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Ausgleich der nördlichen und südlichen Kunstschulen

Im Dokument Johann Gottlob von Quandt (Seite 152-158)

Mit den im folgenden ausführlich zu beschreibenden, leider verschollenen Gegenstücken Landschaft mit einem Einsiedler von Johann Martin von rohden und Die zertrümmerte Hoff-nung von caspar david friedrich lassen sich die geschilderten aspekte von Pendantbildungen nochmals erweitern. neuer-lich kommt die frage nördneuer-licher und südneuer-licher Kunst hinzu.

Gleichzeitig kann anhand dieses Pendants die über mehrere Jahre andauernde Konsolidierung von Quandts Kunstver-ständnis aufgezeigt werden. die Präsentation der beiden bil-der im erweiterten sammlungskontext gipfelt in bil-der Manifes-tation eines zentralen aspektes der Quandt’schen ästhetik.

damit ist, wie nun aufzuzeigen sein wird, die Gegenüberstel-lung dieser beiden bilder für seine sammGegenüberstel-lung und sein denken symptomatisch.71

die nur noch in einer radierung überlieferte, italienische landschaft mit einem einsiedler von Johann Martin von roh-den bestellte Quandt 1820 ursprünglich als einzelbild (abb. 64).

es sollte die »Pracht des südens« darstellen.72 eine gegenüber Gemälde und radierung leicht variierte sepiazeichnung ist im frankfurter städel Museum erhalten. vorbereitende figuren-zeichnungen stammen von Joseph anton Koch.73 der sammler fand rühmende Worte: »an rohdens landschaft glaube ich ei-nen vorzüglichen schatz zu besitzen […]. Jede einzelnheit ist im

Geist des Ganzen gedacht u dargestellt […]. die composition ist sehr geistreich u alle theile reihen sich organisch an einander.

der strom der durch den Mittelgrund fließt, erklärt die ganze anordnung der landschaft […]. der Geognost o[der] der bota-nicker wird durch dies bild beschäfftigt u der Kunstfreund er-freut.«74 das Gemälde erfuhr vielfache, ausgesprochen positive rezensionen.75

1820 gab Quandt bei friedrich eine nordische landschaft als Gegenstück zu der in seinen augen so geistreichen, südli-chen in auftrag. im Katalog von 1824 ist sie als »Polar-Gegend«

betitelt, im auktionskatalog mit »die zertrümmerte hoffnung«

bezeichnet.76 das verlorene bild kann, wenn auch nicht in der Komposition, so doch in der bildidee mit der hamburger fas-sung Das Eismeer (Die gescheiterte Hoffnung) von 1823–24 verglichen werden, dessen Provenienz bis in die 1960er Jahre fälschlicherweise in die sammlung des dresdener Kunstfreun-des führte (abb. 65): »der landschafter friedrich malt für mich ein großes bild, welches ein Gegenstück zu rohdens landschaft werden soll. in rohdens bild ist alles vereint, was eine südliche natur freundliches darbietet u in friedrichs, was der norden ungeheures, und erhabenes zeigt. schroffe felsen, oben mit schnee bedeckt, an welchen kein armes Gräschen nahrung fin-det, schließen einen Meerbusen ein, in welchem stürme schiffe verschlagen u durch ungeheure eisschollen zerdrückt haben.

dieses graue Gemisch von schiffstrümmern, treibholz u eis-massen macht eine wunderbare u große Wirkung.«77

scheint auf Oehmes Landschaft neben Ruysdaels Gemälde übertrag-bar zu sein: »[…] die Aufgabe des Landschafters scheint mir gerade die zu seyn, in seinem Bilde recht bewusst den Austausch des Ge-fühls wiederzugeben, welcher zwischen dem, der eine Gegend sieht und den Naturgegenständen, statt findet. Jede Gegend hat einen bestimmten Charakter, dieser versetzt uns in einen eignen Gemüths-zustand und wir tragen diesen wieder auf die Gegenstände über und erblicken in diesen, gleichsam uns selbst in der Natur spiegelnd, was wir fühlen.« Brief von Quandt an Goethe vom 8.12.1831, in: Schmitz/

