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Venöse und lymphatische Erkrankungen, die in jedem Alter auftreten können, sind fortschreitende Krankheiten, die grundsätzlich ein Leben lang therapiert werden müssen.

Vorbeugende Maßnahmen, wie z.B. regelmäßige Bewegung, Hochlagerung der Beine, Vermeidung bzw. Abnahme von Übergewicht, Tragen von nicht enger Kleidung, Hydrotherapien sowie Sport und Gefäßgymnastik können sich positiv auf die Erkrankung auswirken. In der Regel werden zuerst physikalische konservative Methoden, wie die Kompressionstherapie, zur Linderung symptomatischer Beschwerden eingesetzt. Dabei ist die Kompression mit Strumpf oder Verband eine Basistherapie, die in allen Stadien der Erkrankung angewendet werden kann. Allerdings sollte mit therapeutischen Maßnahmen möglichst frühzeitig begonnen werden, um eine Entstehung venöser oder lymphatischer Erkrankungen zu verzögern. Daneben können auch pflanzliche Arzneimittel wie Phytopharmaka mit standartisierten Extrakten zur Prophylaxe und auch zur Behandlung dieser Erkrankungen eingenommen werden. Vor allem in den früheren Stadien der Erkrankung stellen Phytopharmaka aufgrund ihrer Wirkungweise eine gute Alternative und Ergänzung zur Kompressionstherapie dar. Außerdem zeigen Phyto-pharmaka in Kombination mit der Kompression eine sehr effektive Wirkung auf venöse und lymphatische Stauungen sowie subjektive Beschwerden wie Schmerzen, Schwellungen und Schweregefühle der Beine. Allerdings können sehr stark ausgeprägte venöse oder lymphatische Krankheiten, die häufig Komplikationen und klinische Beschwerden aufweisen, mit konservativen Methoden nicht mehr behandelt werden. Aus diesem Grund werden oft verschiedene operative Therapiemöglichkeiten in Erwägung gezogen, mit denen versucht wird die progrediente Grundkrankheit zu bremsen und die Lebensqualität zu verbessern [8,79].

6.1 Konservative Methoden

Mit der konservativen Therapie ist es möglich die Symptome von Venen- und Lymph-gefäßerkrankungen gut zu behandeln und zugleich auch die Progression der Krankheit deutlich zu verlangsamen. Allerdings können chronische Erkrankungen, wie z.B. Lymphödeme, Varizen und die chronisch venöse Insuffizienz, bis heute mit keiner Therapieform für immer geheilt werden [2,3]. Grundsätzlich sind konservative Maßnahmen die Basis jeder Venen- und Lymph-gefäßtherapie, auch nach einer erst kürzlich erfolgten Operation. Desweiteren werden die Patient_innen über ihr Leiden aufgeklärt und umgehend zu Allgemeinmaßnahmen (siehe Tabelle 17) aufgefordert, die im frühen Stadium der Erkrankung empfohlen werden [46,48].

Tabelle 17: Allgemeinmaßnahmen bei Venen- und Lymphgefäßerkrankungen

6.1.1 Kompressionstherapie (Physikalische Therapie)

Die Kompressionstherapie kann in der Regel bei allen Stadien der Varikose, bei ihren Folgeerkrankungen und bei Krankheiten des lymphatischen Gefäßsystems angewendet werden [63]. Die Mittel der externen Kompressionstherapie (KT) sind vor allem medizinische Kom-pressionsstrümpfe (MKS), phlebologische Kompressionsverbände (PKV), Ulkuskompressions-strümpfe und die intermittierende pneumatische Kompression (IPK). Mit diesen Kom-pressionsmittel kann der venöse und lymphatische Reflux in den verengten Gefäßen der Beine gesteigert werden und durch die Verstärkung der Wadenmuskelpumpe kommt es schließlich zu einer signifikanten Ödemreduktion. Allerdings kann die Kompressionstherapie, die eine begleitende Basistherapie für Venenerkrankungen ist, die Entstehung neuer Varizen nicht verhindern [21,22,42].

Allgemeinmaßnahmen bei Venenerkrankungen Allgemeinmaßnahmen bei Lymphgefäßerkrankungen

Gewichtsreduktion

Kälteanwendungen (Quarkwickel, Kneipp-Kuren, Kaltluft sinnvoll; warme Bäder, Wärmeanwendungen mit z.B.

