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Vermögenszusammensetzung: Geldvermögen gewinnt zunehmend an Bedeutung Mit Blick auf die Zusammensetzung des privaten Vermögens zeigt sich eine Tendenz

Im Dokument Lebenslagen in Deutschland (Seite 101-106)

steigen-der Geldvermögensanteile bei – spiegelbildlich – rückläufigen Anteilen des Sachvermögens (Schaubild A II.2.13). Anfang 1992 betrug der Anteil des Nettogeldvermögens – Geldvermögen (einschließlich Unternehmensanteilen) abzüglich Kredite und sonstiger finanzieller Verbindlich-keiten – der privaten Haushalte rund 24 Prozent, bis zum Jahr 2011 stieg er auf 32 Prozent an.

Dieser Anstieg ging auf Kosten der (relativen) Anteile der Sachanlagen und Gebrauchsgüter am gesamten Nettovermögen, während der (relative) Anteil des in Form von Bauland gehaltenen Vermögens über den gesamten Zeitraum annähernd identisch blieb.

Schaubild A II.2.13:

Entwicklung des privaten Nettovermögens und seiner Zusammensetzung, 1992-2012

Private Nettovermögen: Nettovermögen der private Haushalte und Organisationen ohne Erwerbszweck.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank (vgl. Anmerkungen zu Schaubild A II.2.10.).

Diese Entwicklung ist auch das Ergebnis eines veränderten Sparverhaltens der privaten Haus-halte seit den 90er Jahren, die einen zunehmend geringeren Anteil ihrer Ersparnisse zur Meh-rung ihres Sachkapital verwendeten und einen zunehmend größeren Anteil zur Erhöhung ihres Nettogeldvermögens (Schaubild A II.2.14). Die dargestellte Entwicklung ist von gesamtwirt-schaftlicher Bedeutung, da sich Geldvermögen und -schulden per Saldo aufheben. Jeder finan-ziellen Forderung steht notwendig eine Verbindlichkeit identischer Höhe gegen, und das Netto-geldvermögen (die Differenz zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten) einer geschlosse-nen Volkswirtschaft ist deshalb zu jeder Zeit gleich null. Nettoforderungen und damit positives Nettogeldvermögen kann eine Volkswirtschaft als Ganze nur gegenüber dem Ausland

aufbau-en, wobei sich Nettogeldvermögen und Nettogeldschulden weltweit (von statistischen Diskre-panzen abgesehen) ebenfalls aufheben.

Schaubild A II.2.14:

Ersparnisbildung der privaten Haushalte, 1991-2011

Verfügbare Einkommen beinhalten Zunahmen betrieblicher Versorgungsansprüche. Die Quoten der Geld- und Sachvermögensbildung summieren sich zur Sparquote der privaten Haushalte.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung; Deutsche Bundesbank, Finan-zierungsrechnung. Stand: August bzw. Juni 2012

Eine Erhöhung des Nettogeldvermögens der privaten Haushalte bedarf folglich gesamtwirt-schaftlich betrachtet zwingend einer Erhöhung der Nettoschulden mindestens eines anderen Sektors. Schaubild A II.2.15 verdeutlicht diesen Zusammenhang: Dem Aufbau von Nettogeld-vermögen (positive Finanzierungssalden) eines oder mehrerer Sektoren in einem beliebigen Jahr steht immer eine gleich große Nettoverschuldung eines oder mehrerer anderer Sektoren (negative Finanzierungssalden) gegenüber. Im vergangenen Jahrzehnt, in dem der deutsche Unternehmenssektor – historisch höchst ungewöhnlich – seine Investitionstätigkeit nahezu voll-ständig aus laufenden Gewinnen finanzierte, war es neben dem deutschen Staat vor allem das Ausland, das sich in zunehmendem Maße gegenüber inländischen Sektoren verschuldete und so die fortgesetzte Nettogeldvermögensbildung insbesondere der privaten Haushalte überhaupt erst ermöglichte.

Damit das Nettogeldvermögen eines Sektors nachhaltig wachsen kann, müssen also andere Sektoren Kredite aufnehmen und idealerweise investiv verwenden. Angesichts der Tatsache, dass der Nettoneuverschuldung beim Bund durch die seit 2011 greifende Schuldenbremse strenge Grenzen gesetzt werden, gilt es insbesondere die Rahmenbedingungen für die unter-nehmerische Investitionstätigkeit im Inland auch in Zukunft so attraktiv wie möglich zu gestalten.

Mit Blick auf die große Bedeutung ausländischer Finanzierung ergibt sich darüber hinaus ein

spezifisches Interesse Deutschlands an der fortgesetzten Gewährleistung der Bonität ausländi-scher – privater wie staatlicher – Schuldner und insbesondere an der Stabilität der internationa-len Finanzbeziehungen. Die Bedeutung nachhaltiger Gläubiger-Schuldner-Beziehungen ist im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise und der anhaltenden Schuldenkrise im Euroraum beson-ders akut zutage getreten.24

Schaubild A II.2.15:

Nettogeldvermögensbildung in Deutschland: Sektorale Finanzierungssalden, 1991-2011

* Das Statistische Bundesamt bucht die Übernahme der Schulden der Treuhand in Höhe von 122,46 Mrd.

