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4.6 Korrelationen und Varianzanalyse

4.6.2 Varianzanalyse

Des weiteren wurde eine einfache Varianzanalyse (one-way ANOVA) der CT-Messungen (Durchmesser/Fläche) durchgeführt, wobei einmal die Tiergruppen (0, 3, 6, 12, 24 Wochen) und ein anderes Mal die TE-Gradeinteilung den Faktor darstellen.

Dabei stellte sich heraus, dass sich der femorale Durchmesser signifikant zwischen den Mit-telwerten der Wochen und zwischen den TE-Graden unterschied.

Hingegen unterschied sich die femorale Fläche zwischen den Wochen nicht signifikant, zwi-schen den Graden gab es allerdings signifikante Unterschiede bezüglich der Fläche.

5 Diskussion

Die vorliegende Dissertation ist Teil einer interdisziplinären Studie zum Kreuzbandersatz am juvenilen Schafmodell. In dieser Arbeit wurde das radiologisch detektierbare Phänomen der femoralen Bohrkanalerweiterung („Tunnel Enlargement“) nach VKB-Rekonstruktion bei Pa-tienten mit noch offenen Wachstumsfugen untersucht.

Das Auftreten und das Ausmaß der Bohrtunnelaufweitung wurden radiologisch (konventio-nelles Röntgen, Computertomographie) dokumentiert, die Kniegelenke wurden biomecha-nisch getestet und die betroffenen Areale sind anschließend eingehend knochendensito-metrisch und histologisch untersucht worden.

1. Die erste Hypothese dieser Arbeit war, dass ein „Tunnel Enlargement“ (TE) Auswir-kung auf die Stabilität des Gelenks hat.

2. Zweitens haben wir vermutet, dass die Querschnittsfläche des Transplantates mit dem TE in Zusammenhang steht.

3. Ein besonderes Augenmerk ist auch auf die beiden diagnostischen, bildgebenden Sys-teme Röntgen und CT hinsichtlich der Sensitivität bei der Feststellung dieser post-operativen Erscheinung gelegt worden. Hierzu wurde drittens vermutet, dass das kon-ventionelle Röntgen weniger sensitiv als die CT-Untersuchung in der Diagnose ist und tendenziell kleinere Durchmesserwerte gemessen werden können.

4. Viertens wurde angenommen, dass das TE durch eine Prädominanz von knochen-abbauenden Osteoklasten bedingt ist.

Wir haben uns bei dieser Kreuzbandersatzstudie für das Schaf als Modelltier entschieden, da das Schaf bei derartigen orthopädischen/chirurgischen Studien als etabliertes Versuchstier angesehen wird (HUNT et al. 2005). Dies gilt hinsichtlich Größe und anatomischer Ähnlich-keit zum menschlichen Kniegelenk (XEROGEANES et al. 1998). Das ovine Knie unterschei-det sich auch im Gangbild kaum vom menschlichen Gelenk (TAPPER et al. 2006). Daneben gelten die gute Verfügbarkeit, einfache Handhabbarkeit und unproblematische Haltung als vorteilhaft für Studienzwecke. Ein Nachteil dieser Studie ist, dass der ligamentäre Riss in vi-vo, der einer Rekonstruktion vorausgeht mit einer iatrogenen Resektion des vorderen Kreuz-bandes nachempfunden wurde.

Im Rahmen der Studie wurden verschiedene Untersuchungsmethoden verwendet, um sich der komplexen Thematik zu nähern.

In den folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse der Untersuchungen erörtert und vor dem Hintergrund bisheriger Forschungsergebnisse diskutiert.

5.1 Radiologie

Im Rahmen der radiologischen Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass sich der Tunneldurchmesser und die Tunnelfläche im zeitlichen Verlauf vergrößert haben. Frühere Studien zur Thematik stellten heraus, dass es sich bei der Bohrtunnelaufweitung um ein aku-tes Phänomen handelt, das innerhalb der ersten 12 Wochen nach Kreuzbandersatz verstärkt auftritt (WILSON et al. 2004). In einer weiteren Studie ließen sich ab der 12. Woche post op.

nur noch minimale Veränderungen feststellen und schließlich kam es drei Jahre post operatio-nem sogar wieder zu einer Abnahme des Bohrkanaldurchmessers (PEYRACHE et al. 1996).

