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3.1 V ORBETRACHTUNGEN

3.1.3 Vorgehen (Hauptphasen)

Das Vorgehen bei der Untersuchung läßt sich in 3 Hauptphasen gliedern:

I. Phase

Die Phase der Planung und Vorbereitung der Untersuchung diente der ausführlichen Literaturaus-wertung, der Hypothesenerarbeitung und –aufstellung sowie der Auswahl der Probanden, die gewisse Bedingungen erfüllen mußten.

II. Phase

Die Untersuchung umfaßte einen Zeitraum von 1;6 Jahren (Alter der Probanden: 0-1;6 Jahre). Am Anfang stand die systematische Anleitung und Instruktion der Eltern zur Beobachtung ihrer Kinder.

Diese erfolgte durch:

a) mündliche Aufklärungsarbeit

Von der Abteilung Logopädie/Stimm- und Sprachheilpädagogik wurde den Eltern das Angebot einer speziellen sprachheilpädagogischen Beratung unterbreitet (unabhängig vom

Forschungsvorhaben), in deren Rahmen die Bitte um Beteiligung an der Untersuchung geäußert wurde.

Bei Zusage wurden in einem hierzu vereinbarten Gespräch neben detaillierten Informationen zum Ziel, zum genauen Verlauf und zur Durchführung der Untersuchung auch Hinweise zum

Sprachentwicklungsverlauf bei Kindern mit Spaltbildungen erteilt.

b) schriftliche Hinweise

Als erstes Aufklärungsmaterial erhielten die Eltern die Broschüre „Leitfaden für Eltern – Lippen-Kiefer-Gaumenspalten“ (BERNAU u.a. 1990).

Desweiteren erfolgte die Vergabe eines in der Klinik selbstverfaßten Skriptums mit Hinweisen zur Sprachentwicklung von Kindern mit Spaltbildungen im Alter von 0-1;6 Jahren. Darin enthalten waren übersichtliche Sprachentwicklungstabellen, die den Sprachentwicklungsverlauf von altersgleichen Kindern ohne Spaltbildungen (so wie er sich in der Regel gestaltet),

dokumentierten. Diese Tabellen waren halbjährig aufgebaut, Teil 1: 0;0 – 0;6 Jahre

Teil 2: 0;7 – 1;0 Jahre Teil 3: 1;1 – 1;6 Jahre,

und zeigten in exemplarischer Form nach Monaten differenziert, in welchem Zeitraum welche Entwicklungsphasen i.d.R. erreicht werden bzw. welche lautlichen Äußerungen erfolgen können (z.B. 0;6 Jahre – beginnendes Silbenplappern: mamama..., nanana..., ...). Im Vergleich dazu wurden in der Tabelle gegenüberstellend, ebenfalls in exemplarischer Form, bereits bekannte typische Abweichungen, wie sie in der Sprachentwicklung von Kindern mit Spaltbildungen auftreten können, dargestellt (z.B. /papa/ - [haha]).

Letztlich erhielt jede Familie eine eigene (noch unausgefüllte) Sprachtabelle, in welcher der Sprachentwicklungsverlauf ihres Kindes beschrieben und dokumentiert werden sollte. In den prälinguistischen Phasen lag der Schwerpunkt auf der Erfassung lautlicher Äußerungen (z.B. 0;2 Jahre – [ej], [ha]), in der linguistischen Phase auf der Erfassung sprachlicher Äußerungen in der Gegenüberstellung: Zielwort – Realisierung (z.B. /kakao/ - [aa]). Es konnten zusätzliche Bemerkungen (z.B. nasale Zusatzgeräusche, Pfeifen u.s.w.) erfolgen.

c) auditive Demonstrationen

Auch tontechnische Aufzeichnungen dienten dazu, die Aufmerksamkeit der Eltern auf sprachliche Äußerungen von Kindern zu lenken bzw. das Gehör für typische Symptome der

Gaumenspaltensprache zu sensibilisieren.

d) visuelle Darstellungen

Zur Verdeutlichung der Aufgabenstellung wurden den Eltern exemplarische

Sprachentwicklungstabellen von Kindern mit Spaltbildungen vorgelegt, die die Schwerpunkte der Untersuchung hervorheben sollten (Tab. 15).

Die Datenerhebung erfolgte zunächst grob und tendenziell über die auditive Wahrnehmung aller kindlichen Laut- bzw. Sprachproduktionen durch die Eltern. Diese fertigten zum Teil tontechnische Aufzeichnungen an und trugen die Ergebnisse der eigenen Beobachtungen gemäß ihrem Vermögen in die Tabelle ein.

