; OHISHI, 1987). Die Komponente II ist für die Bindung an die Zellrezeptoren verantwortlich (OHISHI u. MIYAKE, 1985). Eine Spaltung durch Trypsin ist nötig für die Bildung von Heptameren, die Kanäle für die Endocytose in der Zellmembran formen (BARTH et al., 2000). Diese besitzt ADP-Ribosyltransferaseaktivität für Aktin und zerstört das Zy­

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toskelett (AKTORIES et al., 1986; MAUSS et al., 1990; AKTORIES et al., 2011). Die Depo­

lymerisierung der F-Aktine führt zu einer Rundung der Zelle. Schließlich kommt es verzögert zur Apoptose (HEINE et al., 2008). Darüber hinaus erhöht es die Adhärens für Clostridien durch eine größere Zelloberfläche infolge neugebildeter Mikrotubu­

listrukturen (SCHWAN et al., 2009).

2.3.2.2 C3-Toxin

Das C3-Toxin ist ein Trypsin-resistentes Exoenzym und wird als einzelnes Polypeptid mit ca. 26 kD Molekulargewicht gebildet. Es kommen zwei Isoformen (C3bot1 und C2bot2) vor. Ihre Sequenzhomologie wird von verschiedenen Autoren etwas unter­

schiedlich angegeben im Bereich von 77 % bezüglich der Nucleotidsequenz und 66 % auf AS-Level. Das Toxingen liegt auf demselben Bakteriophagen wie das BoNT/C- bzw. D-Gen (HAUSER et al., 1993; POPOFF et al., 1991; WILDE u. AKTORIES

2001; MORIISHI et al., 1993). Es handelt sich ebenfalls um eine Mono-ADP-Ribosyl­

transferase, allerdings fehlt eine Binde- und Translokationsdomäne und ihr Substrat ist klar unterscheidbar von dem des C2-Toxin – es handelt sich um die Guanosin-Tri­

phosphat (GTP)-bindenden Rho-Proteine A, B und C (AKTORIES et al., 1987; RUBIN

et al., 1988) und Rac-Proteine 1 und 2 (r a s-related C3 botulinum toxin substrate) (POLAKIS et al., 1989; DIDSBURY et al., 1989). Beide gehören zur Familie der Ras-Pro­

teine, die bei Zellwachstums- und Transformationsvorgängen in der Zelle eine große Rolle spielen. Sie werden insbesondere mit der Regulation des Zytoskeletts, wie z. B.

Signaltransduktion, Proteintransport und Sekretion, in Verbindung gebracht. Insbe­

sondere für die Rho-Proteine sind zahlreiche Schlüsselfunktionen bekannt (NEMOTO

et al., 1991; MORIISHI et al., 1993; WILDE u. AKTORIES 2001). Eine Wirkung insbeson­

dere auf intestinale Epithelzellen und Fibroblasten wurde vermutet (NUSRAT et al., 1995). Bei Vero-Zellen konnte durch C3-Toxin die Zellmorphologie durch Beschädi­

gung des Mikrofilamentgerüsts herbei geführt werden (CHARDIN et al., 1989). In vitro-Studien mit entsprechenden Ergebnissen waren jedoch auf Mikroinjektionstechniken oder oder lange Inkubationszeiten mit hohen Konzentrationen des Toxins angewie­

sen. Schließlich konnte die Endocytose und damit die im Vergleich schnelle Aufnah­

me des Toxins in die Zelle speziell für Monocyten und Makrophagen nachgewiesen

me des Toxins in die Zelle speziell für Monocyten und Makrophagen nachgewiesen

Im Dokument Botulismus bei Großkatzen (Seite 39-0)