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Nachdem sowohl in vitro als auch in vivo eine BYK199404-induzierte IL-6-Ausschüttung festgestellt werden konnte, sollte in diesem Studienabschnitt in zwei Interventionsstudien (I und II) geprüft werden, ob die parallele Gabe eines Anti-IL-6-AKs zusammen mit BYK199404 zu einer Verminderung der BYK199404-induzierten toxikologischen Befunde führen kann. Die beiden Studien unterschieden sich in den verwendeten Dosierungen des Anti-IL-6-AKs und dahingehend, dass zum Ausschluss falsch positiver Befunde in der Interventionsstudie II auch die IgG-Isotypkontrolle zusammen mit BYK199404 verabreicht wurde.

5.5.1 Verminderung toxikologischer Befunde

Bei beiden Interventionsstudien führte die parallele Gabe von Anti-IL-6-AK und BYK199404 zu einer gering- bis mittelgradigen Verminderung der substanzinduzierten toxikologischen Befunde. Neben dem Anti-IL-6-AK konnte aber auch die zusätzlich zur Substanz verabreichte IgG-Istoypkontrolle in der Interventionsstudie II eine Verminderung der substanzinduzierten toxikologischen Befunde bewirken. Dabei war der Effekt des Anti-IL-6-AKs mit dem der IgG-Isotypkontrolle vergleichbar, nur bei den histopathologischen Befunden der männlichen Geschlechtsorgane erwies sich die hohe Dosierung des Anti-IL6-AKs effektiver als die der IgG-Isotypkontrolle.

Bei den histopathologischen Befunden der männlichen Geschlechtsorgane stellt sich in beiden Studien die Verminderung der substanzinduzierten toxikologischen Befunde am

deutlichsten dar. Insgesamt aber zeigte sich der Effekt des Anti-IL-6-AKs in der Interventionsstudie I schwächer als in der Interventionsstudie II, dies könnte teilweise auf der Dosis beruhen. Da aber in der Interventionsstudie II nochmals die Dosis verwendet wurde, welche in der Interventionsstudie I als hohe Dosis galt (5 µg/Tier/d) und hier zu deutlicheren Effekten führte, könnte es auch an der biologischen Variabilität des hier verwendeten Rattenstammes liegen. Unterstützt wird diese Aussage dadurch, dass in der Interventionsstudie I die Gruppe mit alleiniger Substanzgabe deutlich weniger toxikologische Befunde zeigte als die analoge Gruppe aus der Interventionsstudie II, wohingegen in der Interventionsstudie I die Gruppe mit der niedrigen Dosis des Anti-IL-6-AKs (2 µg/Tier/d) tendenziell mehr toxikologische Befunde als die BYK199404-Gruppe aufwies. Dieses Ergebnis passt zum einen zu den in Kapitel 4.2.3.1 beschriebenen Befunden, welche eine hohe inter-individuelle Variabilität bei den in dieser Arbeit verwendeten Wistar-Han-Ratten zeigen. Zum anderen ist dies ein weiterer Beleg für die in Kapitel 5.2 beschriebene biologische Diversität, die sich an dieser Stelle aber innerhalb des verwendeten Rattenstamms zeigt.

Weiterhin wird hier die Wichtigkeit pharmakokinetischer Untersuchungen deutlich, um diese Unterschiede besser zu interpretieren. Auf Grund der Vielzahl der gemessenen Parameter und des geringen Blutvolumens der Ratten wurde in diesen Studien keine pharmakokinetische Untersuchung durchgeführt.

Interessanterweise blieben in beiden Interventionsstudien die histopathologischen Befunde am Mesenterium völlig unbeeinflusst durch den Anti-IL-6-AK oder die IgG-Istotypkontrolle. Dies könnte auf eine unterschiedliche Pathogenese der histopathologischen Befunde in den verschiedenen Geweben hindeuten. In Kapitel 5.4.2 wurden Komponenten der vermutlich multifaktoriellen Pathogenese der toxikologischen Befunde erläutert. Dabei kann neben hämodynamischen Veränderungen auch eine direkt substanzbedingte inflammatorische Modulation des Endothels mit anschließender IL-6-Ausschüttung eine Rolle spielen. Ausschlaggebend könnte eine unterschiedliche Gewichtung beider Faktoren sein. Vielleicht haben im Mesenterium hämodynamisch bedingt veränderte Scherkräfte durch die elastischen Fasern der Gefäßwand der A.

mesenterica cranialis eine höhere Gewichtung, wohingegen bei den männlichen Geschlechtsorganen mehr die direkt substanzbedingte inflammatorische Komponente an der Pathogenese beteiligt ist.

Unterstützt wird diese Vermutung durch das verminderte Auftreten substanzinduzierter Befunde in den männlichen Geschlechtsorganen nach zusätzlicher Gabe des Anti-IL-6-AKs. Allerdings wurden in der Doktorarbeit keine Blutflussmessungen durchgeführt.

