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Renten, Taggelder und Hilflosenentsdiädigung

Urteil des EVG vom 21. Oktober 1964 i.Sa. O.C.

Art. 22, Abs. 1, IVG. Unter Arbeitsunfähigkeit, die gegebenenfalls Anspruch auf Taggeld gibt, ist nicht die medizinische Bemessung der rein funktionellen Behinderung zu verstehen, sondern die Unfähigkeit des Versicherten, seine gewohnte Erwerbstätigkeit auszuüben. (Er-wägung 2)

Art. 22 und Art. 8, WG. Die Voraussetzungen für das Taggeld können frei überprüft werden, selbst wenn die Uebernahme der Kosten für die medizinischen Maßnahmen durch die IV bereits Gegenstand einer Verfügung bildete. (Erwägung 2)

Art. 12, Abs. 1, WG. Bei unfallbedingten Knochenbrüchen beschränkt sich die Behandlung des Leidens an sich nicht nur auf die üblicher-weise notwendigen medizinischen Vorkehren, sondern umfaßt auch diejenigen Maßnahmen, die zur Verhinderung oder Beseitigung von Komplikationen ergriffen werden müssen und die in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem Heilungsprozeß stehen.

Die Physiotherapie stellt ihrer Natur nach nicht notwendigerweise eine Eingliederungsmaßnahme dar. Sie bekommt diese Bedeutung — wie das auch bei andern medizinischen Vorkehren zutrifft — nur dann, wenn sie eindeutig außerhalb des Behandlungsplanes steht und überwiegend der beruflichen Eingliederung dient. (Erwägung 3) 342

Der Versicherte brach sich am 13. August 1961 bei einem Sturz den linken Arm. In einem vom 30. Juni 1962 datierten Bericht stellte der behandelnde Arzt folgende Diagnose: Nicht knöchernverwachsene Fraktur mit Verschie-bung unterhalb des linken Oberarmkopfes und Versteifung aller Gelenke des Oberarmes.

Der Arzt sah vor, die im Entstehen begriffene Pseudarthrose operativ zu behandeln und hielt eine vorgängige physiotherapeutische Behandlung zur Verbesserung der Gelenkfunktionen als unerläßlich.

Die kantonale IV-Kommission beschloß, auf Grund der bei ihr am 18. Juni 1962 eingereichten Anmeldung für die Gewährung von medizinischen Einglie-derungsmaßnahmen und nachdem sie den vorgenannten Bericht erhalten hatte, die Kosten für die physiotherapeutische Behandlung vom 1. Juni 1962 an für eine Dauer von 6 Monaten (die nachträglich bis zum Jahresende verlängert wurde) zu übernehmen. Sie lehnte es dagegen ab, die Kosten für den vorge-sehenen chirurgischen Eingriff von der IV tragen zu lassen. Dieser Beschluß wurde dem Versicherten durch Verfügung der Ausgleichskasse vom 18. Sep-tember 1962 eröffnet. Mit ergänzenden Verfügungen vom 25. SepSep-tember und 15. Oktober 1962, setzte die Ausgleichskasse das Taggeld während der Durch-führung der gewährten medizinischen Maßnahmen auf 18 Franken (ohne Ein-gliederungszuschlag) fest. Als sie im Februar 1963 von der IV-Kommission aufgefordert wurde, dieses Taggeld für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1962 auszurichten, stellte sich dann aber die Ausgleichskasse auf den Stand-punkt, daß der Versicherte die Voraussetzungen des Artikels 22 IVG nicht er-fülle, da er weder an drei aufeinanderfolgenden Tagen wegen der Eingliede-rung verhindert gewesen sei, einer Arbeit nachzugehen noch zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähig sei. Sie eröffnete ihm deshalb am 7. März 1963 eine Verfügung mit welcher jegliche Taggeldauszahlung verweigert wurde. Der Ver-sicherte beschwerte sich gegen diese Verfügung und verlangte, daß die vorher-gehende Verfügung vom 15. Oktober 1962 aufrecht erhalten werde. Die Rekurs-kommission schützte die Beschwerde und erkannte dem Versicherten einen Tag-geldanspruch für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1962 zu. Sie stellte fest, daß der Beschwerdeführer im Juni 1962 während sechs aufeinanderfol-genden Tagen im Spital gewesen war und gemäß der maßgebenden medizini-schen Schätzung während der ganzen in Betracht kommenden Periode eine mindestens 50prozentige Arbeitsunfähigkeit aufgewiesen habe. Die Rekurs-kommission betrachtete deshalb die in Artikel 22 IVG vorgesehenen Voraus-setzungen vorliegend als erfüllt.

