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Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register

Im Dokument Der sogenannte und weitere (Seite 171-175)

3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht

7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register

Aus der Inhaltsübersicht der Inschriftensammlung des CP XIII G 14 geht hervor, dass auffällige Parallelen zu dem im CVP 3255* enthaltenen Inschriftenregister vorliegen:

Alle geographischen Regionen, demnach auch das ehemals norische und (ober)-pannonische Gebiet, sind sowohl in der Wiener als auch in der Prager Handschrift vertreten. Damit drängt sich unweigerlich der Verdacht auf, dass das Register im CVP 3255* mit dem heute in Prag befindlichen Codex XIII G 14 in Bezug stehen könnte. Und dies ist tatsächlich der Fall.

Es zeigt sich darüber hinaus, dass die beiden Handschriften hinsichtlich ihrer Genese nicht in einem entfernten Verwandtschaftsverhältnis stehen, sondern dass es sich bei dem Prager Pergamentcodex um die unmittelbare Vorlage für das Register im CVP 3255* handelt.716 Im Folgenden werden die relevanten Ergebnisse der Detail-untersuchung zu inhaltlichen und kodikologischen Merkmalen der beiden Hand-schriften dargelegt.

7.1.1 Die Reihenfolge der Inschriften

Am Beginn der Prager Inschriftensammlung – heute: fol. 29r – stehen die letzten beiden Zeilen der stadtrömischen Inschrift CIL VI 1165, gefolgt von CIL VI 895 mit der Ortsangabe „Elogium ex saxo fracto apud (a)edes Cardinalis Reatini“. Lokalisierung und Incipit beider Inschriften sind im Verzeichnis des CVP 3255* auf fol. 106r,10–11 zu finden. Nach diesem Register sollte die erstgenannte Inschrift auf „fol. 8“ zu finden sein, die zweite auf „fol. 9“. Es folgen weiters jene Inschriften, die auch in der Prager Sammlung die Fortsetzung bilden. So sind alle vier Inschriften, die nach CVP 3255* einst in der Sammlung auf dem neunten Blatt gestanden sind, heute im CP XIII G 14 auf fol. 29r-v zu finden.

In weiterer Folge stimmt die Reihenfolge der Inschriften im Prager Codex mit jener des Wiener Verzeichnisses so exakt überein, dass sich sogar eine Formel für die Berechnung der Blattzahlen ermitteln lässt.717 Eine Abweichung ist erst nach fol. 157 des CP XIII G 14 festzustellen: Das nächste Blatt in der Prager Handschrift ist ein kleiner Pergamentrest, der offensichtlich bereits vor dem Beschreiben diese Form aufwies. Die moderne Paginierung des Codex Pragensis, die von Vidman und mir im Allgemeinen übernommen wurde, führt dieses Blatt unüblicherweise ebenfalls als fol. 157. Der Registrator des CVP 3255* war hier offensichtlich konsequenter und zählte dieses Blatt richtigerweise als eigenständiges. In einem umgekehrten Fall wurde fol. 212 des CP XIII G 14 vom Registrator nicht als eigenes Blatt gewertet.

716 Die Möglichkeit, dass beide Handschriften lediglich auf einen gemeinsamen Archetyp zurück-gehen, ist hiermit auszuschließen.

717 Siehe dazu die untenstehende Vergleichstabelle.

Anscheinend hielt er das auf fol. 213r stehende Epigramm (das keine eigene Orts-angabe aufweist) für zu fol. 212 gehörig. Abgesehen von diesen beiden – leicht erklärbaren – Abweichungen passen das Wiener Register und die Prager Inschriften-sammlung inhaltlich genauestens zueinander! Die folgende Konkordanz macht dies deutlich:

CVP 3255*folio CP XIII G 14 folio

Formel zur Berechnung der Blattzahl

1–8 - -

9–137 29–157 CVP 3255* fol. X+20 ≅

CP XIII G 14 fol. Y

138–171 157–190 CVP 3255* fol. X+19 ≅

CP XIII G 14 fol. Y

„Fol. sequens vacat“ - -

173–194 191–212 CVP 3255* fol. X+18 ≅

CP XIII G 14 fol. Y

194–202 213–221 CVP 3255* fol. X+19 ≅

CP XIII G 14 fol. Y

„203 vacat“ - -

204 225 CVP 3255* fol. X+21 ≅

CP XIII G 14 fol. Y

205 226

206 222

CVP 3255* fol. X+16 ≅ CP XIII G 14 fol. Y

207 223

208 224

209 - -

210 - -

„Restant tria folia vacua“ - -

Recto- und Verso-Seite werden im „Wiener Register“ grundsätzlich nicht gesondert erwähnt. Auch das in der Prager Handschrift enthaltene Abkürzungsverzeichnis er-fuhr keinerlei Berücksichtigung: Die angegebene Paginierung bezieht sich lediglich auf die Inschriftensammlung.

