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Verspannungen in einer Halbleiterstruktur f¨uhren zu einer Verbiegung und Aufspal-tung der B¨ander und ¨andern somit die elektronischen Eigenschaften. Dies kann in CEO-Quantendr¨ahten ausgenutzt werden, um die Einschlußenergie (siehe Abschnitt 2.7) deutlich zu erh¨ohen. Dabei m¨ussen allerdings die besonderen Erfordernisse beim Wachstum von Materialien mit unterschiedlichen Gitterkonstanten beachtet werden.

Pseudomorphes Wachstum

W¨achst man in einer Heterostruktur Schichten verschiedener Materialien aufeinander, deren Gitterkonstanten ¨ubereinstimmen, so erh¨alt man pseudomorphes Wachstum, das heißt, die aufgewachsenen Schichten nehmen die Gitterstruktur des Substrates an, oh-ne daß Versetzungen oder Fehlstellen auftreten. Dies ist beispielsweise bei AlGaAs der Fall, da die Gitterkonstanten von GaAs und AlAs nahezu identisch sind (siehe Bild 2.13). In der Regel ist pseudomorphes Wachstum notwendig, um qualitativ hochwerti-ge Strukturen zu erhalten, da Gitterfehler zu Grenzfl¨achenrauigkeiten und St¨orstellen f¨uhren5.

Doch auch bei Materialien mit unterschiedlicher Gitterkonstante kann es bei d¨unnen Schichten zu pseudomorphem Wachstum kommen. W¨achst man ein Material mit ei-ner anderen Gitterkonstante auf ein Substrat auf (zum Beispiel InAs auf ein GaAs-Substrat), so ¨ubernimmt das neue Material zun¨achst die Gitterstruktur des Substrats, ist dabei jedoch verspannt. Dies f¨uhrt zu einer Verspannungsenergie, die sich ¨uber die Dicke der gewachsenen Schicht aufsummiert. ¨Ubersteigt die Dicke der verspannten Schicht eine bestimmte kritische Schichtdickehc(siehe Kapitel4.3), dann wird die Ver-spannungsenergie ¨uber Versetzungen und Fehlstellen abgebaut. Es lassen sich so also verspannte Heterostrukturen pseudomorph aus Materialien mit verschiedenen Gitter-konstanten herstellen, solange die Dicken der verspannten Schichten diese kritische Schichtdicke nicht ¨ubersteigen. Bild 2.14 zeigt schematisch eine solche Struktur.

5Es gibt auch Anwendungen f¨ur nichtpseudomorphes Wachstum wie zum Beispiel selbstorganisierte Quantenpunkte (Abschnitt2.2) oder relaxierte Pufferschichten [Wur08].

Al

x

Ga

1-x

As

In

y

Al

x

Ga

1-x-y

As x

y

Bild 2.13: Bandl¨ucke und Gitterkonstante f¨ur GaAs, InAs, AlAs und daraus gebildeten tern¨aren und quatern¨aren Halbleitern. Die tern¨aren Halbleiter liegen auf den eingezeich-neten Verbindungslinien und die quatern¨aren innerhalb der dreieckigen Fl¨ache. Die leichte Kr¨ummung der Linien resultiert aus der nichtlinearen Abh¨angigkeit der Bandl¨ucke vom Le-gierungsverh¨altnis (vgl. Kapitel3.3). Die Bandl¨ucke ist jeweils f¨ur den Γ-Punkt angegeben.

Um absichtlich verspannte Strukturen herzustellen, bietet sich im GaAs-Material-system der Halbleiter Indiumarsenid (InAs) an, der eine gr¨oßere Gitterkonstante und eine kleinere Bandl¨ucke als GaAs besitzt. Bild2.13zeigt die Bandl¨ucken und Gitterkon-stanten von GaAs, AlAs und InAs. Besonders flexibel ist man bei der Verwendung des quatern¨aren Halbleiters InyAlxGa1-x-yAs. Der Indium-Anteil y legt dabei den Grad der Verspannung fest und durch den Aluminium-Anteil x l¨aßt sich die Bandl¨ucke beliebig innerhalb des Dreieicks in Bild2.13 einstellen.

