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Unter Varizen fasst man irreversible Erweiterungen bzw. Aussackungen der Venenewände mit vermehrter Füllung, Knotenbildung und Schlängelung der oberflächlichen Venen sowie Perforansvenen primärer und sekundärer Entstehung zusammen. Weiters leitet sich aus dem mittelhochdeutschen Wort „krump“ oder Krummader, das einen Hinweis auf den gekrümmten und geschlängelten Verlauf der befallenen Venen gibt, der Name Krampfader ab. Daneben können die Krampfadern in unterschiedlichster Form, angefangen bei kleinen, unschönen

Besenreiservarizen bis hin zu erheblichen Ernährungsstörungen des Gewebes, in Erscheinung treten [22,40,41].

Epidemiologie

Die Angaben zur Prävalenz chronischer Venenkrankheiten varriieren je nach untersuchter Referenzgruppe, Altersverteilung und verschiedener Untersuchungsmethoden sehr stark.

Weltweit wurden zahlreiche epidemiologische Studien, die in den letzten Jahrzehnten pupliziert worden sind, zum Thema Krampfaderleiden durchgeführt [1,39]. Jedoch gab es bei beiden Geschlechtern eine große Schwankungsbreite in den Ergebnissen. Insgesamt leiden in Europa an dieser Volkskrankheit zwischen 50 - 70 % der Bevölkerung, wobei doppelt so viele Frauen als Männer leichtgradige Minimalformen einer Varikose aufweisen. Daneben zeigt die Bonner Venenstudie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, deren Ergebnisse auch heute noch diskutiert werden, nach wie vor eine hohe Prävalenz chronischer Venenerkrankungen. An der Bonner Venenstudie, die 2003 pupliziert wurde, haben 3072 erwachsene städtische und ländliche Proband_innen (1350 Männer, 1722 Frauen) im Alter von 18 – 79 Jahren teilgenommen. Dabei konnte bei ca. 23 % der Proband_innen (19,9 % Männer und 25,8 % Frauen) eine Varikose festgestellt werden, nur 9,6 % zeigten keinerlei Venenveränderungen (siehe Abbildung 21) .

Abbildung 21: Häufigkeiten der klinischen Stadien (CEAP, C0 – C6, siehe Seite 42) in der Bonner Venenstudie, modifiziert nach [42]

CEAP Gesamt (%) Weiblich (%) Männlich (%)

a Zum Zeitpunkt der Studie war die Unterteilung der Kategorie C4 in C4a und C4b noch nicht eingeführt.

Tabelle 1: Prävalenz der Varikose als Ergebnis der Bonner Venenstudie (n=3072) und Ausprägung der Varikose nach der CEAP-Klassifikation, modifiziert nach [43]

Außerdem war jede 4. Person (22,9 %) während der Studie bereits in therapeutischer Behandlung für eine Venenerkrankung (siehe Tabelle 2a,b).

Tabelle 2: Therapeutische Maßnahmen: Altersverteilung (a) und Art (b), modifiziert nach [29]

Darüber hinaus war jeder 5. Mann (19,3 %) und jede 3. Frau (36,6 %) vor der Studie schon einmal an phlebologischen Vorerkrankungen an den Beinen betroffen (siehe Tabelle 3) [29,40].

a) therapeutische Maßnahmen gesamt

Verödungsbehandliung 168 (5,5) 23 (1,7) 145 (8,4)

Kompressionsverbände 180 (5,9) 38 (2,8) 142 (8,2)

Kompressionsstrümpfe 450 (14,6) 101 (7,5) 349 (20,3)

Venenmedikamente 212 (6,9) 45 (3,3) 167 (9,7)

lokale Salbenanwendungen 230 (7,5) 52 (3,9) 178 (10,3)

Tabelle 3: Anamnestische Angaben zu abgelaufenen Beinerkrankungen, modifiziert nach [29]

In einer Nachbeobachtungszeit von 6,6 Jahren (Bonner Venenstudie II) wurde ein Anstieg in der Prävalenz der Varikose (von 22,7 % auf 25,1 %) sowie der chronisch venösen Insuffizienz (von 14,4 % auf 16 %) festgestellt. In den 6,6 Jahren konnte auch die Inzidenz neu aufgetretener Venenerkrankungen (Varizen: 13,7 % und CVI: 13 %) beobachtet werden, die im Jahr um ca. 2 % mit dem Alter steigt [1,31].