Moorpackungen, kalte Güsse meiden)

Hochlagerung der Beine einengende Kleidung

Regelmäßige Bewegung zur Aktivierung der Waden-muskelpumpe (Gymnastik, Schwimmen, Wandern, Spaziergänge, Rad fahren ohne Belastung)

Hautpflege (Feuchtigkeits spendende und rückfettende Salben/Cremes) und Hautsanierung (bei bakteriellen/my-kotischen Infektionen: Desinfektionsmittel und Antimy-kotika; bei Stauungsdermatitis: Antihistaminika und Kortison-Salben)

Lebensstil bzw. 3L/3S-Regel: Sitzen + Stehen schlecht, lieber Laufen + Liegen)

Regelmäßige Bewegung zur Aktivierung der Waden-muskelpumpe (Gymnastik, Schwimmen)

Hydrotherapie (Kneipp-Kuren, Wassertreten, kalte Güsse sinnvoll, warme Bäder und Sauna meiden)

Sonnenbestrahlung

Gewichtsreduktion

Alkoholumschläge

Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS)

Medizinische Kompressionsstrümpfe oder –hosen, die früher aus elastischen Naturkautschuk angefertigt wurden, werden heute nur mehr aus synthetischen Materialen, wie z.B. Polyamid, Elasthan oder Baumwolle, die eine geringere Dehnbarkeit aufzeigen, hergestellt. Die Strümpfe können entweder rund- oder flachgestrickt (siehe Abbildung 48 a,b) sein mit oder ohne Naht und sie müssen eine Quer- und Längselastizität

auf-weisen. Meistens sind flachgestrickte Strümpfe aber nur bei einer Varikosis mit einem postthrombotischen Syndrom, einem fortgeschrittenen Lip-/Lymphödem oder bei einer besonderen anatomischen Beinform indiziert.

Bei medizinischen Kompressionsstrümpfen mit iden-tischer DIN-Norm kann es unter anderem vorkommen, dass sie abhängig vom Hersteller und der Auswahl des Materials, unterschiedliche Druckverhalten und Halt-barkeiten besitzen. Deshalb müssen diese nach der GZG-Norm (Gütezeichen-Gemeinschaft medizinischer Gummi-strümpfe) überprüft werden.

Abbildung 47: a) Strümpfe im Rundstrickverfahren; b) Strümpfe und Teilelemente im Flachstrickverfahren [80]

Zu den handelsüblichen Strumpflängen gehört der Knie-/Wadenstrumpf, der Halbschenkel-strumpf, der Oberschenkelstrumpf und die Strumpfhose, die je nach Ursache der Venen- bzw.

Lymphgefäßinsuffizienz verschrieben werden. Insgesamt gibt es 7 verschiedene Längenmaße von medizinischen Kompressionsstrümpfen, die abhängig vom Ausmaß der Erkrankung, für die Patient_innnen individuell verordnet werden. Bei der chronisch venösen Insuffizienz wird meistens die Verordnung eines Unterschenkelstrumpfes zur Kompression empfohlen. Weiters können medizinische Kompressionsstrümpfe auch nach Maß angefertigt werden. Sehr häufig wird dies bei Beinödemen nach Reduktion der Schwellung gemacht, da die Beinumfangs- und Längenmaße für gewöhnlich mit den Maßen eines Serienkompressionsstrumpfes nicht übereinstimmen.

Medizinische Kompressionsstrümpfe können in Abhängigkeit vom Kompressionsdruck in 4 unterschiedliche Kompressionsklassen (siehe Tabelle 18) unterteilt werden. Der Kom-pressionsdruck entspricht dabei dem Anpressdruck in Ruhe im Bereich des Innenknöchels, der bei jedem unterschiedlich sein kann.

