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2. LITERATUR

5.5 Kolonisationsdynamik in den untersuchten Beständen

5.5.1 Im Vergleich mit bisherigen Studien

In den zum Abschluss dieser Arbeit vorliegenden Studienergebnissen spiegelt sich ebenfalls der variierende Ablauf der Kolonisationsdynamik wieder. Während die meisten Studien, einschließlich der vorliegenden Arbeit, eine Altersabhängigkeit bei der MRSA-Nachweisprävalenz feststellen konnten, wurde nur bei KHANNA et al. im Jahr 2008 bei Untersuchungen in Kanada keine Altersabhängigkeit festgestellt.

SMITH et al. fanden 2009 in einer US-amerikanischen Studie in Iowa und Illinois bei der Untersuchung von 209 Einzeltieren aus zwei verschiedenen Beständen eine signifikant höhere Besiedlung bei neun bis 15 Wochen alten Tieren (90 % - 100 %), während die weiteren Untersuchungen eine Abnahme der Nachweisprävalenz zeigten (adulte Tiere: 36 %).

DENIS et al. konnten bereits 2008 eine reduzierte Nachweisprävalenz bei Sauen feststellen.

Beide Ergebnisse können durch diese Studie untermauert werden. Die Nachweise bei den Sauen waren weder von besonderer Kontinuität noch größeren Häufigkeit gekennzeichnet.

Ebenso zeigten sowohl die Ergebnisse von DENIS et al. als auch von SMITH et al., dass der MRSA-Status der Muttersauen keinen direkten Zusammenhang mit dem MRSA-Status der geborenen Ferkel hat. Die vorliegende Studie kam in dieser Hinsicht zu einem gegensätzlichen Ergebnis.

ZWAMBAG et al. veröffentlichten 2009 die Ergebnisse einer Studie, in der 100 Ferkel von zehn Sauen eines antibiotikafreien Bestandes fortlaufend bis zum 70. Lebenstag untersucht wurden. Die Sauengruppe setzte sich aus sieben MRSA-negativen und drei MRSA-positiven Tieren zusammen, wobei der MRSA-Status der Elterntiere nur durch eine einmalige Untersuchung zwei Wochen vor Umstallung in den Abferkelstall festgelegt wurde. Hierbei konnte ein erhöhtes Risiko für die Ferkel MRSA-positiver Sauen festgestellt werden, bis zum Absetzen selber zum MRSA-Träger zu werden.

Allerdings stieg das Kolonisationsrisiko für Ferkel der MRSA-negativen Sauen nach dem Absetzen signifikant an. In dieser Studie ergab sich für die Ferkel nach dem ersten Lebenstag eine MRSA-Prävalenz von 1 % und beim Absetzen von 20 %. Die Ferkel wurden zudem am Tag 28, 42, 56 sowie 70 mit einer Nachweisrate von 34 %, 64 %, 50 % und 41 % untersucht. Im Querschnitt wurden in der Flatdeckperiode bei 86 % der Jungtiere ein- oder mehrmals MRSA nachgewiesen. Diese Ergebnisse ähneln den in Nordwestdeutschland ermittelten Werten der Longitudinalstudie.

Jedoch darf die Kontinuität der Kolonisation der aus sieben negativen und drei positiven Sauen bestehenden Abferkelgruppe bezweifelt werden, wie die Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Studie eindeutig zeigen. Ebenso erstaunt die relativ geringe Nachweisprävalenz der Ferkel auf dem Flatdeck mit Nachweisraten von unter 50 % am 70. Lebenstag, während in der vorliegenden Studie weitaus höhere Nachweisraten zu finden waren.

NATHAUS et al. beschreiben in einer 2010 veröffentlichten Studie mit ähnlichem Rahmen wie die vorliegende Arbeit zwei Schweinezuchtbestände; in jedem Bestand wurden insgesamt 29 bzw. 20 Sauen einmalig und jeweils 2 Ferkel dieser Sauen fortlaufend untersucht: bei Geburt, beim Absetzen, sowie mit 42 und 63 Tagen in der

Aufzuchtphase. Hierbei zeigte sich im ersten Bestand bei den Sauen eine Nachweisquote von 52 %. Im zweiten Bestand wurde bei den Sauen kein MRSA nachgewiesen. Von den 58 untersuchten Ferkeln im ersten Bestand stieg die Nachweishäufigkeit von 15 % bei der Erstuntersuchung (LT 1-3) auf 48 % beim Absetzen. Die erste Untersuchung auf dem Flatdeck mit 42 Lebenstagen ergab eine MRSA-Prävalenz von 26 %, die letzte Untersuchung mit 63 Lebenstagen eine Prävalenz von 52 %. Im zweiten Bestand lag die Prävalenz an den ersten drei Lebenstagen bei 0 % und stieg bis zum Absetzen auf 8 % an. Auf dem Flatdeck konnten im Alter von 42 Tagen bei 24 % und am 63. Lebenstag bei lediglich 8 % der Tiere MRSA nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der von Nathaus et al.

