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2. LITERATUR

5.2 Der erste Reproduktionszyklus

Bereits im ersten Reproduktionszyklus konnten auffällige Ergebnisse gewonnen werden. Deutlich sichtbar wurde vor allem, dass die Umgebung des Stalles Einfluss auf die MRSA-Prävalenz der Tiere nimmt. Es konnte jedoch bis zur Geburt kein signifikanter Unterschied bei der MRSA-Besiedlung der Sauen aus positiven und negativen Umgebungen gezeigt werden, was den Vermutungen vieler Autoren entspricht und durch eine höhere natürliche Resistenz der adulten Tiere, unter anderem durch eine Besiedelung mit MSSA, begründet sein könnte (NATHAUS et al.

2010). Erst positive Umgebungsnachweise nach Geburt und beim Absetzen erhöhten signifikant die Nachweiswahrscheinlichkeit bei den Sauen beim Absetzen und beim Verlassen des Deckzentrums, wobei in Anbetracht der langen Spanne zwischen diesen beiden Untersuchungsterminen und dem Vorkommen weiterer Vektoren für die Muttersauen andere Kolonisationsquellen im Vordergrund stehen dürften.

Die Ferkel hingegen zeigen bei einer Geburt in einer MRSA-positiven Umgebung scheinbar weit weniger Resistenz und sind in Beständen, in deren Umgebung MRSA nachgewiesen wurde, einem statistisch signifikant höherem Risiko ausgesetzt, mit MRSA kolonisiert zu werden. Dieser statistische Bezug konnte für Ferkel an beiden Beprobungszeitpunkten im Abferkelabteil nachgewiesen werden. Aufgrund einer nahezu vollständigen Kolonisationsrate der markierten Tiere am Ende des

Flatdeckszyklus´ konnte jedoch keine Einflussnahme des Status der Flatdeckumgebung auf die MRSA-Besiedlung der Ferkel festgestellt werden.

Der zweite Einflussfaktor auf die Ferkel stellt die Kolonisation der Elterntiere dar.

Nachgewiesen wurden signifikant höhere Kolonisationsraten bei den neugeborenen Ferkeln von Sauen, die bereits bei der Einstallung in den Abferkelstall oder bei der Geburt mit MRSA kolonisiert waren. Auch zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Besiedlung der Elterntiere nach Geburt und Ergebnis der Ferkel beim Absetzen. Die bei Eltern- und Jungtieren zeitgleich durchgeführten Untersuchungen sowohl bei Geburt als auch beim Absetzen zeigen den bestehenden Zusammenhang der Kolonisation zwischen Sau und Ferkel.

Separat ausgewertet wurden die Ergebnisse der Vaginaluntersuchung der Elterntiere kurz vor und kurz nach der Geburt und ihr Einfluss auf das MRSA-Ergebnis der neugeborenen Ferkel; die hohe statistische Relevanz deutet die Möglichkeit eines direkten Übertragungsweges von der Mutter auf das neugeborene Jungtier an, eine Möglichkeit, die auch von MOODLEY et al. in einer 2010 publizierten Arbeit formuliert wird.

Als dritter beeinflussender Faktor muss der Status der Ferkel selbst angesehen werden; bereits nach der Geburt positive Tiere sind signifikant häufiger beim Absetzen positiv, als bei der Geburt negative Tiere. Obwohl naheliegend, ist im ersten Reproduktionszyklus die direkte Übertragung von Tier zu Tier eher sekundärer Natur, da nur ein schwacher Zusammenhang zwischen der Kolonisation der Ferkel innerhalb einer Abferkelbucht festgestellt werden konnte. Aus diesem Grund erscheint neben der klassischen Kontakt- und Schmierinfektion eine Weiterverbreitung von MRSA entweder staubgebunden oder in Form eines Bioaerosols als möglich. Unabhängig von den in der Schweineproduktion herrschenden hygienischen Bedingungen ist dies erstaunlich, da in der humanmedizinischen Literatur vor allem der direkte Kontakt als Hauptinfektionsquelle für MRSA identifiziert wurde, während nur in Ausnahmefällen von anderen Übertragungswegen berichtet wurde. Hierbei ist vor allem die bereits 1996 von COTTERILL et al. beschriebene aerogene Übertragung von MRSA in einem Krankenhaus zu bedenken. Dass dieser Übertragungsweg auch in der Schweinehaltung eine große Rolle spielen könnte, zeigten GIBBS et al. im Jahr 2006, als sie sowohl S. aureus als auch MRSA in größerer Entfernung von Schweineställen noch in der Luft auffinden konnten. Die hohen Staubgehalte in der Luft innerhalb der Schweineställe könnten in Anbetracht der bekannten Adhäsionsmöglichkeiten von MRSA an Oberflächen aller Art eine Weiterverbreitung innerhalb der Stallungen fördern. Der sich auf dem Boden ablagernde Staub mit anhaftenden MRSA kann leicht von den Ferkeln aufgenommen werden und so zu einer Kolonisierung mit MRSA führen.