Kompressionsklassen Intensität Druck (mmHg) Indikationen

I leicht 18-21

abgeheiltes Ulcus cruris venosum

Angiodysplasien

III kräftig 34-46

ausgeprägte Varikose mit starker Ödemneigung

fortgeschrittene CVI (Stadium II und III)

nach Abheilen schwerer Ulcera

posttraumatisches Ödem

Umso fester und kurzzügiger das Material ist, desto besser ist die Wirkung auf den venösen und lymphatischen Reflux. Desweiteren muss für eine effektive Therapie die Stärke des Strumpfes individuell an das Stadium und an die Ausprägung der Erkrankung der Patient_innen angepasst und auch täglich getragen werden. Besonders über den Tag verteilt, d.h. im Sitzen, Stehen oder Laufen/Gehen, soll der medizinische Kompressionsstrumpf eine Abnahme des Venen-durchmessers und eine Verbesserung des venösen und lymphatischen Rückstroms sowie der Venenklappenfunktion bewirken. Daneben können auch spezielle Polstermaterialien, wie Druckpolster aus Watte, Kulissen, Pelotten, Schaumstoffbinden/-platten oder -rollen sowie Schlauchverbände aus Baumwolle in die Kompressionsstrümpfe eingebaut werden, mit denen zusätzlich noch ein verstärkender Druck und Kompression auf die insuffiziente Vene bzw. auf das lymphatische Gewebe erzielt werden kann. Im besten Falle kann durch das konsequente Tragen des Strumpfes der physiologische Blutrückfluss wieder hergestellt werden und vorerst auf eine operative Therapie verzichtet werden. Über Nacht kann der Strumpf bei Venenerkrankungen abgelegt werden, da sich der venöse Rückfluss durch die Hochlagerung der

Abbildung 48: Anziehhilfe easyslide mit Gleithilfeprinzip [79]

Beine von selbst verbessert. Bei Lymphödemen wird das Tragen von Kompressionsbandagen tagsüber und wenn möglich auch in der Nacht empfohlen. Allerdings ist für viele Patient_innen, vor allem für ältere Menschen, das Anlegen von medizinischen Kompressionsstrümpfen oft sehr schwer und daher sind sie meist auf Hilfe angewiesen. Darüber hinaus wird den Patient_innen das An- und Ausziehen der Strümpfe auf eine anschauliche Weise gezeigt und gegebenfalls auch trainiert. Außerdem gibt es heutzutage schon eine Reihe an Anziehhilfen (siehe Abbildung 48). Für die Behandlung von Varizen sind meist die Kompressionsklassen II und III ausreichend, bei der chronisch venösen Insuffizienz im Stadium I kann sogar die Kompressionsklasse I verwendet werden. Hingegen sind bei einer tiefen Leitveneninsuffizienz und bei einer Klappeninsuffizienz der Perforansvenen

sowie bei Lip- und Lymphödemen des ersten Grades medizinische Kompressionsstrümpfe oder –hosen der Klasse III empfehlenswert. Darüber hinaus muss bei einer ausgeprägten chronisch venösen Insuffizienz des Stadium III und bei einem massiven Lip- und Lymphödem die Kompressionsklasse IV zum Einsatz kommen [21,22,42,80].

Phlebologische Kompressionsverbände (PKV)

Bei Kompressionsverbänden unterscheidet man unelastische Binden, Klebebinden, Kurzzug-, Mittelzug- und Langzugbinden sowie Mehrkomponentenverbandsysteme (siehe Tabelle 19).

Bindetyp Dehnbarkeit Material Ruhedruck Arbeitsdruck

Starre Binde 0 z.B. Zinkleim ? 4

Klebebinde ca. 60 % Hochgedehnte Baumwolle 1 4

Kurzzugbinde bis 60 % Hochgedehnte Baumwolle und/oder

texturiertes Polyamid 1 - 2 4

Mittelzugbinde bis 140 % Polyurethan 1 - 3 3 - 4

Langzugbinde über 140 % Polyurethan oder Gummi 2 - 3 2 - 3

Tabelle 19: Elastizität und Druckwirkung von Kompressionsmaterialien; 1 = gering; 4 = hoch, modifiziert nach [42]

Wenig dehnbare textilelastische Binden, zu denen Kurzzugbinden (siehe Abbildung 49), Klebeverbände, adhäsive/kohäsive Verbände und Zinkleimbinden gehören, erzielen einen hohen Arbeitsdruck aufgrund der begrenzten Dehnbarkeit bzw. der hohen Steifheit (Stiffness) und einen geringen Ruhedruck.

