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Vaterländische Geschichte sichtbar machen

Im Dokument Johann Gottlob von Quandt (Seite 181-187)

Zeitgeistes, des Geschmäcklerischen, den

Modeerscheinun-gen.82 die Kunst des Mittelalters und der renaissance jedoch, und ihr nachfolgend und von ihr lernend die Kunst seiner Ge-genwart strebte nach tieferen Gründen. in Quandts augen suchten diese Zeiten schönheit umzusetzen. der konstante Geist der Zeit oder einfacher gesagt, die immerzu positiv sich entwickelnde Menschheit, sollte über den Zeitgeist und seine Moden siegen.

im historischen Museum sollte die wissenschaftliche und ästhetische Präsentation hierbei helfen. durch betrachtung der Kunstwerke und lektüre der historischen Zusammenhänge in den Andeutungen wurden die besucher aufgeklärt. sie soll-ten die oberflächlichkeit der barockzeit von der tiefgründig-keit mittelalterlicher Gesellschaften unterscheiden lernen. der rundgang durch die sammlung wurde zum sinnlichen und ver-geistigten Kreislauf und die erkenntnis der entwicklung der Menschheit schloss direkt an die vergangenheit an, »als noch ein herzensschlag ein frisches blut durch Kunst und volksle-ben strömte.«83 das Museum war damit ein ort der bildung der Gesellschaft.

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das Publikum des historischen Museums nahm die neue Prä-sentation und Quandts Andeutungen positiv auf. so liest man im september 1834 in der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitschrift, das historische Museum sei »für den Jäger und Jagdfreund von

interesse«, die Präsentation der ritterlichen rüstungen würde

»eine heitere und kräftige Wirkung hervorbringen« und Quandt habe mit den Andeutungen »durch treffende historische noti-zen durchgehends dem leser ein erwünschtes Geschenk berei-tet.«84 das Morgenblatt für gebildete Stände rühmt 1836 die op-timierungsbestrebungen in den königlichen Kunstsammlungen dresdens: »besonders hat unter andern das vormals unter dem namen der rüstkammer bekannte historische Museum durch die lehrreiche und geschmackvolle anordnung des herrn von Quandt ungemein gewonnen.«85 auch in reiseberichten, Me-moiren und führern durch dresden liest man viel Positives: »die Gebäude des Zwingers enthalten noch das […] hauptsächlich un-ter Mitwirkung des, um die Kunst auf mannichfache Weise ver-dienten Kenners, von Quandt, so zweckmäßig als geschmackvoll zusammengesetzte historische Museum.«86

selbst der name des Museums wurde so verstanden, wie ihn Quandt letztlich meinte: nämlich als Museum der Geschichte, vorwiegend sachsens, in welchem die Menschen durch an-schauung belehrt wurden. der verleger und buchhändler Paul Gottlob hilscher betonte in seinem zweibändigen Werk zu den dresdener Museen, das aus anlass von lindenaus neuorganisa-tion der königlichen sammlungen 1835/36 erschienen war, dass die »sammlung von rüstungen, Waffen und andern geschicht-lichen Merkwürdigkeiten  […] zur Kenntniss der vorzeit, vor-züglich des sächsischen volks […] den namen des historischen Museums« erhalten habe.87 auch der nachfolgende Katalog friedrich august frenzels von 1850 lobte die einrichtung und so blieb sie bis zum umzug 1877 ins Johanneum bestehen.88

ist nämlich der sinnliche Ausdruck der Schönheit. Eine Gesellschaft ohne Sinn für Schönheit bringt auch keine gute Kunst hervor. Daher sollten Künstler idealerweise nur dem Geist der Schönheit dienen, nicht aber der Zeit. Ebd., S. 134. Siehe hierzu auch Quandt 1826 (1), S. 304–306 ; Quandt 1830–1833, Bd. 1, S. XIX; Quandt 1853, S. 36.