Die in der vorliegenden Studie verwendeten Schafe waren zum Zeitpunkt der Operationen vier Monate alt, was ungefähr dem Alter eines acht- bis zwölfjährigen Kindes entspricht. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich in dieser Versuchstiergruppe über die Geschlechtsreife hinaus, die mit sieben Monaten erreicht ist (FRITZ 2006). Der Wachstumsfugenschluss er-folgt beim Schwarzköpfigen Fleischschaf, welches in der vorliegenden Studie als Ver-suchstier verwendet wurde, in der distalen femoralen Epiphysenfuge im Alter von ca. 16- 17 Monaten und in der proximalen tibialen Fuge mit 18-19 Monaten (POHLMEYER 1985).

In unserer Studie am juvenilen Schafmodell konnte eine Progression dieser Erscheinung di-agnostiziert werden, wobei fraglich ist, ob zu späteren Untersuchungszeitpunkten (> 24 Wo-chen) eine weitere Zunahme des Tunneldurchmessers bzw. der Tunnelfläche erfolgt wäre. Da die bisherigen Forschungen an adulten Tieren erfolgten, könnte man annehmen, dass es bei juvenilen Individuen im Vergleich zu Adulten hinsichtlich des zeitlichen Auftretens und des Fortschreitens des „Enlargements“ einen Unterschied gibt. Diese These kann dadurch belegt werden, dass in unserer Studie histologische Parameter wie der BV/TV-Quotient als auch die Transplantatfläche mit 24 Wochen die höchsten Werte erreichten. Dieses impliziert eine Pro-gression des „Tunnel Enlargements“ über 24 Wochen hinaus. Dabei bleibt spekulativ, ob

die-se Entwicklung vom Alter der Patienten abhängt. Diedie-ser Unterschied im postoperativen Ver-lauf kann auch in der Tatsache begründet sein, dass im Gegensatz zu humanen Patienten die Rehabilitation bei Tieren nicht nach einem kontrollierten Protokoll verläuft. Auch muss man berücksichtigen, dass Schafe aus Angst und Schreckhaftigkeit Fluchtreaktionen zeigen, die sich negativ auf die operierte Gliedmaße auswirken können.

Wie radiologisch festgestellt werden konnte, lag der lineare Erweiterungstyp mit 62% am häufigsten vor, gefolgt von der kavernenartigen und zystischen Form mit 19% und 14% und schließlich dem konischen Typ mit 5%. Die unterschiedliche Formenausbildung ist laut der Literatur u.a. abhängig von biologischen und mechanischen Faktoren, so vermuten einige Autoren einen Zusammenhang zwischen Mikromotion des Transplantates und Tunnelmor-phologie (KLEIN et al. 2003). Demnach sollen longitudinale Bewegungen des Transplantates im knöchernen Tunnel, welche oft bei gelenkferner Fixation z.B. mit Endobutton® auftreten, am häufigsten ein lineares „Tunnel Enlargement“ (TE) erzeugen. Transverse Bewegungsmus-ter bei BPTB-Transplantaten mit gelenknaher Befestigung wurden als ursächlich für die Aus-bildung von konischen Tunnelformen angesehen.

Unsere Ergebnisse decken sich mit diesen Ansichten, da bei den eigenen Tieren ein Kreuz-bandersatz mit gelenkferner Fixation mittels Endobutton® durchgeführt wurde und sich so eine Verteilung zugunsten des linearen Typs erklären lässt.

