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Künstlerförderung an der Großen Klostergasse in Dresden

Im Dokument Johann Gottlob von Quandt (Seite 49-53)

Mit der rückkehr aus rom im sommer 1820 fand die förde-rung zeitgenössischer Künstler in dresden ihre fortsetzung.121 Quandt hatte in der Zeit seiner abwesenheit zwei häuser an der neustädter Großen Klostergasse gekauft und bis 1824 groß-zügig umbauen lassen.122 das dresdener heim wurde zum treff-punkt der Kunstschaffenden. adrian ludwig richter erinnerte sich: »den bedeutendsten einfluß auf Kunst und Künstler übte zu jener Zeit in dresden der baron von Quandt. […] sein ange-nehm gelegenes haus mit der vorzüglichen Gemäldesammlung neuerer deutscher und mehrerer alter Meister bildete öfters den sammelplatz von Künstlern und Kunstfreunden. […] Zu allen Zeiten haben Männer, welche, durch vermögen begüns-tigt, eine unabhängige stellung einnahmen und mit lebhaftem Geist, verständnis und warmer Überzeugung eine bestimmte

richtung verfolgten, wohltätig fördernd auf die verwandten elemente eingewirkt, indem sie für das Zerstreute einen sam-melpunkt bildeten, von dem aus das leben sich erhöhte und in weitere Kreise verbreitete. so war es hier bei Quandt.«123 richter schrieb einigen landschaftsgemälden in Quandts sammlung eine wichtige rolle für seine künstlerische entwicklung zu. so schrieb der junge Künstler im Jahr 1822, die landschaften von carl Wilhelm Götzloff, adam Klein und franz catel, insbeson-dere aber die in rom angekaufte südliche landschaft Johann Martin von rohdens hätten ihn für den umgang mit den eigen-heiten der natur im Gemälde sensibilisiert (vgl. abb. 64).124 er empfand deren unakademische Kunst als »höchst liebevolles anschließen an die natur, geadelt durch ein gewisses stilgefühl, welches sie den ältesten Meistern abgelernt hatten«. Genau dies war Quandts anliegen, als er seine sammlung einrichtete.125

nachfolgend werden zwei besonders begünstigte land-schaftsmaler beispielhaft herausgegriffen.126 richter war wohl derjenige Künstler, der Quandts kontinuierlichste unterstüt-zung erfuhr. dies begann mit einer rezension der dresdener akademieausstellung im herbst 1824, fand eine fortsetzung in verschiedenen ankaufsempfehlungen, als Quandt Präsident des Komitees des sächsischen Kunstvereins war und schlug sich noch 1848 in einem rühmenden bericht nieder.127 Zudem kaufte ihm der dresdener Mäzen vier landschaften ab. drei dieser Gemälde – die Abendandacht (abb. 23) sowie die beiden Pendants Ariccia (Der Morgen) und Civitella (Der Abend) (vgl.

abb. 56–57) – werden im rahmen ihrer prominenten Präsenta-tion in Quandts sammlung noch ausführlicher diskutiert. der vierte ankauf war die Überfahrt über die Elbe am Schrecken-stein (vgl. abb. 10). nachdem carl friedrich von rumohr rich-ter kritisiert hatte, das italienische liege ihm nicht, wurde dem Künstler die Zuwendung zur deutschen landschaftsdarstel-lung allgemein attestiert.128 Quandt bezeichnete richters fähig-keiten als »mehr auf die hohen, nordischen Gebirgsländer von seiner natur hingewiesen […] als auf südliche, heiter und

groß-120 Seidler 2003, S. 291. Ähnlich Schnorr 1886, S. 180: »So zieht denn auf einmal fort, was in dem letzten halben Jahre mächtig helfend in die Speichen des Kunstrades eingegriffen hat.« S. a. Schlegel 1980, S. 243–

244; Pecht 1877, S. 62–63.

121 Die Reiseroute verlief via Florenz, Mailand, Genf, Bern, Zürich, Basel, Straßburg, Paris und einer Zwischenstation bei Goethe in Weimar.

Siehe die Briefe von Quandt an Veit Schnorr vom 9.7.1820 und an Julius Schnorr vom 25.9.1820, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 8, Bd. 2, fol. 196v und Inv. 15, Bd. 31, fol. 40r. S. a. Kat. Dresden 2017, S. 21.

122 Zum Hausbau und den zugehörigen Projekten siehe weiter unten.

123 Richter 1909, S. 325. S. a. Pecht 1877, S. 63; Böttiger 1822, S. 61.

124 Beim von Richter erwähnten Bild Götzloffs muss es sich um den Uttewalder Grund handeln, eines von sehr wenigen Gemälden einer sächsischen Landschaft dieses Künstlers in der Tradition Caspar Da-vid Friedrichs, jedoch ohne inhaltliche Überhöhung. Götzloff weilte ab 1821 in Rom und malte danach nur noch italienische Veduten. Von diesen besaß Quandt keine; Kat. Lübeck/Koblenz 2014, S. 9–13. Zu

den Werken der hier erwähnten Künstler in Quandts Sammlung siehe Rüfenacht 2018, SQ-64, SQ-80 (Catel), SQ-81, SQ-86, SQ-90 (Klein), SQ-138 (Götzloff).