veröffentlichten Studie zeigen mit ihrer relativ geringen Prävalenz bei den Ferkeln auf dem Flatdeck ein interessantes Resultat. Wie in der vorliegenden Studie zeigen die Zuchttiere einen variablen Kolonisationsgrad; in einem der zwei untersuchten Bestände konnte bei den Elterntieren sogar überhaupt kein MRSA nachgewiesen werden. Auf diesem insgesamt nur niedrig prävalenten Zuchtbestand konnten auch beim Absetzen und auf dem Flatdeck nur in relativ geringem Umfang MRSA gefunden werden. In Bestand 5 der hier vorliegenden Studie lagen die Verhältnisse recht ähnlich; der Bestand war nur schwach prävalent und die Ferkel blieben bis zum Absetzen überwiegend negativ. Erst das Zusammenstallen mit MRSA-positiven Tieren anderer Erzeuger auf dem gemeinsam genutzten Flatdeck führte zu einer drastischen Erhöhung der Nachweisrate.

Ebenfalls 2010 wurden von MOODLEY et al. Untersuchungen zum Übertragungsweg porziner MRSA publiziert. In einem Laborversuch wurden dabei sechs neugeborenen Ferkeln nasal und oral eine Mischung der häufigsten MRSA spa-Typen (t08, t011, t034 und t899) verabreicht. Im zweiten Versuch wurde einer trächtigen Sau kurz vor ihrem Geburtstermin ebenfalls diese Mischung vaginal appliziert. Während die Ferkel, welche direkt mit der MRSA-Mischung konfrontiert worden waren, keine stabile Kolonisation aufwiesen, konnte bei den neugeborenen Ferkeln der künstlich vaginal kolonisierten Sau eine kontinuierliche Besiedlung mit MRSA ST398 des spa-Typs t011 sowie MRSA ST9 des spa-spa-Typs t899 festgestellt werden. Diese Ergebnisse konnten in der vorliegenden Untersuchung nur teilweise reproduziert werden. Bei der Untersuchung kurz vor Geburt konnte bei lediglich zwei Sauen MRSA vaginal nachgewiesen werden. Alle sechs untersuchten Ferkel dieser beiden Sauen waren unmittelbar nach Geburt MRSA-positiv. Von diesen zwei Elterntieren war jedoch eine Sau ebenfalls nasal mit MRSA kolonisiert. Unmittelbar post partum konnte bei zehn Sauen MRSA festgestellt werden; von den 30 untersuchten Ferkeln dieser zehn Elterntiere wurde bei 21 Tieren (70 %) MRSA nachgewiesen. Somit sind vaginale MRSA-Nachweise bei den Muttersauen kurz vor und kurz nach der Geburt mit einem signifikant höheren Risiko einer Kolonisation der Ferkel verbunden. Da jedoch bei lediglich zwei von 48 Sauen (4 %) vor Geburt und bei zehn von 48 Sauen

(21 %) kurz nach Geburt MRSA nachgewiesen werden konnte, müssen neben der vertikalen, direkten Übertragung weitere Verbreitungswege von MRSA bestehen, insbesondere weil bereits unmittelbar nach Geburt bei 41 Ferkel (29 %) MRSA nachgewiesen wurde. Zudem wird die hohe Nachweisrate dadurch relativiert, dass kurz nach Geburt bei sechs der zehn Sauen sowohl nasal als auch vaginal MRSA nachgewiesen werden konnte. Entfernt man diese sechs Sauen und die dazugehörigen Ferkel aus der Statistik, bleiben lediglich 4 von 48 Sauen (8 %), die vaginal mit MRSA kolonisiert sind. Von diesen vier Sauen konnte bei lediglich drei der zwölf Ferkel MRSA gefunden werden (25 %). Dies relativiert die hochsignifikanten Ergebnisse, insbesondere weil auch bei allen ausschließlich nasal-kolonisierten Muttersauen eine signifikante Verbindung zu höheren Nachweisraten bei den Ferkeln besteht. Ebenfalls konnte die von MOODLEY et al. formulierte Kontinuität der MRSA-Besiedlung bei der Geburt durch eine vaginal-positive Sau nicht bestätigt werden. Gegenteilig konnte beim Absetzen bei zwei der drei unmittelbar nach Geburt positiven Ferkel der vier ausschließlich vaginal positiven Sauen kein MRSA mehr nachgewiesen werden.