Abbildung 49: a)-c) Externe Anlage der Kurzzugkompressionsbinden, modifiziert nach [68]

Auf diese Weise wird beim Gehen eine optimale Wirkung auf die Wadenmuskelpumpe ausgeübt, die einerseits die oberflächlichen Venen komprimiert und so den venösen Reflux fördert und andererseits das lymphatische Gewebe entstaut. In Ruhe findet hingegen keine Komprimierung statt, daher können die Verbände auch Nachts getragen werden. Der Nachteil der Kurzzugbinden ist, dass sie technisch für Patient_innen sehr schwierig anzulegen sind. Es erfordert meist sehr viel Übung und kann kurzfristig nicht so schnell beigebracht werden, deshalb versucht man den Patient_innen so schnell wie möglich auf eine Therapie mit medizinischen Kompressionsstrümpfen umzulenken.

Langzugbinden sind hingegen gut dehnbare elastische Binden, die die Venen der unteren Extremitäten sowohl in Ruhe als auch bei Muskelarbeit, d.h. im Gehen, zusammendrücken. Sie erzielen einen hohen Ruhedruck, jedoch nur einen geringen Arbeitsdruck und können so eine kontinuierliche Kompression der oberflächlichen Venen erzielen. Darüber hinaus bewirken Kompressionsstrümpfe, abhängig von der Kompressionsklasse, die gleiche effektive Wirkung und durch die andauernde komprimierende Wirkung wird der Reflux in den Beinvenen verbessert [22,42,44].

Desweiteren kann ein Kompressionsverband als Wechselverband oder als Dauerverband zum Einsatz kommen. Während Wechselverbände morgens täglich neu angelegt und abends wieder entfernt werden müssen, können Dauerverbände über längere Zeit am Fuß bleiben. Als Wechselverbände werden meist wiederverwendbare und waschbare Dauer-, textilelastische und auf sich haftende Binden benutzt. Der Vorteil bei Wechselverbänden ist, dass man die Haut regelmäßig dokumentieren und bewerten kann und so gegebenfalls vorhande Hautdefekte und

a b c

wiederverwendbare Bindetypen, wie z.B. selbstklebende Binden, Zinkleimbinden (siehe Abbildung 50) oder Gipsbinden, die über eine textile Grundlage gewickelt werden. Ein großer Nachteil der Dauerverbände ist, dass diese nach kurzer Zeit durch Abschwellen der Extremität zu weit werden und somit ihre Wirksamkeit verlieren. Desweiteren kommt es bei selbstklebenden Verbänden, die direkt auf die Haut aufgebracht werden, häufig zu Reizungen der betroffenen Stelle aufgrund des

Klebers. Darüber hinaus sind Klebeverbände und adhäsive/kohäsive Verbände meist sehr kostenintensiv.

Abbildung 50: Anlage einer Zinkleimbinde [80]

Daneben gibt es auch Mehrkomponentenverbandsysteme (siehe Abbildung 51), die eine adhäsive Kurzzugbinde am Ende haben. Dadurch kann der Verband nicht verrutschen und bis zu einer Woche am Fuß belassen werden. Beim

Anlegen dieser Kompressionsverbände ist es wichtig, dass die Fußsohle im rechten Winkel zum Unterschenkel ausgerichtet ist, damit der Druck von distal nach proximal abnimmt.

Abbildung 51: Mehrkomponentenverband mit Markierungen, die beim Wickeln als Hilfestellung dienen (Kreise müssen sich rund abzeichnen, dann ist die Zugfestigkeit gegeben) [44]

Grundsätzlich werden alle Kompressionsmittel bzw. -verbände zur Langzeitbehandlung von Venen- und Lymphgefäßerkrankungen sowie nach Lysetherapien, Sklerosierungen und nach Operationen eingesetzt. Zudem können bei konsequenter Anwendung die Beschwerden effektiv gelindert werden und die Komplikationen der Erkrankung weitgehend verbessert werden [22,42,44].

Ulkuskompressionsstrümpfe

Ulkuskompressionsstrümpfe, die aus einem kombinierten Ober- und Unterstrumpf bestehen, werden nur zur Behandlung eines Ulcus cruris (Geschwür) eingesetzt (siehe Abbildung 52). Der Unterziehstrumpf dient dabei als Gleiter und kann auch Nachts getragen werden. Zusammen erzeugen Ober- und Unterstrumpf einen hohen Ruheanpressdruck, der mit der Kompress-ionsklasse III von medizinischen Kompressionsstrümpfen verglichen werden kann. Für gewöhnlich wird durch die Kompression der Blutfluss in den Gefäßen angeregt und dadurch kann das Geschwür besser abheilen [44].