7.1.2 Leere und fehlende Seiten im CP XIII G 14

Aus der Konkordanztabelle geht hervor, dass das Register im CVP 3255* an insge-samt drei Stellen Hinweise auf leere Seiten in der Inschriftensammlung enthält. Auf Basis der oben ermittelten Formel kann festgestellt werden, dass es sich dabei zu-nächst um je ein Blatt zwischen fol. 190 und 191 bzw. nach fol. 221 handeln muss. An den entsprechenden Stellen des CP XIII G 14 sind heute tatsächlich schmale, in der Nummerierung unberücksichtigte Pergamentreste zu finden. Schnittspuren zeigen zweifelsfrei an, dass hier Blätter entfernt worden sind. Nach Auskunft des Registers im CVP 3255* haben sich einst drei weitere leere Blätter am Ende der Sylloge

befun-den.718 Von diesen ist heute nur noch eines vorhanden: Es wurde anstelle eines Nach-satzblattes auf die Innenseite des hinteren Buchdeckels geklebt. Das Register erwähnt zusätzlich Inhalte auf zwei weiteren Blättern, die im Prager Codex in seiner heutigen Gestalt ebenfalls nicht (mehr) zu finden sind. Dabei soll es sich um Fundstücke von Konrad Celtis handeln: „Nuper A Conrado Celti Inventum ... 209“ bzw. „Nuper Ab eodem Con(rado) Cel(ti) fol. ….. 210”.

Eine rekonstruierende Untersuchung der Pergamentlagen gibt Aufschluss darüber, wie der hinterste Teil des Codex zu seinem heutigen unvollständigen Erscheinungs-bild gelangte: Die letzte Lage des CP XIII G 14 bestand ursprünglich aus fünf Doppelblättern (zehn folia), wobei die letzten drei folia leer geblieben waren. Vor oder auch während des Bindevorgangs sind die offenbar losen Blätter durcheinanderge-raten, d. h., fol. 204/h. 225 und 205/h. 226 mit ihren jeweils leeren Gegenblättern sind in die Lagenmitte gerutscht. Dadurch gerieten die beiden Blätter mit den Celtis-Funden zwischen die drei leeren Blätter. Als man – wie an anderen Stellen – am Ende des Codex die unbeschriebenen Pergamentblätter entfernen wollte, wurden die bei-den beschriebenen Hälften der Doppelblätter (früher fol. 209 und 210) übersehen, versehentlich abgetrennt und gingen dadurch verloren.719 Während das ursprünglich letzte unbeschriebene Blatt (das Gegenstück zu fol. 206/h. 222) auf den hinteren Deckel geklebt wurde, wurden die übrigen lose gewordenen Einzelblätter in ihrer heutigen Reihenfolge gebunden: Fol. 206/h. 222, 207/h. 223 und 208/h. 224 stehen vor 204/h. 225 und 205/h. 226.

Die kodikologische Untersuchung des CP XIII G 14 bestätigt also genauestens die Angaben des CVP 3255* hinsichtlich der ursprünglichen Form der Inschriften-sammlung. Auch der Inhalt der Sammlung lässt keinen Zweifel offen, dass sich das Register des CVP 3255* unmittelbar und direkt auf die Prager Handschrift in ihrer originalen Form bezieht: Das heute hinten stehende fol. 225 des CP XIII G 14 trägt auf der Recto-Seite die Überschrift „Elogia Petovina“. Diese passt bestens auch zu den Blättern 223 und 224.

Die richtige Reihenfolge der letzten Pergamentlage des Prager Codex müsste somit nach der heutigen Nummerierung „fol. 225–226–222–223–224“ lauten, gefolgt von zwei weiteren, heute verlorenen Blättern. Am Ende dieser außergewöhnlichen Inschriftensammlung standen demnach ursprünglich drei Denkmäler aus dem Stift Melk720 sowie die beiden erwähnten Funde von Konrad Celtis.