Ätiologie

Die Varikosis ist eine degenerative Erkrankung der Venenwand und/oder der Venenklappen im oberflächlichen Beinvenensystem. Dabei kann sie entweder primär, durch eine angeborene Venenwandschwäche mit darauffolgender Klappeninsuffizienz, oder sekundär, durch das postthrombotische Syndrom, in Erscheinung treten. Daneben begünstigen wesentliche Faktoren, wie z.B. ein erhöhter venöser Druck durch zu langes Sitzen oder Stehen, Schwangerschaft, Übergewicht, Alter und eine Hypoxie, die durch den Stau (Stase) in den Beinen auftritt, die Entstehung von Krampfadern.

Primäre Varikose

Die primäre Varikose ist zu ca. 95 % eine der am häufigsten vorkommenden Venenerkrankungen der Gesamtbevölkerung. Meist wird sie durch Klappenfunktionsstörungen, die beim Menschen angeboren oder erworben sein können, verursacht. Sie bildet sich oft spontan, vor allem im Bereich der Vena saphena magna bzw. parva und ihren Seitenästen.

Symptom gesamt

Unterschenkelekzem 229 (7,5) 102 (7,6) 127 (7,4)

Beinschwellung 944 (30,7) 219 (16,2) 725 (42,1)

Krampfadern 890 (29,0) 260 (19,3) 630 (36,3)

Schwangerschaftsvarikose 196 (16,4)

oberflächliche Venenentzündung 164 (5,3) 27 (2,0) 137 (8,0)

Lymphödem 56 (1,8) 15 (1,1) 41 (2,4)

Lungenembolie 29 (0,9) 12 (0,9) 17 (1,0)

Tiefe Beinvenenthrombose 90 (2,9) 25 (1,9) 65 (3,8)

Ulcus cruris 34 (1,1) 16 (1,2) 18 (1,0)

Angeborene Klappenfuntionsstörungen (Klappenagenesie oder –dysgenesie)

Besonders bei Venen, deren Wand im Vergleich zu den Arterien keine Muskelschicht für die Festigkeit und mechanische Belastbarkeit aufweist, kann mitunter eine anlagebedingte Bindegewebsschwäche bzw. Venenwandschwäche dazu führen, dass es zur Ausbildung von Krampfadern kommt. Aufgrund dieser Insuffizienz kann das umliegende Gewebe und die Wadenmuskelpumpe keinen Druck auf die Beinvenen ausüben und somit auch das Blut nicht zum Herzen zurücktransportieren. Folglich kommt es durch den gesteigerten Reflux (Rückfluss) zu einer Venenklappeninsuffizienz, bei der die Klappen nicht mehr vollständig schließen. Die ständige Volumen- und Druckbelastung in den Beinvenen, die durch den Reflux ausgelöst wird, führt zu einer venösen Hypertonie und schließlich zur Überdehnung der Gefäßwand. Im Anschluss darauf kann es auch vermehrt zu Mikrozirkulationsstörungen, Fibrosierungen und Wundheilungsstörungen kommen.

Erworbene Klappen- und Wandfunktionsstörungen

In den Venenwandschichten der unteren Extremitäten, vor allem in der Tunica media, kommt es häufig zu einer degenerativen Venenwandschwäche, bei der die muskulären und elastischen Fasern abnehmen und vermehrt Kollagenfasern gebildet werden. Durch diesen starken Wandumbau werden schließlich die Venenklappen in ihrer Funktion gestört und durch den erhöhten Blutrückfluss kommt es zu einer Erweiterung der Venen [6,18,44].

Varikosisformen

Je nach Lage und Ausprägung unterscheidet man unterschiedliche Varikoseformen:

Stamm- und Seitenastvarizen

Diese unter der Haut befindlichen varikös erweiterten und gechlängelten Venen, die auch Venenkonvolute oder Venenknoten genannt werden, entwickeln sich aus den Bereichen der großen oberflächlichen Stammvenen und/oder ihrer Seitenäste durch insuffiziente Klappen (siehe Abbildung 22).