Es gibt einige Veröffentlichungen, welche diesen Anti-IL6-AK in ähnlichen Dosierungen und über den gleichen Applikationsweg, aber für verschiedene Indikationen bei Sprague-Dawley- und Wistar-Ratten einsetzten (TUNA et al. 2001; TUNA et al. 2002;

SMITH et al. 2007; YAMAJI et al. 2008; ZHAO et al. 2008; ARICHA et al. 2011; ESUMI et al. 2011), in dieser Doktorarbeit aber erfolgte erstmalig der Einsatz eines Anti-IL-6-AKs im Zusammenhang mit einem PDE4-Inhibitor.

Fazit ist, dass IL-6 nicht die Hauptrolle in der Pathogenese der toxikologischen Befunde spielt, aber daran beteiligt ist. Wie groß der Einfluss der IgG-Isotypkontrolle auf die Pathogenese und somit auf die Verminderung der toxikologischen Befunde, induziert durch den PDE4-Inhibitor ist, kann an dieser Stelle nicht eindeutig geklärt werden.

5.5.2 Unklare Rolle von IgG

Die Verminderung der BYK199404-induzierten toxikologischen Befunde durch die IgG-Isotypkontrolle war ein unerwarteter Befund. IgG gehört zu den Hauptvermittlern der adaptiven Immunität (NIMMERJAHN u. RAVETCH 2008). Bei der adaptiven Immunität und auch bei Autoimmunerkrankungen vermittelt die Fc-Region des Antikörpers die Antigenerkennung mit verschiedenen Effektorwegen. Dazu gehören als wichtigste das System der aktivierenden und hemmenden Fcγ-Rezeptoren (FcγR), das Komplementsystem mit den dazugehörigen Rezeptoren und die neonatalen Fc-Rezeptoren (FcRn), welche die Halbwertszeit von IgG verlängern können (ROOPENIAN et al. 2003; CARROLL 2004; NIMMERJAHN u. RAVETCH 2006). IgG-Antikörper werden in der Humanmedizin therapeutisch eingesetzt. Dabei wird gepooltes Serum gesunder Spender zum einen als Austausch oder Ersatz bei beispielsweise primären

Immundefizienzen oder Knochenmarkstransplantationen in Dosierungen von 300 - 500 mg/kg verabreicht (NEGI et al. 2007; NIMMERJAHN u. RAVETCH 2008). Zum anderen führte die Entdeckung, dass sich hoch dosiertes intravenös verabreichtes IgG in einem Fall von idiopathischer thrombozytopenischer Purpura hilfreich zeigte, zu einer Anwendung der IgG-reichen Spenderseren in der Entzündungstherapie (IMBACH et al.

1981). Zulassungsüberschreitend kommt es aber auch zur Anwendung unter anderem bei Myasthenia gravis, rheumatoider Arthritis oder Dermatomyositis (NIMMERJAHN u.

RAVETCH 2008). Auch in der Tiermedizin findet sich der therapeutische Einsatz von humanem IgG. So konnten schwere Verlaufsformen der immunvermittelten hämolytischen Anämie des Hundes behandelt werden (BÄUMER 2010).

Zur Ursache der anti-inflammatorischen Wirkung von hoch dosiertem IgG gibt es verschiedene Theorien (NIMMERJAHN u. RAVETCH 2007; NIMMERJAHN u.

RAVETCH 2008). Herausgefunden wurde bisher, dass allein die Verabreichung der Fc-Untereinheit in Tiermodellen und beim Menschen einen anti-inflammatorischen Effekt hervor bringt (DEBRE et al. 1993; SAMUELSSON et al. 2001; KANEKO et al. 2006b), dass bestimmte Zuckerreste am Fc-Glykan eine Rolle spielen (KANEKO et al. 2006b;

ANTHONY u. RAVETCH 2010), dass der inhibierende FcγR (FcγRIIB) der beteiligte Rezeptor ist (SAMUELSSON et al. 2001; CROW et al. 2003; KANEKO et al. 2006a) und dass bestimmte Arten von Makrophagen sowie ein Lektin-Rezeptor auf diesen Makrophagen beteiligt sind (BRUHNS et al. 2003; ANTHONY u. RAVETCH 2010).

Die Ergebnisse der Doktorarbeit zeigen ebenfalls einen IgG-vermittelten anti-inflammatorischen Effekt, indem die durch einen PDE4-Inhibitor induzierten inflammatorischen Befunde vermindert wurden. Allerdings wurde das IgG nicht hoch dosiert verabreicht, die höchste Dosierung betrug 15 µg/Tier/Tag.

Andere Veröffentlichungen zeigten bei der Ratte nach Ligatur und Punktion des Caecums stark erhöhte Überlebensraten bei Gabe von 100 - 1000 mg/kg IgG (HAGIWARA et al. 2008; ESEN et al. 2012; YOSHIKAWA et al. 2012). Weiterhin bot eine Verabreichung von 100 - 300 mg/kg IgG Schutz vor einer Lungenverletzung in einem Pneumonitits-Modell bei Ratten (DANTAS et al. 2000). Auch diese Dosierungen

liegen wiederum um einiges höher als die in der Doktorarbeit gewählten Dosierungen.

Dennoch kann dieser Erklärungsansatz der anti-inflammatorischen Wirkung von hoch konzentrierten und dosierten IgG als Ursache für die Reduktion der toxikologischen Befunde nicht ausgeschlossen werden.