Das EVG hat die Berufung des BSV mit folgender Begründung gutge-heißen:

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2. Art. 22, Abs. 1, IVG bestimmt, daß «der Versicherte während der Ein-gliederung Anspruch auf ein Taggeld hat, wenn er an wenigstens drei aufein-anderfolgenden Tagen wegen der Eingliederung verhindert ist, einer Arbeit nachzugehen, oder zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähig ist.»

a. Die Ausgleichskasse hat den Anspruch auf das Taggeld verneint mit der Begründung, daß der Versicherte weder an wenigstens drei aufeinander-folgenden Tagen wegen der Eingliederung verhindert gewesen sei, einer Arbeit nachzugehen, noch eine mindestens 50prozentige «wirtschaftliche Invalidität»

aufgewiesen habe. Was den ersten Punkt anbelangt, scheint die Ansicht der Kasse in Bezug auf anfangs Juni 1962 nicht richtig zu sein, wie dies der kan-tonale Richter bereits festgestellt hat. Was den zweiten Punkt betrifft, ver-langt der Gesetzestext nicht einen Mindestgrad an Erwerbsfähigkeit sondern an «Arbeitsunfähigkeit» (ohne daß zwischen der Eingliederung und der Ar-beitsunfähigkeit ein Verhältnis von Ursache und Wirkung bestehen muß;

vgl. EVGE 1963, S. 285; ZAK 1965, S. 46, und die dort zitierten Urteile). Bei der Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bestimmung handelt es sich nun aber um nichts anderes als um die Unfähigkeit des Versicherten, seine gewohnte Erwerbstätigkeit auszuüben. Diesbezüglich ist folgendes hervorzuheben:

- Der Grad der Arbeitsunfähigkeit ist nicht identisch mit der medizinischen Bemessung der rein funktionellen Behinderung (z. B. der Beeinträchti-gung einer Funktion infolge des organischen Leidens) ;

- Die Bemessung der funktionellen Behinderung dient wohl als Grundlage für die Bewertung des Maßes in welchem der Versicherte verhindert ist, seine gewohnte Erwerbstätigkeit auszuüben; die Auswirkungen dieser Behinderung können aber ganz verschieden sein je nach der Art der Er-werbstätigkeit. Von den Auswirkungen der funktionellen Behinderung auf die individuelle und konkrete Erwerbstätigkeit des Versicherten hängt der Grad der Arbeitsunfähigkeit ab;

- Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Arbeitsunfähigkeit dagegen ge-hören — entgegen der Meinung der Ausgleichskasse — nicht zu den Be-messungskriterien dieser Arbeitsunfähigkeit und übersteigen den Rahmen des Art. 22 IVG, wobei man allerdings, falls das Erwerbseinkommen eines Versicherten trotz der Arbeitsunfähigkeit keinen Rückgang erleidet, ver-muten kann, daß wegen der Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit, die funktionelle Behinderung die Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigt.