Strobel 2001, S. 150. S. a. Quandt 1830 (1), S. 56–57. Traugott Faber mal-te die Aquarelle, die in Quandts Augen viel zu vedumal-tenhaft waren und eben gerade nicht das subjektive Gefühl der Landschaftsbetrachtung wiederzugeben verstanden. Immerhin gaben sie die örtlichen Bedin-gungen genau wieder. Doch des Übels nicht genug meinte er ironisch, dem Künstler noch einen »Injurienproceß« anhängen zu können, weil er die Reiterfigur, »unter dieser traurigen Gestalt, [er] meine Person gedacht«, so abscheulich ausgeführt hatte; siehe Quandt an Goethe am 11.12.1831, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 151. S. a. Fernow 1806, S. 26–27.

71 Rüfenacht 2018, SQ-6 (Friedrich), SQ-69 (Rohden). S. a. Rüfenacht 2017, S. 163–171.

72 Quandt 1820 (1), S. 100, 263–264; Kat. Quandt 1868, Nr. 67. S. a. Pinnau 1965, Kat. Nr. VG 46, S. 142–144. Der Ankauf verlief nicht ohne Proble-me: »Da Herr v. Rohden meint, daß sein für mich gefertigtes Gemälde mehr werth ist, als durch Contract zwischen uns bestimmt worden war u ein Käufer zu dem Bilde sich gefunden hat, von welchem sich Hr. v. Rohden mehr Vortheil verspricht, so entlaße ich Hr. v. Rohden seiner Verbindlichkeit gegen mich mir ein Gemälde zu liefern u gebe ihm hier mit seinen Contract zurück. Herr v. Rohden hat 220 Scudi

von mir auf dies Gemälde voraus erhalten, worüber ich die Quittung ebenfalls hier beylege, welche ich ihn jedoch nur gegen Empfang der 220 Scudi zurück zugeben bitte.« Brief von Quandt an Schnorr vom 25.4.1822, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 85r. S. a. Kat.

Kassel/Wuppertal 2000, S. 24–25. Overbeck, Catel und Rauch setzten sich schriftlich für Rohden ein, so dass Quandt die Sistierung aufhob.

Rohdens Entschuldigungsbrief an Quandt vom 10.12.1822, in: ebd.

Bd. 32, fol. 29r–v: »[…] Möchte doch selbes [Gemälde] Ew. H[och]

w[ohl]g[eboren]. einiges Vergnügen gewähren, und ein Mitler seÿn die Unannehmlichkeiten welche ich Ew. Hwg. durch mein irriges Betragen verursachet habe doch einigermaßen wieder gut machen.«

73 Johann Martin von Rohden, Studie (Landschaft mit Einsiedler und Pilger), 1818, Sepia über Graphit, 193 × 265 mm, Frankfurt a/M, Städel Museum, Inv. 6823; Pinnau 1965, Z 125. Zu den vorbereitenden Zeich-nungen siehe Capitelli 2016, S. 46–47. Die Autorin veröffentlichte zudem Zeichnungen von Julius Schnorr und Philipp Veit nach Staffa-gefiguren in Rohdens Gemälde; ebd., S. 48–53.

74 Brief an Schnorr vom 30.5.1823, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 96v. S. a. Anonym 1825, Sp. 782. Rohdens Gemälde sind gemäß Quandt die »Muster für alle Landschaftsmaler«; Quandt 1824, S. 366.

75 Beispielsweise KB 1822, Jg. 3, Nr. 63, S. 243: »Die Aufgabe war nicht geringe. Hr. Rohden hat sie auf eine Art gelöst, welche […] höchst ehrenvoll erscheint.«

76 Kat. Quandt 1824, S. 4; Kat. Quandt 1868, S. 18, Nr. 64.

77 Brief an Schnorr vom 4.3.1822, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 82r. Zur Abgrenzung von Quandts Version vom etwas späteren Eismeer siehe Börsch-Supan/Jähnig 1973, Kat. Nrn. 295, 311, S. 376–377, 386–387, basierend auf Stechow 1965, S. 241–246. S. a. Kat. Oslo/Dres-den 2014, S. 94.