F¨ur Schichtstrukturen wie in Bild2.14, die senkrecht zur Wachstumsrichtung trans-lationsinvariant sind, l¨aßt sich die Verformung relativ einfach berechnen. Die einzelnen Schichten nehmen beim pseudomorphen Wachstum die Gitterkonstante des Substrats an. Wenn sie dabei gedehnt oder gestaucht werden, findet eine Querkontraktion bzw.

-dehnung statt, die duch die Poissonzahl ν beschrieben wird:

ν =−∆d/d

∆l/l (2.26)

Dabei bezeichnet ∆l/l die relative L¨angen¨anderung in der Substratebene und ∆d/d die Dicken¨anderung in Wachstumsrichtung. Bei komplexeren Strukturen wie den in dieser Arbeit untersuchten CEO-Proben muß zur Berechnung der Verformungen die

AlGaAs

InAlGaAs

AlGaAs

Wachstumsrichtung

Bild 2.14: Pseudomorphes Wachstum von Schichten mit unterschiedlichen Gitterkonstan-ten. Der indiumhaltigen Schicht wird dabei die Gitterkonstante des AlGaAs-Substrats auf-gezwungen. Eine Kontraktion in der Substratebene f¨uhrt dabei zu einer Querdehnung in Wachstumsrichtung (aus [Neu08]).

Verspannungsenergie auf einem diskreten Gitter mithilfe der Elastizit¨atstheorie mini-miert werden.

Elastizit¨ atstheorie

In diesem Abschnitt wird in verk¨urzter Form dargestellt, wie sich Verspannungen in einem Kristall im Rahmen der klassischen Elastizit¨atstheorie [Lan70] beschreiben und berechnen lassen. Im darauf folgenden Abschnitt wird dann dargelegt, wie sich diese Verspannungen auf die Bandstruktur auswirken. Ausf¨uhrliche Abhandlungen hierzu findet sich in [Sch05] und [Haj03].

In diesem Abschnitt kennzeichnet der Vektorpfeil einen Vektor im dreidimensiona-len Ortsraum. Die zugeh¨origen Komponenten werden durch das entsprechende Formel-zeichen ohne Pfeil dargestellt und die Koordinatenachsen durchnummeriert, also zum Beispiel~a = (a1, a2, a3).

Unter dem Einfluß von Kr¨aften k¨onnen sich Form und Volumen eines Festk¨orpers

¨andern. Dabei wird jeder K¨orperpunkt von seinem urspr¨unglichen Ort ~x zu einem neuen Platz ~x0 verschoben. Die Differenz wird durch den Auslenkungsvektor

~

u(~x) =~x0 −~x (2.27)

beschrieben. Durch die Verformung ¨andert sich auch der Abstandsvektord~zweier Punk-te von

d~=~xa−~xb (2.28)

zu

d~0 =~x0a−~x0b (2.29) F¨ur inifinitesimal benachbarte Punkte l¨aßt sich die Differenz der quadratischen Abst¨ande dann mithilfe der Taylorentwicklung wie folgt schreiben:

|d~0|2− |d|~2 = 2 Der Verzerrungstensor ist symmetrisch, dimensionslos und eine Funktion des Or-tes~x. Positive Hauptdiagonalenelemente dr¨ucken eine Dehnung entlang der betreffen-den Koordinatenachse aus und negative eine Stauchung. Die Elemente außerhalb der Hauptdiagonalen beschreiben Scherungen, die das Volumen nicht ¨andern. Die Spur des Verzerrungstensors gibt die relative ¨Anderung des Volumens an und wird als hydrosta-tische Verzerrung

hyd =Sp() =11+22+33 (2.32) bezeichnet. Das Hooke’sche Gesetz lautet in der Elastizit¨atstheorie

σij =

Dabei werden der Spannungstensorσij (

”Kraft“) durch den Elastizit¨atstensorCijklmit dem Verzerrrungstensor kl (

”L¨angen¨anderung“) verkn¨upft. Die 81 Elemente des Elas-tizit¨atstensors sind Materialkonstanten und lassen sich durch Symmetrie¨uberlegungen auf 21 unabh¨angige reduzieren. Durch Ber¨ucksichtigung der Kristallsymmetrie l¨aßt sich diese Anzahl weiter verringern. In Kristallen mit kubischer Symmetrie gibt es nur drei linear unabh¨angige Elemente des Elastizit¨atstensors, die sich zum Beispiel als C1111, C1122 und C1212 angeben lassen.