Vorliegend kam der Arzt zum Schluß, daß der Berufungsbeklagte bis ungefähr Mitte August voll, bis zur ersten Oktoberwoche zu drei Vierteln und bis Ende 1962 noch zur Hälfte arbeitsunfähig gewesen sei. Man kann sich fragen, ob er bei seiner Schätzung in gebührender Weise dem ge-mischten Charakter der Erwerbstätigkeit des Versicherten, der sich gleich-zeitig als Weinbauer (eine Tätigkeit bei der die manuelle Arbeit wiegt) und als Weinhändler (Beruf, bei dem die leitende Funktion über-wiegt) betätigt, Rechnung getragen hat. Diese Frage braucht allerdings nicht näher geprüft zu werden, da sich vorliegend die Lösung aus andern Komponenten ergibt.

b. Das Bundesamt für Sozialversicherung vertritt nämlich die Auffassung, daß entgegen der am 18. September 1962 ergangenen Verfügung die physio-therapeutische Behandlung keine Eingliederungsmaßnahme darstellt und daß es somit an der grundlegenden Voraussetzung für die Zusprechung des Tag-geldes mangelt.

Wenn auch der Anspruch auf Taggelder gemäß dem Wortlaut von Art. 22, Abs. 1, IVG nur während der Eingliederung besteht, so bilden doch die Tag-gelder eine unabhängige Leistung wie dies insbesondere aus der in Art. 8 IVG enthaltenen Aufzählung der Eingliederungsmaßnahmen hervorgeht. Das Vor-liegen der Voraussetzungen für diese Leistung kann deshalb vom Richter frei überprüft werden und das Bestehen einer Verfügung laut welcher die Kosten 344

medizinischer Maßnahmen von der IV übernommen werden, kann den Richter nicht daran hindern, im Rahmen von Art. 22 IVG zu prüfen, ob man es tat-sächlich mit einer Eingliederung zu tun hat. Diese Prüfung führt nun aber vorliegend zu der Feststellung, daß hier keine Eingliederung vorliegt.

3. Die Behandlung eines unfallbedingten Knochenbruches stellt ohne Zwei-fel eine Behandlung des Leidens an sich dar. Es wird nämlich durch die Kon-solidierung des gebrochenen Knochens im allgemeinen die Heilung der Verlet-zung und das erneute Funktionieren des geschädigten Körperteiles angestrebt.

Diese Konsolidierung nun kann ihrerseits auf Schwierigkeiten stoßen, welche die Heilungsproben verzögern, ja sogar teilweise oder ganz gefährden können.

Medizinische Vorkehren, welche sowohl zur Verhinderung als auch zur Be-seitigung solcher Komplikationen vorgesehen sind, gehören deshalb ebenfalls zur Behandlung des Leidens an sich. Man darf den Begriff der Behandlung des Leidens an sich nicht auf die zuerst durchgeführten üblichen medizinischen Vorkehren beschränken und dann diejenigen Maßnahmen davon ausschließen die infolge Mißlingens der ersten Behandlung ergriffen werden müssen; min-destens so lange nicht, als diese Vorkehren in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Heilungsprozeß stehen (vgl. hiezu EVG-Urteil vom 18. 12. 63 i.Sa. R.B., ZAK 1963, S. 175). Die Physiotherapie an sich stellt keine Wiedereingliederungsmaßnahme im Sinne von Art. 12 IVG dar; wie bei jeder andern Maßnahme hängt auch ihre juristische Qualifikation vom überwiegen-den Zwecke ab; sie kann also nur dann vom Behandlungskomplex getrennt werden, wenn sie eindeutig außerhalb des Behandlungsplanes steht.