Abbildung 22: Schematische Darstellung der Mündungsregion der Vena saphena magna und der pathologischen Veränderungen bei der Stamm- und Seitenastvarikose, modifiziert nach [45]

Man unterscheidet grundsätzlich 2 Arten von Stammvarikosen. Die in Abbildung 23 dargestellte komplette Stammvarikose entsteht durch eine Insuffizienz der Mündungsklappen im Bereich der oberflächlichen Venenstämme, der Vena saphena magna oder parva. Diese Mündungsklappen, auch Venenklappen genannt, befinden sich beim Übergang von kleinen, oberflächlichen Venen in große, tiefe Venen

(Leitvenen). Eine angeborene oder erworbene Insuffizienz der Mündungsklappen kann dabei zu Verschlussstörungen der letzten Klappe kurz vor der Einmündung in das tiefe Venensystem führen. Daneben wird die inkomplette Stammvarikose durch insuffiziente Perforansvenen hervorgerufen. Außerdem kann man die Stammvarikose in Abhängigkeit von der Lage des distalen Insuffizienzpunktes, der Ort an dem die Klappen der erkrankten Stammvene wieder schließen, in 4 verschiedene Stadien gliedern (siehe Tabelle 4).

Abbildung 23: Varikosis des linken Beins mit Stammveneninsuffizienz der Vena saphena magna, Krosseninsuffizienz und Seitenastvarikosis der Vena saphena accessoria lateralis [46]

komplette Stammvarikose

der Vena saphena magna Seitenastvarikose normale Mündungsregion

Tabelle 4: Stadieneinteilung der Stammvarikose nach Lage des distalen Insuffizienzpunktes (nach Hach), modifiziert nach [45]

In Abbildung 24 werden die einzelnen Stadien einer kompletten Stammvarikose der Vena saphena magna nach Hach an der unteren Extremität sehr gut dargestellt.

Abbildung 24: Die 4 Stadien der kompletten Stammvarikose der Vena saphena magna nach Hach, a) Insuffizienz der Crosse, b) unterer Insuffizienzpunkt oberhalb des Knies, c) unterer Insuffizienzpunkt unterhalb des Knies, d) unterer Insuffizienzbereich im Knöchel- und Fußbereich (pedale Varikose), modifiziert nach [43,47]

Stadium Vena saphena magna Insuffizienzpunkt

Gefäßerweiterung Klinische Symptomatik

Vena saphena parva Insuffizienzpunkt

I proximales

Oberschenkeldrittel

keine keine Insuffizienz der

Schleusen-region ohne Symptome

II Handbreit oberhalb vom Knie

Bleistiftdicke leichte Varikose an Ober- und Unterschenkel

mittlerer Unterschenkel

III Handbreit unterhalb vom Knie

Fingerdicke mittelgradige Varikose mit peripherer Ödemneigung und

leichten Symptomen der venösen Stauung

distaler Unterschenkel

IV Fuß über Fingerdicke ausgeprägte Varizen, häufig

mit schwerem chronisch-venösen Stauungssyndrom

Die Folge von Stamm- bzw. Seitenastvarikosen in den unteren Extremitäten ist, das es durch die insuffizienten Klappen zu einem Reflux oder zu einer Strömungsumkehr des Blutes von den tiefen in die oberflächlichen, varikös veränderten Stammvenen und ihrer Seitenäste kommt (siehe Abbildung 25b). Den Übergang des venösen Blutes von den Leitvenen in das oberflächliche Venensystem bezeichnet man auch als proximalen Insuffizienzpunkt. Dabei fließt das Blut weiter fußabwärts zu Venenklappen, die noch richtig schließen. Von dort gelangt das Blut über klappensuffiziente Perforansvenen in die tiefen Venen, wo es über die Wadenmuskelpumpe eine Ebene hinauf transportiert wird (siehe Abbildung 25 a). Danach strömt das Blut über insuffiziente Perforansvenen, die defekte Mündungsklappen haben, wieder in das oberflächliche System zurück. Dort bildet sich dann meistens eine mehr oder weniger ausgeprägte Varikosis der Beine. Durch die ständige Rezirkulation können die tiefen Venen das große Blutvolumen jedoch nur bis zu einem gewissen Grad bewältigen bis es zur Überdehnung der Gefäße und schließlich zu einer sekundären Klappeninsuffizienz kommt (siehe Abbildung 25 c).