5.5.2 Kolonisationsdynamik in den untersuchten Beständen

In allen untersuchten Beständen lag ein Maximum der MRSA-Kolonisierung bei den Sauen am Zeitpunkt des Abferkeltermins vor. Bei allen Ferkeln fand sich das Maximum der Nachweise beim Verlassen des Flatdecks.

Die Bestände 1, 3, 4 und 6 zeigten ein homogenes Bild der Kolonisationsdynamik. In diesen vier Beständen konnte bei den neu ins Abferkelabteil eingestallten Sauen nur in geringem Maße MRSA nachgewiesen werden. Diese Nachweise waren zudem nicht stabil. Bis zur Geburt konnte zudem in der Umgebung mittels Sockentupfer nur in den Beständen 3 und 4 MRSA nachgewiesen werden. Bei Geburt der Ferkel konnte weder bei den Eltern- noch bei den Jungtieren eine stärkere Belastung mit MRSA nachgewiesen werden. Bis zum Absetzen stieg die Nachweishäufigkeit dann sowohl bei Elterntieren als auch bei den Ferkeln deutlich an, in Bestand 3 wurde sogar bei allen Jungtieren MRSA nachgewiesen. Die Prävalenzrate der Sauen sank bis zum Verlassen des Deckzentrums in allen vier Beständen, während die Ferkel beim Verlassen des Flatdecks eine nahezu vollständige Kolonisation zeigten.

Bestand 2 zeigte eine von Beginn an höhere Prävalenzrate. Bereits die Umgebung und der erste Sockentupfer bei Einstallung in den Abferkelstall waren positiv; zudem waren zwei der vier Sauen bereits bei der Umstallung nasal und vaginal mit MRSA kolonisiert. Die Nachweisrate zeigte sich bereits beim Geburtstermin als sehr hoch:

zehn der zwölf Ferkel und zwei der vier Sauen waren unmittelbar post partum mit MRSA kolonisiert. Bis zum Absetztermin stieg die Nachweisrate bei Eltern- und Jungtieren auf 100 % an. Beim Verlassen des Deckzentrums waren drei der vier

Sauen, beim Verlassen des Flatdecks alle zehn verbliebenden Tiere MRSA-kolonisiert.

Die Untersuchung von Bestand 5 zeigt, dass auch negative Ferkel sehr schnell ihren MRSA-Status ändern können, wenn die äußeren Umstände einen Wechsel begünstigen. Dies war in Bestand 5 der Fall, in dem die Jungtiere aus dem negativen Herkunftsbestand im Ferkelstall auf eine MRSA-positive Umgebung trafen.

Umgekehrt scheinen die Sauen in Bestand 5 wesentlich resistenter gegen eine MRSA-Besiedlung zu sein, da der Landwirt täglich den ausgelagerten Ferkelstall besucht und von dort ohne besondere Hygienevorkehrungen wieder in den Sauenstall und auch den Abferkelbereich wechselt; zudem war der Landwirt selber mit MRSA kolonisiert. Dies lässt den Schluss zu, dass noch andere Faktoren als die alleinige Anwesenheit von MRSA in einem Bestand eine Kolonisation begünstigen müssen.

Der erste Reproduktionszyklus brachte somit die Erkenntnis, dass eine MRSA-positive Umgebung im Abferkelstall das Vorkommen von MRSA bei Sauen und Jungtieren begünstigt. Eine MRSA-freie Umgebung ist jedoch hingegen kein Garant für einen negativen MRSA-Status bei Sauen und Jungtieren. Eine umgebungsgebundene Übertragung kommt dementsprechend vor. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass andere Einträge von MRSA eine ebenso große oder auch größere Rolle im Kolonisationsgeschehen spielen wie die eigentliche Umgebung im Abferkelstall. Die räumliche Nähe des untersuchten Abferkelabteils zu anderen Abteilen im Sauenstall, wie Wartestall, Deckzentrum und anderen Abferkelabteilen sowie den in hygienischer Hinsicht zumeist unzulänglich desinfizierten Stallgängen, legt diesen Schluss nahe. In den familiär betreuten Beständen ist mit einer ausreichenden Reinigung oder Desinfektion von Materialien, Werkzeugen und Kleidung zwischen einem Abteilwechsel zudem nicht zu rechnen. Jedoch scheint auch der Mensch als Vektor eine eher untergeordnete Rolle zu spielen, wie die Ergebnisse aus Bestand 5 nahe legen.