82 Quandt 1847, S. 138: »[…] das, was dem mittelalterlichen Christen das Mutterbild zur Madonna macht, macht es mir zum Bild der Liebe. […]

Denken Sie nur an die Kunstwerke, welche aus dem Zeitgeiste des 17. Jahrhunderts hervorgegangen und dadurch Bilder der Zeit sind! – Was jedem Menschen an diesen Producten unausstehlich ist, liegt nicht in den Gegenständen oder den Aufgaben, sondern dem Zeit-geiste, dem sie angehören.« Ebd., S. 139: Watteau gefalle, nicht weil er den Zeitgeist darstellte, sondern weil er ihn verspottete.

83 Quandt 1834 (1), S. IX. S. a. Waidacher 1993, S. 212–220.

84 Allgemeine Forst- und Jagd-Zeitung, 3./5.9.1834, Nr. 106, S. 420, 424. S. a.

die Rezension von Karl Heinrich von Lang, in: Literarisch-historische Zeitschrift, 1835, Nr. 2, S. 44: »Daran gefällt uns […] vornehmlich der Gedanke, bei allen Werken der Kunst das historische herauszuheben, und bei Bildnissen kurze Lebensumrisse der Vorgestellten zu geben.«

85 Morgenblatt für gebildete Stände, 12.4.1836, Nr. 88, S. 352. S. a. die Ausgabe vom 14.4.1842, Nr. 89, S. 356: »[…] während v. Quandt bereits 1834 Andeutungen über das historische Museum schrieb. Dieß groß-artige Lehrbuch der Vorzeit erklärt sich übrigens dem nicht gelehrten Besucher mit Hülfe des Führers am besten von selbst, und eine bloße trockene Beschreibung würde dem Alter thumsforscher nur viel Roh-erz in die Hände liefern.«

86 [Friedrich August Laun], Memoiren von Friedrich Laun, Bd. 3, Bunzlau:

Appun’s Buchhandlung, 1837, S. 128; Lindau 1845, S. 216. S. a. Friesen 1880, S. 321.

87 Hilscher 1835/36, Bd. 2, [S. 13]. Ebenso Lindau 1845, S. 215: »Die im historischen Museum enthaltenen, in Beziehung auf Völkerkunde und Kenntniß der deutschen Vorzeit überhaupt, besonders aber der sächsischen, großentheils historisch und ethnologisch wichtigen oder anziehenden Gegenstände, vorzüglich aber die Erinnerung an denkwürdige Personen und Ereignisse […] verdienen einer besonderen Aufmerksamkeit gewürdigt zu werden.« S. a. Koetschau 1905, S. 92–94.

88 Frenzel 1850, S. 1–2. Frenzels Publikation schien nicht als offizieller Katalog gegolten zu haben. Gustav Klemm am 14.3.1859 und in dessen Nachfolge Wilhelm Schäfer am 22.5.1864 trugen dem Ministerium des Königlichen Hauses vor, Kataloge herzustellen. Schäfer machte geltend, dass seit Quandts Andeutungen von 1834 als offiziellem Katalog keine neue Publikation zum Historischen Museum erschienen sei; HStADD, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unter-richts 1576–1945, 19243 Historisches Museum 1856–1866, fol. 46r–50r (Klemm); fol. 131r–132v (Schäfer). Das Ministerium des Königlichen Hauses lehnte das Angebot ab, da ein Umzug in neue Räumlichkeiten bereits in Planung war. Auch Grieben 1857, S. 119 bezeichnete Quandts und Frenzels Kataloge als ungenügend. Für Hinweise danke ich Chris-tine Nagel. Zum Umzug ins Johanneum siehe Bloh 2005, S. 67.

