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Vergewaltigungsmythen sind eine Mischung aus Vorurteilen und stereotypen Vorstellungen. Sie helfen den Glauben an eine gerechte Welt zu bewahren und unterstützen die Aufrechterhaltung entsprechender Überzeugungen (vgl. Heynen 2000, S. 43). Lange Zeit wurde eine Vergewaltigung stets mit dem Vergleich eines Nadelöhrs in Verbindung gebracht. Es hieß man(n) kann keinen Faden in ein Nadelöhr einfädeln, wenn das Nadelöhr ständig in Bewegung ist (vgl. Perner 1994, S. 12; vgl. Weis 1982, S. 53), demgemäß könne keine Frau gegen ihren Willen vergewaltigt werden. Vorurteile über Vergewaltigungen, wie dieses Nadelöhrbeispiel, sind, trotz zunehmender Aufklärungsarbeiten, nach wie vor in unserer Gesellschaft präsent.

Ein weitverbreitetes Bild über den Ablauf einer Vergewaltigung ist, dass ein geistig gestörter Mann eine junge, hübsche Frau an einem dunklen, ruhigen Ort überfallartig vergewaltigt, obwohl sich die Frau dagegen wehrt und körperliche Verletzungen vorweisen kann (vgl. Baurmann 1991, S. 228).

Ebenso ist das Bild von einer Frau, welche durch ihre aufreizende Kleidung provoziert, sich auffällig verhält und von dem bemitleidenswerten Mann, der nach langer Enthaltsamkeit seinen sexuellen Trieb ausleben muss, noch sehr stark in der Öffentlichkeit verankert (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 16; vgl. Teubner 1989, S. 78; vgl. Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 6f.; vgl. Baurmann 1991, S. 229).

Der Gedanke, dass die Befriedigung des Geschlechtstriebs die Motivation des Täters für eine Vergewaltigung sei und somit die Tat rein sexuell ist, ist in unserer Gesellschaft vorherrschend (vgl. Pöhn 2010, S. 55; vgl. Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 6f.), doch diese Theorie vom unkontrollierten Trieb

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24 12

Orte der Vergewaltigung

im Freien

eigene Wohnung

Wohnung des Täters

anderer geschlossener Raum

eines Mannes wurde von einer Vielzahl von ethnologischen und anthropologischen Untersuchungen widerlegt. Diese Untersuchungen lieferten Ergebnisse, welche darauf schließen lassen, dass die Art des sexuellen Verhaltens auf die Normen und Ordnungen einer Gesellschaft zurückzuführen ist (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 18).

Ein weiterer Mythos ist die These, dass Frauen bei einer Vergewaltigung Lust empfinden oder gar einen Orgasmus bekommen könnten (vgl. Weis 1982, S. 66; vgl.

Pöhn 2010, S. 56), diese genießen und sogar den unterdrückten Wunsch nach einer Vergewaltigung hätten (vgl. Flothmann/Dilling 1990, S. 18).

Die Orte an denen Vergewaltigungen geschehen, sind in der Vorstellung meist im Freien, dunkle Wälder oder Parks, jedoch gaben bei der Opferbefragung von Pöhn (2010), wie in der folgenden Abbildung 2 ersichtlich, nur sieben Frauen an, im Freien vergewaltigt worden zu sein, bei 14 Frauen fand die Vergewaltigung in der eigenen Wohnung statt, 24 weitere gaben als Tatort die Wohnung des Täters an und 12 Frauen beschrieben einen anderen geschlossenen Raum (vgl. Pöhn 2010, S. 53).

Die Frage nach dem Tatort wurde in der Studie von Tov (2009) um eine Kategorie – das Auto – erweitert, denn das Auto war mit elf Gewaltdelikten der häufigste Tatort.

Im Vergleich mit Pöhns Studie (2010) wurde in der Studie von Tov (2009) ebenfalls festgestellt, dass Vergewaltigungen häufiger in geschlossenen Räumen stattfinden als im Freien. Nur sieben von 43 Gewalttaten wurden im Freien verübt und die weiteren in der Wohnung der Eltern, des Opfers oder des Täters (vgl. Tov 2009, S. 81).

