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Kanäle

Im Dokument Die Godesburg (Seite 144-148)

Wie bereits in Kap. 10.13.2 dargelegt, diente der Kanal 113 vermutlich als Abfluss der Schachttoilette in der südsüdwestlichen Schießkammer des Bergfrieds. Der zweite Zufluss zu Kanal 113 lässt ein nicht untersuchtes Gebäude im Osten des Kanals vermuten. Ein ähnlicher Befund ist auch von Sterrenberg Kr.) und Hohlenfels (Rhein-Lahn-Kr.) bekannt, wo schmale Felskanäle die Fäkalien vom Bergfried wegleiten629. Die v-för-mige Sohle aus zusammengestellten Steinplatten findet eine Parallele in einem Abwasser-kanal aus dem nahegelegenen Kloster Heisterbach630.

Zahlreiche Funde machen eine zeitliche Einordnung des Befunds möglich. Dafür sind vor allem zwei Wandfragmente aus klingend hart gebrannter Irdenware im Formengut des Steinzeugs von Bedeutung631. Sie wurden unter dem Kanal geborgen und datieren die Anlage des Kanals in das 14. Jahrhundert oder später. Nur ein Wandfragment aus Sieg-burger Faststeinzeug stammt unmittelbar aus der Kanalrinne632.

Mit den Fäkalien und Abwässern wurden durch Kanal 113 auch andere Abfälle entsorgt.

Unterhalb der Kanalmündung außerhalb von Ringmauer 122 wurden zahlreiche Funde geborgen. Neben zahlreichen Gefäßfragmenten wurden auch Scherben von Ofenkacheln, Bodenfliesen sowie Flachglas entdeckt. Zu den Eisenobjekten zählen Nägel, das Rädchen eines Sporns und ein Teil eines Scharniers.

626. PASSAVANTI 1989, 128 f.

627. Zu Tor- und Turmkapellen vgl. STEVENS 1978, 273-290.

628. Vgl. Kap. 3.1 .

629. BORNHEIM 1964, 95. Eine ungleich hygienischere Lösung ist hingegen aus Klosteranlagen bekannt, in denen die Fäkalien sogar mit fließendem Wasser abgeleitet wurden: SIMON -MUSCHEID 1996, 117.

630. KELLER 2003, 135.

631. RLMB, Inv.-Nr. 59.437.

632. RLMB, Inv.-Nr. 59.433.

Die Gefäßkeramik erlaubt Aussagen zur Nutzungszeit des Kanals. Ein eindeutiger Schwerpunkt der Funde liegt im 14. Jahrhundert mit einigen Keramikfragmenten aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Es stellt sich die Frage, ob die Funde des 15. und 16. Jahrhunderts eine nur sporadische Nutzung des Kanals in dieser Zeit anzeigen, sie auf andere Weise in den Zwinger und auf den Abfallhaufen gelangten, während der Kanal bereits vorher still-gelegt war oder ob der Bereich unter dem Kanalausfluss im 15. und 16. Jahrhundert re-gelmäßig gereinigt wurde633. Die Ausgrabungsdokumentation leistet keinen Beitrag zur Klärung. Immerhin erscheint es wenig hygienisch, die Fäkalien und Abwässer unmittelbar in den Zwinger zu entsorgen - andererseits können heutige Vorstellungen diesbezüglich nicht ohne Weiteres auf das Mittelalter übertragen werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Kanal im 14. Jahrhundert entstand und in dieser Zeit vornehmlich genutzt wurde. Funde des 15. und 16. Jahrhunderts lassen eine zumindest sporadische spätere Nutzung vermuten.

Aufgrund der fragmentarischen Erhaltung ist keine Zugehörigkeit von Kanal 76 zu ei-nem der Burggebäude festzustellen. Der Kanal wird durch die zu dem Treppenturm 61a gehörige Baugrube 61b geschnitten. Er muss also älter sein als Gebäude 129. Aufgrund seiner Flucht könnte ein Zusammenhang zu Mauer 77/84 bestehen. Die keramischen Fun-de aus Kanal 76 sind relativ homogen. Neben einer Grauwarescherbe und einem Wand-fragment hartgebrannter Irdenware im Formengut des Steinzeugs enthielt der Kanal sieben Fragmente Brühler Steinzeugs. Die zwei Randfragmente und das Bodenfragment von doppelkonischen Zylinderhalskrügen datieren die letzte Nutzung des Kanals in die mittleren beiden Viertel des 14. Jahrhunderts.

Da aus Kanal 128 keine Funde vorliegen, kann keine zeitliche Einordnung erfolgen. Ein Bezug zu Gebäude 129 ist jedoch sehr wahrscheinlich. Möglicherweise diente der Kanal dem Ablauf von Dachwasser.

