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In der vorliegenden Untersuchung fand sich weder die NYHA-Klassifizierung noch die maximale Sauerstoffaufnahme als Prädiktor für Belastungen in den Skalen „Unsicherheit im Sozialkontakt“, „Phobische Angst“, „Paranoides Denken“ und „Psychotizismus“.

Salzer-Muhar et al 40 berichteten in ihrer bereits an anderer Stelle zitierten Studie über eine geringere State Anxiety der Patientengruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe und diskutierten frühe Konfrontation mit angsteinflößenden Situationen, welche die Entwicklung von besseren Strategien im Umgang mit solchen geführt haben könne.

Ebenso liegt es nahe, dass die Unabhängigkeit der Unsicherheit im Sozialkontakt von dem Schweregrad der Restsymptomatik durch das Erlernen sozialer Kompetenzen

durch die gesundheitsbedingten Erschwernisse in der Kindheit und Jugend begründet sein könnte.

Die BSI-Skalen „Aggressivität / Feindseligkeit“ und „Psychotizismus“ wurden in Kapitel 4.3 besprochen.

4.7.1 Interpretation der von der Restsymptomatik beeinflussten BSI-Skalen

Betrachtet man die Profile der geschlechtsspezifischen psychische Belastung hinsichtlich der Restsymptomatik, so wird deutlich, dass die Skalen „Ängstlichkeit“ und

„Somatisierung“ sowohl der Frauen als auch der Männer von dieser abhängen (Tabelle 10). Die Skala „Somatisierung“ wird in Kapitel 4.8 ausführlich erläutert.

Ängstlichkeit im Sinne von frei flottierender Angst (Angstneurose) wird von als eine allgemeine, persistierende Ängstlichkeit mit unterschiedlichen Symptommanifestationen wie motorischer Spannung, vegetativer Übererregbarkeit, Erwartungsangst, Überwachheit, Befürchtungen und Sorgen um das eigene Schicksal und / oder das der Angehörigen beschrieben 37.

Es fällt auf, dass die Ängstlichkeit des Patientenkollektivs nur von dem subjektiven Parameter der Restsymptomatik, dem NYHA-Stadium, beeinflusst wird.

Dieser Befund deckt sich mit den bereits erwähnten Ergebnissen von Bromberg et al 4, welche ebenfalls kein Ansteigen der BSI-Skala „Ängstlichkeit“ mit dem objektiven Schweregrad der Restsymptomatik feststellten.

Geyer et al 16 beschrieben ein Ansteigen der Ängstlichkeit im Zusammenhang mit der Ablehnung des eigenen Körpers.

Linde et al 28 fanden in ihrer bereits zitierten Studie über intrinsische Faktoren kongenital herzkranker Kinder, dass die Ängstlichkeit der Kinder signifikant mit der Ängstlichkeit der Mütter korreliert. Die maternale Ängstlichkeit wird nach den Ausführungen der Autoren durch das alleinige Vorhandensein einer Herzerkrankung stärker beeinflusst als durch den Grad der Krankheitsausprägung.

Vergleichbare Ergebnisse erhielten, wie bereits an anderer Stelle diskutiert, Gupta et al bei der Untersuchung von verborgenen Ängsten von CHD-Kindern und ihren Müttern 19.

Mütter zyanotischer Kinder zeigten höhere situationsbezogene Angst wie auch Ängstlichkeit als die Mütter nichtzyanotischer Kinder.

Über einen Zusammenhang der Child-Behavior-Checklist-Skala „Internalisierungs-probleme“, welche aus den Komponenten Ängstlichkeit, Depressivität, Somatisierung und Rückzug besteht, zur tiefen Hypothermie mit Herzstillstand, relativ kurzer Schwangerschaftsdauer, relativ niedriger systemischer Sauerstoffsättigung und relativ hohem Alter bei der Operation, berichteten Utens et al 50 in einer Studie zur Vorhersagbarkeit von Verhaltens- und emotionalen Problemen von Kindern und Jugendlichen mit operiertem kongenitalem Herzfehler.

Diese Ergebnisse erlauben die Annahme, dass Ursachen für die Ängstlichkeit von Patienten mit angeborenem Herzfehler anscheinend vorwiegend in entwicklungsbedingten und sozialen Determinanten und nicht in der objektiv messbaren Restsymptomatik, hier der maximalen Sauerstoffaufnahme, zu finden sind.

Während die Dimension „Zwanghaftigkeit“ nur bei den Frauen durch die Restsymptomatik beeinflusst wird, leiden die Männer mit zunehmender Restsymptomatik speziell unter Belastungen der Skalen „Depressivität“ und „Aggressivität / Feindseligkeit“.

