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Entwicklung eines Endometritismodells bei der Stute

4.2.1 Eignungsprüfung von rekombinantem humanen Interleukin 8

Ein Kernpunkt der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung eines Endometritismodells für die Stute, welches ermöglichen soll, selektiv neutrophile Granulozyten unter definierten, nichtinfektiösen Bedingungen zur Immigration in das Uteruslumen anzuregen. Die Zellen sollten mittels standardisierter Maßnahmen aus dem Uterus isoliert und im Vergleich mit zeitgleich gewonnenen autologen Blut-PMN hinsichtlich ihrer Eigenschaften untersucht werden können.

Basierend auf den Resultaten der in-vitro-Untersuchungen mit der 10-Well-Transmigrationskammer wurde das kommerziell erhältliche rekombinante humane Interleukin 8 (rhIL-8; s. 3.1.2) als definierte, chemoattraktiv auf equine neutrophile Granulozyten wirkende Substanz ausgewählt. Konzentrationskinetische Untersuchungen mittels in-vitro-Transmigration (s. 4.1.4.3) zeigten dabei ein Wirkungsmaximum im Bereich von 25-50 ng/ml.

Um die Wirksamkeit einer intrauterinen rhIL-8-Applikation bezüglich einer Einwanderung von PMN aus dem Blut in den Uterus zu überprüfen, wurden zunächst geschlechtsreife und -gesunde Stuten ohne bisherige Abfohlung verwendet. Bei diesen Tieren war mit einem vergleichsweise unbeeinflussten Endometrium und einer geringen bakteriellen Kontamination zu rechnen. Zunächst wurde der Effekt einer intrauterinen Applikation von 25 ng rhIL-8/ml PBS durch eine einmalige Uterusspülung nach 6 h überprüft. Auf diese Weise sollte die mechanische Irritation möglichst gering gehalten werden. Als Kontrolle diente die Spülung bei Tieren, denen nur PBS verabreicht wurde. Das Ergebnis der Behandlung wurde durch Leukozytenzählung in der Zählkammer und durch Differenzierung nach WRIGHT gefärbter Ausstriche (s. 3.2.4) und durchflusszytometrisch (s. 3.2.7) ermittelt.

Die Spültechnik wurde vom Embryotransferverfahren abgeleitet (s. 3.2.6). Durch Überprüfung der äußeren Rossesymptome, einer palpatorischen und sonographischen Untersuchung per rectum (s. Anhang 1) sowie der Messung der Progesteron- und Östrogen-Spiegel im Serum wurde sichergestellt, dass sich die Versuchstiere im Östrus befanden. Vor

der Infusion wurde eine sogenannte Nullspülung (50 ml PBS) zur Evaluierung der intrauterinen zellulären Zusammensetzung zu Versuchsbeginn durchgeführt.

In den Nullspülungen wurden jeweils keine Leukozyten oberhalb der Nachweisgrenze (1 x 104 Leukozyten/Spülung) nachgewiesen. Sechs Stunden nach der intrauterinen Applikation von 50 ml PBS alleine konnten aus den Uteri zweier Stuten insgesamt 2,7 x 106 bzw. 4,9 x 106 Leukozyten durch Spülung gewonnen werden (s. Tab. 8). Der PMN-Anteil an den Leukozyten betrug über 95%. Etwa 10% der PMN wurden als nicht-vital beurteilt. In der Uterusspülflüssigkeit der Stuten, denen 6 h zuvor 25 ng rhIL-8/ml infundiert worden war, konnten dagegen insgesamt 170 x 106 bzw. 430 x 106 Leukozyten mit einem PMN-Anteil von über 99% gezählt werden. Schon diese Resultate, die bei nur vier Stuten erzielt wurden, zeigten deutlich, dass PBS alleine zwar in der Lage ist, einen Influx neutrophiler Granulozyten in den Uterus zu bewirken; jedoch ist die erzielte Anzahl neutrophiler Granulozyten für die geplante Charakterisierung nicht ausreichend.

Die hier eingesetzte rhIL-8-Konzentration lockte dagegen PMN in großer Anzahl, von hoher Reinheit und mit guter Vitalität an. Die Wirksamkeit dieses Chemokins sollte deshalb bei weiteren Tieren genauer erprobt werden.

Tab. 8: Einfluss einer intrauterinen Applikation von PBS oder rhIL-8 auf die Anzahl der Leukozyten in der Uterusspülflüssigkeit

Nullspülung 1) 6-h-Spülung 2)

L x 1063) L x 106 PMN (%) 4) vitale

1) Vor Applikation von PBS bzw. der rhIL-8-Lösung (je 50 ml) wurde eine Spülung mit 50 ml PBS vorgenommen. Davon konnten zwischen 12 und 25 ml zurückgewonnen werden.

2) Die Spülung des Uterus wurde 6 h nach Verabreichung von PBS oder rhIL-8 mit 300 ml PBS vorgenommen.