Im vorliegenden Falle traten als Komplikation des Bruches eine Pseud-arthrose und eine Gelenkversteifung hinzu, welche die Konsolidierung des Knochenbruches in Frage stellten. Als selbst eine später knöcherne Verwach-sung den vorgesehenen chirurgischen Eingriff überflüssig zu machen schien

— zu dessen vollem Erfolg die Physiotherapie anscheinend Vorbedingung war

— hatten die durchgeführten medizinischen Vorkehren zum Zwecke, dem pa-thalogischen Geschehen Halt zu bieten; sie stellten somit eine Behandlung des Leidens an sich dar. Die tatsächlichen und zeitlichen Beziehungen zwischen dem Leiden und diesen Maßnahmen erlauben nicht, einzelne Vorkehren aus dem gesamten Behandlungskomplex auszuscheiden. Gewiß war damit die be-rufliche Wiedereingliederung ebenfalls beabsichtigt, die Arbeitsfähigkeit näm-lich hätte ohne Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit des befallenen Glie-des nicht oder nur in einem geringen Ausmaße erreicht werden können. Aber die Physiotherapie stellte nur einen Teil der gesamten Knochenbruchbehand-lung dar, dessen HeiKnochenbruchbehand-lung fraglich war; die unbestreitbaren Merkmale der be-ruflichen Wiedereingliederung überwogen nicht die der Behandlung des Lei-dens an sich dienenden Vorkehren nicht.

Den medizinischen Vorkehren kommt nicht der Charakter medizinischer Eingliederungsmaßnahmen im Sinne von Art. 12 IVG zu, womit auch die Zu-sprechung eines Taggeldes gemäß Art. 22, Abs. 1, IVG während der fraglichen Zeit entfällt.

Urteil des EVG vom 11. Dezember 1964 in Sa. F.F.

Art. 29, Abs. 1, IVG. Solange sich eine halbseitig gelähmte Versicher-te einer Behandlung unVersicher-terzieht, die der WiederhersVersicher-tellung ihrer Be-wegungsfähigkeit dient, ist ihr Gesundheitszustand in Entwicklung begriffen. Es darf daher nicht Dauerinvalidität im Sinne der ersten Variante obiger Bestimmung angenommen werden.

Die 1904 geborene italienische Staatsangehörige F. F. ist mindestens seit 1947 in der Schweiz ansässig. Infolge eines am 25./26. September 1962 erlittenen Schlaganfalls wurde sie halbseitig gelähmt (Lähmung der linken Gesichts-hälfte, völlige Lähmung des linken Armes und zum Teil des linken Beines).

Mit Beschluß vom 11. November 1963 nahm die IV-Kommission bei der Ver-sicherten Vollinvalidität ab 29. September 1962 an; dagegen verweigerte sie ihr die Hilflosenentschädigung. Dieser Beschluß war Gegenstand einer durch die Ausgleichskasse erlassenen Verfügung, welche den Beginn des Renten-anspruchs der Versicherten auf den 1. September 1963 (den Monat ihrer Anmeldung) festsetzte.

Auf Beschwerde bestätigte die kantonale Rekurskommission die von der Verwaltung erlassene Verfügung in bezug auf den Beginn des Rentenanspruchs.

Das EVG seinerseits hat auf Berufung der Versicherten hin das kantonale Urteil aufgehoben und den Fall an die IV-Kommission zurückgewiesen zur Ergänzung der Untersuchung und zu neuer Beschlußfassung im Sinne der folgenden Erwägungen:

1. Die Gewährung einer IV-Rente hat nach Art. 28, Abs. 1, IVG zur Vor-aussetzung, daß der Versicherte entweder mindestens zur Hälfte oder in Här-tefällen mindestens zu zwei Fünfteln invalid ist. Das Bestehen eines Gesund-heitsschadens bildet für sich allein noch keinen Grund zur Gewährung einer Rente, dieser muß vielmehr dauernd oder während längerer Zeit die Erwerbs-fähigkeit vermindern. Der Anspruch auf Rente entsteht somit, wenn der Ver-sicherte dauernd mindestens zur Hälfte erwerbsunfähig geworden ist (Varian-te I) oder während 360 Tagen unun(Varian-terbrochen voll arbeitsunfähig war und weiterhin mindestens zur Hälfte erwerbsunfähig bleibt (Variante II von Art.

