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Leben und Werk

Im Dokument Der sogenannte und weitere (Seite 100-109)

3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht

4.1 Leben und Werk

Mit Augustinus Prygl Tyfernus begegnet uns der erste namentlich greifbare Huma-nist, der römerzeitliche Inschriften hauptsächlich aus Noricum und Pannonia Superior abgeschrieben und zu einer umfangreichen Sammlung vereinigt hat. Von seinem Leben war lange Zeit nicht sehr viel bekannt – wohl deshalb, weil er keine autobio-graphischen Notizen hinterlassen und seinem Schaffen in den humanistischen Kreisen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts keine besondere Bedeutung beigemessen wurde. So liegt von seiner Person weder eine zeitgenössische Biogra-phie noch ein Artikel in einem älteren Gelehrtenkalender oder sonstigem biographi-schen Sammelwerk vor. Einige wenige Informationen hatte bereits Theodor Mommsen zusammengetragen, aber er musste noch zugeben, dass nicht einmal der volle Name des frühen Inschriftensammlers bekannt war.414 Auch Joachimsen zählte im Jahre 1910 namentlich „Augustinus Tyffernus“ zu jenen Personen, „mit denen man kaum je das Bild einer literarischen Persönlichkeit verbinden könne“ und be-gründete dies damit, dass diese frühen Sammler „eben in reiner Sammeltätigkeit stecken blieben“.415 Dass dem im Fall von Augustinus Tyfernus nicht so ist, wies als erster Primož Simoniti in seiner Studie über slowenische Humanisten des 16. Jahr-hunderts nach.416 So können wir heute aus vielen kleinen Mosaiksteinchen, zu denen auch einige nützliche autobiographische Bemerkungen in seiner Inschriftensamm-lung zu zählen sind, ein relativ genaues Lebensbild von diesem frühen Inschriften-sammler gewinnen.

Augustinus’ Familienname lautete eigentlich Prygl, er nannte sich jedoch „Tyfernus“

nach seinem untersteirischen Heimatort Tüffer (h. Laško in Slowenien), wo er in den (vermutlich späten) 70er Jahren des 15. Jahrhunderts geboren wurde.417 Im Jahr 1496 ist er als „Aug(ustin)us Prugel de Tiber“ in den Matrikeln der Universität Wien

einge-413 Kap. 4.1–3 war Teil meiner Diplomarbeit (Greinegger, Tyfernus/Boissard 41–70) und wurde für die vorliegende Studie überarbeitet und erweitert.

414 Vgl. CIL III, S. 478: „[...] ne nomine quidem notus sit“.

415 Joachimsen, Geschichtsauffassung 117 mit Anm. 58.

416 Primož Simoniti, Humanizem na Slovenskem in Slovenski Humanisti do srede XVI. stolentja, Ljubljana 1979 (2008 in Wien in deutscher Ausgabe erschienen: Humanismus bei den Slovenen. Slovenische Humanisten bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, hrsg. und bearb. von Marija Wakounig, übersetzt von Jože Wakounig, Zentraleuropa-Studien 11). Vgl. auch ders., Der Architekt und Antiquar Augustinus (Prygl) Tyfernus in seinen Beziehungen zu den Bischöfen Slatkonia und Raubar, in: Antonicek/

Hilscher/Krones, Wr. Hofmusikkapelle I, 75–90.

417 Als weitere Varianten seines Namens finden sich „Tyffernus“, „Tif(f)ernus“, „Tefernus“ bzw.

„Prig(e)l“, „Prug(e)l“ oder „Prugk“. Ich halte mich im Folgenden an die von ihm selbst verwen-deten Schreibweisen Tyfernus bzw. Prygl.

tragen.418 Hier hat er zumindest seine ersten Studien mit dem Bakkalaureat abge-schlossen, denn in den Akten der Artistenfakultät wird „Augus[tinus] Prugel“ aus

„Tyffor“ als einer der Scholaren genannt, die am 29. September 1498 promoviert worden sind.419 Er dürfte aber seine Studien bald darauf in Padua fortgesetzt zu haben, und zwar gemeinsam mit dem etwa gleichaltrigen slowenischen Landsmann und Bischof von Laibach, Christoph Raubar (wohl 1476–1536).420 In einer 1519 von Augustinus Tyfernus herausgegebenen, an Raubar gerichteten Rede ist von decem annos perpetuos die Rede, die der Laibacher Bischof in Padua verbracht hatte.421 Möglicherweise hat auch Tyfernus ebendort sein Doktorat der Philosophie erworben.422