Euro beim Bund im Jahr 1995 als geleistete Vermögenstransfers des Staates an die nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften.

** Der Finanzierungsüberschuss des Staates und das überdurchschnittlich hohe Defizit der

nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften im Jahr 2000 sind auf die Versteigerung der UMTS-Lizenzen zurückzu-führen.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung; Deutsche Bundesbank, Finan-zierungsrechnung. Stand: August bzw. Juni 2012

II.2.8 Finanz- und Wirtschaftskrise und Staatsschuldenkrise: Auswirkungen auf Vermögen in Deutschland und Maßnahmen der Politik

Die Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2009 hat tiefe Spuren im Vertrauen der Bürgerin-nen und Bürger hinterlassen. Sie war auch das Ergebnis eines weltweiten Wettbewerbs der Deregulierung der Finanzmärkte. Die Bundesregierung folgt auch bei der Reform der Finanz-marktregulierung dem Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft: Freiheit und Verantwortung, Risiko

24 Die erlaubte strukturelle Neuverschuldung des Bundes ist ab 2016 auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt (Bundes-länder: 0,0 Prozent ab 2020). Eine temporäre konjunkturbedingte Verschuldung ist möglich, muss jedoch zu einem späteren Zeitpunkt im Konjunkturzyklus zwingend wieder zurückgeführt werden.

und Haftung sind auch an den Finanzmärkten wieder zusammenzubringen. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es daher, dass künftig kein Akteur, kein Produkt und kein Markt ohne Re-gulierung bleibt. Gleichzeitig sind stabile Finanzmärkte unverzichtbarer Teil des marktwirtschaft-lichen Geschehens und elementare Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit unserer Wirt-schaft. Jede Wirtschaft auf Wachstumskurs braucht effiziente und stabile Finanzmärkte.

Im 3. Quartal 2008 erreichte die Krise an den internationalen Finanzmärkten mit der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers ihren vorläufigen Höhepunkt. Es bestand die reale Gefahr des Zusammenbruchs des globalen Finanzsystems und damit der vollständi-gen Entwertung eines großen Teils der finanziellen Vermövollständi-genswerte in Deutschland. Der eska-lierende Vertrauensschwund auf dem Interbankenmarkt und die daraus entstehenden Liquidi-täts- und Kapitalprobleme der Banken waren für die Bundesregierung im Oktober 2008 der An-lass für die Gründung der Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) auf Grundlage des Fi-nanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (FMStFG) zur Stabilisierung der Finanzmärkte. Dem eingerichteten Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) wurde die Möglichkeit zur Ge-währung dreier gezielter Stützungsmaßnahmen eingeräumt:

 Garantieübernahme: Zur Absicherung von Refinanzierungsgeschäften zwischen Finanz-instituten konnte der Fonds Garantien von bis zu 400 Mrd. Euro übernehmen.

 Rekapitalisierung: Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals. Der Fonds konnte sich überdies z. B. durch neu ausgegebene Aktien, stille Beteiligungen oder die Übernahme sonstiger Bestandteile der Eigenmittel an den Finanzinstituten beteiligen. Dafür standen Mittel in Höhe von max. 80 Mrd. Euro zur Verfügung.

 Übernahme von Risikopositionen: Innerhalb dieser Obergrenze konnte der Fonds grundsätzlich auch Risikopositionen (Forderungen / Wertpapiere) von Finanzinstituten übernehmen oder anderweitig absichern.

Die Gewährung von Hilfsmaßnahmen war dabei immer an gesetzliche und vertraglich festge-schriebene Auflagen gebunden, z. B. die Einhaltung einer Mindestkapitalisierung, den Abbau von Geschäftsbereichen bzw. Aktiva oder die Einhaltung von Vergütungsstandards. Weiterhin sind die Leistungen der öffentlichen Hand an Banken im Zuge der Finanzmarktstabilisierung zurückzuzahlen. Sie sind zudem nicht kostenlos: Das FMStFG und die darauf gestützten Maß-nahmen sehen für Unternehmen, denen StabilisierungsmaßMaß-nahmen gewährt wurden, neben diversen Auflagen vor, Gegenleistungen oder andere Zahlungen zu erbringen.

Eine Zäsur in der Bankenrettung stellte die Novellierung des FMStFG im Juli 2009 dar. Mit ihr verschob sich der Fokus von der Notfallrettung hin zur Stabilisierung der Institute. Die so ge-nannte Bad-Bank-Gesetzgebung war ein weiterer wichtiger Schritt, um Schaden vom Finanz-system abzuwenden. Durch das Gesetz wurde die Möglichkeit geschaffen, mit hohen Risiken

behaftete Wertpapiere und Vermögensgegenstände auszulagern und in den Bilanzen gebun-denes Eigenkapital freizusetzen. Die Möglichkeit zur Gründung einer Abwicklungsanstalt auf Bundesebene wurde von der Hypo Real Estate und der Westdeutsche Landesbank wahrge-nommen.