29, Abs. 1, IVG). Eine Rente kann wegen bleibender Invalidität ausgerichtet werden, wenn der Versicherte einen aller Wahrscheinlichkeit nach mehr oder weniger stabilisierten Gesundheitsschaden aufweist, der nicht unabwendbar letal, sondern im wesentlichen irreversibel ist und trotz eventueller Einglie-derungsmaßnahmen seiner Natur nach eine dauernde Verminderung der Er-werbsfähigkeit des Versicherten mit sich bringt. Eine mögliche spätere Aen-derung der wirtschaftlichen Verhältnisse (z. B. wegen einer stärker als er-wartet eingetretenen Angewöhnung oder wegen eines geeigneteren Tätigkeits-gebiets) schließt deswegen — insbesondere bei jüngeren Versicherten — die Annahme bleibender Erwerbsunfähigkeit im Sinne von Art. 29, Abs. 1, IVG nicht aus. Dem entspricht übrigens Art. 41 IVG, welcher bei Eintreten solcher Umstände die Revision der Rente ermöglicht. Bei Versicherten, die schon ein gewisses Alter erreicht haben, genügt es, daß ihr Gesundheitsschaden bis zum Zeitpunkt ihrer Altersrentenberechtigung im wesentlichen irreversibel ist (vgl. Urteil F. D. vom 22.9. 64, ZAK 1964, S. 553).

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Nach dem Wortlaut von Art. 48, Abs. 2, IVG wird zudem die Rente eines Versicherten, der sich mehr als 6 Monate nach Entstehung des Rentenanspruchs meldet, nur vom Monat der Anmeldung an ausbezahlt.

2. Nicht bestritten wird, daß die Berufungsklägerin heute voll und dauernd invalid ist. Streitig ist lediglich die Frage des Beginns der Rente, auf welche die Versicherte Anspruch hat.

Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall angenommen, daß der Versicher-ten grundsätzlich wegen bleibender Invalidität ab 1. September 1962 eine Rente zustehe, daß jedoch die Anmeldung zum Leistungsbezug verspätet ein-gereicht wurde. Nun hat sich aber die Versicherte nach dem Schlaganfall vom 25./26. September verschiedenen Behandlungen unterzogen, welche zu einer teilweisen Wiedererlangung der Beweglichkeit des linken Beines führten (vgl. den Arztbericht vom 29. 10. 63). Im Zeitpunkt der Durchführung dieser Maßnahmen lag somit ein Zustand vor, dessen Entwicklung noch nicht abge-schlossen war und der nicht zuließ, eine bleibende, den gesetzlich vorgeschrie-benen Grad erreichende Invalidität im Sinne der zitierten Rechtsprechung zu vermuten (vgl. z. B. EVGE 1963, S. 279; ZAK 1965, S. 43, das zitierte Urteil i.Sa. F.D. sowie die Urteile A.M. vom 27. 5. 64, ZAK 1964, S. 430, und J.A. vom 28. 4. 64, ZAK 1964, S. 429). Anderseits kann anhand der Akten nicht fest-gestellt werden, zu welchem Zeitpunkt sich eine solche Prognose hätte stellen lassen. Aus dem erwähnten Arztbericht geht lediglich hervor, daß sich am 8. Juli 1963 bereits nichts mehr machen ließ. Immerhin ist möglich, daß dies schon vor diesem Datum der Fall war und der Berufungsklägerin deshalb grundsätzlich die Ausrichtung einer Rente vor dem 1. Juli 1963 zustünde. Falls vorliegend alle Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente wegen bleiben-der Invalidität zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb bleiben-der sechs bleiben-der Einreichung der Anmeldung vorangegangenen Monate erfüllt waren, verhindert Art. 48, Abs. 2, IVG die Ausrichtung dieser Rente vom Monat an, in welchem die Vor-aussetzungen erfüllt waren, und für diesen Monat selbst, nicht (vgl. z. B.

das zitierte Urteil 1. Sa. A.M., ZAK 1964, S. 430).