Die Biographie der beiden Männer weist einige weitere Verflechtungen auf. Aus dem an Raubar gerichteten Widmungsbrief zu der eben erwähnten Rede geht hervor, dass Tyfernus nach dem gemeinsamen Aufenthalt in Padua als Vertrauter,

(Privat-)Sekre-418 Matrikel der Universität Wien (MUW) II 246: 1496 I A 73. Zitiert auch bei Simoniti, Sloven.

Humanismus 105, Anm. 263, und ders., Tyfernus, Slatkonia und Raubar 80, Anm. 20).

419 Thomas Maisel, Ingrid Matschinegg (Bearb.), „Wiener Artistenregister“ 1497 bis 1555. Acta Facultatis Artium IV (= UAW Cod. Ph 9) 1497 bis 1555. Personen-Nennungen im Zusammenhang mit Prüfung, Graduierung und Verteilung der Vorlesungsthemen, Wien 2007, 9: 1498 I, 13.10.1498, 22180/b-9. Online im Internet (URL):

http://www.univie.ac.at/archiv/artreg/AFA4%20nr%2021915%20bis%2029258.pdf [abgerufen am 31.08.2015]. Dies widerlegt die Überlegungen von Simoniti, dass sich Tyfernus nur pro forma an der Universität Wien immatrikulieren ließ, um sich ihrer Jurisdiktion zu unterstellen (Simoniti, Tyfernus, Slatkonia und Raubar 80 mit Anm. 20). Zur universitären Terminologie siehe Paul Uiblein, Mittelalterliches Studium an der Wiener Artistenfakultät. Kommentar zu den Acta Facultatis Artium Universitatis Vindobonensis 1385–1416 (Schriften des Universitätsarchivs 4), Wien 1987.

420 Dieser war 1488 im Alter von nur 12 Jahren zum Bischof von Laibach (h. Ljubljana) gewählt wor-den, hat aber sein Amt nach den entsprechenden Weihen erst später angetreten. Zu Raubar, inkl.

einer ausführlichen Rekonstruktion seiner Lebensdaten vgl. Simoniti, Sloven. Humanismus, v. a.

79–87; ferner Karl Amon, Christoph III. Rauber (Koadjutor 1509, Administrator 1512–136), in:

ders. (Hrsg.), Die Bischöfe von Graz-Seckau 1218–1968, Graz 1969, 197–218. Neuere Literatur zu Raubar nennt Marjeta Šašel Kos, Augustinus Tyfernus and His Epigraphic Manuscripts, in: Marc Mayer i Olivé, Giulia Baratta, Alejandra Guzmán Almagro (Hrsg.), Acta XII Congressus Internatio-nalis Epigraphiae Graecae et Latinae, Barcelona 3.–8. Sept. 2002, Barcelona 2007, 1310a, Anm. 7.

421 Orationes duae luculentissimae ab Illustri Gymnasio Viennensi in susceptione R. Principum ac Episcoporum Laibacensis Seccoviensisque et Tergestini Anno MDXVII habitae (Viennae 1519), fol. A3v. Nach Simoniti, Sloven. Humanismus 85, und ders., Tyfernus, Slatkonia und Raubar 78, hat Raubar sein Studium in Padua 1501 mit dem Doktorat beider Rechte abgeschlossen. Vgl. die entsprechen-den Einträge in entsprechen-den Universitätsakten vom 7. bzw. 8. Juni 1501 bei Elda Martellozzo Forin (Hrsg.), Acta graduum academicorum Gymnasii Patavini 3,1: Ab anno 1501 ad annum 1525 (Fonti per la storia dell’Università di Padova 2), Padova 1969, 16 (Nr. 39–40).

