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In-vitro-Migrationsuntersuchungen

Um die Reaktivität von Leukozyten auf einen chemotaktischen Reiz und die Migrationsleistung von Leukozyten beurteilen zu können, ist eine Vielzahl von Analysesystemen entwickelt worden. Die zwei für das equine System gebräuchlichsten seien an dieser Stelle erwähnt.

2.4.3.1 Under-Agarose-Assay

Diese Methode wurde 1974 von CUTLER und MUNOZ entwickelt und ist anschließend von NELSON et al. (1975) für die Untersuchung humaner Leukozyten etabliert worden. Das Prinzip dieses Testes besteht darin, dass auf eine sterile Petrischale Agarose-Gel aufgetragen wird, in welches Vertiefungen eingebracht werden. In eine Vertiefung pipettierte PMN wandern unter dem Gel in Richtung auf ein Chemotaktikum in einer der weiteren Vertiefungen zu oder von einer Substanz weg (negative Chemotaxis). Nach Inkubation werden die Zellen am Schalenboden fixiert, gefärbt und ihre Wanderungsrichtung und -strecke mikroskopisch beurteilt.

Diese Methode ist von BLANCQUAERT et al. (1989) für das equine System optimiert worden.

2.4.3.2 Boyden-Kammer

Im Gegensatz zur Under-Agarose-Methode, wo Zellen in einer waagerechten Ebene migrieren, ist die Bewegungsrichtung bei der von BOYDEN (1962) entwickelten Methode vertikal. Bei diesem älteren, aber auch heute gebräuchlicheren Verfahren befinden sich Zellsuspension und Chemoattraktivum in zwei übereinandergelegenen Kammern und sind durch eine etwa 150 µm dicke Membran voneinander getrennt. Die in der oberen Kammer befindlichen Zellen wandern, durch die unten befindliche Substanz angelockt, in diese

Membran hinein. Bei einer Porengröße von 3 µm kann von einem aktiven Migrationsprozess ausgegangen werden. Nach der Wanderungszeit werden die Zellen im Filter fixiert, gefärbt und die Anzahl gewanderter Zellen sowie die Migrationsstrecke im Filter mikroskopisch beurteilt. Eine Modifikation von SEDGWICK et al. (1982), bei der die kostenaufwendige Plexiglaskammer durch Einwegmaterialen ersetzt wird, kam im equinen System häufiger zum Einsatz.

2.4.3.3 Auf equine neutrophile Granulozyten wirksame Chemotaktika

Unter Zuhilfenahme oben genannter Detektionssysteme sind unterschiedlichste Substanzen auf ihre migrationsinduzierende Wirkung gegenüber equinen PMN untersucht worden:

BLANCQUAERT et al. (1988) untersuchten die Wirksamkeit eines Sc. faecalis-Kulturüberstandes und beobachteten eine konzentrationsabhängige Chemotaxis als auch Chemokinesis bei equinen PMN. Dagegen konnten PYCOCK und ALLEN (1988) weder mit einem Sc. zooepidemicus-Kulturüberstand noch mit einer Suspension dieser Erreger eine Stimulation der in-vitro-Migration erzielen. Ähnliches berichteten MUHKTAR und TIMONEY (1988), die eine gerichtete PMN-Migration als Reaktion auf eine Sc. equi-Suspension oder deren Kulturüberstand nur indirekt über die Aktivierung von Komplementfaktoren erzielten. Der Überstand ohne Serumzusatz hatte eher eine hemmende Wirkung auf die Migrationsaktivität der PMN.

SEDGWICK et al. (1987) erreichten mit Zymosan-aktiviertem Serum (ZAS) eine gerichtete Migration von equinen neutrophilen Granulozyten in vitro. Durch Zugabe von Zymosan A und anschließender Inkubation werden im Serum (oder Plasma) die chemotaktischen Komplementfaktoren 5a (C5a) und 3a (C3a) gebildet, die eigentlich aktiven Substanzen. Diese Präparation diente im Anschluss vielfach als Standardchemoattraktivum für Migrationsassays.

DAWSON et al. (1988) sowie FOSTER et al. (1992) konnten mit Hilfe einer modifizierten Boyden-Kammer eine Migration equiner PMN (und eosinophiler Granulozyten) durch humanes PAF beobachten.