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besonderen anklang aber fanden die ornamentalen anord-nungen großer Mengen von Waffen, rüstungsteilen und eini-gen textilen stücken in den von säulen gebildeten nischen der Galerien (abb. 79–81). hierzu hieß es in der sechsten auflage des beliebten reiseführers Merkwürdigkeiten Dresdens und der Umgegend von Wilhelm adolph lindau: »die nischen und felder hinter der langen reihe der harnische sind mit schwer-tern, lanzen, schilden, helmen, kurz mit Waffen, turnier= und Paradegeräthe der verschiedensten art ausgestattet, die  […]

schön gruppirt in den manchfachsten und bewundernswürdig

abwechselnden formen und figuren dem auge des beschau-ers einen freundlichen anblick gewähren.«89 friedrich august frenzel erklärte, dass es der Professor für baukunst, Joseph thürmer, gewesen sei, der »mit großem Geschmacke die ein-zelnen stücke symmetrisch und in gefällig architek tonischen formen an den Wänden und Pfeilern« angebracht habe.90

dank einem über fünfzig blatt umfassenden, undatierten Konvolut von Wandaufrissen, das im archiv der rüstkammer erhalten blieb, lässt sich von den ornamentalen hängungen in den drei Zwingergalerien ein genaues bild machen.91 die darge-89 Lindau 1845, S. 225–226. S. a. Frenzel 1850, S. 91, 98, 106–107.

90 Frenzel 1850, S. 2. S. a. Heres 1987, S. 45–46. Als Vorlage sollen laut Frenzel die Dekorationen der Zeughäuser in London, Paris, Wien und Berlin gedient haben. Das Berliner Zeughaus wurde 1828 einem breiteren Publikum zugänglich gemacht, wobei eine Abbildung von Michael Carl Gregorovius der »Kunst-Rüstkammer« eine ganz anders geartete Präsentation zeigt als diejenige von Thürmer und Quandt.

Der Magazincharakter scheint musealisiert worden zu sein, was in Dresden nicht der Fall war. Die Abbildung in: [s. n.], »Das Berliner

Zeughaus«, in: Mitteilungen des Deutschen Historischen Museums 1992, Bd. 2, Nr. 6, Internetressource: www.dhm.de/magazine/zeug-haus/Waffenarsenal.html [letzter Zugriff: 17.9.2018]. S. a. Neumann 1991/92, S. 159–179.

91 SKD, RK, Bibliothek, T 215/40, um 1845(?). S. a. Schuckelt 2010, S. 14;

Bloh 2005, S. 62; Bäumel 2004, S. 18. Die Zeichnungen von unbekann-ter Hand lassen sich vielleicht mit der Antwort des Minisunbekann-teriums des Innern auf ein Gesuch des Kunsthistorikers Ludwig Puttrich vom 4.11.1845 in Zusammenhang bringen, in: HStADD, 13458 SKD, 79 Unbekannt nach Joseph Thürmer und Johann Gottlob von Quandt,

Wandaufriss mit der Hängung von Rapieren, Dolchen, Scheiden, Degen-taschen und Wehrgehängen in der II. Bogennische des Paradesaales im ehemaligen Königlichen Historischen Museum Dresden, mit dem Wappen der Burggraphschaft Altenburg, 1836/77, Feder und Tusche, teilweise koloriert, 360 × 263 mm (Blatt), Dresden, Rüstkammer, Inv.-Nr. T 215/40

80 Unbekannt nach Joseph Thürmer und Johann Gottlob von Quandt, Wandaufriss mit der Hängung von Rennzeug, Prunksturmhauben, Prunk-schild, Brechscheibe, Rapieren, Säbeln, Dolchen und Stechlanzen in der X. Bogennische des Turniersaales im ehemaligen Königlichen Historischen Museum Dresden, 1836/77, Feder, teilweise laviert, 359 × 262 mm (Blatt), Dresden, Rüstkammer, Inv.-Nr. T 215/40