125 Zur Rolle der Alten Meister in Quandts Sammlung siehe unten. Rich-ter 1909, S. 111. S. a. Neidhardt 1976, S. 248; Bemmann 1925, S. 21f.

126 Weitere Ankäufe werden in nachfolgenden Kapiteln diskutiert. Für einen Überblick über die Neuen Meister in seiner Sammlung siehe Rüfenacht 2018, S. 6–45.

127 Quandt 1824, S. 366. Richter im Tagebuch zum 3.12.1824: »Mein Bild war darin [im Kunstblatt – AR] gewaltig gelobt, und so wenig ich auch von allen Rezensionen halte, so that es mir doch sehr wohl, und die Eitel-keit regte sich gewaltig.« Zitiert nach: Kat. Dresden/München 2003, S. 126, 166, 170. Quandts Empfehlungen fanden nicht immer Anklang, so dass zum Leidwesen Richters mehrere Bilder abgelehnt wurden; Rich-ter 1909, S. 348–349; Quandt 1848, S. 239–240. S. a. Spitzer 2007, S. 6–7.

128 Kat. Dresden/München 2003, Kat. Nr. 26, S. 200–206. Zu Rumohrs Kritik ebd., S. 110, 179.

N E U E D E U T S C H E M A L E R E I : F Ö R D E R N D U R C H A N K Ä U F E 50

24 Ernst Ferdinand Oehme, Ave Maria. Abend in den Tiroler Alpen, 1827, Öl auf Leinwand, 114 × 170 cm, Berlin, SMB, Alte Nationalgalerie, Inv.-Nr. A III 494

23 Adrian Ludwig Richter, Abendandacht (Abendläuten), 1842, Öl auf Leinwand, 70 × 105 cm, Leipzig, Museum der bildenden Künste, Inv.-Nr. G 201

K Ü N S T L E R F Ö R D E R U N G A N D E R G R O S S E N K LO S T E R G A S S E I N D R E S D E N 51 artig sich ausbreitende Gegenden.«129 die Überfahrt erwuchs

zur ikone der deutschen spätromantik.130 Zusammen mit der Abendandacht erfuhr sie vor allem wegen ihrer stimmigen darstellung der natur und dem fokus auf die figuren beson-dere anerkennung.131 in dem Motiv des abendlichen Gebets am knorrigen baum sei, so Quandt, »alles Gottesdienst, sowohl das naturleben in bäumen, Gräsern u sonnenlicht, als auch in den betenden u dem Kinderspiele. leis pulsirendes, athmendes le-ben durchdringt das Ganze u eine ruhe u seligkeit haucht mich wie eine kühlende abendluft nach heißem tage aus diesem bilde an. es ist dies bild ein recht eigentlicher feierabend.«132

für richters freund ernst ferdinand oehme setzte sich Quandt mit dem Kauf von fünf Gemälden ein. Wie richter be-herrschte oehme in seiner Malerei die nördliche landschaft besser als die südliche. seine vorlagen zum bergbild Ave Maria.

Abend in den Tiroler Alpen von 1827 (abb. 24) waren auf gutem Weg und Quandt bemerkte: »oehme schien große lust z[u]

haben, dies bild in oel zu malen, u ich habe ihm Gelegenheit dazu gegeben, in dem ich ihm das bild im Großen auszuführen auftrug.« schließlich lobte der Mäzen das vollendete Gemälde:

»hoch über den Wäldern u Gebirgen leuchten die Gipfel der eishöhen im Glanz der sonne, welche schon für die thalbewoh-ner verschwunden ist. in der that spricht sich ein heiliger ernst in diesem bilde aus, eine Gebetsstimmung, weshalb es mit recht ein ave Maria heißen kann.«133 in weiteren artikeln äußerte er sich positiv zu seinen landschaften und schätzte an ihnen ihre

»beseelte[n] anschauungen der natur«.134 Mit dem Gemälde Dittersbacher Grund, das oehme auf Quandts rittergut gemalt hatte, entstand zudem ein bild, das im hängungssystem des sammlers mit einer landschaft des niederländischen Meisters des 17. Jahrhunderts Jacob van ruisdael ein erstaun liches Ge-genüber erhielt. dieses Pendant wird in einem nachfolgenden Kapitel ausführlich kontextualisiert (vgl. abb. 62–63).