Seit Anfang 2011 können keine neuen Stabilisierungsmaßnahmen aus dem SoFFin mehr ge-währt werden. Abgelöst wurde das zugrunde liegende Gesetz durch das Restrukturierungsge-setz, welches zum Jahreswechsel 2010/2011 in Kraft trat. Mit ihm ist die Befugnis geschaffen worden, bei bestandsgefährdeten Kreditinstituten mit Gefährdungen für die Systemstabilität Restrukturierungsmaßnahmen anzuordnen. Für systemisch relevant befundene Teile einer in Schieflage geratenen Bank werden auf einen neuen Rechtsträger (Privater oder aber staatliche Brückenbank) übertragen, und der übrige, nichtsystemrelevante und wirtschaftlich nicht länger tragfähige Teil in die geordnete Abwicklung entlassen. Zur Bereitstellung der dafür erforderli-chen Finanzierungsmittel ist der Restrukturierungsfonds errichtet worden, der durch die Mittel der Bankenabgabe – die im 3. Quartal 2011 erstmals erhoben wurde – gespeist wird. Nunmehr wird die Branche selbst in die Verantwortung genommen, und die Banken stellen benötigte Mit-tel über den Restrukturierungsfonds bereit.

Gemäß Kabinettbeschluss vom 14. Dezember 2011 und abschließender Beratung im Deut-schen Bundestag am 26. Januar 2012 soll der SoFFin nun aufgrund anhaltender Marktverwer-fungen in Folge der europäischen Staatsschuldenkrise durch das 2. Finanzmarktstabilisie-rungsgesetz reaktiviert werden. Das Gesetz enthält im Wesentlichen eine Öffnung des SoFFin für neue Anträge und eine Stärkung des bankaufsichtlichen Instrumentariums zur Gefahrenab-wehr. Schließlich werden einige Rahmenbedingungen präzisiert. Durch das Gesetz sollen alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Stabilität und die Funktionsfähigkeit unseres Finanzsystems zu gewährleisten. Die Maßnahmen sind zeitlich bis Ende 2012 befristet. Die abschließende Bundesratsbefassung ist für den 10. Februar 2012 vorgesehen [Aktualisierungs-vorbehalt].

Mit Blick auf die Struktur der gesamtgesellschaftlichen Vermögen in Deutschland lässt sich festhalten, dass die oben beschriebenen Rettungsmaßnahmen einhergingen mit einer weitrei-chenden Verschiebung finanzieller Forderungen und Verbindlichkeiten von überwiegend priva-ten in staatliche Bilanzen, die sich im Zuge der Staatsschuldenkrise im Euroraum fortgesetzt hat. Diese zur Stabilisierung der Finanzmärkte notwendigen Maßnahmen haben sich deutlich in der Vermögensbilanz des staatlichen Sektors in Deutschland niedergeschlagen. Die seit 2008 kumulierten Effekte von Finanzmarktstützungsmaßnahmen auf den gesamtstaatlichen Brutto-schuldenstand belaufen sich auf rund 285 Mrd. Euro [BMF-Schätzung, Januar 2012]. Die Maas-tricht-Schuldenstandquote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt stieg in Folge der Krise von 66,7 Prozent im Jahr 2008 auf 83,2 Prozent im Jahr 2010 an, wobei der Großteil des Anstiegs

auf die Errichtung der Abwicklungsanstalten von Hypo Real Estate und Westdeutsche Landes-bank zurückging. Ihre Verbindlichkeiten erhöhten den Schuldenstand, ihre Aktiva werden auf-grund des Bruttokonzepts der Schuldenquote nicht gegengerechnet.

Bei einer Betrachtung ohne Berücksichtigung aller Finanzmarktstabilisierungsmaßnahmen hätte sich für 2010 eine Schuldenstandquote in Höhe von rund 70 Prozent ergeben. [Quelle: Dritter Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen] Die laufende Abschmelzung übertragener Portfolios führt dabei zu einer Reduktion des Schuldenstandes in gleicher Höhe. Gegenwärtig geht die Bundesregierung davon aus, dass der Gesamteffekt der Finanzmarktkrise auf die Schuldenstandquote von 12,5 Prozent des BIP im Jahr 2010 auf rund acht Prozent im Jahr 2015 sinkt (Schaubild A II.2.16).

Schaubild A II.2.16:

Schuldenquoteneffekte von Finanzmarkt -und Staatsschuldenkrise

Schuldenquoten in Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts.

Quelle: BMF Monatsbericht August 2011. BMF Bitte aktualisierte Daten für Schaubild als Excel zur Ver-fügung stellen.

Maßnahmen der Bundesregierung zur effektiven Regulierung der Finanzmärkte

Im Dokument Lebenslagen in Deutschland (Seite 101-106)