A U S G L E I C H D E R N Ö R D L I C H E N U N D S Ü D L I C H E N K U N S T S C H U L E N 153 64 Johann Gottfried Abraham Frenzel nach Johann Martin von Rohden, Landschaft mit einem Einsiedler, 1827, Radierung, 19 × 22,5 cm, Nürnberg, Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Inv.-Nr. St. N. 10607

65 Caspar David Friedrich, Das Eismeer (Die gescheiterte Hoffnung), 1823/24, Öl auf Leinwand, 96,7 × 126,9 cm, Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. HK 1051

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friedrich erfüllte Quandts auftrag einer nordischen land-schaft gemäß seiner künstlerischen auffassung.78 Quandt at-testierte ihm diese selbstständigkeit. sie führe ihn zu einem persönlichen stil. dennoch empfand er friedrichs Kolorit in der nordischen landschaft als ein »graues Gemisch«, was sei-ner eigenen vorstellung des erhabenen in der Malerei entge-genstand. 1830 schrieb er nämlich: »erhabene Gegenstände fordern in der Malerei kräftige farben, welche zwar nicht dis-harmonieren, aber große Gegensätze bilden müssen.«79 Jo-hannes Grave hat darauf hingewiesen, dass Quandt in seiner beschreibung der akademieausstellung in dresden von 1824

zudem nicht eine Gebirgslandschaft friedrichs als beispiel des erhabenen und diese überhaupt nur sehr knapp beschrieb, son-dern eine darstellung des Watzmanns des um Jahre jüngeren Künstlerkollegen adrian ludwig richter. Jene verband er mit dem »Gefühl des erhabenen […], welches der anblick im reins-ten sonnenlicht strahlender Gletscher, ungestümer bäche und ernster Waldungen, welche als landwehr den bergstürzen und lavinen sich entgegenstellen, einflößt.«80 friedrich reagierte darauf mit einem eigenen Watzmann, der als absage an die äs-thetik des erhabenen gelten kann (abb. 66–67).81

der Maler schien mit seiner nordischen landschaft nicht auf den Wunsch Quandts eingehen zu wollen, einen Gegen-satz zum schönen im sinne des erhabenen zu erschaffen. um 1829/33 schrieb er im Manuskript Äußerungen bei Betrach-tung einer Sammlung von Gemählden zu einer ausstellung, wohl an der Kunstakademie: »sich in Widersprüche ausspre-chen wollen ist eine gewöhnliche sache bei Mahlern, sie nen-nen es contrast. – Krum gegen gerade, kalt gegen warm, hell gegen dunkel, das sind die sauberen Krüken, an den sich die erbärmlichkeit forthümpelt (sic!).«82 ein solch langweiliger,

78 Büsing 2011, S. 232; Busch 2003, S. 147; Grave 2001, S. 96–97. Busch und Grave, und mit ihnen Büsing, verweisen auf eine ironische Ebene, die dem alten Titel Ein gescheitertes Schiff auf Grönlands Küste im Wonne-Mond, der auf einer Vorzeichnung stand, inne liege. Man sehe ja keinen Mond. Quandt hat das vielleicht wirklich nicht verstanden:

siehe -t. [Quandt] 1822, S. 372.

79 Quandt 1830 (1), S. 332. S. a. -t. [Quandt] 1822, S. 372: »Man sagt, Hr.

Friedrich habe die Grenze dieser Eigenthümlichkeit in jenem Gemälde überschritten […]. Möglich, daß die allgemeine Stimme in diesem ein-zelnen Falle recht hat; gut aber ist es, daß sich Hr. Friedrich in seinem eingeschlagenen Pfade nicht irren läßt und, wenn auch vielleicht noch in Manier befangen, doch nach einem und zwar nach seinem Style strebt.«

80 Grave 2012, S. 196. Kritik von Richters Bild in Quandt 1824, S. 366. Zu Friedrichs Bergbild schrieb er nur, immerhin im Superlativ: »Unter den Landschaften verdient vor allem Friedrichs großes Bild einer Gebirgs-gegend rühmlichste Erwähnung.« Es handelt sich um Hochgebirge, 1824, Lwd. 132 × 167 cm, ehemals Berlin, Nationalgalerie, zerstört 1945, Abb. in Grave 2012, S. 195.

