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Die Vorinstanz nimmt an, der neurotische Zustand des Versicherten sei möglicherweise durch die Unterbringung in einem Internat ungünstig

Invalidenversicherung Eingliederung

2. Die Vorinstanz nimmt an, der neurotische Zustand des Versicherten sei möglicherweise durch die Unterbringung in einem Internat ungünstig

beeinflußt worden, wofür die IV im Rahmen von Art. 11, Abs. 1, IVG ver-antwortlich gemacht werden könne. Nach dieser Bestimmung haben Ver-sicherte «Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten für Krankheiten und Un-fälle, die durch Eingliederungsmaßnahmen verursacht werden». Aber auch dann, wenn man die Neurose des Versicherten der Plazierung zuschreiben würde, wäre dies absolut kein Grund, hiefür die IV verantwortlich zu machen.

Die Sonderschulung im Sinne von Art. 19 IVG ist eine Eingliederungsmaß-nahme, bei der sich die IV auf die Gewährung von Beiträgen beschränkt aber keine Anordnungen trifft. Das EVG hat schon verschiedentlich fest-gestellt, daß die sich auf Grund von Art. 11, Abs. 1, IVG, ergebenden An-sprüche keine Versicherungsleistungen darstellen, sondern auf einer Kausal-haftung der IV für die Folgen einer von ihren Organen angeordneten Ein-gliederungsmaßnahme beruhen (s. ZAK 1965, S. 234). Die Volksschule und die Überwachung des privaten Unterrichts ist Aufgabe der Kantone und Gemeinden. Die Entscheidung über die Plazierung eines Kindes in eine Schule steht — abgesehen von strafrechtlichen Fällen — den Eltern oder dem Vormund zu. Wenn daher durch eine solche Maßnahme einem Ver-sicherten Schaden entsteht, liegt die Verantwortung — sofern überhaupt von einer Verantwortlichkeit gesprochen werden kann — ausschließlich bei den gesetzlichen Vertretern oder bei den Vormundschafts- und Schul-behörden mit Ausschluß von Personen, die wie der Bund über die IV, die fraglichen Maßnahmen nur subventionieren. Art. 11, Abs. 1, IVG ist somit im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

3. In der Folge bleibt zu prüfen, ob die in Frage stehenden Maßnahmen nicht im Rahmen von Art. 12 IVG von der IV übernommen werden könnten.

Wie das EVG in bezug auf Art. 12, Abs. 1, IVG ausführte (EVGE 1962, S. 308;

ZAK 1963, S. 130), liegt eine Eingliederungsmaßnahme vor, wenn nicht von einer Behandlung des Leidens an sich gesprochen werden kann — d. h., wenn die Vorkehren nicht überwiegend der Heilung oder Linderung labilen patho-logischen Geschehens dienen — und sofern die Maßnahme geeignet ist, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentli-cher Beeinträchtigung zu bewahren. Gehören medizinische Vorkehren im Einzelfall nicht eindeutig zur eigentlichen Leidensbehandlung, so ist abzu-wägen, ob sie vorwiegend der beruflichen Eingliederung im erwähnten Um-fang oder andern Zwecken dienen. Bei der Beurteilung der Frage, ob bei minderjährigen Versicherten eine medizinische Vorkehr vorwiegend der be-ruflichen Eingliederung dient und geeignet ist, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern, ist von Art. 5, Abs. 2, IVG auszugehen. Dar-nach gelten nichterwerbstätige Minderjährige mit einem körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als invalid, wenn der Gesundheitsschaden wahr-scheinlich eine Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird. Wie das EVG schon mehrfach feststellte, kann es bei Versicherten, die in das Berufs-bildungsalter eintreten, hinsichtlich der medizinischen Eingliederungsmaß-nahmen als geboten erscheinen, nicht bis zum Eintritt einer Defektheilung oder eines anderswie stabilisierten Zustandes zuzuwarten; denn sonst würde in manchen Fällen die Berufsbildung erschwert, der Eintritt ins Erwerbs-leben verzögert und die Erfolgsaussichten von später ohnehin notwendigen Eingliederungsmaßnahmen erheblich verringert. Bei Jugendlichen an der Schwelle des Berufsbildungsalters können demnach medizinische Vorkehren 446

schon dann der beruflichen Eingliederung dienen — auch bei evolutivem Leiden — wenn