422 Der m. W. einzige kleine Hinweis auf ein solches Doktorat ist eine Abkürzung in seinem Widmungsbrief an Christoph Raubar zu den eben erwähnten „Orationes duae luculentissimae“:

„Quae non poterant me P.D. iuris familiarissimum latere [...]“, heißt es dort (S. A iv) – was mit einiger Sicherheit als „Philosophiae Doctorem“ aufzulösen ist. Derartige Abkürzungen waren Usus im frü-hen 16. Jh., wie mir Sonja Reisner (Universität Wien) dankenswerterweise bestätigte. Aus der Formulierung „iuris familiarissimus" geht hervor, dass Tyfernus auch über fundierte Rechts-kenntnisse verfügte, diese Studien aber nicht mit einem Doktorat abgeschlossen hat. Johann Skuk spricht in seiner Arbeit stets von Dr. Augustin Prygl, gibt aber leider keinen Nachweis dafür an:

Die Geschichte der Pfarre Windischgraz (ungedr. Diss.), Graz 1964, z. B. 66, 84, 166, 198. Nach Simoniti, Tyfernus, Slatkonia und Raubar 80, dem wie mir bisher die Abkürzung „P. D.“ völlig ent-gangen war, gibt es in den Wiener Universitätsakten keinen Beleg für einen akademischen Grad – zumindest schweigen die Akten der Artistenfakultät mit Ausnahme des oben zitierten Eintrages.

tär, Architekt und Reisegefährte des Bischofs fungiert hat.423 Daraus ist zu schließen, dass er seinen bischöflichen Herrn auch begleitet hat, als dieser von Kaiser Maximilian im Jahre 1504 nach Rom, im darauffolgenden Jahr an verschiedene Höfe deutscher Reichsfürsten und 1506 abermals nach Rom gesandt wurde.424 Für diese Annahme spricht die Tatsache, dass Tyfernus zahlreiche Kopien römerzeitlicher Inschriften aus der „ewigen Stadt“ in seine Sammlung eingefügt hat.

Vor Antritt der zweiten Romreise hielt er sich nachweislich in (der Gegend von) Graz auf, als Kaiser Maximilian ebenfalls dort zugegen war. Bei seinem Aufenthalt im Stift Rein wollte er eine Inschrift (CIL III 5443) abschreiben, musste dazu aber auf den Turm steigen. Im Zuge der Erwähnung dieses besonderen Erlebnisses datiert er seinen und des Kaisers Grazer Aufenthalt: „ascendi ego in scalis gradus XXVIII non sine timore etc. Maximiliano Caes. in Grecio existente anno MDVI.”425

Noch im selben Jahr brachen Raubar und sein Begleiter Tyfernus zu einer neuer-lichen diplomatischen Mission nach Rom auf, die sie weiter nach Neapel an den Hof Ferdinands II. des Katholischen426 führte. Bei diesem mehrmonatigen Aufenthalt knüpfte Augustinus Tyfernus Beziehungen zu den Mitgliedern der sogenannten Academia Pontaniana.427 Den von ihm verehrten Dichter Pontano konnte er zwar nicht mehr kennenlernen, doch stand er mit dem nachgefolgten Leiter der Akademie, Pietro Summonte, und mit Bischof Giovanni Battista Cantalicio in regem Gedanken-austausch. Frucht seiner weiteren Kontakte mit bedeutenden italienischen Huma-nisten bzw. ihren Werken sind etliche Gelegenheitsgedichte, die Tyfernus vor seine Inschriftensammlung gestellt hat.428 Auch das Vorwort zur Sammlung wurde in Neapel verfasst: „Scripsi in dulcissima atque exculta urbe Parthenope Die tercio kal. Mart.

Anno christi MD7”.429

423 Tyfernus schreibt, er sei „post illud Patavinium contubernium proximo toto decennio quum in privatis tum in publicis rebus a secretis et magister ab epistolis et architectus omniumque peregrinationum atque itinerum eius terra et mari domique et militiae perpetuus comes et assecla" gewesen (Orationes duae luculentissimae, fol. Aiv). Vgl. CIL III, S. 478, sowie Michael Denis, Wiens Buchdruckergeschichte bis MDLX, Wien 1792, 194.

424 Vgl. Johann Weichard Freiherr von Valvasor, Die Ehre des Herzogtums Krain II, Laibach/Nürnberg 1689, 2. unv. Aufl. Rudolfswerth 1877, 662–663, sowie Constant von Wurzbach, Biographisches Lexi-con des Kaiserthums Österreich XXV, Wien 1873, 29.