81 Grave 2012, S. 187–199. Zeitgleich malte auch Dahl einen Watzmann;

Kat. Oslo/Dresden 2014, S. 136, 140–141.

82 Friedrich 1999 [1829/33], S. 37. S. a. Büsing 2011, S. 231–232; Grave 2001, S. 97; Friedrich 1974, S. 93.

67 Caspar David Friedrich, Der Watzmann, 1824/1825, Öl auf Leinwand, 135 × 170 cm, Berlin, SMB, Alte Nationalgalerie, Inv.-Nr. F.V. 317, Leihgabe der DekaBank

66 Adrian Ludwig Richter, Der Watzmann, 1824, Öl auf Leinwand, 121 × 93,5 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek, Inv.-Nr. 8983

A U S G L E I C H D E R N Ö R D L I C H E N U N D S Ü D L I C H E N K U N S T S C H U L E N 155 mittelmäßig- ästhetischer anspruch missfiel dem eigensinnigen

Künstler. friedrichs schrift wurde pikanterweise von Quandt als vorstand des sächsischen Kunstvereins in auftrag gege-ben.83 der satz scheint daher, nur wenige Zeit nach der vollen-dung der nordischen landschaft, eine unterschwellige boshaf-tigkeit auf seinen wegen des doppelten beinbruchs am stock gehenden auftraggeber zu sein.

die äußerungen bei betrachtung einer sammlung von Ge-mählden verdeutlichen die haltung des Künstlers gegenüber Quandt. in künstlerischen fragen stimmte er überhaupt nicht mit seinem Mäzen überein. im Manuskript strich er das Kürzel

»h. v. Q« in einer Passage, in der er sich über die vorschriften der Kunstkenner gegenüber den Malern aufhielt, um es durch ein X zu ersetzen. es muss auf »herrn von Quandt« bezogen werden. friedrich kritisierte: »Wer unbesonnen genug von ei-ner naturerscheinung behauptet, sie sei der bildenden Kunst unwürdig, verdient wohl keiner beachtung […]. Wohl jede er-scheinung in der natur richtig und würdig und sinnig aufgefaßt kann ein Gegenstand der Kunst werden. […] darum verramle man den leuten nicht den Weg wie der X [h. v. Q.] es will.«84 friedrichs opposition zog sich noch weiter: »Willst du wissen was schönheit sey? befrage die herren aesthetiker; beim thee-tisch kann es dir nützen. vor der staffelei aber mußt du es füh-len was schön ist.« das originalmanuskript enthält hier den Zusatz »noch nicht an Q«. damit ist wieder Quandt gemeint.85

friedrichs wenig diplomatische aussagen, die zwar nicht publiziert wurden und die Quandt nicht gesehen hat, erstaunen angesichts dreier aufträge des sammlers.86 Zeit seines lebens war Quandt dem Maler gegenüber positiv eingestellt und dieser schien sich der abhängigkeiten zwischen Künstler und auftrag-geber durchaus bewusst. Jedenfalls bedankte er sich 1835 artig für zehn flaschen Wein, die ihm Quandt für einen unbekann-ten auftrag zugesandt hatte.87 Mit seinem harten urteil wurde friedrich Quandts theoretischem anspruch nicht gerecht. in seinen schriften hatte der Kunstfreund geäußert, dass keine

re-geln den Künstler zur ausführung bestimmter ideen zwingen können.88 in seiner sammlung aber konnte er als besitzer und betrachter der Gemälde seine ästhetischen Gedanken assozia-tionsreich darlegen.

die Präsentation von friedrichs bild und seinem Pendant, der südlichen landschaft von rohden, in den sammlungsräu-men an der Klostergasse weist eine gewisse Komplexität auf.