Gemäß des eigenen Klassifikationsschemas, in dem die radiologisch ermittelten Tunnel-erweiterungen in vier Grade unterteilt wurden und bei der Annahme Grad 1/2/3 = TE, ergab sich, dass 76% der Tiere bezogen auf den gemessenen Durchmesser und 80% der Schafe be-zogen auf die Fläche eine Bohrkanalaufweitung aufwiesen. Ähnlich hohe Inzidenzen wurden auch von anderen Autoren festgestellt. So trat in einer Studie mit allogenen Transplantaten bei etwa 75% der Patienten ein „Tunnel Enlargement“ auf (LINN et al. 1993). In einer weiteren Studie mit Endobutton®-Fixationstechnik wurde eine femorale Bohrkanalerweiterung um mindestens 2 mm in 72% der Fälle festgestellt (NEBELUNG et al. 1998). Daraus kann ge-schlossen werden, dass das Auftreten und die Inzidenz eines „Tunnel Enlargements“ nicht unbedingt an eine Operationsmethode und Fixationstechnik oder einen Transplantattyp ge-koppelt sind. Die eigenen Resultate aus dem Tiermodell korrespondieren hinsichtlich der In-zidenz mit den oben genannten Studien am Menschen. Das weist darauf hin, dass das Schaf

sich als Tiermodell in der Erforschung des Phänomens der Bohrtunnelaufweitung offensicht-lich gut eignet.

Beim Vergleich der Tunneldurchmesser im Röntgen und in der Computertomographie erga-ben sich Messunterschiede. Zu den frühen Untersuchungszeitpunkten (3. und 6. Woche post op.) wurden röntgenologisch größere Durchmesser als im CT bestimmt, jedoch nach Woche 12 und 24 waren die Werte kleiner als im CT. Andere Autoren berichten dagegen, dass mit-tels Röntgen in den ersten 12 Wochen post op. tendenziell geringere Werte gemessen wurden, weil man in diesem Zeitraum noch keine sklerotischen Ränder des Bohrkanals darstellen konnte (FINK et al. 2001). Es liegen auch unterschiedliche Auffassungen darüber vor, ob die konventionelle Röntgenaufnahme zur Diagnostik des TEs genügt. So attestierten einige For-scher dem konventionellen Röntgen eine ausreichende Sensitivität zur Feststellung eines

„Tunnel Enlargements“ (WEBSTER et al. 2004), andere präferierten das CT als die exaktere und sensitivere Methode (CLATWORTHY et al. 1999). Auch wurde auf den erheblichen Ein-fluss von Messfehlern bei der radiologischen Analyse des „Tunnel Enlargements“ hingewie-sen. So lagen die Messfehler bei demselben Untersucher zu verschiedenen Zeitpunkten („intrarater“) zwischen 17% und 26% (WEBSTER et al. 2005).

5.2 Biomechanik

Die operierten Gliedmaßen wiesen zu jedem Zeitpunkt eine im Vergleich zur gesunden Seite höhere Anterior-Posterior-Translation auf. Dies verwundert nicht, da es bei Schafen und Zie-gen mit Kreuzbandersatz bereits beschrieben wurde (CUMMINGS u. GROOD 2002).

So zeigten die biomechanischen Untersuchungen, dass im Vergleich der operierten und intak-ten Kniegelenke jeweils mit Gelenkkapsel die Anterior-Posterior-Beweglichkeit bei allen Tie-ren mit Transplantaten signifikant höher lag (P < 0,005) als bei den nativen Kreuzbändern der entsprechenden Zeitgruppe. Die AP-Translation nahm allerdings innerhalb der operierten Tiergruppe im zeitlichen Verlauf geringfügig ab und näherte sich den Werten der intakten Gruppe. Die Korrelationsanalyse zwischen Bohrkanalerweiterung und AP-Translation ergab

keinen signifikanten Zusammenhang. Ein negativer Einfluss des „Tunnel Enlargements“ auf die Gelenkstabilität kann somit weitgehend ausgeschlossen werden.