Quandts Methode, Künstler durch ankäufe zu unterstützen, war vor allem in den 1820er und 1830er Jahren wichtig. seine interessen und seine teilnahme am internationalen, deutschen und lokalen Kunstleben ermöglichten ihm in diesen Jahren eine umfassende Künstlerförderung, deren weitere ausprägungen in

den nachfolgenden Kapiteln noch ausführlich thematisiert wer-den. bernhard Maaz konnte in seiner akribischen analyse von Quandts aufträgen und ankäufen feststellen, dass sein Wir-kungskreis in diesen Jahren wesentlich weiter gefasst war als in seinen letzten beiden lebensjahrzehnten. in den 1840er Jahren wich die breite ankaufspolitik aufträgen an freunde: so ist ad-rian ludwig richter wohl eher aus diesem Grund und weniger wegen seiner spätromantischen Malerei unterstützt worden, denn andere spätromantiker nahm der Mäzen, soweit es in den Quellen ersichtlich wird, kaum mehr wahr.135 Zugleich war er sich auch selber bewusst, dass er je länger je weniger einfluss auf das Kunstleben nehmen konnte. am beispiel richters zeigt sich eine enttäuschung über die anerkennung seiner gezielten förde-rung von Künstlern durch rezensionen und ankäufe: »[…] sehr wohl fühle ich, daß […] das, was ich über richter gesagt habe, ein nichts sey. […] da aber unser Künstler weder zu einer Gegensei-tigenruhmversicherungsgesellschaft noch tadelhagelentschä-digungsassekuranzanstalt gehört, so ist er nicht nach verdienst bekannt genug. daß ich ihn nicht zum berühmten Manne stem-peln konnte, versteht sich von selbst, da, was ich auch über ihn […] sagte, leute von Kunstkennermetier gewiß nicht beachtet haben.«136 Wenn richter als romantischer landschaftsmaler bis heute hinlänglich bekannt ist, zeigen sich doch hier gewisse Zweifel über seine eigene anerkennung. tatsächlich kümmerte er sich im fortgeschrittenen alter immer weniger um die künst-lerischen tagesaktualitäten. so fragte er 1855 bei richter nach, wie es um die jungen Künstler stehe: »da mir nun aber die jün-geren Künstler sonst sämmtlich aus den augen gekommen sind, so ersuche ich sie mir mitzutheilen welche schüler sich vorzüg-lich ausgezeichnet. daß mir die jüngeren Künstler sämmtvorzüg-lich unbekannt geblieben sind, beweist daß ich veraltet bin, denn junge Männer schließen sich nicht leicht an Greise an.«137 sein lebensziel, die Kunst und die Künstler durch ankäufe und tat-kräftige unterstützung zu fördern und dadurch selber teil einer großen gesellschaftlichen entwicklung zu sein, war damit gegen ende seines lebens etwas undeutlich geworden. dennoch hat die Politik seiner ankäufe gezeigt, dass Quandt in den meisten fällen nach einem übergeordneten Kunstideal strebte.

129 Quandt 1824, S. 366.

130 Die Einbindung markanter Figuren, die mit dem Historiengemälde vergleichbar sind, spielen in der Rezeption des Werks eine wichtige Rolle; Rüfenacht 2018, SQ-78. Kat. Dresden/München 2003, S. 28–29.

S. a. Spitzer 2007, S. 42; Hans Joachim Neidhardt, »Bildhauerkunst und Malerei«, in: Gross et al. 2005/06, S. 705–711.

131 Kat. Dresden/München 2003, S. 18, 26–31. Zur Abendandacht siehe ebd., Kat. Nr. 32, S. 225–228; Rüfenacht 2018, SQ-65. Zu den Entwick-lungsschritten Richters in Italien s. a. Neidhardt 1976, S. 273.

132 Brief an Georg Schöler vom 29.11.1845, in: München, Bayerische Staats-bibliothek, Autograph Quandt, Johann Gottlob von. S. a. Grossmann 1925–1928, S. 140; Bemmann 1925, S. 22f. Eine weitere Beschreibung in Quandt 1848, S. 240.

133 Beide Zitate im Brief an Schnorr vom 5.12.1825, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 125v. Rüfenacht 2018, SQ-50.

134 Brief von Schnorr an Quandt vom 22.7.1825, in: Schnorr 1886, S. 490;

Quandt über das Alpenglühen im Brief an Schnorr vom 5.12.1825, in:

SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 125v. S. a. Kat. Dresden/Lübeck 1997, S. 14–15, 19–20, 212–213.

135 Maaz 1986, S. 18–65, hier S. 59.

136 Quandt 1848, S. 239.

137 Brief von Quandt an Adrian Ludwig Richter vom 24.2.1855, in: Mün-chen, Bayerische Staatsbibliothek, Autograph Quandt, Johann Gottlob von.

25 Lucas Cranach der Ältere, Die heilige Dreifaltigkeit, um 1515, Öl auf Holz, 142,5 × 102 cm, Leipzig, Museum der bildenden Künste, Inv.-Nr. G 248

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