die beiden bilder markierten »die südliche natur in ihrer üp-pigen und majestätischen Pracht« und »die natur des nordens in der ganzen schönheit ihrer schrecken«.89 Johannes Grave so-wie Werner busch, und ihnen folgend leander büsing, haben vermutet, dass Quandt mit der Gegenüberstellung der beiden bilder die zwei ästhetischen Kategorien des schönen und er-habenen, die das Gemüt zu erregen befähigt seien, effektvoll in bezug zueinander gesetzt habe.90

es stellt sich die frage, ob Quandt die beiden Pendants überhaupt den ästhetischen Kategorien des erhabenen und schönen zuordnen wollte, als er sie anfangs der 1820er Jahre in auftrag gab. systematisch erarbeitete er sich diese begriffe erst in den Briefen aus Italien, die 1830 erschienen. Zudem ging der auftrag als einzelbestellung noch während seines aufenthaltes in italien 1819/20 an rohden, was das Konzept zweier Pendants vor dem hintergrund des schönen und erhabenen eigentlich ausschließt. noch 1824 befand sich friedrichs Gemälde nicht in der sammlung, wie die akribische sammlungsbeschreibung eines anonymen besuchers beweist.91 schließlich wurde der ästhetische charakter der Präsentation gemäß dem Katalog von 1824 durch zwei architekturdarstellungen von domenico Quaglio und einer Giovanni battista salvi genannt sassoferrato zugeschriebenen darstellung der heiligen familie gebrochen, die im Katalog zwischen den Gegenstücken beschrieben sind (abb. 68).92 Gerade diese Gemälde verweisen auf andere Ka-tegorien der Präsentation: einerseits die Gegenüberstellung unterschiedlicher Gattungen, andererseits eine bezugnahme nördlicher und südlicher Kunst aufeinander. damit eröffnet

83 Hoch 1981, S. 229–230, Anm. 12; Büsing 2011, S. 227; Weddigen 2008, S. 225; Busch 2003, S. 148; Grave 2001, S. 99–100.

84 Friedrich 1999 [1829/33], S. 127, Anm. 760. S. a. Kat. Oslo/Dresden 2014, S. 91–95; Neidhardt 2005 (1), S. 81; Busch 2003, S. 148; Grave 2001, S. 98–99; Hoch 1981, S. 229; Friedrich 1974, S. 130.

85 Siehe Friedrich 1999 [1829/33], S. 37, Anm. 175.

86 Kat. Quandt 1868, Nrn. 50, 64, 90. S. a. Börsch-Supan/Jähnig 1973, Kat.

Nrn. 268, 295, 416.

87 Brief von Friedrich an Quandt vom 16.10.1835, in: SLUB, Mscr. Dresd., App. 1191, Nr. 138.

88 Quandt 1830 (1), S. 167–169: »Wie viel vergebliche Versuche sind ge-macht worden, das empirisch Schöne auf Principe zurückzuführen, Regeln dafür zu finden! […] Alles, was sich in verständiger Weise thun läßt, ist ohngefähr, das Maas für die Erscheinungen anzugeben, über welche die Darstellungen der Erscheinungswelt nicht hinausgehen und unter welchem sie nicht zurückbleiben soll. […] Dahingegen, wie vielen Andern ist es gelungen, Werke zu schaffen, in welchen die

Seele zur Seele spricht […], in welchen der Geist sein Ebenbild und die Vernunftgemäsheit erkannte […]!«

89 Brief des Russen Wassili Andrejewitsch Schukowski vom 23.6.1821, zitiert nach Grave 2001, S. 85.

90 Grave 2012, S. 188–189; Büsing 2011, S. 231–232; Busch 2003, S. 147–148;

Grave 2001, S. 85–99.

91 Die sehr genaue Beschreibung von Quandts Sammlung eines anony-men Besuchers erwähnt nur Rohdens Gemälde und zwei Architektur-ansichten von Domenico Quaglio. Sie erschien 1825. Der Autor musste 1824 bei Quandt gewesen sein, weil Quandts erster Katalog Friedrichs Gemälde bereits enthält. Dass der Autor das Bild unerwähnt ließ, kann nicht sein, da er sonst alle anderen Friedrich-Bilder, die Quandt 1824 besaß, beschreibt. Siehe Anonym 1825, Sp. 781–782, 790, 813; Kat. Kas-sel/Wuppertal 2000, S. 24–25; Pinnau 1965, S. 142.