Abbildung 52: Angelegtes Ulkus-Strumpfsystem [80]

Intermittierende pneumatische Kompression (IPK)

Bei der intermittierenden Kompression kommt es zur apparativen Anwendung pneumatischer Wechseldrücke, die zur Thrombosephrophylaxe und zur

Entstauungstherapie bei venösen und ödematösen Er-krankungen dienen. Weiters begünstigen sie noch die arterielle und venöse Durchblutung, den Lymphabfluss und verbesseren die Wundheilung bei Ulzerationen. Die Geräte zur inter-mittierenden pneumatischen Kompression bestehen grundsätzlich aus doppelwandigen Ein- und Mehrkammer-manschetten (siehe Abbilldung 53 a,b), die an den betroffenen Extremitäten angelegt und über ein Schlauchsystem mit

Luft gefüllt werden können. Während bei Einkammer-manschetten nur eine Kammer intermittierend mit Luft gefüllt und wieder abgelassen werden kann, erfolgt bei Mehrkammermanschetten der Druckauf- und abbau,

Abbildung 53: a) Intermittierende pneu-matische Kompression mit 12-Kammer-system, b) Beinmanschetten mit 3

Kam-a b

Abbildung 54: Griffe bei der manuellen Lymphdrainage: a) Dreh-griff, b) SchöpfDreh-griff, c) stehender Kreis, d) Pumpgriff [68]

indem die einzelnen Kammern fortlaufend von distal nach proximal intermittierend maschinell mit Luft gefüllt und anschließend gleichzeitig entleert werden. Durch den ständigen Wechsel von Kompression (bei Luftzufuhr) und Druckentlastung (beim Ablassen der Luft) wird die Funktion der Wadenmuskelpumpe an den unteren Extremitäten imitiert und so der Fluss in den Gefäßen unterstützt. Anschließend an die maschinelle Kompressionstherapie sollte ein nach Maß angefertigter Kompressionsstrumpf angelegt werden. Grundsätzlich ist die inter-mittierende pneumatische Kompression beim arthrogenen Stauungssyndrom und zur Therapie der chronisch venösen Insuffizienz im Stadium III indiziert, aber nur dann wenn Kom-pressionsverbände und medizinische Kompressionsstrümpfe nicht ausreichend sind [22,42,44].

Komplexe physikalische (Zwei-Phasen)-Entstauungtherapie (KPE)

Unter dem Begriff komplexe physikalische Entstauungstherapie, die bei akuten und chronischen lymphostatischen Ödemen eingesetzt werden kann, fasst man die manuelle Lymphdrainage in Kombination mit der Hautsanierung und Hautpflege, der Kompressionstherapie und der ent-stauenden Bewegungstherapie zusammen [68]. Die manuelle Lymphdrainage, die die wichtigste konservative Therapie des Lymphödems darstellt, soll dabei die lymphatische Transportkapazität in den Extremitäten erhöhen und somit zur Reduktion des Ödems führen [22]. Lymphdrainagebehandlungen werden immer zuerst an gesunden Körperteilen begonnen und dann zu den oberen Körperabschnitten fortgesetzt, da diese die meiste Lymphflüssigkeit aufnehmen. Dabei wird mit bestimmten Grifftechniken, die rhythmisch, kreisend, pumpend oder teilweise ausstreichend sein können (siehe Abbildung 54a-d), ein schwacher Massagedruck und ein

Dehnreiz auf die Haut und Unterhaut ausgeübt. Die darunterliegenden Lymph-gefäße reagieren auf die Dehnung der Wand mit einer Erhöhung der lymphangio-motorischen Aktivität und einem verstärktem

Lymph-abfluss. Anschließend wird c d

a b

die Behandlung der manuellen Lymphdrainage von den Rumpfquadranten zu den betroffenen Extremitäten von proximal nach distal fortgesetzt [68,81].