Die Verspannungsenergie pro Volumeneinheit des Kristalls lautet EF = 1

Um die Verformung eines Kristalls durch innere oder ¨außere Spannungen zu berechnen, muß der Gleichgewichtszustand gefunden werden, bei dem die Verspannungsenergie des

gesamten KristallsR

EFdV minimal ist. Durch Variationsrechnung l¨aßt sich zeigen, daß dieser Zustand erreicht ist, wenn f¨ur alle Punkte ~x gilt:

3

X

j=1

∂σij(~x)

∂xj = 0 f¨ur i= 1,2,3 (2.35) F¨ur ein diskretes Gitter mit N Gitterpunkten ergibt sich hieraus ein System von 3N Gleichungen, aus denen sich dann f¨ur jeden Gitterpunkt die Auslenkung~u(~x) berechnen l¨aßt.

Einfluß von Verspannungen auf die Bandstruktur

Die so berechneten Auslenkungen der Atome des Kristallgitters haben einen wesentli-chen Einfluß auf die Bandstruktur. F¨ur Halbleiter mit Zinkblendestruktur kann dieser im Rahmen der k·p-St¨orungstheorie durch Hinzunahme von sogenannten linearen De-formationspotentialen nach Bir und Pikus berechnet werden. Es ergeben sich dabei zus¨atzliche Terme im Hamiltonoperator, die zur Verschiebung und Aufspaltung der Valenz- und Leitungsb¨ander f¨uhren. Die genaue Herleitung findet sich in [Bir74]. Im Folgenden werden einige Konsequenzen f¨ur die Bandstruktur vorgestellt.

F¨ur Elektronen am Γ-Punkt besteht ein proportionaler Zusammenhang zwischen der Verschiebung des Leitungsbandes ∆EC und der relativen Volumen¨anderung durch Verspannungen:

∆Ec=ac∆V

V =acSp() (2.36)

Die empirisch bestimmte Proportionalit¨atskonstante ist das sogenannte absolute Defor-mationspotential des Leitungsbands ac. F¨ur Elektronen jenseits des Γ-Punkts kommt es zus¨atzlich zu einer Aufspaltung des Leitungsbandes in Abh¨angigkeit von ~k.

F¨ur das Valenzband zeigen die Berechnungen in [Bir74], daß das analog definierte absolute Deformationspotential des Valenzbands av nicht ausreicht, um die Auswir-kungen der Verspannungen widerzugeben. Zwei weitere Parameter, die sogenannten uniaxialen Deformationspotentiale b und d sind hier notwendig, um die Auswirkungen von Scherspannungen zu beschreiben, die die Entartung von schweren und leichten L¨ochern am Γ-Punkt aufheben.

Piezoelektrische Polarisation

Halbleiter mit Zinkblendestruktur besitzen ionische Bindungen und weisen kein Inversi-onszentrum auf. Sie sind daher piezoelektrisch. Unter dem Einfluß von Verspannungen kommt es zu Ladungsverschiebungen, die zu einer makroskopischen Polarisation P~

f¨uhren. Die Komponenten von P~ sind ¨uber die piezoelektrischen Koeffizienteneijk mit dem Verzerrungstensor verkn¨upft [Vur01]:

Pi =

Vereinfacht gesagt ist die Polarisation also proportional zur Verspannung. Durch Sym-metrie¨uberlegungen ergibt sich f¨ur Zinkblendestrukturen, daß nur ein einzelner der piezoelektrischen Konstanten wirklich unabh¨angig ist. Dies f¨uhrt zu dem vereinfachten Ausdruck

Hier treten nur die Elemente des Verzerrungstensors auf, die außerhalb der Haupt-diagonale liegen. F¨ur die piezoelektrische Polarisation sind also nur Scherungen, nicht aber Dehnungen oder Stauchungen relevant. Die piezoelektrische Polarisation f¨uhrt zu Raumladungsdichten

die bei der Berechnung der Bandverl¨aufe ber¨ucksichtigt werden m¨ussen.