92 Kat. Quandt 1824, S. 4; Kat. Quandt 1868, Nrn. 42 (als Schule von Bolo-gna), 102, 105; Rüfenacht 2018, SQ-44 (Sassoferrato), SQ-104, SQ-107 (Quaglio).

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sich eine weitere ebene, die in den vorangegangenen Zitaten bereits angeklungen ist. der süden bietet freundlichkeit und schönheit, der norden erhabenheit und naturgewalt. die bei-den ästhetischen Kategorien nach burke, Kant und schiller mögen zwar mitschwingen, doch der nord-süd-unterschied scheint überhand zu nehmen. Wenige Jahre nach der fertig-stellung der beiden Gemälde schrieb Quandt in der Kupfer-stecherkunst von 1826 zum unterschied zwischen nördlicher und südlicher Kunst: »Wir sehen eine auffassung der Gegen-stände, der nach außen sich drängenden […] leidenschaften, in allem was die italiener hervorbrachten, wogegen die Werke der deutschen in seelenvoller ruhe erscheinen.«93 damit werden Konnotationen deutlich, die italien als irdischen ort der sinnli-chen leidenschaften und deutschland als geistig-religiöse Welt verstehen.94

Man kann das Gegenstück der südlichen landschaft roh-dens und friedrichs »charakterbild des norroh-dens« als Überwin-dung der italienischen und deutschen schulen und stile anse-hen.95 es sind zwei deutsche Künstler, welche das typische des südlichen und des nördlichen darzustellen vermögen. dabei geht es nicht um einen sieg der deutschen über die italiener, sondern um eine abkehr von national konnotierten stilen zu-gunsten der erreichung des stilungebundenen Kunstideals.

die deutsche Kunst erträgt somit in der hängung von 1824 den

vergleich mit der italienischen historie: der Heiligen Familie, angeblich von sassoferrato, deren Motiv und Komposition auf raffaels Madonna di Loreto, und somit auf den italienischen Künstler schlechthin, zurückgeht.96 es könnte sich bei dem hier abgebildeten, den dimensionen im auktionskatalog 1868 exakt entsprechenden Gemälde um dasjenige aus Quandts sammlung handeln. das bild wurde 2015 bei sotheby’s new York versteigert (abb. 69).97 Mit den architekturdarstellungen von gotischen Kirchen zeigt sich zudem eine in Quandts augen genuin deutsche Kunst (abb. 70): »die deutschen baumeister des 13. Jahrh. aber erkannten die schönheit der verhältnisse ei-nes baues, in welchem der spitzbogen rein durchgeführt und Grundgesetz aller formen ist. diese umgestaltung der bau-kunst, diese neue schöpfung, in der sich Gesetzmäßigkeit und freiheit, vernunft und Phantasie gegenseitig durchdringen, in der alle theile harmonisch aus einer Grundform sich entwi-ckeln, ist unbestreitbar das Werk der deutschen. Wer den ers-ten spitzbogen anwendete, um das schieben zu vermeiden, hat so wenig das spitzbogensystem der deutschen baukunst erfun-den, als der biber die baukunst.«98

die vorstellung einer vereinigung nördlicher und südli-cher errungenschaften in der Kunst entfaltete sich über diese Präsentation von Gemälden in seiner sammlung hinaus auch im römer auftrag an Julius schnorr von carolsfeld von 1819,

93 Quandt 1826 (1), S. 20. S. a. Busch 2003, S. 147; Grave 2001, S. 93; Raut-mann 1991, S. 48–49.

94 In der Landschaft Rohdens bewirtet dementsprechend der Einsiedler einen nordischen Pilger; Anonym 1825, Sp. 781. S. a. Locher 2001, S. 167;

Weddigen 2008, S. 221–222; Rautmann 1991, S. 66–75.

