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Vergleichende Einordnung

Im Dokument Die Godesburg (Seite 53-56)

Die Steineinfassungen der Gräber auf dem Godesberg lassen sich anhand von Parallel-beispielen von der Merowingerzeit bis in das Hochmittelalter einordnen. Aufgrund ihrer Beigabenlosigkeit ist eine vorkarolingerzeitliche Anlage jedoch weitestgehend auszu-schließen279. Lediglich Grab 30 lässt sich aufgrund seiner Ausrichtung möglicherweise in das 5. oder frühe 6. Jahrhundert datieren. Die wenigen anthropomorphen Gräber lassen

274. STEIN 1967, 125.

275. CHRISTLEIN 1974, 584.

276. Vgl. hierzu CHRISTLEIN 1974, 582-586, besonders 584.

277. Auch Adelssitze wurden bis 1000 und darüber hinaus vorwiegend in Holz-Erde-Bauweise errichtet: BILLER 1993, 109-111. Anlagen in Trocken- oder Mörtelmauerweise finden sich überwiegend im Südwesten des deutschen Sprachgebiets.

278. In diesem Zusammenhang sei auf den Fragenkomplex des so genannten Stiftergrabs ver-wiesen. Vgl. hierzu HINZ 1969, 74; STEUER/LAST 1969, 61-67 und BORGOLTE 1995, 27-38.

279. Vgl. hierzu HERRNBRODT 1960, 361; FISCHER 1974, 98.

sich allgemein vom 9./10. bis zum 12. Jahrhundert einordnen. Die bis zu vierfachen Gra-büberschneidungen und Nachbestattungen in den steingefassten Gräber belegen eine län-gere Nutzung des Gräberfelds. Möglicherweise steht der Friedhof in der Nachfolge eines merowingerzeitlichen Reihengräberfeldes am Fuß des Godesbergs280. Die Datierung an-hand der Parallelbeispiele wird bestätigt durch eine entsprechende Menge von Keramik, die teilweise aus den Gräbern stammt281. Sie lässt sich auch sehr gut mit der schriftlichen Überlieferung in Übereinstimmung bringen. Nach dem Burgbau im Jahr 1210 ist nicht mehr mit der Anlage weiterer Gräber zu rechnen282.

Einerseits sind bei der Nekropole auf dem Godesberg noch einige Elemente der früh-mittelalterlichen Bestattungsweisen zu beobachten, wie z. B. die Anordnung in Reihen, und die steingefassten Gräber, andererseits bereits Elemente des klassischen hoch- und spätmittelalterlichen Kirchhofs, wie die zahlreichen Grabüberschneidungen. Diese meh-ren sich vor allem dort, wo möglicherweise der Chor der Kapelle zu rekonstruiemeh-ren ist283.

Das Fortleben einiger merowingerzeitlicher Traditionen kann bis in das 9./10. Jahrhun-dert oder später belegt werden. Neben der Anlage von Trockenmauergräbern und mör-telgemauerten Gräbern ist hier vor allem deren Mehrfachbelegung zu nennen. Mit den ausgestreckt neben dem Körper liegenden Armen entspricht die Grablage derjenigen von älteren Horizonten in kontinuierlich bis in das Spätmittelalter oder in die frühe Neuzeit genutzten Friedhöfen (s. o.).

Das Gräberfeld auf der Godesburg befindet sich in der Mitte der Entwicklung vom früh-mittelalterlichen Reihengräberfeld zum hochfrüh-mittelalterlichen Kirchhof284. Ihm lassen sich weitere Kirchhöfe zur Seite stellen, auf denen sich diese Entwicklung ebenfalls fassen lässt. In der Schweiz ist das Gräberfeld von Berslingen gut untersucht. Dort befindet sich im Süden ein Bereich, dessen Bestattungen in der Anlage einem frühmitttelalterlichen Reihengräberfeld ähneln, während das Bild in unmittelbarer Nähe der Kirche (ad sanctos, ad larmis und vor dem westlichen Kircheneingang) dem eines hochmittelalterlichen Kirchhofs entspricht285. Vergleichbar zeigt sich auch Lürken (Landkr. Aachen), in dessen nordwestlichem Bereich eine relativ geordnete Belegung in Reihen zu beobachten ist, während östlich davon, insbesondere unmittelbar östlich und südlich der mutmaßlichen Pfostenkirche eine dichtere und ungeordnete Belegung mit vielen Grabüberschneidungen sichtbar wird. Im Lürkener Grabbau lassen sich sowohl frühmittelalterliche Elemente, wie gemauerte Gräber, als auch hochmittelalterliche, wie Kopfnischengräber, beobachten286.

Zeitlich in das 8. Jahrhundert einzuordnen ist der nur kurze Zeit belegte Kirchhof um die Kirche von Nauborn (Lahn-Dill-Kr.). Bei den 14 aufgedeckten, beigabenlosen Bestat-tungen ist bis auf einzelne Ausnahmen ebenfalls eine Anordnung in Reihen zu

beobach-280. MÜSSEMEIER 2004, 85, Fundplatz 1. Zwischen 1856 und 1949 wurden mindestens 24 Gräber eines merowingerzeitlichen Gräberfeldes aufgedeckt, über dessen ursprüngliche Größe keine Angaben möglich sind. Freundlicher Hinweis U. MÜSSEMEIER.