718 CVP 3255*, fol. 131v: „Restant tria folia vacua“.

719 Durch das Werk von Apianus/Amantius lässt sich allerdings rekonstruieren, was Konrad Celtis gefunden hat: Siehe Kap. 3.3 und 10.5.3 (Pkt. 1).

720 CIL III 5667 und 5668 sowie die mittelalterliche Grabinschrift der Markgrafenfamilie der Baben-berger. Siehe dazu auch Kap. 7.3.1.

7.1.3 Mängel im Register des CVP 3255*

Fehlende Inschriften

Wie aus der im Anhang angeführten Tabelle 12.3 detailliert hervorgeht, stimmt das Register im CVP 3255* im Allgemeinen genauestens mit der Inschriftensammlung des CP XIII G 14 überein. Aus diesem Grund erfordern jene Fälle, wo einzelne Inschriften nicht verzeichnet werden, besondere Beachtung. Sie sind nämlich nicht allein durch eine fehlerhafte Arbeitsweise des Registrators zu erklären, sondern viel-mehr durch kodikologische Besonderheiten der Prager Handschrift. Dazu zwei Bei-spiele aus dem italienischen Teil der Sammlung:

1. Im Register fehlt auf fol. 122r eine Inschrift aus Neapel, die in der Sammlung auf fol. 135r,2 zu finden ist. Dort wurde allerdings die Ortsangabe in einer sehr dunklen, grünen Tinte und der erste Textbuchstabe in sehr dunklem Blau geschrieben. Dem Registrator konnte somit leicht entgehen, dass hier eine neue Inschrift beginnt.

2. Auf fol. 151r der Sammlung stehen zwei Inschriften aus Verona direkt unterein-ander, wobei der Initialbuchstabe der zweiten Inschrift wie im obigen Beispiel in dunkelgrüner Tinte geschrieben wurde (während der erste Buchstabe der vorstehen-den Inschrift in auffälliger blauer Farbe erscheint). Auch hier hat der Registrator eine Inschrift übersehen.721

Unverständliche Textstellen

Mitunter sind im Register Textstellen zu finden, die – für sich gelesen – keinen oder nur wenig Sinn ergeben. Sie werden allerdings verständlich, wenn man die zugrunde liegenden Seiten der Inschriftensammlung betrachtet. So lautet etwa die Ortsangabe zu CIL III 3855 auf fol. 126v,3 des CVP 3255*. „Illegibiles  litterae Laib. in domo quadam diruta e regione Ecclesiae S. Nicolai”. Ein Blick auf fol. 177v des Prager Codex klärt über die Ursache auf: Die in roter Tinte geschriebene Bemerkung

„illegibiles litterae“ gehört zur letzten Zeile der voranstehenden Inschrift CIL III 3861, wo offensichtlich nur „” in der Zeilenmitte lesbar war. Der Registrator hat die in roter Tinte geschriebene Zusatznotiz gemeinsam mit dem dazwischen stehenden Rest des schwarzen Inschrifttextes versehentlich mit der folgenden, ebenfalls roten Ortsangabe zusammengezogen – offenbar hatte nicht zuletzt die besondere Farbe der beiden Textteile den Anschein der Zusammengehörigkeit erweckt.

721 Eine weitere Ursache für solche Fälle mag auch schlichtweg an der damaligen schlechten Beleuch-tung in den Abend- und Nachtstunden liegen.

Abb. 34: CP XIII G 14, fol. 177v (Ausschnitt)

An einer anderen Stelle korrigierte der Registrator selbst eine unsinnige Ortsangabe:

Sowohl die Überschrift als auch der Inschrifttext von CIL III 5211 erstreckt sich in der Sammlung über eine Doppelseite.722 Der Schreiber des Registers kopierte zunächst die (halbe) Ortsangabe und das Incipit des Textes auf der linken Seite. Als er auf der rechten Seite fortfahren wollte, bemerkte er seinen Fehler und tilgte die erste unvoll-ständige Ortsangabe durch ein paar Federstriche.

Sämtliche kodikologische und inhaltliche Untersuchungen führen somit eindeutig und unzweifelhaft zum Ergebnis, dass sich das Register des CVP 3255* unmittelbar auf die Inschriftensammlung des CP XIII G 14 bezieht. Damit kann die von Johann Benedikt Gentilotti vor etwa 300 Jahren erstmals formulierte Frage nach der dem Register zugrundeliegenden Sammlung („[...] quodnam vero sit volumen istud, et ubi delitescat”723) definitiv beantwortet werden.

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