95 Brief an Unbekannt vom 15.5.1858, in: SLUB, Mscr. Dresd., App. 278, Nr. 163b.

96 Raffael, Madonna di Loreto (Madonna del Velo), 1509/10, Öl auf Holz, 120 × 90 cm, Musée Condé, Chantilly, Inv. PE 40.

97 LOT 92 in der Auktion »Master Paintings: Part I«, 29.1.2015, versteigert für 305.000 USD. Internetressource: https://www.sothebys.com/

fr/auctions/ecatalogue/lot.92.html/2015/master-paintings-part-i-n09302# [letzter Zugriff: 15.6.2018]. Quandt 1819, Bd. 1, S. 112–113; s. a.

Weddigen 2008, S. 222. Zur zeichnerischen Vorlage des Motivs siehe Giovanni Battista Salvi gen. Il Sassoferrato, Die Heilige Jungfrau deckt das Kind zu, o. J., Kreide auf Papier, 19 × 17,3 cm, Windsor Castle, Collec-tion of Her Majesty the Queen, Inv.-Nr. 6083; Blunt/Cooke 1960, S. 106.

Rüfenacht 2018, SQ-44.

98 Quandt 1846 (1), S. 82–83. S. a. den Brief von Quandt an Unbekannt vom 29.2.1848 mit Angaben zu seinen Quellen in dieser Thematik, in:

SLUB, Mscr. Dresd. App. 204, Nr. 98p. Bei den Kirchendarstellungen handelt es sich um eine Innenansicht der Frauenkirche in München und um das Freiburger Münster von Nordwesten. Rüfenacht 2018, SQ-104, SQ-107.

68 Rekonstruktion der Gemäldehängung im zweiten Zimmer von Quandts Sammlung (s. a. Abb. 64–65, 69–70), um 1824, nach Kat. Quandt 1824, S. 4 Domenico

Quaglio Das Innere der

Frauenkirche zu München

A U S G L E I C H D E R N Ö R D L I C H E N U N D S Ü D L I C H E N K U N S T S C H U L E N 157 seine Gemahlin clara bianca in öl zu malen. bernhard Maaz

vermochte dies für das hoch gelobte nazarener Porträt in der sammlung der alten nationalgalerie in berlin überzeugend aufzuzeigen (abb. 18). das bildnis lehnt sich an raffaels Port-rät der Dona Isabel de Requesens, früher Johanna von Aragonien, an und zeigt die dargestellte im renaissance-Kostüm (abb. 19).

der blick geht in eine südliche landschaft, in der die orangen-bäume wachsen. Gleichzeitig ist der Modus der Komposition altdeutsch motiviert. die romanische architektur erinnert an einen Kreuzgang, wie sie in der niederländischen Porträtmale-rei des 16. Jahrhunderts bekannt ist.99 Quandts anliegen einer vereinigung der Künste zeigt sich auch in einem auftrag an

Philipp veit. dieser sollte eine loreley nach dem vorbild der Johanna von aragonien von raffael malen. das nie vollendete Gemälde hätte ein typisch germanisches Motiv mit einer italie-nischen Komposition verbunden.100

Mit seinem die künstlerischen unterschiede ausgleichen-den Konzept stimmte Quandt mit vorstellungen überein, wie sie Wilhelm heinrich Wackenroder in seinen von ludwig tieck herausgegebenen und erweiterten Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders von 1797 literarisch oder overbeck in seinem Gemälde Italia und Germania, entstan-den 1811–28, malerisch gelöst hatte. Wenn Wackenroder eine gleichberechtigte Kunst verlangte, in der er sich dürer und raf-fael als enge freunde vorstellte, tat Quandt ähnliches, als er in seinen Streifereien in den erläuterungen über die Pinakothek in München dürer und raffael einander gegenüberstellte.101 auf

99 Maaz 1998, S. 141–144. Es wurde mehrmals vermutet, dass Schnorrs Vittoria Caldoni als Gegenstück seines berühmten Bildnisses der

99 Maaz 1998, S. 141–144. Es wurde mehrmals vermutet, dass Schnorrs Vittoria Caldoni als Gegenstück seines berühmten Bildnisses der

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