VAT E R L Ä N D I S C H E G E S C H I C H T E S I C H T B A R M A C H E N 183 stellten Waffen sind so genau wiedergegeben, dass Kenner der rüstkammer einzelne objekte eruieren können.92 Zudem lässt sich feststellen, dass die Zeichnungen genau den inventaren von 1836–38 entsprechen.93

im Konzept von 1832 hatte Quandt vorgeschlagen, »die Wand selbst mit degen, schwertern, he[l]men, schildern zu bekleiden  […], aus welchen eine art Mosaik gebildet werden könnte.«94 Mit einer solchen Präsentationsform ging ein ver-lust des alten Magazincharakters der rüstkammer einher.95 am stärksten bedauerte dies wohl der Maler Wilhelm von Kügel-gen in einer schilderung der stimmung in der alten rüstkam-mer: »die Waffen standen und hingen da sämtlich noch ohne Gepränge und ostentation, wie zu der Zeit, da sie im Gebrauch gewesen, und auch die luft schien noch dieselbe, die Johann friedrich und Kurfürst Moritz schon geatmet, wenn sie durch diese räume schritten. aber gerade dieser Moderduft schien mir das beste: er war die Melodie des heldenliedes, das die Wände sangen. später, nach 1830, als der fortschritt auch in sachsen einbrach, wollte man es besser machen und stellte diese Waffen  […] in den hohen, hellen Korridoren des Zwin-gers auf. Man ordnete nun die alten Mordgewehre zu glänzen-den sonnen oder freundlichen rosetten und Girlanglänzen-den an glänzen-den Wänden, verbannte jenen mysteriösen Geruch der vorzeit und nahm der sammlung endlich selbst den namen, indem sie jetzt ganz elegant historisches Museum heißt. das ist der fortschritt des Geschmackes.«96

doch Quandt ging es um mehr als Geschmack. die großen fenster im Zwinger fluteten die hohen säle mit viel licht und vertrieben den Muff der »alten landesherrlichen rüstkammer«

zugunsten der vielfach gelobten, neuen aufstellung der Gegen-RK, Nr. 38b, [nicht paginiert]. Darin wird gutgeheißen, dass »Herr

Frenzel die gewünschten Armaturen, im Locale der Sammlung selbst zeichne.« Beim möglichen Urheber könnte es sich also um Johann Gottfried Abraham Frenzel, der Schreiber beim Kupferstichkabinett war und als Vedutenstecher unter anderem Quandts Haus dargestellt hat, handeln. Die in der Rüstkammer überlieferte Zuschreibung an Friedrich Martin Reibisch oder Friedrich August Rahnfeld konnte dagegen nicht nachvollzogen werden. Gemäß mündlicher Mitteilung von Jutta von Bloh existiere in den Akten der Rüstkammer eine Notiz über ungenügende Zeichnungen im Zusammenhang mit einem Füh-rerprojekt für das Historische Museum von Friedrich August Rahnfeld.

Diese Notiz wurde mit dem Konvolut der Wandaufrisse in Verbindung gebracht, die jedoch qualitativ außerordentlich gut und detailgetreu sind. Zur Datierung siehe unten Anm. 93.

92 Die gesamthaft fünfzig Blätter mit Zeichnungen sind in drei Abteilun-gen unterteilt, denen ein Deckblatt vorangeht. Ein Titelblatt ist nicht vorhanden. Das Deckblatt ordnet die nachfolgenden Zeichnungen den Sälen zu und hält deren Anzahl fest: »1. Galerie. Turniersaal. 17. Blatt.

2. Galerie. Schlachtsaal. 16. Blatt. 3. Galerie. Paradesaal. 16. Blatt.«

93 Inventare des Historischen Museums 1836–1838, in: HStADD, 13458 SKD, RK, Lieber-Nr. 77–88, 90, 92–93. Eine Stichprobe im Inventarium über die in dem Turnier=Saale des königl: historisch: Museums zu Dresden befindlichen Gegenstände, Lieber-Nr. 77 stimmt exakt mit den Zeichnungen überein. Für die Datierung der Zeichnungen von