Abbildung 25: a) Normale Flussverhältnisse der venösen Drainage am Bein, b) und c) Rezirkulation bei Varikosis, modifiziert nach [48]

a)

b) a)

c)

Abbildung 26: Strömungsverhältnisse bei chronisch venöser Insuffizienz [48]

In weiterer Folge entsteht eine persistierende venöse Hypertonie mit Mikrozirkulations-störungen, da die Wadenmuskelpumpe im Gehen nicht mehr ausreichend funktioniert, um den venösen Druck in den Beinen zu reduzieren. Treten weitere Komplikationen, wie z.B.

perikapilläre Ödeme, Sauerstoffdiffusionsstörungen, trophische Störungen, Gewebe-schädigungen und Kapillarschäden, die durch den Blutrückstau versacht werden, an den unteren Extremitäten auf, spricht man von einer chronisch venösen (Leitvenen-) Insuffizienz (CVI) einer Stammvarikose. Die in Abbildung 26 gut dargestellte CVI weist auch noch Elongat-ionen und Knickbildungen der Venen auf und kann sich im

weiteren Verlauf zu einem Ulcus cruris (Geschwür) entwickeln. Weitere mögliche Auswirkungen einer primären Varikose sind die Varikophlebitis (Entzündung der Krampfadern) oder der Riss (Ruptur) eines Varizenknotens, die beide zu starken Blutungen führen können [18,48].

Retikuläre Varizen

Retikuläre Varizen sind netzförmig angeordnete, erweiterte Hautvenen, die einen Durchmesser von 1 - 3 mm aufweisen. Als bläulich gefärbte Venenektasien (siehe Abbildung 27), die regional oder diffus durch die Haut schimmern, findet man sie häufig in der Kniekehle sowie im Unterschenkel und am seitlichen Oberschenkel. Sie verlaufen direkt unter der Haut und stehen mit dem subkutanen Venenplexus, dem

Venengeflecht, in Verbindung. Die meist harmlosen retikulären Varizen können aber bei Verletzungen einreißen und in weiterer Folge zu Blutungen und Hämatomen führen.

Abbildung 27: Besenreiservarikosis und Retikulärvarikosis [49]

Besenreiservarizen (Mikrovarizen,)

Diese 0,1 – 1,0 mm großen Venenerweiterungen liegen direkt unter der Haut und treten fast bei jedem Menschen mit zunehmendem Alter auf (siehe Abbildung 28). Jedoch sind Frauen oft häufiger davon betroffen als Männer. Außerdem leitet sich ihr Name von ihrem verzweigten Muster ab, das Birkenreisern sehr ähnelt. Ihre feinen, blau-rot schimmernden Äderchen, die in stern-, strahlen- oder fächerförmiger Struktur vorkommen, liegen dabei sehr dicht unter der Hautoberfläche beisammen. Daneben gibt es auch lineare, verzweigte, spinnenförmige und punktförmige Strukturen von Besenreisern. Grundsätzlich zählt man zu den Besenreisern auch die Teleangiektasien, die oberflächliche Erweiterungen des Hautvenenplexus darstellen.

Darüber hinaus können sie einzeln oder als Geflecht an jeder Stelle der Beine in Erscheinung treten. Besonders oft findet man sie am medialen und lateralen Unter- und Oberschenkel sowie in den Kniekehlen. In der Regel erweisen sich Besenreiser oft als harmlos, da keinerlei Beschwerden auftreten, aber für viele Menschen stellen sie ein kosmetisches Problem dar.

Gelegentlich können Besenreiser aber auch Schmerzen verursachen und ein Hinweis auf darunter liegende Krampfadern sein [22,40,49].

Abbildung 28: Kleinkalibrige Besenreiservarikosis [49]

Perforansvarikose

Die Perforansvarikose kann primär, aufgrund einer genetischen Disposition, infolge einer Klappeninsuffizienz der Perforansvenen (Vena perforantes) entstehen. Es kommt dabei zur Strömungsumkehr des Blutes von den tiefen Venen in die äußeren Venen, die in Richtung Leiste verlaufen, und anschließend zur Vergrößerung des Mündungswinkels. Die Perforansvenen verlieren ihre paarige Form durch den starken Umbau des Gefäßes und nehmen eine zylindrische Form an, die Unregelmäßigkeiten in der Wand aufweist (siehe Abbildung 29b).