Zur Hauptdatenerhebung und Verlaufskontrolle wurden mehrmalige (ca.7x) obligatorische und auch fakultative (bei Bedarf) Konsultationen vereinbart, die bei den einzelnen Probanden durch die Planung chirurgischer Interventionen individuell, d.h. zu unterschiedlichen Zeitpunkten (bzw. in unterschiedlichem Alter), festgelegt werden mußten. Das Ziel war, die Sitzungen in einem zeitlichen Abstand von jeweils ca. 2-3 Monaten durchzuführen. Die Termine wurden individuell vereinbart oder aber wenn möglich in Verbindung mit Wiedervorstellungen (WV) in der Klinik wie folgt festgelegt (Tab. 14):

Tab. 14: Sitzungen zur Datenerhebung.

Geburt Erstvorstellung in der Klinik 0 – 2.Monat 1.Sitzung

(WV-Termin: Elternberatung) 3. – 4.Monat 2.Sitzung

(WV-Termin: Festlegung des Termins für die Lippen-OP) 5. – 7.Monat 3.Sitzung

(WV-Termin: chirurgische Kontrolle nach Lippen-OP) 8. – 9.Monat 4.Sitzung

(WV-Termin: Narbenkontrolle nach Lippen-OP) 10. – 12.Monat 5.Sitzung

(zeitlich individuell vereinbarter Termin) 13. – 15.Monat 6.Sitzung

(WV-Termin: Festlegung des Termins für die Gaumen-OP) 18.Monat 7.Sitzung

(WV-Termin: Vergabe des Früherziehungsplanes)

Diese Termine dienten der eigenen Datenerhebung bzw. zwischenzeitlichen Überprüfungen durch Vergleiche der kindlichen Vokalisationen mit bereits notierten Daten (Tabellen, Tonband) mittels des geschulten Ohres des Sprachheilpädagogen. Dieses Vorgehen reflektiert die klinische Realität, da meist nur 1 erfahrener und spezialisierter Hörer die auditiv-perzeptuelle Einschätzung des Sprachsta-tus (ohrenphonetische Analyse) vornimmt. Daher wurde diese Form der Bewertung für die Untersu-chung als ausreichend erachtet.

Die Dauer einer Sitzung betrug jeweils ca. 1-2 Stunden (in der Regel ca. 1 ½ Stunden), um eine repräsentative Stichprobe der kindlichen Vokalisationen zu erhalten. Diese wurden auf Tonband aufgezeichnet und später ausgewertet.

Das Fachpersonal war neben bewußter Zurückhaltung aktiven Eingreifens in die Mutter (Vater)-Kind-Interaktion bemüht, in doch fremder Umgebung eine möglichst vertraute Atmosphäre für Probanden und Angehörige durch Herstellen bzw. Nachstellen alltäglicher gewohnter Situationen (z.B. Wickeln, Fläschchen geben, An- und Umziehen, Spielen, ...) zu schaffen. Diese sollte bei den Kindern Sprech-freude wecken und zu lautlichen bzw. sprachlichen Äußerungen anregen.

Es konnten daneben mit den Eltern Rücksprachen gehalten, Befragungen und Beratungen durchge-führt sowie Hinweise zum Weiterführen der Sprachtabellen gegeben werden.

Insgesamt wurde diese Untersuchung nach einem Zeitraum von 14 Jahren (1978-1992) abgeschlossen.

Dieser lange Untersuchungszeitraum diente zum einen der Datenerhebung einer relativ umfangreichen und repräsentativen Stichprobe. Letztere besteht sicherlich durch das Prinzip der Zufallswahrschein-lichkeit. Zum anderen ließen sich in der Folge- und Beobachtungszeit evtl. zusätzliche Behinderungen und/oder Entwicklungsbeeinträchtigungen der Probanden ausschließen bzw. erkennen.

III. Phase

Nach der Erhebung und Transkription der Daten, die von Frau Dr. Hochmuth (Leiterin der Abteilung Logopädie/Stimm- und Sprachheilpädagogik) durchgeführt wurden, erfolgte deren Auswertung.

Tab. 15: Exemplarische Sprachentwicklungstabelle.

Alter (in Jahren) Stimmliche, lautliche bzw.

sprachliche Äußerungen Erläuterungen/

Bemerkungen 0 - ca. 0;1

ca. 0;2 Schreien

unterschiedliches Schreien - klingt zunächst immer gleich - bei Hunger, Wärme/Kälte, Schmerz, Langeweile

ca. 0;3 – 0;5 Lustschreie, Töne des Behagens,

Quietschen - bei Wohlfühlen

- beim Essen kommt Brei oft durch die Nase

- reagiert auf Singen und Musik - hört auf seinen Namen durch Aufhorchen und Zuwenden

ca. 0;10 Variationen beim Lallen - reagiert auf Frage „Wo ist ...?“ mit Zeigen

- sucht und bringt bei Aufforderung Gegenstände

- Lallen als Antwort auf Vorsingen - spricht Silben, Ausrufe und Wörter nach

- spricht etwas nasal, Luft entweicht beim Sprechen durch die Nase