633. Zur Reinigung von Fäkaliengruben insbesondere in Städten vgl. SIMON-MUSCHEID 1996, 117.

12 Zusammenfassende Auswertung

13 Zu einer möglichen vorrömischen Nutzung des Godesbergs

Die erste nachweisliche Erwähnung des Namens Godesberg erfolgte bereits in der Ka-rolingerzeit („Guodenesberg“). Bis 1140 werden dieser Name und ähnliche Formen im Wechsel mit „Vuodenesberg/Woudenesberch“ mehrfach urkundlich erwähnt. In der Folge-zeit setzt sich das „G“ als Anfangbuchstabe durch634. Ähnliche Veränderungen des Namens sind auch andernorts bekannt, z. B. in Gudensberg bei Fritzlar (Schwalm-Eder-Kr.), das 1189 mit der Namensform „Wodenesberch“ erwähnt ist635. Entsprechend leitet BURSCH den Namen des Godesbergs von dem germanischen Gott Wotan/Wodan ab636. Darüber hinaus gibt es noch andere Interpretationen des Namens637.

Aufgrund seiner Namensherleitung wird der Godesberg häufig als vorchristliches Wo-tansheiligtum gedeutet638. Über einen mutmaßlichen römischen Tempel wird in der Lite-ratur eine Kultkontinuität bis zur christlichen Michaelskapelle konstruiert639. Nach GOESSLER ist das Michaelspatrozinium von Bergkapellen oder -kirchen prinzipiell eng mit vorchristlichen Kultplätzen verknüpft640. Da Michael und Wotan als Sieghelfer und See-lengeleiter teilweise gemeinsame Aufgaben zugewiesen werden, wird die Meinung ver-treten, dass Michaelskapellen insbesondere auf Bergen an die Stelle von Wodansheiligtümern getreten seien641. Generell sind heidnische Kultstätten unter christ-lichen Kirchen allerdings weitaus seltener als dies von der älteren Forschung angenom-men wurde642, auch wenn sie in Einzelfällen belegt werden konnten643. Gefragt ist also

634. Eine Auflistung sämtlicher schriftlicher Nennungen mit den verschiedenen Namensformen ist bei BURSCH 1987, 67 nachzulesen.

635. BURSCH 1987, 68 f.

636. BURSCH 1987, 68 f. Zu einer Deutung als „Wotansberg“ siehe auch GYSSELING 1960, 410;

BACH 1953, 363; HAENTJES 1960, 10 und WIEDEMANN 1930, 12 f. Zur Deutung des Buchsta-benwechsels vgl. auch BACH 1953, 363, der als alternative Erklärung einen mundartlichen Wechsel nennt. Ebd., 554 findet sich der Hinweis, dass solche Ortsnamen in Einzelfällen auch von dem Personennamen „Wuotan“abgeleitet sein können. Fraglich ist jedoch, ob dies auch mit dem Kompositum „-berg“ möglich ist. Dr. D. Stern, Berlin, verdanke ich den freundlichen Hinweis, dass in lateinischen Quellen der Buchstabe „g“ oft eine Schreibweise des germanischen [w]-Lauts ist.

637. Goding, d. h. Gaugericht: SCHREIBER 1816, 258. Vgl. DICK 1844, 2. Eine weitere ist die Bezeichnung „Gottesberg“ aufgrund der Michaelskapelle: WEYDEN 1837, 20. Abwegig ist ebenfalls die bei BRISCH 1882, 67 f. aufgeführte Deutung als „Judenberg“, der davon her-rührt, dass die Burg vom Geld eines Juden errichtet worden sein soll. Die ersten urkundli-chen Erwähnungen erfolgten aber bereits lange vor dem Bau der Burg.

638. HAENTJES 1960, 11.

639. Vgl. HAENTJES 1979, 8 f., der die These vertritt, der auf dem Godesberg gefundene Weihe-stein könne von einem dortigen Heiligtum stammen. BURSCH 1987, 68; PAßMANN 1982, 10 f.

schließt sogar zurück auf ein vormals keltisches Heiligtum.

640. GOESSLER 1950, 216-220.

641. KORTH 1904, 156. Vgl. auch GOESSLER 1950, 213; DORN 1917, 29; RADEMACHER 1934, 9 f. und 64. Auf dem Godesberg HAENTJES 1960, 16. Zu Wodan/Odin als Sieghelfer vgl. QUAST 1997, 437. Zur Aufgabe als Seelengeleiter siehe ROHLAND 1977, 2. Zu Ähnlichkeiten zwischen heidnischen und christlichen Ideen vgl. DORN 1917, 29 f.; RADEMACHER 1934, 35 f. und 44-81.

Eine systematische Überprüfung dieser teilweise nicht ausreichend belegten Thesen steht allerdings aus.

eine Einzelfallüberprüfung.