Interesse ist ein Vorentwurf des Inventars zum Schlachtensaal in den Akten der Rüstkammer: HStADD, 13458 SKD, RK, o. Nr. [5], »B. Im 2ten Saale sind untergebracht«, datiert in Bleistift auf 1836. Hier stimmen nicht alle Details mit den Zeichnungen überein. Einer Notiz zu den Waffen im dritten Bogen ist zu entnehmen, dass erst später Streitäxte hinzugekommen seien. Dies würde Unstimmigkeiten erklären. Damit kann ausgeschlossen werden, dass es sich bei den Wandaufrissen um Entwurfszeichnungen von Joseph Thürmer selbst handelt, der schon 1833 verstorben war. Als terminus ante quem kann nur der Umzug von 1877 ins Johanneum gesetzt werden, da bis zu diesem Jahr weder ein genauer Katalog noch ein neues Inventar erstellt wurde, was für einen Vergleich unabdingbar wäre. Für zahlreiche Hinweise danke ich Gernot Klatte. Zur Zuschreibung siehe oben Anm. 91.

94 HStADD, 13458 SKD, RK, Nr. 46, fol. 3v–4r. Zu symmetrischer Präsenta-tion von Glasmalereien s. a. Quandt 1834 (1), S. 16.

95 Heres 2006, S. 96. Ornamentale Präsentationen von Waffen zur Be-förderung des Sinnes für Geschichte und Traditionen reichen bis in Zeughäuser und Rüstkammern des frühen 18. Jahrhunderts zurück.

Traktate beschreiben zudem den Effekt von Kuriosität und Vergnügen, welchen entsprechende Einrichtungen auf das Publikum hatten; siehe Neumann 1991/92, S. 160. S. a. Friesen 1880, S. 321.

96 Kügelgen 1959 [1870], S. 126. S. a. Weddigen 2008, S. 216–219, Heres 1987, S. 46.

81 Unbekannt nach Joseph Thürmer und Johann Gottlob von Quandt, Wandaufriss mit der Hängung von kursächsischen und königlich-säch-sischen Militär- und Gardewaffen sowie Raupenhelm in der Bogennische eines Zugangs zum Paradesaal im ehemaligen König lichen Historischen Museum Dresden, mit dem königlich-sächsischen Wappen im Zentrum der Rosette, 1836/77, Feder und Tusche laviert, teilweise koloriert, 360 × 263 mm (Blatt), Dresden, Rüstkammer, Inv.-Nr. T 215/40

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stände.97 die »glänzenden sonnen« und »freundlichen roset-ten« waren Mittel zum Zweck. sie verhalfen dem aufzuklären-den bürger zur geistigen erleuchtung. Quandt selber versprach sich von der ornamentalen aufstellung eine »heitere laune«.98 sie sollte in vergangene Zeiten versetzen. ernst förster ver-stand das anliegen und schrieb in seinem Handbuch für Rei-sende in Deutschland, im historischen Museum sei »alles voll-kommen anschaulich zusammengestellt, so dass man an Zeit und ort der alten ritterspiele sich versetzt sieht.«99

in den Andeutungen von 1834 versuchte Quandt aufzuzei-gen, wie einstige Gesellschaften von Kunst durchdrungen ge-wesen waren. dieses anliegen konnte er nicht nur durch die Präsentation reinen historischen Wissens erzielen, da zu viele informationen zu den Werken verloren gegangen waren. so zielte er durch die dekorative Gestaltung der ausstellungs-räume darauf ab, ein Gefühl für die rolle der Kunst in histori-schen Zeiten zu vermitteln: »Geschichte und dichtung einer Zeit [machen] ein Gesammtes [aus], das in der anschauung zum Ganzen werden muss. es würde ebenso einseitig seyn, sich blos an thatsachen zu halten, ohne in die idee einzudrin-gen, als es einseitig wäre, die begebenheiten nach dem idealen Gepräge der dichtung sich vorzustellen.«100 Quandt verstand unter Geschichte die realen Geschehnisse einer Zeit und unter dichtung die idealformen der Kunst, die auf einen tieferen, die Gesellschaft zusammenhaltenden sinn referierte. beide waren eng miteinander verschränkt und wurden besonders in den ver-schiedenen Kunstformen sinnlich wahrnehmbar.