281. Vgl. hierzu Kap. 14.2 .

282. Vgl. bereits POTTHOFF 2002, 53 f.

283. Vgl. Kap. 7.4 .

284. POTTHOFF 2002, 54 f. Vgl. hierzu auch THEUNE-GROSSKOPF 1997, 471-480.

285. ILLI 1992, 15.

286. PIEPERS 1981, 74-86 und Taf. 48.

ten. Grab 10 weist eine Steinumstellung auf. Bei den von BADER als „Massengrab“

angesprochenen Bestattungen nördlich des Chors scheint es sich jedoch um normale Grabüberschneidungen zu handeln. Lediglich die Kinderbestattung 9 wurde gleichzeitig mit der erwachsenen Frau 12 angelegt287. Hier liegt also ein ähnliches Bild vor, wie auf dem Godesberg.

Mit diesen Beispielen lassen sich Kirchhöfe fassen, die sich zeitlich relativ eng an die merowingerzeitlichen Reihengräberfelder anschließen und in denen „noch einige Zeit die fränkische Grabform in Gestalt von beigabenlosen Trockenmauer- und Plattengräbern weitergeführt wurde“288. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob ein alter Begräbnis-platz durch eine Kirche oder Kapelle zu einem christlichen Friedhof umfunktioniert wur-de, oder ob die Nekropole zu einer an anderer Stelle stehenden Kirche verlegt wurde289. Es lässt sich also kein völliger Bruch zwischen merowingerzeitlichen Gräberfeldern und mittelalterlichen Kirchhöfen feststellen, sondern eine allmähliche Entwicklung, die sich in der Fortführung von Traditionen in Grabbau und -sitte manifestiert.

Auffällig ist die hohe Zahl der Steineinfassungen auf dem Godesberg. Von 44 Gräbern weisen 15 eine solche auf. Dies lässt sich gut vergleichen mit der Häufigkeit von Platten-gräbern und Sarkophagen bei KirchenPlatten-gräbern im städtischen Kontext290. Im Gegensatz dazu finden sich Steineinfassungen auf ländlichen Kirchhöfen in der Karolingerzeit und später nur vereinzelt291. Die große Zahl der steingefassten Gräber an dieser Stelle könnte mit dem anstehenden und somit leicht verfügbaren Basalt in Verbindung gebracht wer-den. Es ist aber auch zu überlegen, ob auf dem Friedhof möglicherweise überwiegend Mitglieder einer höheren Gesellschaftsschicht bestattet sind292. In diese Richtung könnte auch der anthropologische Befund deuten, da bei den Skeletten auffallend wenige durch harte körperliche Arbeit hervorgerufene Verschleißerscheinungen festgestellt werden konnten293. Auch die Mörtelverwendung bei einigen Gräbern unterstützt diese Interpre-tation.

Der Friedhof auf der Kuppe des Godesbergs wurde also von der Karolingerzeit bis in das Hochmittelalter belegt. In der Kombination von älteren und jüngeren Traditionen in Grabbau und -sitte lässt sich der Übergang vom merowingerzeitlichen Reihengräberfeld und zum hochmittelalterlichen Kirchhof fassen. Der hohe Anteil von Steineinfassungen,

287. BADER 1934, 105-130.

288. KYLL 1961, 183.

289. KYLL 1961, 181-212 mit einer Auflistung von Kirchen in der Westeifel, die in örtlicher Beziehung zu fränkischen Gräbern stehen. Anders als KYLL annimmt, sind solche Kirchen jedoch nicht nur von 650 bis 800 anzusetzen, sondern können auch später entstanden sein.

290. Vgl. beispielsweise St. Pantaleon in Köln: FUSSBROICH 1983, 313-327 oder die Gräber unter dem Bonner Münster: LEHNER/BADER 1932, 12-38.

291. In Rommerskirchen (Rhein-Kr. Neuss) besaßen zwei von 29 Gräbern Steineinfassungen:

BÖHNER 1955/56, 510 mit Abb. 53. In Morken (Rhein-Erft-Kr.) lassen sich bei 40 vorromani-schen und romanivorromani-schen Gräbern nur ein Tuffsteinsarkophag und ein Grab mit Resten einer Steinumstellung feststellen: HINZ 1969, 63-71 und 106-112. Lürken besitzt bei mehr als 250 früh- und mittelalterlichen Bestattungen nur vier mit Steineinfassung: PIEPERS 1981, 74-86 und Taf. 43. In Breberen und Doveren scheinen steingefasste Gräber gar nicht vorzukom-men, vgl. BÖHNER/THOLEN/USLAR 1950.

292. Vgl. Kap. 7.2 .

293. Unveröffentlichter Bericht Müldner.

die Mörtelverwendung in einigen Gräbern und der anthropologische Befund lassen ver-muten, dass auf dem Berg vorwiegend Mitglieder höherer Gesellschaftsschichten bestattet waren.

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