Der fremde Mann als Vergewaltiger ist ein weiterer Mythos, welcher durch Untersuchungen unter anderem von Weis (vgl. 1982, S. 135f.; vgl. Gies 1995, S. 34) und Tov (vgl. 2009, S. 80) widerlegt werden konnte.

Abbildung 3: Bekanntheit des Täters. Dargestellt nach Tov 2009, S. 80.

Die Studienergebnisse von Tov (2009, S. 80) zeigten, dass die Mehrzahl, 69% der Opfer die Täter bereits vor der Tat kannten und nur 31% der Frauen von gänzlich fremden Tätern vergewaltigt wurden.

Anhand der Aufklärungsarbeit in den letzten Jahren wurde ein Umdenken hinsichtlich dieses Vergewaltigungsmythos wahrnehmbar. Die Umfrage von Pöhn

31%

69%

Bekanntheit des Täters

fremd bekannt

meisten Opfer und Täter sich nicht kennen. Die anderen 83,5% gehen von einer Bekanntschaft oder Verwandtschaft zwischen Täter und Opfer vor der Tat aus. Die Opferbefragung bestätigt diese Annahme, denn von den 32 befragten betroffenen Frauen, war der Täter lediglich vier betroffenen Frauen völlig unbekannt (vgl. ebd., S. 54).

Ebenso ist die Meinung, dass nur bestimmte z.B. junge und attraktive Frauen vergewaltigt werden (vgl. Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 6), ein weiterer Mythos. Dieser Irrglaube ist besonders unter den Frauen weitverbreitet, da er ihnen als Selbstschutz dient und ihnen ein Gefühl von Sicherheit gibt (vgl. Pöhn 2010, S. 51f.). Dies bestätigte die Umfrage von Pöhn (vgl. ebd., S. 52), welche ergab, dass 1% der Befragten der Meinung ist, dass sie Opfer einer Vergewaltigung werden könnten, wohingegen 82% der teilnehmenden Personen keine Gefahr für sich sahen, dass sie vergewaltigt werden könnten, da sie glauben nicht in das typische Opferschema zu passen. Daher sei gesagt, dass es weder einen bestimmten Tätertyp noch einen bestimmten Opfertyp oder eine typische Vergewaltigungssituation gibt (vgl. Humburg 1991, S. 260).

Wird von sexueller Gewalt gesprochen, denken viele Menschen sofort an eine Falschbezichtigung. Frauen zeigen Männer an, obwohl nie eine Vergewaltigung stattgefunden habe. Frauen erfinden eine Vergewaltigung, um sich an einem Mann zu rächen oder einen eingewilligten Geschlechtsverkehr im Nachhinein auf diese Art und Weise zurückziehen. Besonders verbreitet ist dieser Gedanke, wenn das Opfer den Täter bereits vor der Tat kennt. Doch die Zahl dieser Falschanzeigen ist verglichen mit anderen angezeigten Gewaltdelikten nicht höher, sondern mit ca. 2% (vgl. Pöhn 2010, S. 55f.; vgl. Heynen 2000, S. 25) gleich hoch. Die Angst vor Falschanzeigen

rührt meist aus einem schlechten Gewissen bezüglich der eigenen Sexualpratiken- und - phantasien heraus (vgl. Baurmann 1991, S. 228).

So unterschiedlich diese Vergewaltigungsmythen auch sein mögen, alle haben Gemeinsamkeiten und zwar wird dem Vergewaltiger die Verantwortung für sein Handeln größtenteils abgenommen (vgl. Brockhaus/Kolshorn 1998, S. 93), die Tat wird bagatellisiert und die Opfer werden für die Tat mitverantwortlich gemacht (vgl.

Pöhn 2010, S. 51; vgl. Gies 1995, S. 21). Zusätzlich dazu sind diese Vergewaltigungsmythen mitunter dafür verantwortlich, dass vergewaltigte Frauen oftmals nicht ernst genommen werden. Folglich werden viele betroffene Frauen als Lügnerinnen hingestellt, als Verantwortliche für die Tat angesehen und eine Umkehrung von Opfer-Täter Verhältnis findet statt (vgl. Verein gegen VergGEWALTigung 2011, S. 7f.).