Desweiteren wird die komplexe physikalische Entstauungstherapie in zwei Phasen unterteilt. In Phase I, der Entstauungsphase, werden täglich 1 bis 2 mal Kompressionbandagen (Kurzzugbinden) zur Anregung der Lymphangiomotorik angelegt, die in weiterer Folge einen Abfluss der zurückgestauten Ödemflüssigkeit bewirken. Diese Kurzzugbinden, auch Multilayerverbände genannt, bestehen dabei aus einem mehrschichtigen Aufbau, der bei den Zehen bzw. Fingern anfängt (siehe Abbildung 55a). Nach Aufbringen eines Hautpflegemittels wird einer dünner Trikotschlauch aus Baumwolle, der zum Hautschutz und zur Schweißaufnahme dient, angelegt (siehe Abbildung 55b). Anschließend wird eine Polsterung aus Wattebandagen, Polsterbinden aus Synthetik oder Schaumgummiplatten auf den Trikotschlauch angelegt (siehe Abbildungc), die eine gleichmäßige Druckverteilung ausüben, Unebenheiten ausgleichen und die Massagewirkung des Verbandes erhöhen [22,81].

Abbildung 55: Mehrlagige Kompressionsbandage: a) akrale Kompression mittels elastischer Mullbinden, b) perkutaner Trikotschlauchverband, c) Polsterbinde, modifiziert nach [68]

In Phase II, der Erhaltungsphase, versucht man die antiödematösen Behandlungserfolge mit der manuellen Lymphdrainage aufrecht zu erhalten. Diese werden nur mehr 2 bis 3 mal in der Woche angewendet, dafür sollten tagsüber nach Maß angefertigte medizinische Kompressionsstrümpfe getragen werden. In dieser Phase II kann auch die maschinelle Kompressionstherapie mit Druckmanschetten angewendet werden. Dabei werden Ein- oder Mehrkammermanschetten an die betroffene Extremität angelegt und durch den inter-mittierenden maschinellen Kompressionsdruck wird vermehrt Lymphflüssigkeit aus den Extremitäten von distal nach proximal befördert. Der obere Körperabschnitt, der die Lymphflüssigkeit aufnehmen soll, muss allerdings zuvor mit der manuellen Lymphdrainage behandelt werden. Erfolgt allerdings keine manuelle Lymphdrainage kommt es durch den Stau der Lymphflüssigkeit zur Fibrosierung des Gewebes [22].

Darüber hinaus sollte täglich eine entstauende Bewegungstherapie und die Hautpflege in beiden Phasen durchgeführt werden. Grundsätzlich hängt die Dauer der komplexen physikalischen Entstauungstherapie vom Stadium der Erkrankung, der Ausprägung, der Lokalisation sowie vom Alter und von einem malignen Lymphödem ab [22,81].

6.1.2 Phytotherapie (Medikamentöse Therapie)

Pflanzliche Arzneimittel, wie Phytopharmaka, können in der Prävention sowie in den Anfangsstadien venöser und lymphatischer Erkrankungen physikalische Maßnahmen ersetzen oder ergänzen. Ihre Wirkungweise beruht auf der Beeinflussung funktioneller Gefäß-veränderungen, der Stabilisierung von Gefäßwänden und der Reduzierung der Kapillar-permeabilität, jedoch können sie bestehende pathologische Veränderungen nicht mehr rückgängig machen. Insgesamt gibt es 3 Substanzklassen, die oral oder lokal angewendet werden können, Ödemprotektiva, Venentonisierende Medikamente und Diuretika [8,22,41].

Ödemprotektive Pharmaka (Ödemprotektiva, Venentherapeutika)

Bei den Ödemprotektiva handelt es sich um halbsynthetisch hergestellte pflanzliche Glykoside, die ödemprotektiv, kapillarabdichtend bzw. antiexsudativ sind und eine membran-stabilisierende Wirkung auf die Gefäßwand zeigen. Jedoch können sie keine bestehenden pathologischen Veränderungen an den Gefäßen rückgängig machen. Daneben können Ödemprotektiva auch zur Therapie eiweißarmer sowie eiweißreicher Ödeme eingesetzt werden. Allerdings sind Ödemprotektiva sehr häufig mit bis zu 20 anderen Stoffen in einem Präparat vorhanden, sodass sie nur kaum vom Darm resorbiert werden. Aus diesem Grund sollte man auf eine ausreichende Dosierung achten und Ödemprotektiva wenn möglich als Monopräparat (reine Form), als standartisierten Gesamtextrakt oder in einer Kombination mit maximal 3 Einzelsubstanzen anwenden. Bei Ödemprotektiva unterscheidet man 4 pflanzliche Substanzgruppen [82]:

Saponine (Rosskastanie)

Flavonoide (Buchweizen, Weinrebe, MPFF, Diosmin, Pycnogenol, Japanischer Schnurbaum)

Cumarine (Steinklee)