erste solche authentizität vermittelnden Präsentationsfor-men waren bereits am ende des 18. Jahrhunderts in frankreich entstanden, als durch die revolutionären enteignungen der Kir-chen zahlreiche mittelalterliche Kunstwerke konfisziert und präsentiert worden waren. Gerade auch die französischen Kon-fiskationen im rheinland und vor allem in italien ab 1794/1796, die zu intensiven diskussionen über die Wichtigkeit der ur-sprünglichen entstehungskontexte von Kunstwerken geführt hatten, spielten hierfür eine wichtige rolle.101 so hatte alexandre lenoir, Gründer und erster leiter des Musée des Monuments français in Paris, ab 1795 die Kunstobjekte nach ihrer entste-hungszeit geordnet und jedem Jahrhundert einen raum ge-widmet. diese »Jahrhundert-räume« gestaltete er gemäß dem

charakter ihrer jeweiligen Zeit. so erhielt die Kunst des 13. Jahr-hunderts spitzbogige Gewölbe und durchgänge, Glasmalerei an den fenstern und totenleuchten als gedämpfte lichtquel-len. anders als Quandt ging es lenoir freilich nicht um eine aufwertung mittelalterlicher Kunst, vielmehr diente die düster anmutende Präsentation einer entwicklungsgeschichte, wel-che die errungenschaften der nachfolgenden Kunstepowel-chen in umso hellerem licht darstellen sollte.102 ob Quandt vor der schließung des Museums 1816 in Paris war, ist nicht bekannt.

dennoch waren ihm beispiele kontextualisierender Präsenta-tionen mittelalterlicher Kunstwerke wie in der löwenburg in Kassel oder im Gotischen haus in Wörlitz sicherlich bekannt.

Zudem errichtete er selber in seinem Wohnhaus anfang der 1820er Jahre einen neugotisch inszenierten Mittelalterraum für skulpturen und Glasmalereien des 15. und 16. Jahrhunderts.103

Quandts inszenierung im historischen Museum dresden diente ihm, im Gegensatz zu lenoir in Paris, eben gerade dazu, ein leuchtendes Mittelalter zu zeigen, auf welches niedergang und erneuter aufstieg folgte. Quandt wertete mit szenographi-schen techniken die spätmittelalterlichen Gegenstände der Kunst und des Kunsthandwerks auf und ging mit dieser Präsen-tation in einem öffentlichen Museum dieser Größe neue Wege.

die auf die ausstellungsgegenstände rücksicht nehmende in-nenraumgestaltung, wie sie dann in den nationalmuseen im-mer häufiger gepflegt wurde, breitete sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts rasant aus. die architektonisch anmutenden Waffenornamente übernahmen dabei in gewisser hinsicht jene authentizität vermittelnde rolle, welche später auch den eklek-tischen Kombinationen originaler architekturteile mit historis-tischen nachbauten in den Period Rooms der nationalmuseen zugewiesen wurde.104

die gotische formensprache der Waffenornamente zeugte zudem von einem patriotischen und quasi-religiösen Mittelal-terideal mit nachwirkungen bis in die Gegenwart.105 sie waren visuelles Zeichen für die verschränkung von historizität und ästhetizismus. Quandt wollte Geschichte über das geistige erlebnis hinaus sichtbar machen  – eine sichtbarkeit von Ge-schichte, die durch ihren volksbildenden charakter schließlich auch im alltag, in der Gesellschaft und in der nation, wie sie sich im sachsen der 1830er Jahre auszubilden begann, evident

97 Friesen 1880, S. 321.

98 Quandt 1834 (1), S. XIV.

99 Förster 1847, S. 236. Siehe auch Quandt 1834 (1), S. 96: »[…] zu beiden Seiten desselben [Harnisches] sind zwei Heroldstäbe angebracht als Verkündiger des Ritterthums, welches unsere Phantasie in der eiser-nen Schaar, die sich den Saal entlang aufstellt, in vormaliger Kraft, Kühnheit und Herrlichkeit erblickt.« S. a. Kügelgen 1959, S. 126: »Gleich unten auf dem dunkeln Hausflur standen vor dem Treppeneingang als Schildwachen zwei schwer geharnischte Figuren, die einen schon im voraus in die erforderliche Stimmung brachten.«