a. ohne diese medizinischen Vorkehren in absehbarer Zeit eine Defektheilung oder ein sonstwie stabilisierter Zustand eintreten würden, welche die Be-rufsbildung oder die Erwerbsfähigkeit oder beide beeinträchtigen könnten, und sofern

lg. einmalige oder während begrenzter Zeit zu wiederholende, für die spätere Berufstätigkeit notwendige und geeignete Maßnahmen in Frage stehen und

c. die Anordnung der Maßnahmen im gegenwärtigen Zeitpunkt medizinisch und beruflich als angezeigt erscheint (s. EVGE 1964, S. 19; ZAK 1964, S. 202; EVGE 1963, S. 53; ZAK 1963, S. 408 und die Rechtssprechung in Erwägung 2).

Im vorliegenden Fall hätte der Versicherte ohne die durchgeführte psychopädagogische Behandlung nicht geschult werden können, was ihm praktisch jede Aussicht, sein Leben zu verdienen, genommen hätte. Ander-seits setzt der Erfolg einer psychiatrischen Behandlung, die der Anpassung des Minderjährigen an seine Verhältnisse dient, voraus, daß die Maßnahmen rasch ergriffen werden. Eine Verzögerung in der Behandlung könnte zu einem Mißerfolg führen. Hingegen trifft es nicht zu, daß die in Frage stehenden Maßnahmen eine einmalige oder während begrenzter Zeit wiederholte Be-handlung darstellen. Die strittige BeBe-handlung wurde seit Juni 1960 durch-geführt und wird noch während unbestimmter Zeit fortgesetzt werden, min-destens während der gesamten Schulzeit des Versicherten. Wenn auch der Begriff der beschränkten Zeit für jugendliche Versicherte relativ ist, kann eine Zeitspanne, die sich vom Beginn bis zum Ende der Schulzeit, sogar bis zum Ende der beruflichen Ausbildung — wie dies die Vorinstanz annimmt — erstreckt, nicht demselben entsprechen. Eine der Bedingungen, die nach der erwähnten Gerichtspraxis für die Gewährung der fraglichen Maßnahmen in Anwendung von Art. 12 IVG maßgebend sind, wird somit im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Berufung ist daher gutzuheißen. Hiezu ist festzu-stellen, daß die Praxis des EVG zur Frage, unter welchen Bedingungen eine Ausgleichskasse befugt ist, auf eine Verfügung zurückzukommen (s. EVGE 1963, S. 84, ZAK 1963, S. 295 und die vom Berufungsbeklagten zitierte Rechtssprechung in Erwägung 2) im vorliegenden Fall nicht an-wendbar ist. Hingegen sind die sich hier ergebenden Verhältisse nicht ohne ge-wisse Übereinstimmungen mit denjenigen, in denen sich ein Rentner be-findet, dessen Invaliditätsgrad sich verändert und den Rentenanspruch für die Zukunft beeinflußt (Art. 41 IVG).

4. Es bleibt zu prüfen, ob die Verfügung der Ausgleichskasse vom 23. März 1964, welche im Prinzip wieder hergestellt werden sollte, ab 1. September 1963 in Rechtskraft treten kann. Die IV-Kommission hat mit Rücksicht auf die Verlängerung der Behandlung festgestellt, daß mit der Zeit die Eingliederungsmaßnahmen nicht mehr zu Lasten der IV gewährt werden können. Wenn aus irgendwelchen Gründen eine medizinische Be-handlung in einem bestimmten Zeitpunkt aber vor Ablauf der für die Re-vision des Falles festgesetzten Frist nicht mehr als eine zu Lasten der IV gehende Eingliederungsmaßnahme betrachtet werden kann, verlangt die

Gleichbehandlung eine Lösung, die der Gutgläubigkeit des Versicherten Rechnung trägt. Im vorliegenden Fall kann die angefochtene Verfügung also erst ab 23. März 1964 in Rechtskraft treten (s. ZAK 1965, S. 51). Die IV hat somit die Kosten für die genannte psychopädagogische Behandlung nur bis zum 23. März 1964 zu gewähren.

Urteil des EVG vom 30. Dezember 1964 1. Sa. Y. M.

Art. 16 IVG. Die IV trägt die invaliditätsbedingten Mehrkosten der Berufslehre eines invaliden Lehrlings immer auch dann bis zum Lehrabschluß, wenn wegen der Art des bestehenden Gebrechens die Lehre in einer Anstalt stattfinden oder länger als für gesundheitlich vollwertige Lehrlinge bemessen werden muß. Ist die Berufslehre aber einmal bestanden, so gilt die erstmalige berufliche Ausbildung als beendigt.