Steroid-Glykoside (Mäusedorn)

Saponine

Rosskastanie (Aesculus hippocastanum), Rosskastaniensamen (Hippocastani semen) Rosskastaniensamen enthalten zu 3 - 10 % den Hauptwirkstoff ß-Aescin (Abbildung 56), ein schlecht wasserlösliches Triterpensaponin-Gemisch. Weitere Inhaltsstoffe sind Cumarine (Aesculin und Fraxin), Flavonoide (Quercetin und Kämpferol), Adenosin, Catechingerbstoffe, Proanthozyanidine, Bitterstoffe, Stärke und fettes Öl, Phytosterine und Sterole (Sitosterol).

Abbildung 56: Struktur von ß-Aescin

Rosskastanien-Extrakt ist indiziert bei chronisch venöser Insuffizienz (Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen, Wadenkrämpfe, Juckreiz, venöse Stauungen, Krampfadern), beim postthrombotischen Syndrom, bei der Thrombophlebitis, beim Ulcus cruris, bei postoperativen Weichteilschwellungen, bei Ödemen sowie zur Präventivmaßnahme bei langen Flugreisen. Die pharmakologische Wirkungsweise von ß-Aescin beruht auf einer Verbesserung des venösen Rückflusses, der Glättung erschlaffter Venen, der Verhinderung einer Thrombosebildung, der Stärkung der Kapillaren vor Brüchigkeit und der Beschleunigung des Blutflusses bzw. der Mikro-zirkulation. Zusätzlich zeigt ß-Aescin folgende Wirkungen:

Wirkungen:

 venentonisierend (verringert die Permeabilität der Gefäße)

 schwellungshemmend

 antiexsudativ (beschleunigt das Abfließen des bestehenden Ödems)

 ödemprotektiv

 kapillarresistenzsteigernd (erhöht die Resistenz der Kapillarwand)

 zusammenziehend

 entzündungshemmend (hemmt entzündliche Prozesse sowie die körpereigene Produktion von Entzündungsstoffen, wie z.B. Histamin)

 gewebsentwässernd (reduziert die Einlagerung von Flüssigkeiten im Gewebe)

Darüber hinaus regt das Cumarin Aesculin den Stoffwechsel an und fördert die Durchblutung in den Gefäßen, während die Flavonoide eine entzündungshemmende und kapillarstabilisierende Wirkung aufweisen [41].

Laut HMPC-Monografie (Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel) wurde die orale Anwendung von Rosskastaniensamen mit well-established-use bewertet und ist der lokalen Anwendung vorzuziehen. Die Einnahme des standartisierten ethanolisch-wässrigen Rosskastanien-Extraktes muss dabei in einer magensaftresistenten Darreichungsform erfolgen, da die Saponine eine magensaftreizende Wirkung zeigen. Die entsprechende Dosierung für Aescin sind 100 mg bzw.

2 mal täglich 50 mg [8].

In zwei klinischen Studien, die 2001 veröffentlicht wurden, erzielte man mit der Kompressionstherapie und dem Rosskastanien-Extrakt im Vergleich zum Placebo bei Patient_innen mit früher und fortgeschrittener chronisch venöser Insuffizienz eine sehr äquivalente Volumenabnahme bzw. Ödemreduktion am Unterschenkel (siehe Abbildung 57).

Deshalb ist der Rosskastanienextrakt eine empfehlenswerte Ergänzung zur Kompressionstherapie und stellt auch bei einer kontraindizierten Kompression eine angemessene Alternative dar [82,83].

In einem Review aus der Cochrane Library von 2012 [84]wurden mehrere klinische Studien aus den Jahren 2002, 2004, 2006, 2008 und 2010 zusammengefasst, in denen Monopräparate des Rosskastanien-Extraktes bei cronischen Venenerkrankungen eine deutliche Verbesserung der Beinschmerzen und auch eine Volumenabnahme der Beinödeme zeigten. Allerdings gibt es noch immer einige Vorbehalte gegenüber der Wirksamkeit von Rosskastanien-Extrakt. Deshalb sind noch größere, randomisierte und kontrollierte Studien erforderlich, um die Wirkung zu bestätigen [85].

Abbildung 57: Volumenreduktion an den unteren Extremitäten mit unterschiedlicher

Abbildung 57: Volumenreduktion an den unteren Extremitäten mit unterschiedlicher