Davon konnten zwischen 250 und 300 ml zurückgewonnen werden.

3) Bezeichnet die absolute Zahl der Leukozyten in der Uterusspülflüssigkeit; die Leukozyten wurden nach Acridinorange-Färbung in der BÜRKER-Kammer ausgezählt (s. 3.2.3).

4) Die Differenzierung erfolgte mittels Durchflusszytometrie (s. 3.2.7) und wurde mittels Auszählung gefärbter Ausstriche verifiziert (s. 3.2.4).

5) Die Bestimmung der Zellvitalität erfolgte nach Propidiumjodid-Färbung durchflusszytometrisch (s. 3.2.7).

6) n.n.= Leukozyten wurden nicht nachgewiesen (Nachweisgrenze: 1 x 104 Leukozyten/Spülung).

4.2.2 Einfluss von rhIL-8-Konzentration und Einwirkzeit auf den intrauterinen Leukozytengehalt

Es war zu prüfen, in welchem Umfang die Chemokin-Konzentration und die Einwirkzeit den Zellgehalt im Uterus beeinflussen. Zu diesem Zweck wurde Stuten nach einer Nullspülung (s.

3.2.6) rhIL-8 in zwei unterschiedlichen Konzentrationen intrauterin appliziert. Es schlossen sich je Stute drei Spülungen des Uterus an (nach 3, 6, und 24 h). Der Effekt des mechanischen Reizes durch die sequentielle Spülung alleine wurde an zwei Tieren überprüft, denen nur PBS infundiert worden war.

Die im Anschluss an eine rhIL-8-Applikation aus dem Uterus isolierten Leukozyten konnten zu über 99% als neutrophile Granulozyten identifiziert werden. Wie Tabelle 9 zeigt, war die absolute PMN-Anzahl von der verwendeten rhIL-8-Konzentration abhängig. Wurde den Stuten nur PBS verabreicht, so konnten nach 3 h 1,5 x 106 (Tier 10) und 0,9 x 106 (Tier 11) PMN aus den Uteri isoliert werden. Mit den folgenden Spülungen stieg die Zahl der PMN auf 6 bzw. 10,2 x 106 (6 h) und auf 13,4 bzw. 15 x 106 (24 h) PMN an. Bekamen die Tiere jedoch eine rhIL-8-Lösung verabreicht, so konnte die durchschnittliche Anzahl immigrierter PMN nach 3 h etwa um den Faktor 31 (10 ng rhIL-8/ml) und 60 (25 ng rhIL-8/ml), und nach 6 h um den Faktor 15 (10 ng rhIL-8/ml) bzw. 70 (25 ng rhIL-8/ml) gegenüber den PBS-Stuten gesteigert werden. Nach 24 h wurden, mit einer Ausnahme, weniger PMN aus dem Uterus gewonnen als nach 6 h. Die Vitalität der uterinen PMN lag nach 3 und 6 h durchschnittlich über 90 bzw. 95%. Nach 24 h variierte die Zahl membranintakter PMN von 42 bis 95%.

Diese Untersuchungen zeigten, dass rhIL-8 in der Lage ist, nach intrauteriner Applikation selektiv neutrophile Granulozyten vorrübergehend in das Uteruslumen zu locken. Der PMN-Einstrom in den Uterus ist konzentrations- und zeitabhängig (s. Abb. 13). Schon der mechanische Reiz nach initialer PBS-Infusion ließ die PMN-Zahl im Uterus ansteigen. Sie wurde aber um den Faktor 70 erhöht, wenn als Infusat 25 ng rhIL-8/ml PBS verwendet wurden.

Tab. 9: Einfluss von rhIL-8-Konzentration und Einwirkzeit auf den intrauterinen

1) Drei, sechs und 24 h nach Verabreichung von PBS oder rhIL-8-Lösung (je 50 ml) wurde die Spülung des Uterus mit 300 ml PBS vorgenommen. Davon konnten zwischen 200 und 300 ml zurückgewonnen werden. Vor Applikation von PBS oder der rhIL-8-Lösung (je 50 ml) wurde eine Spülung mit 30 ml PBS vorgenommen.

Davon konnten zwischen 12 und 25 ml zurückgewonnen werden.

2) Die Zahlen bezeichnen die absolute Anzahl an PMN in der Uterusspülflüssigkeit. Die Zellzahlen wurden mittels Acridinorange-Färbung und BÜRKER-Kammer bestimmt (s. 3.2.3), die Differenzierung erfolgte anhand von WRIGHT-gefärbten Ausstrichen (s. 3.2.4).

3) Die Bestimmung vitaler Zellen erfolgte nach Propidiumjodid-Färbung durchflusszytometrisch (s. 3.2.7).

4) n.u.= Die Tiere wurden zu diesen Zeitpunkten nicht untersucht.

