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4.6 Einfluss der NYHA-Stadien und der maximalen Sauerstoffaufnahme auf die psychische Belastung

4.6.2 VO 2 peak% als Prädiktor für psychische Belastung

In der vorliegenden Studie zeigte sich in der binären logistischen Regressionsanalyse, dass die mit dem BSI gemessene psychische Belastung von Frauen mit angeborenem Herzfehler nicht von der objektiven körperlichen Leistungsfähigkeit, gemessen mit der maximalen Sauerstoffaufnahme in Prozent vom individuellen Sollwert, abhängt (Tabelle 10).

Im Gegensatz zu den Frauen konnte die VO2peak% bei den Männern als Prädiktor für hohe T-Scores im Sinne einer psychischen Belastung der BSI-Skalen „Somatisierung“, Depressivität“, Aggressivität / Feindseligkeit“ sowie den „General Severity Index“

identifiziert werden.

4.6.2.1 Zusammenhänge zwischen der maximalen Sauerstoffaufnahme und den BSI-Skalen

Ähnliche Ergebnisse veröffentlichten Muraki et al 30 in einer Studie über Geschlechts-unterschiede bezüglich des Zusammenhanges der körperlichen Fitness in Form der maximalen Sauerstoffaufnahme und dem psychischen Gesundheitszustand. Es fiel eine negative Korrelation der psychischen Parameter der Männer (Anspannung, Depressivität, Ermüdung und dem Gesamtscore des „Profile of Mood States“ sowie der State- und Trait-Anxiety) mit zunehmender VO2max auf, wohingegen die psychischen Parameter der Frauen in keiner signifikanten Beziehung mit der VO2max standen.

Ein der in einem anderem Zusammenhang bereits zitierten Studie von van Rijen et al 54 beschriebener Einfluss der VO2max auf die Internalisierungs-Scores im Young Adult Self Report-Fragebogen (YASR) wurde nicht geschlechtsstratifiziert dargestellt, so dass unklar bleibt, ob sich auch hier ähnliche Ergebnisse gezeigt hätten.

Die VO2peak% zeigte bei den Männern prädiktive Eigenschaften für psychische Belastung der BSI-Skalen „Somatisierung“, Depressivität“, Aggressivität / Feindseligkeit“

sowie für den „General Severity Index“. Dies entspricht mit Ausnahme der Skala

„Ängstlichkeit“ den gleichen Skalen, für die bei den männlichen Teilnehmern auch die NYHA-Klasse prädiktive Funktion zeigte.

Einen Ansatz zur Klärung dieses geschlechtsspezifischen Phänomens bieten die Ergebnisse von Horner et al 21, welche in psychologischen Interviews zyanotischer Erwachsener eruierten, dass die herzkranken Jungen größere Probleme als Mädchen bei der sozialen Integration aufwiesen. So konnten sie aufgrund mangelnder körperlicher Belastbarkeit schlechter Anschluss an ihre Peer-Group finden und berichteten hinsichtlich der Zyanosesymptomatik über häufige Hänseleien, was insgesamt zu einem Gefühl der Isolation, der Minderwertigkeit und des Abgelehntwerdens führte. Mädchen hingegen wären eher in der Lage gewesen, sich zu integrieren und zudem die zyanotischen Stigmata mit Make-up zu kaschieren.

Über ein relativ erniedrigtes Selbstbewusstsein von Jungen mit angeborenem Herzfehler im Vergleich zu Jungen aus einer gesunden Kontrollgruppe berichteten auch Salzer-Muhar et al 40. Als Ursache hierfür wird ebenfalls diskutiert, dass die Jungen durch die schlechte Kondition und häufiges Sportverbot Schwierigkeiten hätten, bei den Gleichaltrigen mitzuhalten, wogegen diese Kriterien bei den Mädchen nicht so wichtig für die Kontakte mit ihrer Peer-Group wären. Ebenso ruhe immer noch eine höhere Erwartung an körperliche und geistige Kräfte auf den Jungen, so dass die Geburt eines

herzkranken Jungen für die Familien ein ungleich schwereres Schicksal als die eines herzkranken Mädchens darstelle.

In anderen Studien wird über die Unabhängigkeit der psychischen Befindlichkeit von der objektiv gemessenen Restsymptomatik berichtet.

So fanden Rose et al 38 keine signifikante Korrelation zwischen der maximalen Sauerstoffaufnahme und der psychischen Befindlichkeit, welche in dieser Studie eher mit einer depressiven Disposition und der sozialen Unterstützung korrelierte.