425 CVP 3528, fol. 65v = CVP 3540, fol. 14v. Vgl. auch Weber, Altertumskundl. Forschung 90, ders., RISt 17, sowie Simoniti, Sloven. Humanismus 120.

426 Seit 1504 König von Neapel.

427 Dieser Zirkel gebildeter Männer war ursprünglich von Antonio Beccadelli Panormita (1394–1471) ins Leben gerufen worden, benannt wurde er aber nach Giovanni Gioviano Pontano (1426/1429–

1503), der bald die Leitung übernommen hatte.

428 Hier sind etwa Namen wie der von Battista Guarini oder Pomponio Leto zu finden: CVP 3528, fol. 18v = CVP 3540, fol. 1r.

Wie sein Vorbild Pontano widmete sich Tyfernus epigraphischen Studien und literarischer Tätig-keit. Vgl. auch Kajanto, Poggio and Epigraphy 35–36.

429 CVP 3528, fol. 17r. Die Bezeichnung Parthenope für Neapel kommt zum ersten Mal bei Vergil (georg. 4,564) vor.

Tyfernus blieb während seines Aufenthaltes in Süditalien offenbar ausreichend Frei-zeit für die Erforschung der kampanischen Altertümer, während Christoph Raubar mit diplomatischen Aufgaben befasst war. So enthält die Inschriftensammlung des Augustinus Tyfernus nicht wenige Denkmäler aus Neapel, Capua und Puteoli. Die antiquarisch-epigraphischen Streifzüge durch das Land verliefen allerdings nicht ohne Schwierigkeiten. Ein Zwischenfall hätte ihn nach eigenen Worten sogar beinahe das Leben gekostet: Als er sich in der Nähe von Neapel in der Kirche befand, in der die Reliquien des hl. Maurus aufbewahrt werden, um die Inschrift CIL X 3731 zu sehen, „do hetten mich die pauern schier erschlagen sy mainten ich wolt den hailgen stelen, unnd die kirch ist tag und nacht offen gestanden, das die schwein und kie eingangen sein.

Anno MDVII die S. Gregorii [= 12. März]“.430

Den kampanischen Altertümern brachte Augustinus Tyfernus allgemein großes Interesse entgegen. So richtete er einmal an einen älteren Mann, der ihn von Neapel nach Puteoli begleitet hatte, die Frage, ob es darüber nichts Schriftliches gäbe.

Tyfernus erfuhr daraufhin, dass vor rund 30 Jahren eine kleine Schrift über die Sehenswürdigkeiten von Puteoli herausgegeben worden sei. Allerdings wisse der Einheimische nicht, ob von diesem Werk noch ein Exemplar existiere. Nach langer Suche fiel Tyfernus schließlich in Neapel das lang gesuchte opusculum in die Hände:

Es wurde von Franciscus Aretinus (eig. Francesco Accolti) verfasst und trug den Titel Libellus de mirabilibus civitatis Puteolorum et locorum vicinorum ac de nominibus virtutis-que Balneorum ibidem existentium, gedruckt in Neapel am 31. Dezember 1475.431

Da sich auch Bischof Raubar und der ebenfalls am Hof Ferdinands weilende Propst von Xanten, Luca de Renaldis, für den Inhalt der Schrift interessierten, fasste Tyfernus den Entschluss zu einer Neuauflage. Er wollte – wie er in dem der zweiten Edition vorangestellten Brief an den Drucker Sigismund Mair selbst sagt – das Büch-lein vor allem „Germanis nostris“ widmen, die als einzige Nation den antiken Sehens-würdigkeiten gegenüber stets größte Neugier zur Schau gestellt hätten.432 Tyfernus hat die Schrift nicht nur überarbeitet, sondern auch mit vielen Zusätzen aus eigenen Forschungen versehen, was er nicht verhehlt: „Addidi quaedam et ea non pauca“, heißt es in dem Brief weiter unten. Ferner bittet er Sigismund Mair, das Büchlein so rasch als möglich in seine Druckerwerkstätte zu bringen, da Raubar und er kurz vor der Rückreise nach Rom stünden. Die zweite Auflage des Libellus de mirabilibus wurde schließlich am 1. Juni 1507 gedruckt, womit sich die Abreise aus Kampanien unge-fähr datieren lässt.