Abb. 13: Einfluss von alleiniger PBS-Spülung und zusätzlicher rhIL-8-Infusion auf den PMN-Gehalt im equinen Uterus

Dargestellt sind die Mittelwerte und Standardabweichungen der absoluten PMN-Anzahlen in den Uterusspülungen aus Tabelle 9.

4.2.3 Einfluss der Uterusspülung auf die Ergebnisse der bakteriologischen und histologischen Untersuchung der Gebärmutter

Für das geplante Endometritismodell sind Kenntnisse über die intrauterine bakterielle Kontamination sowie den histologischen Ausgangs- und Endzustand nach wiederholter Uterusspülung Grundvoraussetzung.

Die Ergebnisse der bakteriologischen Untersuchungen der Uterusspülproben (s. 3.2.12) sind in Tabelle 10 dargestellt. Die Befunde zeigen, dass es nach wiederholter Uterusspülung zu einer geringgradigen bakteriellen Kontamination kommen kann. Eine starke Verunreinigung mit unspezifischen Keimen ist jedoch frühestens nach viermaliger Manipulation und nur in einem Fall aufgetreten.

Da für das Modell der reproduzierbaren, definierten nicht-infektiösen Endometritis zur Isolierung neutrophiler Granulozyten aus dem Uterus für die meisten Fragestellungen zwei Spülungen ausreichend sind („Nullspülung“ und eine weitere Spülung), ist somit die Wahrscheinlichkeit einer beeinflussenden bakteriellen Kontamination als gering einzustufen.

absolute PMN-Zahl (x 106

)

PBS 10 ng

rhIL-8/ml 25 ng rhIL-8/ml 100

200 300 550

3-h-Spülung 6-h-Spülung 24-h-Spülung

Tab. 10: Bakterieller Keimgehalt der Uterusspülflüssigkeit nach wiederholter Uterusspülung

Spülzeitpunkt 1) n 2) Befunde 3)

0 h 15 15 x bakteriologisch negativ 9 x bakteriologisch negativ

3 h 10

1 x ggr. unspezifischer Keimgehalt 11 x bakteriologisch negativ

6 h 15

4 x ggr. unspezifischer Keimgehalt 4) 5 x bakteriologisch negativ

4 x ggr. unspezifischer Keimgehalt

24 h 10

1 x hgr. unspezifischer Keimgehalt

1) Die Spülungen erfolgten vor (0 h) sowie 3, 6 und 24 h nach einer intrauterinen Applikation von rhIL-8 oder PBS (s. 3.2.6).

2) Untersucht wurden 15 klinisch gesunde Stuten zum Zeitpunkt der Rosse.

3) Die bakteriologische Untersuchung erfolgte unter Anwendung der direkten Keimanzüchtung und eines Anreicherungsverfahrens durch Nährmedien (s. 3.2.12).

4) Als unspezifische Keime werden solche angesehen, die nach derzeitigem Kenntnisstand als „nicht uteruspathogen“ für die Stute angesehen werden.

Um Erkenntnisse über den jeweiligen Ausgangszustand des Uterus des Versuchstieres zu bekommen, wurde zu Versuchsbeginn jeweils eine Nullspülung vorgenommen. Sie gab Aufschluss über den Gehalt an Keimen und Entzündungszellen im Uterus. Geht es darum, chronische Veränderungen des Endometriums zu beurteilen, die Einfluss auf die Leukozytenmigration nehmen könnten, ist die histologische Untersuchung einer Gewebeprobe notwendig. Diese wurde, wie unter 3.2.13 beschrieben, direkt nach der letzten Uterusspülung vorgenommen. Mit der Wahl dieses Zeitpunktes wurde eine Beeinflussung des Spülergebnisses durch die Verletzung des Endometriums verhindert. Die akute Auswirkung der Chemokin-Applikation mit anschließenden Spülungen sowie eventuelle chronische Alterationen des Endometriums konnten so jedoch dokumentiert werden.

Bei allen ausgewerteten Bioptaten wurde eine gegenüber der physiologischen Situation vermehrte Infiltration des Endometriums mit Leukozyten festgestellt (s. Tab. 11). Am häufigsten konnten dabei neutrophile Granulozyten identifiziert werden. Eine Korrelation zwischen PMN-Gehalt in der jeweils letzten Spülung und Stärke der PMN-Infiltration des

Endometriums konnte nur ansatzweise ausgemacht werden: Bei zwei Tieren, denen nur PBS verabreicht worden war, wurden PMN nur in Spuren nachgewiesen. Somit wurde mittels rhIL-8 zwar ein starker PMN-Influx in das Uteruslumen induziert, die histologisch erkennbare Entzündungsreaktion aber fiel dagegen gering aus.

Tab. 11: Histologische Befunde der Endometriumbioptate nach rhIL-8- und PBS-Infusion und wiederholter Uterusspülung (s. auch Tab. 9)

Befunde 2)