WATSON et al. (1987c) testeten im Rahmen ihrer Forschungsarbeit bezüglich der Endometritis bei der Stute die Chemoattraktivität der Arachidonsäuremetaboliten LTB4, PGF und PGE2 im „Under Agarose“-Verfahren. PMN-Chemotaxis war in Richtung LTB4 in einem Konzentrationsbereich von 1 bis 100 ng/ml und in Richtung PGE2 von 1 bis 10 ng/ml deutlich nachweisbar. PGF2α zeigte keine Migrationsstimulation.

Die synthetisch formylierten Oligopeptide, wie Formyl-Methionyl-Leucyl-Phenylalanin (fMLP), dienen im humanen System immer wieder als Positivkontrolle für Migrationsassays.

Auf die Migration equiner PMN hat dieses Peptid allerdings keinen oder nur einen geringen Einfluss (SNYDERMAN und PIKE 1980, ZINKL und BROWN 1982, BLANCQUAERT et al. 1988).

2.4.3.4 Hemmung der Migration equiner neutrophiler Granulozyten

Mehrere nichtsteroidale antiinflammatorische Substanzen sind in der Lage, die PMN-Wanderung in vitro zu beeinflussen. Flunixin, Indomethacin, Oxyphenbutazon und Phenylbutazon hemmten in den auch für den therapeutischen Einsatz gebräuchlichen Konzentration Chemotaxis und Chemokinesis der PMN, wobei Flunixin den deutlichsten Effekt zeigte (DAWSON et al. 1987). PYCOCK et al. (1988) untersuchten in einer vergleichenden Studie antibakterielle Medikamente auf eine Migrationshemmung. Dabei wiesen sie für Neomycin sowohl in vitro als auch nach systemischer Applikation einen Hemmeffekt auf equine PMN nach. Trimethoprim/Sulfadoxin und Benzylpenizillin blieben dagegen ohne Wirkung. LEID et al. (1987) gelang die Hemmung der ZAS-vermittelten PMN-Migration mit Hilfe von Taeniastatin, einem Taenia taeniaformis-Proteinase-Inhibitor.

2.4.3.5 Interleukin 8

Das Zytokin Interleukin 8 (IL-8) ist unter den Synonymen Neutrophilen Attraktives/Aktivierendes Protein 1 (NAP-1), Neutrophile Aktivierender Faktor (NAF),

„Granulocyte chemotactic protein“ (GCP), „Leukocyte adhesion inhibitor“ (LAI), „Monocyte derived neutrophil activating peptide“ (MONAP), „monocyte derived neutrophil chemotactic factor“ (MDNCF) u.a.m. bekannt (GILLI 1999). Aus diesen Umschreibungen wird bereits die herausragende Eigenschaft des IL-8 deutlich: Die Aktivierung von vornehmlich PMN zur Migration. Diese Spezifität resultiert aus der Rezeptordichte für IL-8 auf der Oberfläche verschiedener Leukozytensubpopulationen. Sie beträgt bei Neutrophilen etwa 20.000/Zelle, bei T-Lymphozyten sind es etwa 300/Zelle (BAGGIOLINI und CLARK-LEWIS 1992).

IL-8 wird von Endothel- und Epithelzellen, sowie von Lymphozyten, Monozyten, Fibroblasten und neutrophilen Granulozyten gebildet (KUNKEL et al. 1991, BURMESTER und PEZZUTTO 1998). Die Freisetzung von IL-8 seitens der PMN wird durch die chemotaktisch induzierte Migration (SIDDIQUI et al. 1999) und auch durch phagozytotische Aktivität gesteigert (BAZZONI et al. 1991).

Man unterscheidet eine aus 72 Aminosäuren bestehende IL-8-Variante, die vorwiegend von Monozyten und Lymphozyten produziert wird, und ein 77-Aminosäuren-IL-8. Dieses wird u.a. von Endothelzellen sezerniert und dann durch Abkopplung von fünf Aminosäuren zur biologisch aktiven 72-Aminosäuren-Variante umgesetzt (BALDWIN et al. 1990).

Neben der Migrationsaktivierung bewirkt IL-8 bei Neutrophilen eine Voraktivierung zur Bildung reaktiver Sauerstoffmetaboliten („priming“), führt zur Hochregulierung des Makrophagen Rezeptors 1 (Mac-1, CD11b/18) (ROBERTS et al. 1993) und fördert die Freisetzung lysosomaler Enzyme (SCHROEDER et al. 1987).