430 CVP 3528, fol. 42r. In CVP 3492, fol. 38v, ist der in deutscher Sprache geschriebene Zusatz nicht enthalten, nur die Inschrift und die lateinische Ortsangabe: „In agro Aversano a Neapoli XVI miliar.

in villa a la Pontana in ecclesia Sancti Mauri episcopi cuius corpus ibidem quiescit.“ Vgl. auch CIL III, S. 479.

431 Vgl. Jacques-Charles Brunet, Manuel du libraire et de L'amateur de livres 2; Paris 51861, 1374–1375.

432 Eine Reproduktion dieses Briefes bietet Simoniti, Humanizem na Slovenskem 99 (abschriftlich bei Simoniti, Sloven. Humanismus 123–124).

Auch in den nächsten Jahren hielt sich Tyfernus im engsten Umkreis von Christoph Raubar auf, der mit kaiserlicher Unterstützung einige lukrative kirchliche Pfründe erlangen konnte: 1508 wurde er Kommendator des Benediktinerstiftes Admont, 1509 wurde er Koadjutor des Bistums Graz-Seckau, 1512 ebendort Administrator.433 Die Begleiterrolle, die Tyfernus bei den entsprechenden Reisen Raubars einnahm, spie-gelt sich auch in seiner Inschriftensammlung wider, wo insgesamt acht Steine aus Admont bzw. Graz und Umgebung enthalten sind.434

Im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts finden wir Augustinus Tyfernus vor-nehmlich in Wien in der Umgebung des Bischofs Georg von Slatkonia (Chrysippus).435 Slatkonia stammte wie Raubar aus Laibach und war ebenso ein

„Freund der Künste und Wissenschaften, der sich als ein besonderer Gönner der Humanisten erwies“.436 Es ist zwar nicht bekannt, ob Tyfernus sein neues Amt als Kanzler gleichzeitig mit der Bischofsweihe Slatkonias im Jahre 1513 angetreten und bis zu dessen Tod 1522 ausgeübt hat, doch ist er in dieser Funktion zumindest zwischen 18. Juni 1514 und 31. August 1521 mehrfach bezeugt.437

Für das 1519 erschienene „Iudicium astronomicum“ von Georg Tannstetter (Colli-mitius) verfasste Augustinus Tyfernus einige Gelegenheitsgedichte, die Michael Denis treffend als „poetische Applause“ bezeichnete.438 Im Jänner 1520 wurde von Philipp Gundel439 eine Trauerschrift (vermutlich) aus Anlass des ersten Todestages von Kaiser Maximilian I. († 12. Jänner 1519 in Wels) publiziert. Der schmale Band trägt den Titel „In divum Imp. Caes. Maximilianum P. F. August. Epicoedion [...]” und enthält ferner „epitaphia item quaedam Graeca atque Latina eidem principi ab eruditibus quibusdam pie posita”. Drei dieser Epigramme auf den verstorbenen Kaiser stammen von „Augustinus P[rygl] Tyfernus Episcopi Viennensis cancellarius“.440

433 Vgl. Amon, Rauber 200–203. In der Vorrede zu den „Orationes duae luculentissimae“ tituliert ihn Tyfernus entsprechend als „Antistes Laibacensis, Episcopatus Seccoviensis perpetuus Administrator et Abbatiae Admontensis Commendator” (S. Aiv).

434 Siehe Kap. 4.3.

435 Zur Schreibung seines Namens siehe Edo Škulj, Georg von Slatkonia als Propst von Novo mesto, in:

Antonicek/Hilscher/Krones, Wr. Hofmusikkapelle I, 92–94.

436 Aschbach, Wiener Universität II 108.

437 Johann Weißensteiner (Wiener Diözesanarchiv) wies mir dankenswerterweise den Weg zu insge-samt acht ebendort aufbewahrten Originalurkunden aus dem Episkopat Slatkonias. Die Schrift-stücke enthalten leider keinen Hinweis, ob sie von Tyfernus selbst – was nicht unwahrscheinlich ist – oder einem allfälligen Kanzleimitarbeiter angefertigt wurden. Vgl. auch die graphologischen Bemerkungen im Zusammenhang mit Tyfernus’ Inschriftensammlung in Kap. 4.2.