Da insbesondere der Godesberg als sicherer Nachweis einer christlichen Umwidmung eines Wotanskultplatzes gilt, soll dies im Folgenden kurz diskutiert werden644. Eines der Hauptargumente für den germanischen Kultplatz ist neben der Namengebung die Kult-kontinuität mit einem römischen Tempel als Zwischenglied. Dieses Argument ist nicht haltbar, da es sich bei dem römischen Gebäude um einen Wehr- und nicht um einen Sa-kralbau handelt. Zu bedenken ist außerdem, dass die Anlage von Kapellen auf Berghöhen nicht nur mit dem Vorhandensein älterer Kultplätze begründet werden kann645. EISMANN

konnte bei der Untersuchung von Kirchen über römischen Grundmauern in Baden fest-stellen, dass diese vornehmlich über profanen Bauten errichtet wurden. Eine Nutzungs-lücke von mehreren Jahrhunderten, macht eine unmittelbare Anknüfung an heidnische Kulte zudem unwahrscheinlich646. Der archäologische Nachweis eines vorrömischen Hei-ligtums oder auch nur der einer Aufsuchung des Ortes konnte nicht erfolgen647. Es kann also in keiner Weise belegt werden, dass der Berg in vorrömischer Zeit eine kultische Funktion hatte.

642. Vgl. in diesem Zusammenhang auch LOBBEDEY 1999, 499, der darauf hinweist, dass der archäologische Nachweis von heidnischen Kultstätten unter christlichen Kirchen zumindest im sächsischen Missionsgebiet bislang nicht erbracht werden konnte. Beispiel für einen ein-zelnen Fundplatz ist der Kölner Dom, wo HAUSER 1993, 312-324 herausarbeiten konnte, dass es sich bei dem von DOPPELFELD/WEYRES 1980, 405-409 als Tempel angesprochenen

Gebäude vermutlich um einhorreumhandelt.

643. Zu nennen ist der Michaelsberg bei Cleebronn (Kr. Heilbronn), der in der Karolingerzeit eine Kapelle erhielt, die auf die darunterliegenden Fundamente eines gallorömischen Tem-pels gesetzt war:STREICH 1984, 119. Vgl. auch den Michelsberg im Zabergäu Kr. Heilbronn):

GOESSLER 1950, 216.

644. DORN 1917, 29 f. Zum vermeintlich sicheren, durch die Caesarius-Legende belegten Wod-ansheiligtum auf dem Godesberg vgl. RADEMACHER 1934, 7-9. Eine ähnliche Entwicklung soll sich auf dem naheliegenden Petersberg (Rhein-Sieg-Kr.) vollzogen haben. Die archäologi-sche Untersuchung des Ortes zeigte jedoch, dass dort ein latènezeitlicher Ringwall im Früh-mittelalter eine Höhensiedlung aufnahm, während die Kirche nicht vor dem 12. Jahrhundert zu belegen ist: JOACHIM 1982, 393-437; ders. 1990, 8-11.

645. Im Falle des Godesbergs kann die Beobachtung angeführt werden, dass fränkische Fried-höfe/Gräberfelder wie auf der Bergkuppe auch andernorts im Zusammenhang zu römi-schen Ruinen ohne sakralen Charakter stehen, z. B. Morken (Rhein-Erft-Kr.), wo die Gräber ca. 200 Jahre nach dem Ende der römischen Besiedlung angelegt wurden: HINZ 1969, 70.

Zum Verhältnis vonvillae rusticaeund fränkischen Gräbern vgl. BÖHNER 1958, 259. Bei der Nutzung römischer Trümmerstellen als Friedhofsareal können sowohl die eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzungsfähigkeit des Platzes als auch spirituelle Vorstellungen unbe-kannter Art eine Rolle gespielt haben: HINZ 1969, 75.

646. EISMANN 2001, 28 f.

647. Ein solcher gestaltet sich jedoch letztlich schwierig, da germanische Heiligtümer z. B. in Form von heiligen Hainen, archäologisch kaum fassbar sind. Vgl. QUAST 1997, 433. Anders stellt sich die Situation bei Mooropferplätzen etc. dar.

Neben einer von der Namensherleitung ausgehenden Deutung als Wotansheiligtum wurde eine profane Nutzung des Godesbergs diskutiert. So überlegt HAENTJES, dass die Bergkuppe Standort einer „Fliehburg“ gewesen sein könnte. Hierfür bietet sich der Berg zwar topographisch an, doch kann auch diese These archäologisch nicht bestätigt wer-den648.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich eine vorrömische Nutzung des Berges durch vorgeschichtliche Funde oder Befunde nicht belegen lässt649.

14 Periode I und II

Bedingt durch einen Geländeabtrag in Perode III der Anteil der Funde aus Periode I und II gering. Störungen bedingen zudem, dass Keramik, die sich aufgrund typologischer Erwägungen zeitlich den Perioden I und II zuordnen lässt, auch in Grabgruben, die in den anstehenden Basalt eingetieft sind, häufig mit jüngerem Material vergesellschaftet ist.

Bei einem großen Teil der Keramik aus Periode I und II handelt es sich zudem um Streu-funde oder sekundär verlagertes Material. Dadurch ist die Aussagekraft des Fundmaterials sehr beschränkt. Eine Feinchronologie, etwa einzelne Belegungsphasen des Friedhofs be-treffend, kann anhand der Keramik nicht erstellt werden. Die Funde können nur allge-mein zur Ermittlung der Gesamtdauer der einzelnen Perioden herangezogen werden.

Im Dokument Die Godesburg (Seite 144-148)