2.4.1 Mäuse-Bioassay
Standardmethode im Nachweis von C. botulinum ist der Mäuse-Bioassay. Seine Ver
wendung ist bei der Untersuchung von Lebensmitteln nach § 64 LFGB vorgeschrie
ben entsprechend DIN 10102. BoNTe verursachen meist innerhalb von 24 Stunden, aber evtl. auch erst nach bis zu vier Tagen, nach i.p.-Injektionen ein charakteristi
sches gesträubtes Fell, Dyspnoe, Gliedmaßenlähmung bis zur völligen Paralyse und
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schließlich Atemversagen unter Ausbildung einer sogenannten Wespentaille. Für die Injektion werden die Proben direkt (z. B. Serum) oder es werden Auszüge aus den Probenmaterialien mit Gelatine-Phosphatpuffer verwendet. Für die Inhibierung kann das hitzelabile Toxin durch Erhitzen über 80 °C zerstört werden. Zum Ausschalten ei
ner mikrobiellen Begleitflora werden Probenansätze bei moderaten Temperaturen er
hitzt und bebrütet. Der Sporenbildner C. botulinum überlebt, keimt aus und bildet To
xin. Die Toxine nicht-proteolytischer Stämme müssen durch Inkubation mit Trypsin erst aktiviert werden. Zur Identifizierung der Serotypen wird der Neutralisationstest durchgeführt. Probenansätze werden mit Antiserum versetzt. Mäuse mit einem dem Typ entsprechend neutralisierten Ansatz überleben, die Kontrollmaus dagegen nicht (CENTERS FOR DISEASE CONTROL AND PREVENTION, 1998; SOLOMON und LILLY, 1998;
DLABOLA et al., 2013). Der Mäuse-Bioassay ist mit einer LD50 von 5–10 pg sehr sen
sitiv (SMITH u. SUGIYAMA, 1988; SCOTCHER et al., 2010). Die Nachweisgrenze liegt bei 10–20 pg BoNT/ml (WICTOME et al., 1999).
2.4.2 Kulturelle Methoden
Für die Isolierung von C. botulinum sind besondere Anforderungen nötig. C. botuli
num wächst bis auf wenige Ausnahmen strikt anaerob. Seine Anzucht erfolgt meist auf Flüssigmedien wie Hackfleisch-Glukose-Stärke-Medium oder Kochfleischmedi
um, die mit variablen Anteilen von Trypton, Pepton, Glukose, Hefeextrakt und Tryp
sin angereichert sein können (z B. Trypton-Pepton-Glukose-Hefe-Extraktionsmedium, Reinforced clostridial medium = RCM). Feste Nährböden wie Blutagar oder Ei
gelb-Agar (egg yolk agar = EYA) dienen zur Vereinzelung von Kolonien. EYA erlaubt die Beobachtung der typischen Lipasebildung durch C. botulinum Gruppe I–III (LINDSTRÖM u. KORKEALA, 2006). Zusätze von Cyclosporin, Sufamethoxazol oder Tri
methoprim befähigen die Nährmedien zu einer gewissen Selektion (SILAS et al., 1985; DEZFULIAN et al., 1981).
Eine mikrobielle, nicht-sporenbildende Begleitflora kann durch den Zusatz von Ethanol oder durch Erhitzen abgetötet werden (DOWELL et al., 1977). Dabei bevorzu
gen die Stämme der Gruppe I Temperaturen um die 80 °C. Die anderen Stämme sind weniger hitzetolerant und eine Temperatur von 60 °C wird empfohlen. In jedem Fall sollte der Kultur Lysozym zugesetzt werden (SMITH u. SUGIYAMA, 1988, S. 80)
Eine biochemische Differenzierung aufgrund von Stoffwechseleigenschaften ist schwierig. Verschiedene Schnelltestsysteme für Anaerobier sind verfügbar, aber eine genaue Bestimmung aller Stämme auf Spezies-Level ist nicht möglich. Stämme der einzelnen Stoffwechselgruppen sind mit ihren nicht toxigenen Gegenstücken so nahe verwandt (LEE u. RIEMANN, 1970 a, 1970 b) und phänotypisch ähnlich, dass die Tests nicht in der Lage sind, zwischen ihnen zu unterscheiden, wie z. B. Gruppe I mit
2 Der Erreger | 37 C. sporogenes oder Gruppe III mit C. novyi (BRETT, 1998; LINDSTRÖM et al., 1999;
KIRITANI et al., 1973).
2.4.3 Immunchemische Methoden
Antikörper-basierte Immunoassays sind einfach durchzuführen, spezifisch (insbeson
dere unter Verwendung von monoklonalen Antikörpern), sensitiv, schnell und eignen sich für die Untersuchung großer Probenmengen. Sie sind daher zur Zeit im klini schen Bereich für ein Screening zu Beginn eines Botulismusausbruchs am besten geeignet. Es wurden verschiedene Testsysteme entwickelt wie z. B. enzyme-linked immunosorbent assays (ELISA), Elektrochemilumineszenz-basierte Systeme (ECLIA) oder immunchromatographische Tests (SIMON et al., 2015). Sie erreichen gegenüber ersten Entwicklungen wie Radioimmunoassay, Gel-Diffusions-Assay und passivem Hämagglutinationstest eine Sensitivität im Bereich des Mäuse-Bioassays.