Bei den untersuchten Sauen kann ein direkter Zusammenhang zwischen MRSA-Nachweisen an zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungszeitpunkten erst nach der Geburt festgestellt werden: Sauen haben ein statistisch höheres Risiko einer MRSA-Besiedlung beim Absetzen, wenn sie bereits nach Geburt positiv waren. Dieser Fakt kann jedoch auch in der sehr hohen MRSA-Konzentration zum Zeitpunkt des Absetzens, bedingt durch MRSA-positive Jungtiere und das Auftreten von MRSA in Umgebung im Allgemeinen sowie im Stallstaub im Speziellen, begründet liegen.

Auch sind positive Sauen beim Absetzen einem höheren Risiko ausgesetzt, beim Verlassen des Deckzentrums ebenfalls kolonisiert zu sein.

Bedingt durch die Ergebnisse des ersten Reproduktionszyklus´ lassen sich die folgenden Hauptübertragungswege vermuten: Elterntiere auf Jungtiere, Staub- oder bioaerosolgebunden zwischen den Buchten sowie die klassische Schmierinfektion bei der Übertragung zwischen den Tieren innerhalb einer Bucht. Die meisten Sauen selbst scheinen bei einem lediglich geringen Vorkommen von MRSA in der Umgebung eine hohe Resistenz gegenüber einer Kolonisation aufzuweisen. Die Nachweisrate der Sauen erreicht ihr Maximum beim Absetzen, die Ferkel erreichen ihr Nachweismaximum beim Verlassen des Flatdecks´. Beiden Zeitpunkten gemein ist eine hohe Besatzdichte; diese geht sowohl mit engem Kontakt der Tiere zueinander als auch mit erhöhten Staub- und Schmutzmengen einher.

Aufgrund der bereits beim Absetzen hohen Nachweisprävalenz von über 50%

erscheint es sinnvoll, die Infektionskette bereits zu Beginn des Reproduktionszyklus zu unterbrechen.

Aus den ersten Ergebnissen lassen sich viele Risikofaktoren für die MRSA-Kolonisation in Zuchtbeständen ableiten. MRSA-Nachweise in den gereinigten und desinfizierten Abferkelställen können bereits bei der Einstallung der Sauen als potentielle Kolonisationsquelle vor allem für die Ferkel betrachtet werden und wurden in drei der sechs Bestände gefunden. Zudem bringen die eingestallten Sauen einen MRSA-Eintrag mit in den Abferkelstall; in zwei Beständen konnte innerhalb der untersuchten Sauengruppe bereits bei Einstallung in den Abferkelstall MRSA nachgewiesen werden. Diese MRSA-Vektoren scheinen noch durch andere Faktoren, ohne welche sich die während des ersten Reproduktionszyklus beobachtete hohe Varianz der MRSA-Ergebnisse von Sauen und Ferkeln bis zum Absetztermin nicht erklären lässt, verstärkt und ergänzt zu werden. In Anlehnung an die aus der humanmedizinischen Literatur entlehnten Risikofaktoren einer MRSA-Besiedelung stehen hier eine hohe Besatzdichte und die Nutzung von Antibiotika im Vordergrund.

Da die Besatzdichten in allen Stallungsformen exklusive den ökologisch wirtschaftenden Beständen sehr ähnlich und Veränderungen in diesem Bereich sehr

schwierig und kostspielig sind, soll diese Möglichkeit nur am Rande in Betracht gezogen werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass mit steigender Besatzdichte auch die Rangkämpfe der Tiere untereinander an Dauer und Härte zunehmen. Dies hat sowohl eine höhere Stressbelastung als auch kleinere und größere Hautverletzungen zur Folge; beides Faktoren, die in der Humanmedizin als signifikante Risikofaktoren einer MRSA-Besiedelung angesehen werden.

Die Nutzung von Antibiotika im Schweinestall ist häufig unumgänglich; gerade in älteren Betrieben ist unter anderem aufgrund der baulichen Gegebenheiten eine Reinigung und Desinfektion nicht in dem Maße möglich, wie es zur effektiven Reduktion der obligat oder fakultativ pathogenen Keime nötig wäre. Neben einer hohen Keimbelastung können auch eine mangelhafte Lüftungstechnik oder andere Faktoren gerade in Stresssituationen wie Absetzen, Wetterumschwüngen, Umgruppierungen oder Umstallungen häufig zu therapiefordernden Erkrankungen führen.

Zum Teil hat sich jedoch in Betrieben auch ein Einsatz von Antibiotika etabliert, der nicht mehr den ursprünglich angedachten Verwendungszwecken entspricht. Auch darf der Nutzen bestimmter Antibiotikaapplikationen angezweifelt werden. In allen untersuchten Zuchtbeständen wurden Antibiotika innerhalb der Ferkelproduktion eingesetzt. Für diesen Einsatz konnten drei Zeitpunkte festgestellt werden:

unmittelbar nach Geburt bzw. bei der Kastration der Ferkel, eine Woche post partum und bei Umstallung ins Flatdeck. Ziel der weiteren Studie sollte somit in einigen Beständen eine Reduktion der Verwendung von Antibiotika sein.