100 Quandt 1834 (1), S. 95–96.

101 Savoy 2011, S. 216–226.

102 Brückle 2015 S. 19–23; Thome 2015, S. 77–80.

103 Wörlitz, Kassel und weitere frühe Beispiele diskutiert bei Brückle 2015, S. 151–168. Zu Quandts Mittelalterraum siehe oben Kap. Vorbildliche Maler. Die Alten Meister in der Sammlung.

104 Thome 2015, S. 82–86; Brückle 2015, S. 23–24, 168–169.

105 Quandt 1834 (1), S. IX–X. S. a. Waidacher 1993, S. 212–220, 231–239.

VAT E R L Ä N D I S C H E G E S C H I C H T E S I C H T B A R M A C H E N 185 würde. Mit seinem Geschichtsbild, das er im historischen

Mu-seum entworfen hatte, verfolgte er letztlich weniger ein streng historisch-wissenschaftliches, sondern ein pädagogisches Ziel.

sein Publikum war breit gefächert und sein ausstellungsführer ein cicerone, der »nicht eher spricht, als man ihn befragt, und folglich den beschauer in seinen eigenen betrachtungen nicht stört.«106 das präsentierte objekt stand weniger im Mittelpunkt als dessen historischer Kontext und vertrat typologisch gewisse tugenden und Gesellschaftsbilder. die Präsentation hatte be-wusst den besucher vor augen und wollte ihn zu erkennt nissen führen. Geschichtswissenschaftler wurden auf Quellen und weiterführende literatur verwiesen. Quandts einrichtung des historischen Museums hatte damit ein publikumsorientiertes vermittlungsziel, das ganz im sinn der ästhetischen bildung sei-ner Zeit bestand und bis heute in den anliegen der Museums-pädagogik – heute diskret meist »bildung und vermittlung« ge-nannt – nachhallt.107

dass aus Quandts ausstellung und seinen Andeutungen ein wissenschaftliches Problem folgte, formulierte bereits 1859 der hofbibliothekar Gustav Klemm: »die aufstellung dieser Ge-genstände fand in den Jahren 1834 ff. statt und war von dem damaligen standpunkt der Wissenschaft aus betrachtet, durch-aus nicht unzweckmäßig zu nennen. […]. die alterthümer des europäischen Mittelalters waren nur sehr fragmentarisch

bear-beitet worden und den verdienten Männern, welchen die neue ausstellung jener sammlung übergeben wurde, standen jene reichen hülfsmittel noch nicht zu Gebote, welche seitdem die culturgeschichte hervorgerufen hat. Gegenwärtig aber, wo die culturgeschichte zur culturwissenschaft sich auszubilden be-gonnen hat, wo reiche hülfsmittel vorhanden sind, ist es wohl an der Zeit den außerordentlichen wissenschaftlichen schatz, den das Königl. Museum darbietet, in eine den ernsten Kenner mehr befriedigende form zu bringen.«108

dennoch hatte Quandt durch die ästhetische Präsentation einer historischen entwicklung der Kultur in sachsen eine mu-seale »visualisierungsmaschine« erschaffen, wie dies die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden nationalmuseen wer-den sollten. er hatte mit seinen Mitarbeitern eine Präsentation entwickelt, welche die Kunstgegenstände nicht nur durch die

dennoch hatte Quandt durch die ästhetische Präsentation einer historischen entwicklung der Kultur in sachsen eine mu-seale »visualisierungsmaschine« erschaffen, wie dies die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden nationalmuseen wer-den sollten. er hatte mit seinen Mitarbeitern eine Präsentation entwickelt, welche die Kunstgegenstände nicht nur durch die

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