Nachteilig können falsch positive Ergebnisse aufgrund des Nachweises biologisch nicht aktiven Toxins oder der unterschiedlichen Affinität gegenüber monoklonalen Antikörpern durch große genetische Variabilität innerhalb der Serotypen sein. Ver
schiedene Probenmaterialien können weiterhin die Sensitivität stark reduzieren (LINDSTRÖM u. KORKEALA, 2006).
ELISA sind die am meisten verwendeten immunchemischen Tests beim Nachweis von Toxinen oder Antikörpern. Ein häufiges ELISA-Format ist der Sandwich-ELISA, bei dem das Antigen zwischen einem an eine Mikrotiterplatte gebundenen Antikörper und einem Enzym-markierten Detektions-Antikörper fixiert ist. Dieser trägt zusätzlich zu seiner Bindungsstelle für das gesuchte Antigen ein Enzym, oft alkalische Phos
phatase oder eine Peroxidase, welches einen Farbstoff spaltet und damit ein photo
metrisch auswertbares Signal verursacht.
STÖBEL, SCHÖNBERG und STAAK beschrieben 2002 zum Nachweis von Antikörpern gegen B. burgdorferi einen tierartunabhängigen, indirekten ELISA. Das Problem, für jede Spezies spezifische sekundäre Antikörper herstellen zu müssen, wird hierbei über die Verwendung von Protein A bzw. Protein G (als Peroxidase-Konjugat) umgan
gen. Diese Proteine sind normale Bestandteile der Zellwand von Staphylococcus au
reus und Streptokokken der Gruppen C und G. Sie sind in der Lage, an die Fc-Regi
on von Immunglobulin G (IgG) zu binden, ohne die Interaktion des Antikörpers mit dem Antigen (Ag) zu beeinflussen. Immunglobuline von Vögeln und anderen niede
ren Tierarten reagieren nicht. Es ließen sich mit demselben Testsystem alle Tierarten mit Ausnahme von Vögeln, Reptilien und Amphibien untersuchen. Der serologische Teil dieser Arbeit basiert auf diesem Ansatz.
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2.4.4 Molekularbiologische Methoden
DNA-basierte Untersuchungsmethoden wie die Polymerase-Kettenreaktion (Polyme
rase Chain Reaction, PCR) oder der Southern Blot sind sowohl sensitiv als auch spe
zifisch. Bei der PCR wird ein bestimmter DNA-Sequenzabschnitt durch wiederholte Zyklen von DNA-Spaltung (Denaturierung), Anlagerung der diesen Abschnitt eingren
zenden Primer (Annealing) und Anlagerung neuer Nukleotide durch eine Polymerase (Elongation) exponentiell vervielfältigt. Durch Einlagerung radioaktiver Substanzen in das erzeugte Amplifikat kann nach Übertragung in ein Agarose-Gel und elektropho
retischer Auftrennung eine entsprechende Bande dargestellt werden. Beim Southern Blot wird die DNA durch Restriktionsenzyme in Fragmente zerkleinert, durch Gelelek
trophorese aufgetrennt, auf eine Membran übertragen (Blotting) und mit einer mar
kierten und auf den gesuchten Genabschnitt passenden markierten Oligonucleotid hybridisiert (Sonde).
Verschiedene Weiterentwicklungen haben die Effizienz noch erhöht. Multiplex- PCR-Methoden erlauben den gleichzeitigen Nachweis mehrerer Toxintypen (A, B E, F: LINDSTRÖM et al., 2001; KIRCHNER et al., 2010; C/D/Mosaikvarianten: ANNIBALLI
et al., 2013 a). Eine Nested-PCR mit zwei hintereinander geschalteten PCR steht für BoNT/B, E und F zur Verfügung (DAHLENBORG et al., 2001; KAKINUMA et al., 1997).
Die real-time quantitative PCR (qPCR) verwendet interkalierende Farbstoffe oder nach verschiedenen Strategien signalgebende Oligonucleotide, die eine Beobach
tung der Amplifikation in Echtzeit und damit eine schnellere Interpretation ermögli
chen. Die Analyse der entstehenden Kurve erlaubt außerdem eine quantitative Aus
wertung. qPCR-Protokolle sind für alle C. botulinum-Typen beschrieben (FACH et al., 2009; VIDAL et al., 2011; ANNIBALLI et al., 2013 a; KIRCHNER et al., 2010; HILL et al., 2010).
Molekularbiologische Methoden werden bei C. botulinum überwiegend zum Nach
weis der BoNT-Gene benutzt. Bei der Interpretation muss berücksichtigt werden, dass damit weder die Aktivität, noch das Toxin erfasst werden, sondern im Gegenteil zusätzlich zum Erreger auch unter Umständen DNA-Artefakte oder ruhende Gene.