So rechtfertigt es sich denn, den Fall an die IV-Kommission zurückzuwei-sen, damit diese eine ergänzende Untersuchung anordne und den Rentenbeginn neu festsetze.

Urteil des EVG vom 22. Dezember 1964 i. Sa. M. N.

Art. 42, Abs. 1, IVG. Ein geistiges Gebrechen kann nur dann als Ursache von Hilflosigkeit betrachtet werden, wenn es die selbst-tätige Besorgung der alltäglichsten Verrichtungen schlechthin aus-schließt; die bloße Anleitung und Kontrolle begründet keine Hilf-losigkeit.

Der am 4. April 1944 geborene Versicherte leidet an Epilepsie sowie an schwerer Imbezillität und ist nicht bildungsfähig. Er ist dauernd in Anstalten untergebracht, gegenwärtig in einem Krankenheim. Nachdem dem Versicher-ten auf Grund einer im Jahre 1960 eingereichVersicher-ten Anmeldung vom 1. Januar 1960 bis 30. April 1964 ein Kostgeldbeitrag gewährt worden war, wurde er im Hinblick auf die baldige Vollendung seines 20. Altersjahres im Februar 1964

erneut angemeldet. Auf dem Ergänzungsblatt zur Anmeldung wurde bezüg-lich des Anspruches auf eine Hilflosenentschädigung vermerkt, daß die beson-dere Pflege und Wartung im «Waschen, Ankleiden etc.» bestehe. Der auf Veranlassung der IV-Kommission vom Hausarzt des Krankenheimes am 15. Februar 1964 eingereichte Bericht lautet folgendermaßen: «Redet lang-sam, schwerfällig aber deutlich nur auf Anfrage hin. Sitzt sonst ziemlich teilnahmslos umher, muß zu jeder Arbeiter mehrmals ermuntert werden.»

Der Heimarzt bewertete den Zustand des Versicherten als stationär und hielt im übrigen fest, daß der Versicherte für das An- und Auskleiden, das Essen und die Toilette dauernd teilweise auf fremde Hilfe angewiesen sei. Eine tele-fonische Rücksprache mit dem Krankenheim führte zu der Feststellung, daß der Versicherte «sich selbst besorgen könne, bis auf Baden, Rasieren, Fleisch zerschneiden (gefährlich); ferner müsse man ihm sagen, er solle Knöpfe, Schuhe etc. zumachen».

Auf Grund dieser Erhebungen beschloß die IV-Kommission ab 2. April 1964, dem Versicherten vom 1. Mai 1964 an eine ganze Invalidenrente sowie eine Entschädigung für eine Hilflosigkeit von 331/3 Prozent zu gewähren.

Diesen Beschluß eröffnete die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 8. Mai 1964.

Der Vater des Versicherten beschwerte sich gegen die Verfügung und ver-langte die Zusprechung einer vollen Hilflosenentschädigung, da sein Sohn ständiger Betreuung und Beaufsichtigung bedürfe. Der Rekurs wurde unter Hinweis auf die Praxis des EVG von der Vorinstanz abgewiesen. In der im Namen des Versicherten gegen den kantonalen Rekursentscheid eingereichten Berufung wird u. a. geltend gemacht, der Umstand, daß der Versicherte von einem geistigen Gebrechen befallen sei, dürfe nicht zu einer niedrigeren Ein-schätzung führen. Er sei in mittlerem Grade hilflos und sein Zustand ver-schlechtere sich ständig.