Klinisch gesehen tritt eine Perforansvarikose vermehrt an den Dodd- und Cockett-Venen auf.

Sekundär kann die Perforansvarikose durch erhöhtes Blutvolumen bei der primären Stammvarikose oder durch das postthrombotische Syndrom hervorgerufen werden [45].

Abbildung 29: a) Normale Anatomie der Perforansvenen, b) venöse Veränderungen bei Perforansvarikose, modifiziert nach [45]

Sekundäre Varikosis

Die sekundäre Varikose, die nur 5 % aller Gefäßerkrankungen der Gesamtbevölkerung ausmacht, wird aufgrund von anderen Venenerkrankungen verursacht. Eine tiefe Beinvenenthrombose mit Abflussstörung, eine venöse Hypertonie oder eine Insuffizienz der Klappen des tiefen Venensystems können eine sekundäre Varikose der oberflächlichen Venen hervorrufen [6,21].

a) b)

Klassifikation der Varikosis

Varizen entwickeln sich über viele Jahre, vor allem an den unteren Extremitäten, und schreiten dann für gewöhnlich nur sehr langsam fort bis sie zu ernsthaften Komplikationen führen.

Meistens liegen die Varizen in Stammvenen oder in Seitenästen unbemerkt schon über einen langen Zeitraum vor und fallen nicht auf, da sie keine Schmerzen verursachen. Zu Beginn sind sie oft noch sehr dünn und fein (Besenreiser, Netzkrampfadern), können aber auch zu optisch ausgeprägten, dicken Venen heranwachsen. Viele Menschen sehen die unschönen, kleinen Varizen oft als harmlos an, da sie meist keine Beschwerden auslösen und in der Regel keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen hervorrufen, und suchen daher keinen ärztlichen Rat auf.

Jedoch können sich die Minimalformen einer Varize über Jahre in ein anspruchsvolles Krankheitsbild entwickeln, dem Ulcus cruris (Geschwür). Grundsätzlich wird dieser Venenklappendefekt durch eine unbehandelte Stammvarikosis (primäre Varikosis) oder durch eine tiefe Beinvenenthrombose hervorgerufen. Deshalb sollten erste Anzeichen für Varizen, wie z.B. nächtliche Wadenkrämpfe in den Beinen, Schwellungen am Knöchel, Juckreiz, Venenentzündungen, Hautverfärbungen, Blutungen, Spannungs- und Schweregefühle in den Unterschenkel mit oder ohne Ödem, die sich insbesondere durch langes Stehen bilden, ernst genommen werden. Auch häufig auftretende nächtliche Ödeme, die sobald der Körper in Bewegung kommt (z.B. Gehen, Laufen) oder durch Liegen meistens wieder verschwinden, sollten abgeklärt werden. Von diesen Symptomen sind jedoch Frauen öfter als Männer betroffen, vor allem während der Menstruation und in der Schwangerschaft.

Damit man den Schweregrad von Varizen besser beurteilen kann, wird häufig die

CEAP-Klassifikation (C= Clinical picture, E= Etiology; A= Anatomy, P= Pathophysiology), die international anerkannt ist, zur Einteilung venöser Erkrankungen herangezogen (siehe Tabelle 5).

Tabelle 5: CEAP – Klassifikation, C0 - C6: klinische Zeichen der Varikose, modifiziert nach [21]

C0 Keine sichtbaren Zeichen einer Venenerkrankung C1 Besenreiser und retikuläre Varizen

C2 Varikose ohne Zeichen einer CVI

C3 Varikose mit Ödem ohne Hautveränderung

C4 Varikose mit Hautveränderungen (Pigmentierung, Ekzem, Dermatoliposklerose, Atrophie blanche)

C5 Varikose mit Narbe eines Ulcus cruris C6 Varikose mit floridem Ulcus cruris

Daneben können Varizen auch nach der deutschen klinischen Klassifizierung in 4 Schweregrade eingeteilt werden (siehe Tabelle 6) [21,22,50,51].