Die Versicherte ist wegen angeborener Netzhaut-Degeneration am rechten Auge gänzlich blind und am linken Auge so gut wie blind. Während der letzten Jahre hatte ihr die IV verschiedene Hilfsmittel abgegeben sowie Beiträge zur Sonderschulung gewährt und die invaliditätsbedingten Mehr-kosten einer kaufmännischen Berufslehre in verschiedenen Blindenheimen bezahlt. Im März 1964 hat die Versicherte ihre dreijährige Berufslehre mit schönem Erfolg abgeschlossen. Mit Eingabe vom 23. April 1964 ersuchte ein Blindenheim die zuständige IV-Kommission, die IV möge zur Ergänzung der Berufslehre einen sechsmonatigen Kurs in einer Schule in London be-willigen, was auf rund 3000 Franken zu stehen komme. Zur Begründung wurde ausgeführt, nur wenn sie zwei Fremdsprachen überdurchschnittlich gut kenne, dürfe eine blinde Tochter auf Vollbeschäftigung in einem kauf-männischen Büro hoffen. Laut Kommissionsbeschluß vom 21. Mai verfügte die Ausgleichskasse am 5. Juni 1964, die IV habe schon die kaufmännische Berufslehre finanziert und könne keine weitern Ausbildungskosten über-nehmen. Das Blindenheim beschwerte sich und wiederholte seine Vorbringen.

Doch wies die kantonale Rekurskommission mit Urteil vom 17. September 1964 die Beschwerde ab.

Das Blindenheim hat rechtzeitig Berufung eingelegt. Es erneuert sein für die Versicherte gestelltes Gesuch und rügt, zu Unrecht erkläre der kan-tonale Richter, während ihrer Berufslehre habe die Versicherte die Sprachen-kenntnis erworben, die man von einer frisch aus der Lehre kommenden kauf-männischen Angestellten verlange. Ein Blinder tauge wenig für einen Teil der Büroarbeiten (z. B. Arbeit an der Rechenmaschine, Spedition, Buchhal-tung) und müsse diesen Mangel durch außerordentliche Sprachenkenntnis wettmachen. Während die Ausgleichskasse sich mit dem Hinweis auf EVGE 1963, S. 200, begnügt, bezeichnet das BSV in seinem Mitbericht die Berufung als unbegründet und bemerkt hauptsächlich folgendes:

Zu Lasten der IV gehe eine berufliche Ausbildung nur insoweit, als sie für die künftige Erwerbstätigkeit eines Invaliden notwendig sei. Von einer Korrespondentin für Fremdsprachen fordere man, daß sie den Wortschatz, die Rechtschreibung und die Grundzüge der Stilistik kenne. Hiefür bedürfe 448

es — bei den heutigen Lehrmethoden — keines Aufenthaltes im fremdsprach-lichen Gebiet. Auch stehe die Berufungsklägerin nicht vor dem Antritt eines Postens, für dessen Besetzung ein Englandaufenthalt vorgeschrieben sei.

Mit nachträglichen Eingaben vom 10., 24. und 29. Dezember meldet das Blindenheim, die Versicherte habe vom 4. Mai bis 9. Oktober 1964 ihren Sprachkurs in London gemacht, im November bei einer Textilfabrik einen Monat Probezeit als Korrespondentin bestanden und sei seit Dezember dort vollbeschäfigte Angestellte; sie schreibe deutsche, französische und engli-sche Korrespondenz ab Diktiergerät und erhalte monatlich 650 Franken Anfangslohn. Ohne den Englandaufenthalt wäre eine volle Eingliederung dieser blinden Tochter kaum je gelungen. Während Abendkurse der kauf-männischen Berufsschulen einem sehenden Büroangestellten jede denkbare Weiterbildung ermöglichten, müsse der blinde •Anwärter auf eine Korrespon-dentenstelle im Anschluß an die Berufslehre einige Monate in fremdsprachi-gem Gebiete verbringen und so sich bestmöglich «spezialisieren».

Das EVG wies die eingereichte Berufung aus folgenden Erwägungen ab:

1. Verursacht die erstmalige berufliche Ausbildung eines Invaliden, der