In einer Urkunde des Collegiatcapitels in Rudolfswerth vom 12. November 1517 ist ebenfalls die Rede von „Augustinus Tefernus, Canzler des Bischofes zu Wien“: siehe Adalbert Kraus, Urkunden des Collegiatcapitels in Rudolfswerth, in: MHVK 20 (1865) 76, und Simoniti, Sloven. Humanismus 106.

438 Denis, Buchdruckergeschichte 338. Vgl. auch Anton Mayer, Wiens Buchdruckergeschichte I: 1482–1682, Wien 1883, 44 (Nr. 57).

439 1530 ist er an der Universität Wien als Dekan der juridischen Fakultät bezeugt, 1540 als Rektor (vgl. Aschbach, Wiener Universität III 381 und 383, ferner 319–326).

440 Fol. E iir. Das erste der Gedichte wird an dieser Stelle beispielhaft wiedergegeben:

Occidit heu Caesar vasti lux unicus mundi Armorumque parens praesidiumque togae.

Qui cum pacasset socios sibi foedere iunctos

Tyfernus verfasste nicht nur Gelegenheitsgedichte für die Publikationen anderer, sondern war auch selbst als Herausgeber tätig: Nach dem Libellus de mirabilibus (Neapel 1507) gab er in Wien 1519 zwei panegyrische Reden heraus, die am 30. Oktober 1517 von Angehörigen der Universität Wien zur Begrüßung der Bischöfe Christoph Raubar (Laibach) und Pietro Bonomo (Triest) gehalten worden waren.441 Den beiden Reden ist ein kurzer Widmungsbrief von Tyfernus an Raubar und Bonomo vorangestellt.442 Daraus geht hervor, dass Tyfernus die beiden Reden um viele Zusätze erweitert hat, deren Inhalte er aus der jahrelangen persönlichen Be-kanntschaft mit den beiden Bischöfen geschöpft hat: Mit Raubar hatte er – wie erwähnt – nicht nur die Studienjahre in Padua gemeinsam verbracht, und Bonomo schätzte ihn wie kaum einen anderen, wie wir von Tyfernus selbst erfahren.443

Allein der enge Kontakt zu Georg von Slatkonia und Pietro Bonomo deutet darauf hin, dass Augustinus Tyfernus ebenfalls zu den Spitzen der Wiener humanistischen Gesellschaft zu zählen war, die sich hauptsächlich am Hof Kaiser Maximilians etab-liert hatte. Er stand auch mit Dr. Johannes Fuchsmagen in Verbindung, wie ein Brieffragment und ein Gedicht von Tyfernus belegen.444 Dass er ferner mit Matthäus Lang von Wellenburg, dem lange Zeit engsten Vertrauten des Kaisers und späteren Erzbischof von Salzburg, bekannt oder sogar befreundet war, beweist ebenfalls eine Notiz in Tyfernus‘ Inschriftensammlung: Dort heißt es vor der Textwiedergabe der Inschrift CIL III 5442, dass der Prior des Stiftes Rein bei Graz ihm die Buchstaben Menteque sydereas mox adeunte domos.

441 Es handelt sich dabei um die oben genannten Orationes duae luculentissimae. Zur Funktion der-artiger Begrüßungsansprachen von Universitätsangehörigen vgl. Elisabeth Klecker, Das Reich der Gelehrten. Europa im Blick der Wiener Humanisten um 1500, in: Heidrun Rosenberg, Michael Viktor Schwarz (Hrsg.), Wien 1365. Eine Universität entsteht, Wien 2015, 250–267, hier: 255; zu Bonomo siehe dies., Bonomus (Bonomo) Petrus (Pietro), in: Verfasserlexikon-Humanismus I 1 (2005) 225–230, sowie Stefano di Brazzano, Pietro Bonomo (1458–1546), Diplomatico, Umanista E Vescovo Di Trieste:

La Vita E L'opera Letteraria, Triest 2005.

442 Illustriss. ac reverendiss. Princip. & DD D Christophoro Raubaro Antistiti Laibacensi, Episcopatus Seccoviensis perpetuo Administratori et Abbatiae Admontensis Commendatori etc. &D. Petro Bonomo Praesuli ac Comiti Tergestino etc. DD suis colendiss. Augustinus P. Tyfernus se devotissime commendat (Viennae Austriae ultima Februarii MDXIX).