Tabelle 6: Klinische Klassifikation der Varikose, modifiziert nach [43]

Nichtinvasive und invasive apparative Diagnostikverfahren zur Erkennung einer Varikose

Bei der Diagnostik von Varizen ist es wichtig auf die Lage, Größe und Verteilung und insbesondere auf Hautveränderungen und Ödeme zu achten, da dies bereits langfristige Komplikationen der Erkrankung sein könnten. Deshalb wird zuerst eine Anamnese mittels medizinischen Befunden eingeholt. Dabei spielen Vorerkrankungen der Blutgefäße wie z.B.

Beinvenenthrombosen oder Venenentzündungen, die familiäre Disposition, Begleit-erkrankungen wie Diabetes mellitus sowie vorangegangene Operationen und frühere Therapien und Therapieergebnisse eine entscheidende Rolle für die Behandlung.

Danach wird eine klinische Untersuchung durch Palpation des Fußes durchgeführt. Hierbei werden nicht nur die Venen sondern auch die Arterien mit abgetastet, um mögliche arterielle Verschlusskrankheiten auszuschließen. Vorhandene Knöchelschwellungen, deren Umfang abgemessen und dokumentiert werden, sowie dunkelrote bis bläuliche Hautveränderungen an den unteren Extremitäten, die bei insuffizienten Venenklappen auftreten, werden auch sorgfältig untersucht. Daneben kann man beim Abtasten auch Unterschenkelödeme, die durch tiefe Varizen entstehen und eine erhöhte Konsistenz der Wadenmuskulatur aufweisen, sehr leicht erkennen. Erste wahrnembare Anzeichen für eine Varikose sind unter anderem sicht- und spürbare Stamm- und Seitenastvarizen, „Blow-out“–Phänomene (wegdrückbare Vorwölbungen der Hautoberfläche) im Abschnitt der Perforansvenen, eine chronisch venöse Insuffizienz, eine Dermatosklerose und Stauungsdermatitis an den Beinen, eine Venenentzündung sowie ein

Stadium Beschwerden Komplikationen

Grad 1 Krampfadern; keine (nennenswerten) weiteren

Beschwerden keine

Grad 2 Krampfadern; weitere Beschwerden: Dysästhesien, Juckreiz, Schweregefühl, Spannungsgefühl, leichte Schwellneigung, Wadenkrämpfe, Schmerzen u. a.

Grad 4 Krampfadern; weitere Beschwerden wie bei Grad 3 stärker ausgeprägt als bei Grad 3; florides Ulcus cruris

Geschwür (Ulcus cruris). Allerdings lassen sich erweiterte und geschlängelte Venen, falls keine postthrombotischen Veränderungen vorliegen, sehr oft mit den Händen ausstreichen.

Weiters sollten, je nach medizinischer Auffälligkeit, die Stammvarizen der Vena saphena magna und parva sowie die Seitenastvarizen und die Perforansvarizen unbedingt behandelt werden.

Seltener werden dagegen die für die Patient_innen unschönen, retikulären Varizen und Besenreiservarizen therapiert. Diese werden erst auf Wunsch der Patient_innen behandelt oder wenn große Besenreiserflächen Blutungen bei Traumen und Juckreiz herbeiführen.

Diagnostisch gesehen gibt es 2 Arten von klinischen Funktionstests, die noch ambulant durchgeführt werden können, der Perthes–Test und der Trendelenburg–Test [21,22,40].

Perthes–Test

Dieser Test gibt Auskunft über Funktion und Durchlässigkeit tiefer Beinvenen und Perforansvenen. Dabei wird am Bein im Stehen unterhalb des Knies eine Staubinde angelegt.

Durch Bewegung wie z.B. Gehen wird die Wadenmuskelpumpe aktiviert und die erweiterten gestauten oberflächlichen Varizen sollten sich entleeren (siehe Abbildung 30a). Treten allerdings Schmerzen und ein Spannungsgefühl in den Beinen auf, ist dies meistens ein Hinweis auf eine Venenklappeninsuffizienz oder auf eine Abflussstörung in den tiefen Beinvenen sowie Perforansvenen (siehe Abbildung 30b) [40,52].