Das EVG wies die Berufung aus folgenden Gründen ab:

2. a) Gemäß Art. 42, Abs. 1, IVG haben bedürftige invalide Versicherte, die derart hilflos sind, daß sie besondere Pflege und Wartung benötigen, Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Nach Art. 39 IVV sind drei Grade der Hilflosigkeit zu unterscheiden: ein leichterer (degrd falble), ein mittlerer (degre moyen) und ein schwerer Grad (degre. grave). Die Abstufung erfolgt im Einzelfall nach Dauer und Umfang der täglichen Pflege und Wartung, die wegen der Hilflosigkeit notwendig ist.

b. Die Rechtsprechung betrachtet einen Versicherten dann als hilflos, wenn er für die alltäglichen und gewöhnlichsten Verrichtungen auf fremde Handreichung angewiesen ist. Unter solchen Verrichtungen sind in erster Linie das An- und Auskleiden, die Nahrungsaufnahme und die Ver-richtung der Notdurft zu verstehen (vgl. dazu die Ausführungen im EVGE 1961, S. 60 f., Erwägung 1; ZAK 1962, S. 47 f.) Wer Verrichtungen dieser Art ohne fremde Handreichung zu besorgen vermag, ist selbst dann nicht hilflos im Sinne des Art. 42, Abs. 1, IVG, wenn er wegen seines Geisteszustandes ständiger Aufsicht bedarf (Urteil des EVG i. Sa. M. H. vom 24. Februar 1961;

ZAK 1961, S. 172).

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Bereits der «leichtere» Grad der Hilflosigkeit setzt voraus, daß die not-wendigen Handreichungen einen gewissen Umfang, ein wesentliches Ausmaß erreichen (vgl. dazu die Ausführungen im EVGE 1961, S. 344 f., Erwägung 1;

ZAK 1962, S. 191). Für dessen Schätzung ist dem Ermessen der Verwaltung, der Natur der Sache entsprechend, ein weiter Spielraum zuzubilligen.

3. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Versicherte noch anfangs April 1964 für das An- und Auskleiden, das Essen und die Toilette bloß teilweise auf fremde Handreichung angewiesen war. Dies ergibt sich aus dem ärztlichen Bericht vom 15. Februar 1964, auf den in erster Linie abzustellen ist. Im Grunde wird das selbst in der Berufungsschrift nicht be-stritten. Doch wird dort mit Nachdruck erklärt, der Versicherte sei wegen seines geistigen Gebrechens auf ständige Hilfe angewiesen, die sich unter anderem auf das Ankleiden, die Nahrungsaufnahme, das Waschen und die Verrichtung der Notdurft erstrecke; weil der Patient gesondert ernährt wer-den müsse, werde das Personal besonders stark belastet. Indessen muß aus den Akten geschlossen werden, daß diese Hilfe sich im maßgebenden Zeit-punkt wesentlich in der Anleitung und K o n t r olle des Versicherten erschöpfte, zumal dieser grundsätzlich imstande war, sich den Weisungen gemäß zu verhalten. In diesem Sinne ist auch die ärztliche Feststellung zu

3. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Versicherte noch anfangs April 1964 für das An- und Auskleiden, das Essen und die Toilette bloß teilweise auf fremde Handreichung angewiesen war. Dies ergibt sich aus dem ärztlichen Bericht vom 15. Februar 1964, auf den in erster Linie abzustellen ist. Im Grunde wird das selbst in der Berufungsschrift nicht be-stritten. Doch wird dort mit Nachdruck erklärt, der Versicherte sei wegen seines geistigen Gebrechens auf ständige Hilfe angewiesen, die sich unter anderem auf das Ankleiden, die Nahrungsaufnahme, das Waschen und die Verrichtung der Notdurft erstrecke; weil der Patient gesondert ernährt wer-den müsse, werde das Personal besonders stark belastet. Indessen muß aus den Akten geschlossen werden, daß diese Hilfe sich im maßgebenden Zeit-punkt wesentlich in der Anleitung und K o n t r olle des Versicherten erschöpfte, zumal dieser grundsätzlich imstande war, sich den Weisungen gemäß zu verhalten. In diesem Sinne ist auch die ärztliche Feststellung zu