443 In der Widmungsrede zu den Orationes duae luculentissimae, S. A iv.

444 Das Brieffragment blieb im CVP 3492, fol. 13v–14r, erhalten, das Gedicht im Cod. 664 der ULBT, fol. 144v. Vgl. auch Kap. 3.4 und 4.3.

445 CVP 3528, fol. 66r = CVP 3540, fol. 15r: „Hic lapis iacet in pavimento capituli eiusdem monasterii [=Rein]

in limine forium ingressu; tres litteras primas prior eisdem cenobii mihi interpretatus est: I.O.M. introitus omnium monachorum: quam rem quum R. D. Ioanni [eig. Matthaeo] Lango episcopo Gurcensi rettulissem, in tantum risum solutus est etc., ut etc.“ Zu dem wiederholten „etc.“ siehe Kap. 4.2.

Vgl. auch Uiblein, Altertumsforschung 62, Weber, Altertumskundl. Forschung 90, und Simoniti, Sloven. Humanismus 128. Zur Person von Matthäus Lang hat Johann Sallaberger eine umfassende Studie vorgelegt: Kardinal Matthäus Lang von Wellenburg (1468–1540). Staatsmann und Kirchenfürst im Zeitalter von Renaissance, Reformation und Bauernkriegen, Salzburg/München 1997.

Augustinus Tyfernus hatte in Wien auch die angesehene Pfarre von St. Peter inne, was für den 18. Mai 1520 und für den 22. Jänner 1528 bezeugt ist.446 Dafür, dass er auch an der Wiener Universität gelehrt hat, wie bei Thieme/Becker nachzulesen ist447, konnte kein Beweis erbracht werden.

Ab den frühen 20er Jahren des 16. Jahrhunderts wirkte er wieder vornehmlich in der damaligen Untersteiermark, und zwar zunächst als Pfarrer von St. Martin in Moräutsch (h. Moravcah).448 Am 10. Oktober 1522 wurde er zum Prokurator für die Pfarre St. Pankraz in Windischgraz (h. Slovenj Gradec) bestellt, da es bei der Ernen-nung eines Pfarrers Streitigkeiten gab. Aus diesen ging Tyfernus letztlich als Sieger hervor, indem er selbst zum Pfarrer von Windischgraz bestimmt wurde.449

Bereits als Pfarrer von Moräutsch trat Augustinus Tyfernus gegen den aufkeimenden Protestantismus in der Untersteiermark ein. Zu Pfingsten 1521 schrieb er in einem Brief, in dem er im Streit um das Patronatsrecht in Windischgraz unter anderem für den kaiserlichen Kandidaten de Bannissis Stellung bezieht, dass er die Autorität des Apostolischen Stuhles wahren werde: „De negocio meo ratione Morawtsch hoc ex longa inter nos disputatione elicui ac elegi, quod ego omnino autoritatem sedis apostolicae observabo veneraborque contra Lutherianum morem.“450 Auch als Pfarrer von Windischgraz setzte

Die Inschrift CIL III 5442 gilt derzeit als verschollen, ist aber möglicherweise in Gestalt jener Marmorschwelle am Portal des romanischen Kapitelsaals erhalten geblieben, die nach freund-licher Mitteilung von Stephan Karl bzw. Manfred Lehner (Universität Graz) im Jahr 2006 im Stift Rein teilweise freigelegt wurde. Klarheit kann hier nur eine weitere Grabung erbringen, die zwar bereits in Aussicht genommen wurde, allerdings aufgrund fehlender Mittel noch nicht

Die Inschrift CIL III 5442 gilt derzeit als verschollen, ist aber möglicherweise in Gestalt jener Marmorschwelle am Portal des romanischen Kapitelsaals erhalten geblieben, die nach freund-licher Mitteilung von Stephan Karl bzw. Manfred Lehner (Universität Graz) im Jahr 2006 im Stift Rein teilweise freigelegt wurde. Klarheit kann hier nur eine weitere Grabung erbringen, die zwar bereits in Aussicht genommen wurde, allerdings aufgrund fehlender Mittel noch nicht

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