Mit einem Anreicherungsschritt oder dem Nachweis von RNA als Ausdruck aktiver Gene mittels der Reverse Transcription-PCR (RT-PCR) lässt sich diesem Problem begegnen. Schnelligkeit, einfache Durchführung und ethische Unbedenklichkeit ma
chen die Techniken schließlich dennoch zu weit verbreiteten Screening- und Unter
suchungsmethoden (LINDSTRÖM u. KORKEALA, 2006).
Zu Bedenken ist weiterhin, dass zum einen komplexe Probenmaterialien die Sensi
tivität stark reduzieren können und zum anderen C. botulinum in natürlich kontami
nierten Proben oft nur in geringen Mengen vorkommt, sodass die Nachweisgrenze nicht ausreicht und Anreicherungstechniken nötig sind (AL-SOUD et al., 2000; AL
-2 Der Erreger | 39 SOUD und RÅDSTRÖM, 2001; SCHRADER et al., 2012; WILSON, 1997; LINDSTRÖM et al., 2001).
Neben dem Nachweis der Toxingene wurden inzwischen auch andere Gene für die Untersuchung von C. botulinum ins Visier genommen. Die Konzentration auf durch alle Typen durchgehend stark konservierte Gene wie das ntnh-Gen ermöglicht ein allgemeines Screening auf C. botulinum (RAPHAEL u. ANDREADIS, 2007). In den letz
ten Jahren wurden außerdem die Flagellin-Gene von C. botulinum für phylogeneti
sche und epidemiologische Untersuchungen und zur Differenzierung von Isolaten desselben Serotyps mit herangezogen. Zum Nachweis von Flagellin-Genen entwi
ckelte qPCR-Verfahren helfen hier bei der schnellen Genotypisierung von Isolaten und ergänzen Methoden wie Ribotyping oder amplified fragment length polymor
phism (AFLP) (PAUL et al., 2007; WOUDSTRA et al., 2013, 2015).
2.4.5 Endopeptidase-Assay
HALLIS, JAMES und SHONE entwickelten 1996 einen neuen Ansatz für den Toxinnach
weis, bei dem das spezifische Spaltungsvermögen von BoNTen für SNARE-Proteine ausgenutzt wird. Die Spaltprodukte werden z. B. durch immunochemische Methoden, Fluoreszenzmessung oder mittels Massenspektrometrie detektiert (EKONG et al., 1997; SCHMIDT et al., 2001; BARR et al., 2005). Durch die Kombination mehrerer präzi
ser Techniken kann die Methode alle Serotypen unterscheiden und erreicht eine Sensitivität, die noch unter der des Mäuse-Bioassays liegt (WANG et al., 2015; KALB
et al., 2010; KALB et al., 2015). Da nur biologisch aktives BoNT nachgewiesen wird und es sich um eine schnelle, sensitive wie auch spezifische Methode handelt, wird er als eine der vielversprechendsten Techniken zum Ersatz des Mäuse-Bioassays gesehen (ČAPEC u. DICKERSON, 2010; BJÖRNSTAD et al., 2014). Kritiker führen jedoch an, dass durch den Fokus auf die Aktivität der leichten Kette des Toxins nicht die vollständige biologische Aktivität der BoNTe erfasst wird. Somit wird die Technik noch nicht als gleichwertiger Ersatz für den Mäuse-Biosassay gesehen (ADLER et al., 2010).
Neben den beschriebenen Verfahren gibt es noch eine Vielzahl von weiteren Metho
den, ob in vivo, ex vivo oder in vitro. Auf eine erschöpfende Darstellung muss an die
ser Stelle verzichtet werden, da sie den Rahmen der Arbeit sprengen würde.
41
III Testentwicklung: Enzyme-Linked Immuno
sorbent Assay (ELISA) 1 Material und Methoden
Es wurden Reagenzien und Medienbestandteile von MERCK (Darmstadt, Deutsch
land) und SIGMA-ALDRICH® (Seelze, Deutschland) und Verbrauchsmaterialien von SARSTEDT (Nümbrecht, Deutschland) verwendet, soweit es nicht anders im Text an
gegeben ist. Genaue Angaben über die Zusammensetzung von Puffern und Medien befinden sich im Anhang (Kap. XII 2).
Grundlage für die ELISA-Entwicklung bildete die Arbeit von STÖBEL, SCHÖNBERG
und STAAK (2002). Dieser tierartunabhängige ELISA wurde nach Vorgaben eines in
stitutseigenen ELISA modifiziert (s. Anhang, Tabelle XII.1) und dann für die Detektion von Antikörpern, die gegen die Neurotoxine von C. botulinum gerichtet sind, ange
passt und optimiert.
Alle Versuche der Testentwicklung wurden in Dreifachbestimmung durchgeführt, mit Ausnahme des Versuches zur Übertragung des Tests auf die relevanten Tierar
ten. Hier wurden Doppelbestimmungen verwendet. Bei der Validierung war die An
zahl der Wiederholungen vom Testziel abhängig.
Für jeden Versuch wurden dem Versuchsziel entsprechend Negativkontrollen aus
gewählt (s. Kap. III 1.3). Auf jeder Mikrotiterplatte wurde mindestens eine Negativkon
trolle mitgeführt.