Es ist denkbar, dass sich Frauen aktiver als Männer mit ihrer Herzerkrankung auseinandersetzen und ihre Körperfunktionen mit erhöhter Aufmerksamkeit kontrollieren.

Stilley et al 44 berichteten über 11 Patienten mit einer zwanghaften Persönlichkeits-störungen in einer Kohorte von 73 Patienten nach Herz- bzw. Lungentransplantation.

Zwanghafte Verhaltensweisen zeigten insgesamt 62,5 % dieser Patienten. Von Seiten der Autoren werden Verhaltensmuster, die durch die chronische Krankheit bedingt sind und sich im Laufe des Lebens ausprägen, diskutiert.

In den Studien von Gantt et al 12 und Horner et al 21, welche auf semistrukturierten Interviews basieren, wird die Angst vor einem plötzlichen Herztod berichtet. In letzterer Studie wird ebenfalls berichtet, dass viele Patienten in der Angst vor Verschlechterung körperliche Symptome der Herzfunktion zunehmend mit Besorgnis beachten würden.

Depressive und aggressive Verhaltensweisen in Folge der kardialen Restsymptomatik scheinen hingegen ein spezifisches Reaktionsmuster der männlichen Patienten darzustellen.

Hinsichtlich der Depressivität fand sich in der bereits zitierten Studie von Geyer et al 16 in derselben Studienpopulation bei beiden Geschlechtern ein Zusammenhang mit der ablehnenden Körperbewertung (Beurteilung der äußeren Körpererscheinung, des

Gefühls der Stimmigkeit sowie des Wohlbefindens im eigenen Körper). Bei den Frauen fand sich zusätzlich ein Zusammenhang mit niedrigem sozioökonomischen Status ebenso wie niedrigen Scores hinsichtlich der vitalen Körperdynamik (wahrgenommene körperliche Gesundheit; Kraft und Fitness inklusive körperintensive Aktivitäten) und den BSI-Skalen „Depressivität“ sowie „Aggressivität / Feindseligkeit“.

Einen Zusammenhang zwischen den selbst eingeschätzten körperlichen Alltagseinschränkungen und der Depressivität von Männern fanden, wie bereits ausgeführt, auch Murberg et al 31 1998 in ihrer Studie an 119 Patienten mit verschiedenen kongestiven Herzerkrankungen, wohingegen bei den Frauen ein solcher Effekt nicht nachweisbar war. Jedoch fand sich bei beiden Geschlechtern kein Zusammenhang zwischen der selbst eingeschätzten Dyspnoe und der Depressivität, was auf darauf hinweist, dass eher die subjektiv empfundenen Einschränkungen als die körperlichen Symptome zu einer psychischen Belastung führen. Als Ursache für die Geschlechtsunterschiede wird hier eine höhere Symptomaufmerksamkeit der Männer genannt, welche zu einer stärkeren psychischen Belastung führen könne und auch, dass sich Männer durch körperliche Einschränkungen stärker gehandicapt und belastet fühlen als Frauen. Ebenso wird diskutiert, dass Frauen die krankheitsbedingte soziale Abhängigkeit und Passivität eher akzeptieren könnten als Männer.

Ähnliche Ergebnisse erzielten Westlake et al 57 in einer Studie mit 200 vorwiegend männlichen Herzpatienten, in der die Patienten zu 47,5 % Anzeichen einer Depression aufwiesen. Die Depressivität dieser Patienten korrelierte mit schlechtem NYHA-Stadium, schlechter maximaler Sauerstoffaufnahme, mangelnden wahrgenommener Kontrollmöglichkeiten und Neurotizismus. Keine Korrelation zur Depressivität zeigten hier Alter, Geschlecht, ventrikuläre Auswurffraktion und die Parameter des sozialen Netzwerks und der sozialen Unterstützung.

Majani et al 29 fanden in einem Kollektiv von 152 an unterschiedlichen Herzerkrankungen leidenden Männern ebenso einen Zusammenhang zwischen der NYHA-Klasse und der Depressivität sowie der Trait Anxiety.

Daliento et al 7 merkten in ihrer Studie über die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Fallot-Patienten an, dass viele von ihnen im Interview Depressivität durch eine diffuse Hyperaktivität zu überspielen versuchten, was nach Ansicht der Autoren mit einer Unfähigkeit zu klagen verbunden sein könnte. Diese Tatsache sollte dazu beitragen, bei Untersuchungen einen stärkeren Fokus auf das Vorhandensein einer Depression zu richten.

4.8 Gruppenunterschiede der Einzelitems „Somatisierung“ in Bezug auf