Abbildung 30: a) normal (linkes Bein): Entleerung der epifaszialen Unterschenkelvarizen, b) pathologisch (rechtes Bein): Fehlende Entleerung durch Venenklappeninsuffizienz tiefer Leitvenen oder Perforansvenen, modifiziert nach [52]

b) a)

Trendelenburg–Test

Dieser Test ermöglicht einen Nachweis insuffizienter Venenklappen der Vena saphena magna und parva sowie der Perforansvenen. Zuerst wird durch Hochlagerung der Beine oder durch Ausstreichen das Blut aus den Beinvenen entleert (siehe Abbildung 31a). Danach wird in der Mitte des Oberschenkels eine Staubinde angelegt. Kommt es im Stehen zu einer raschen Auffüllung der Varizen, besteht der

Verdacht, das die Mündungsklappen der Perforansvenen defekt sind (Perforans-insuffizienz, siehe Abbildung 31b). Werden hingegen die oberflächlichen Venen nach lösen der Staubinde sehr schnell wieder gefüllt, kann dies ein Anzeichen für eine Mündungsklappeninsuffizienz der Vena saphena magna bzw. parva sein (siehe Abbildung 31c). Füllen sich die ober-flächlichen Venen jedoch ganz langsam wieder von unten zur Körpermitte auf, dann sind alle Venenklappen intakt.

Abbildung 31: a) liegender Patient mit angehobenen Beinen: Varizen werden von proximal nach distal ausgestrichen, b) Patient im Stehen: nach ca. 30 Sekunden wird Stauung geöffnet, c) normal (linkes Bein): langsame Wiederauffüllung der epifaszialen Stammvenen von proximal nach distal, pathologisch (rechtes Bein): Wiederauffüllung der epifaszialen Venenstämme trotz Kompression der Mündungsklappen, modifiziert nach [52]

Beide Tests finden heutzutage aufgrund der Einführung apparativer nichtinvasiver Methoden, die eine hohe diagnostische Sensitivität und Spezifität aufweisen, kaum noch Anwendung [40,52].

a)

b) c)

Abbildung 32: Anlage des Sensors zur Licht-reflexionrheographie-Messung am linken Bein [14]

Lichtreflexionsrheografie (LRR, Photoplethysmographie)

Die Lichtreflexionsrheografie ist ein nichtinvasives Messverfahren, mit dem man die Funktion von tiefen und oberflächlichen Venen sowie auch venöse Ödeme überprüfen kann.

Lymphödeme können nicht untersucht werden, da sie durch eine systemische Erkrankung hervorgerufen werden. Dabei wird im

Sitzen ein Sensor mit Infrarotlicht, mit einer bestimmten, genau definierten Wellenlänge, an jedem Unterschenkel angebracht (siehe Abbildung 32). Dieser Sensor misst die venöse Wiederauffüllzeit in den Beinvenen nach Bewegung des Fußes in Richtung Fußrücken (Dorsal-reflexion). Es kommt zur Kontraktion der Wadenmuskelpumpe, die einen venösen Rückstrom aus den unteren Extremit äten

bewirkt. Hierdurch wird der Venenplexus des Unterschenkels komplett entleert. Gemessen werden dann die Schwankungen in der Lichtreflexion durch die Haut, die durch Volumenschwankungen in den Venen verursacht werden, bei Wiederauffüllung der Venen.

Diese Werte werden aufgezeichnet und in einem Kurvendiagramm dargestellt. Daraus ergeben sich die Wiederauffüllungszeiten, die Auskunft über den Funktionszustand der Venen gibt. Bei zu schneller Auffüllung der Beinvenen besteht der Verdacht einer Varikose bzw. einer chronisch venösen Insuffizienz. Zusätzlich kann bei einer verkürzten Wiederauffüllung die venöse Funktionsstörung den tiefen oder oberflächlichen Venen zugeordnet werden, indem man während der erneuten LRR-Durchführung die oberflächlichen Venen durch einen Stauschlauch unterbindet (siehe Tabelle 7) [22,40].

t0 Schweregrade der Venenklappeninsuffizienz (für Krampfadern, CVI)

t0 > 25 Sekunden normal

t0 zwischen 20 - 25 Sekunden venöse Funktionsstörung Grad I t0 zwischen 10 - 20 Sekunden venöse Funktionsstörung Grad II t0 < 10 Sekunden venöse Funktionsstörung Grad III

Tabelle 7: Beziehung zwischen Wiederauffüllzeit und Schweregrad der Krampfadern

Tabelle 7: Beziehung zwischen Wiederauffüllzeit und Schweregrad der Krampfadern