Eine bessere Reinigung und Desinfektion, die im zweiten Reproduktionszyklus durchgeführt wurde, hatte keinen Einfluss auf die MRSA-Kolonisation. Eine effektive Reduktion der vorkommenden MRSA im Stallraum scheint nicht in genügendem Maße möglich zu sein und der erhöhte Einsatz von Desinfektiva verringerte womöglich in gleichem Maße die eventuell MRSA-protektive Konkurrenzflora.

Das Kolonisationsrisiko bei Ferkeln von MRSA-positiven Muttersauen erhöhte sich ebenfalls signifikant. Dies beweist das Vorkommen eines direkten Übertragungsweges. Wurde in einem Bestand MRSA bei den Elterntieren nachgewiesen, konnte in jedem Fall auch bei Ferkeln bereits bei Geburt oder spätestens beim Absetzen MRSA festgestellt werden. Hierbei war ein direkter

Kontakt zu der MRSA-positiven Sau nicht unbedingt gegeben, wodurch eine indirekte Übertragung der Keime als höchstwahrscheinlich zu erachten ist. Ätiologisch wird daher eine direkte Assoziation von MRSA mit Stallstaub als höchstwahrscheinlich erachtet, da zudem in elf von zwölf Untersuchungsdurchgängen im untersuchten Bestand bei einem Vorkommen von MRSA bei einem Tier der Keim ebenfalls mittels Sockentupfer aus dem Staub des Stallganges isoliert werden konnte. Deshalb konnten auch positive Jungtiere von negativen Elterntieren gefunden werden.

Da jedoch auch negative Ferkel in der Abferkelbucht MRSA-positiver Sauen gefunden werden konnten, ist es wahrscheinlich, dass die Verbreitung von MRSA in einer Schweinepopulation ein multifaktorielles Geschehen ist und bestimmte Faktoren durchaus eine protektive Kompetenz gegenüber einer MRSA-Kolonisation aufweisen können.

Das Anwachsen der Nachweisprävalenzen sowohl bei den Sauen als auch bei den Ferkeln mit zunehmender Zeit im Abferkelstall könnte verschiedene Ursachen haben.

Die erhöhte Staubentwicklung innerhalb der Abferkelabteile steht hier ebenso im Vordergrund wie das Platzangebot, welches natürlich aufgrund der hohen Gewichtszunahmen der Ferkel innerhalb der üblichen drei Wochen Säugezeit stark reduziert wird. Dies führt zu stärkerem Kontakt mit den übrigen Tieren im Abferkelabteil. Des Weiteren sind die Jungtiere in den ersten Lebenswochen mit mehreren Faktoren konfrontiert, die in Anbetracht der aus der Humanmedizin entlehnten Risikofaktoren für eine MRSA-Besiedlung durchaus auch im Schweinebestand als prädisponierend gelten könnten. Darunter fallen Stress durch Umsetzen der Ferkel, intramuskuläre Eisengaben, Zähneschleifen oder Kupieren, aber auch die dabei entstehenden Verletzungen, in denen es trotz nur oberflächlicher Wunden zu einer Kolonisation mit MRSA kommen kann. Die routinemäßig in allen Beständen außer dem im ersten Reproduktionszyklus MRSA-freien Bestand 5 durchgeführten antibiotischen Geburtsprophylaxen sind ebenfalls zu nennen.

Nachweise bei Ferkeln innerhalb eines Abferkelstalls erhöhen im weiteren Verlauf der Untersuchung die Wahrscheinlichkeit weiterer positiver Nachweise signifikant.

Interessanterweise konnte kein statistisch relevanter Zusammenhang zwischen MRSA-Nachweisen bei den Elterntieren zum Zeitpunkt der Einstallung, kurz vor und kurz nach Geburt gefunden werden; ein Beleg für die schnell wechselnde Besiedlung mit MRSA bei den adulten Muttersauen. Dass auch die adulten Sauen ihr Nachweismaximum zum Absetzzeitpunkt erreichen, lässt auf eine MRSA-Übertragung durch die Jungtiere und die bereits mehrfach erwähnten Bioaerosole schließen. Im Deckzentrum, bei großer Nähe zu anderen Sauen und einer zumindest subjektiv höheren Staubentwicklung, nahm die MRSA-Prävalenz ab. Dem-entsprechend scheinen vor allem die Ferkel das allseits in Stallungen vorhandene

Bioaerosol mit laMRSA anzureichern. Eine Begründung dürfte auch hierfür in der höheren Resistenz der Sauen und einem vermutlich geringeren Austrag von MRSA in die Umwelt liegen.