Ebenso wiesen Lane et al 27 keinen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Restsymptomatik und dem psychologischen Outcome des SF-36 auf; chirurgisch geheilte Patienten zeigten schlechtere psychische Outcomes als chirurgisch korrigierte Patienten. Als Ursache werden Kindheitserfahrungen wie „In-Watte-Gepackt-Werden“

genannt. Dies könnte einen Ansatz zum Verständnis dieses Phänomens bieten. Ebenso keinen Zusammenhang zwischen der maximalen Sauerstoffaufnahme und dem psychischen Wohlbefinden, gemessen mit dem SF-36, konnten Hager et al 20 in ihrer Studie zur Lebensqualität von Heranwachsenden und Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler finden.

Vergleichbare Ergebnisse erhielten Ternestedt et al 46, in deren bereits zitierter Studie Patienten der Fallot-Gruppe bessere Ergebnisse hinsichtlich der subjektiven Lebensqualität als die der Gruppe mit Vorhofseptumdefekt erzielten sowie Daliento et al, welche in einer Kohorte von 54 Patienten mit operierter Fallot-Tetralogie keinen Zusammenhang zwischen der postoperativen Morphologie und den psychosozialen Outcome, gemessen mit den SF-36, nachwiesen 7.

Auch Brandhagen et al 3 konnten in ihrer Untersuchung über psychische Langzeitfolgen von CHD-Patienten, in der sich die SCL-90-R-Skalen im Vergleich zu den Normdaten signifikant erhöht fanden, keine Korrelation zum Schweregrad der klinischen Restsymptomatik nachweisen.

In diesen Studien wurde mit Ausnahme einer Studie 38 die Restsymptomatik allerdings nicht in Form der maximalen Sauerstoffaufnahme, sondern mit anderen Parametern gemessen. Gerade aus diesem Grund zeigt sich in Zusammenschau mit der vorliegenden Studie ein differenziertes Bild über den Einfluss der objektiven Restsymptomatik auf die psychische Befindlichkeit von Männern mit operiertem angeborenem Herzfehler.

4.6.2.2 Risikoermittlung psychisch belasteter VO2peak%-Gruppen

Spezifische Risikogruppen (Tabelle 11 und Tabelle 12) für die Skalen „Somatisierung“

und „Depressivität“ ließen sich nicht eruieren. Von den Frauen der Diagnosegruppe

„Singulärer Ventrikel“ erreichte keine eine Belastung der Skala „Somatisierung“.

Saliba et al 39 fanden in ihrer an anderer Stelle bereits zitierten Studie an einer Gruppe von Patienten mit singulärem Ventrikel, dass Zyanose der Patienten einen Prädiktor für schlechte Ergebnisse des körperlichen Scores sowie der wahrgenommenen Gesundheit im „Duke Health Profile“-Fragebogen, nicht jedoch für die mentalen und sozialen Parameter darstellt. Die Patienten in seiner Studie wurden allerdings nicht geschlechtsstratifiziert, so dass auch hier keine weiteren Rückschlüsse bezüglich unterschiedlicher Einschätzungen der beiden Geschlechter gezogen werden können.

Aus Tabelle 12 wird ebenso ersichtlich, dass nur die Männer der Diagnosegruppe „Links-Rechts-Shunt“ ein signifikant erniedrigtes Risiko im Vergleich zur Fallot-Gruppe besitzen, eine psychische Belastung im Bereich der BSI-Skala „Aggressivität / Feindseligkeit“ zu erreichen. Dies ist ein Hinweis, dass die anderen Vitien im Vergleich zu diesem, meist als kurativ heilbar anzusehenden Vitiums, höhere Ratios für Belastungen dieser Skala aufweisen. Ebenso weisen die Diagnosegruppen „Transposition der großen Arterien“,

„Singulärer Ventrikel“ und „Stenosen“ ein erhöhtes Risiko für Belastungen im Bereich der Skala „General Severity Index“ auf, wohingegen bei den Frauen die einzelnen Diagnosegruppen zu keinerlei Risiken in Hinsicht auf die BSI-Skalenbelastungen tendieren.

Da die Diagnosegruppen mit den erhöhten Risiken, wie in Tabelle 16 dargestellt, im Gegensatz zum „Links-Rechts-Shunt-Typ“ einen höheren Grad der Restsymptomatik aufweisen, sind Parallelen zur aufgezeigten Abhängigkeit der BSI-Skalen der Männer von der maximalen Sauerstoffaufnahme gegeben.

Limitierend ist anzumerken, dass 5 von 19 Probanden der NYHA-Klasse III nicht an der Spiroergometrie teilnahmen, so dass die Aussagekraft der VO2peak%-Gruppen hinsichtlich des Odd-Ratios dieser ohnehin schon mit einer geringen Fallzahl vertretenen Gruppe begrenzt ist.