Die chemotaktische Wirksamkeit des IL-8 konnte sowohl beim Menschen als auch bei einer Reihe anderer Spezies gezeigt werden. ZWAHLEN et al. beobachteten einen PMN-Influx in das Gewebe nach intradermaler Applikation bei Ratte (1993) und Hund (1994).

SUGAWARA et al. (1995) zeigten in einer breit angelegten Vergleichsstudie humanes IL-8-Effekte auf PMN von Affe, Hund, Huhn, Kaninchen, Maus, Meerschweinchen, Ratte und Ziege. Beim Rind bewirkt humanes IL-8 eine transendotheliale in-vitro-Migration (BOCHSLER et al. 1994). Eine In-vivo-Applikation des Zytokins in die Zitzenzisterne des Euters ließ allerdings keine PMN-Immigration in das Lumen der Zitze oder die Zitzenwand folgen (PERSSON et al. 1993). Die Wirkung dieser spezifischen chemotaktischen Substanz auf die Migration equiner PMN ist bisher nicht untersucht worden. MARR et al. (1999) untersuchten lediglich dessen Wirkung auf das Adhäsionsverhalten equiner PMN an Fibronektin- und Serum-beschichtetem Plastik, wo es eine steigernde Wirkung besaß.

FRANCHINI et al. (1998) haben eine Beteiligung von IL-8 an Entzündungsprozessen des Pferdes in ihren Ausführungen vorrausgesetzt.

2.4.4 Phagozytose

Nachdem die PMN im Entzündungsgebiet angelangt sind, besteht ihre Hauptaufgabe darin, zu eliminierende Partikel aufzusuchen und zu neutralisieren. Bei diesen Partikeln handelt es sich meist um Bakterien. Um diese Aufgabe zu erfüllen, wird der Erreger meist inkorporiert.

Durch die sogenannte Opsonisierung wird der Prozess der Bindung zwischen Phagozyt und Bakterium verstärkt. Opsonine binden an der Oberfläche des zu eliminierenden Partikels und an entsprechenden Rezeptoren auf der PMN-Membran. Dabei sind drei Klassen an Opsonsinen zu unterscheiden: Immunglobuline vom Typ IgG, die an Fc-Rezeptoren der PMN binden, Spaltprodukte der Komplementkaskade (z.B. C3b, C4b), die von den korrespondierenden Komplementrezeptoren der PMN erkannt werden (hier CR3 und CR4), und schließlich membranständige Kohlenhydratgruppen auf Mikroorganismen, die seitens der PMN an Lektin-Rezeptoren binden (ROITT et al. 1991, JANEWAY und TRAVERS 1997).

Wurde ein Antigen über Rezeptoren der Granulozytenmembran fixiert, beginnt der Vorgang der Ingestion. Vorraussetzung ist, dass die Phagozytoseobjekte nicht zu groß sind. Ein Partikeldurchmesser von 1 µm oder auch mehr (etwa 10% des PMN-Durchmessers) lässt eine Phagozytose zu (DONNELLY et al. 1987, KLEIN 1991). Die PMN-Membran bildet unter Aktivierung von intrazellulären Aktin- und Myosinfilamenten Pseudopodien, die das zu inkorporierende Material becherartig umschließen und als Vakuole in die Zelle aufnehmen.

Diese als Phagosom bezeichnete Vakuole wird nach Verschmelzung mit zytoplasmatischen Granula der PMN zum Phagolysosom. Man unterscheidet die primären Granula - mit einem Anteil von etwa 10-20% - von den sekundären Granula. Die primären Granula enthalten Lysozym, Myeloperoxidase und Proteinasen. Dagegen beinhalten die sekundären Granula u.a.

Laktoferrin und Kollagenasen, die im Phagolysosom auf das phagozytierte Antigen einwirken (GEMSA et al. 1991, LONNERDAL u. IYER 1995). Die unverdaulichen Spaltprodukte der durch Enzymeinwirkung abgetöteten Bakterien werden exozytiert oder sammeln sich im

Granulozyten an und können dessen Absterben bedingen (KLEIN 1991). Zerfallsprodukte lysierter Bakterien und PMN wiederum dienen als Entzündungsmediatoren und fördern die weitere Rekrutierung von PMN aus dem Blutstrom sowie deren Aktivierung (GEMSA et al.

1991).