Dieses Ergebnis deckt sich mit der überwiegenden Mehrheit klinischer Studien, die zwischen TE und Stabilität ebenfalls keinen Konnex feststellen konnten (AGLIETTI et al. 1998;

CLATWORTHY et al. 1999; FINK et al. 2001; KLEIN et al. 2003). Bisher konnte nur eine Studie eine signifikante Assoziation zwischen tibialer Bohrkanalerweiterung und AP-Trans-lation aufzeigen (WEBSTER et al. 2005). Allerdings wurde in einer anderen Publikation aus dem Jahr 2005 darauf hingewiesen, dass die Laxizität des Gelenks und auch der Anteil von TE (≥ 2mm) bei gelenkferner, extrakortikaler Fixation deutlich häufiger auftritt als bei ge-lenknaher Befestigung, obwohl eine Abhängigkeit voneinander nicht nachgewiesen werden konnte (FAUNO u. KAALUND 2005).

Der biomechanische Parameter Steifigkeit stieg im Laufe der Zeit stetig und näherte sich dem Niveau der Werte der intakten Kniegelenke an.

Bei selektiver Betrachtung der TE-Tiere konnte sogar ein Anstieg der Steifigkeit in allen Zeitgruppen nachgewiesen werden. Zwischen der Steifigkeit und dem Bohrkanaldurchmesser lag eine signifikant positive Korrelation vor. Auch die Querschnittsfläche der Transplantate korrelierte mit dem Durchmesser der Bohrtunnel signifikant. In der Literatur wurde auf den Zusammenhang zwischen Bohrkanalerweiterung und Transplantatschwellung in einigen Ver-öffentlichungen hingewiesen (BUTLER et al. 1989; JACKSON et al. 1993; JÜRGENSEN 2003). Zu Beginn der eigenen Studie wurde vermutet, dass eine Bohrkanalerweiterung mit der Zunahme der Querschnittsfläche korreliert. Diese Hypothese ließ sich durch die lasergestützte Messung der Transplantatquerschnittsfläche statistisch sichern. Es muss allerdings berück-sichtigt werden, dass die Querschnittsfläche der Transplantate im intraartikulären Bereich und nicht im Bereich des femoralen Bohrkanals gemessen wurde. Durch die histologische Unter-suchung konnte aber bestätigt werden, dass eine Zunahme des Querschnitts auch in der knö-chernen Tunnelregion erfolgte.

Das Dickenwachstum des Transplantates ist auf eine Erhöhung der Zelldichte zurückzufüh-ren. Bei der im Rahmen der Gesamtstudie untersuchten Ligamentisation des Transplantates konnte histomorphometrisch eine Erhöhung der Zelldichte im autologen Transplantat in der 3.

aber vor allem in der 6. Woche nachgewiesen werden (FRITZ 2006). Eine starke Proliferation der Gesamtzellzahl nach autologem Kreuzbandersatz hat auch UNTERHAUSER (2004) in

seiner Studie feststellen können. Die Untersuchungen ergaben eine signifikant höhere Ge-samtzelldichte des Transplantates zu allen Untersuchungszeitpunkten im Vergleich zum nati-ven Kreuzband und/oder zur entnommenen Flexorsehne. Unklar bleibt, ob die statistisch sig-nifikante Zunahme der Querschnittsfläche ätiologisch an der Ausbildung eines „Tunnel En-largements“ beteiligt ist. Es ist denkbar, dass sich der Druck auf die Tunnelwand durch die Dickenzunahme derart erhöht, dass es zu einer Bohrtunnelaufweitung kommt. Alternativ kann man auch vermuten, dass die Ausbildung und Progression des „Tunnel Enlargements“ dem Transplantatgewebe den Raum zum Wachstum gegeben hat. Diese Ansicht ist jedoch weniger wahrscheinlich und wissenschaftlich nicht belegbar, zudem folgt diese Spekulation nicht der Theorie der Inaktivitätsatrophie des Knochens (WOLFF 1892).

Da sich mit der Zeit und zunehmender Erweiterung des Bohrtunnels auch die Knochendichte der Bohrkanalwand erhöht hatte und schließlich nach 24 Wochen post op. einen breiten soli-den Knochenring bildete, kann man davon ausgehen, dass in erster Linie ein Wechselspiel von zellulärem Knochenaufbau und Knochenabbau für diese Entwicklung verantwortlich war.

Der eventuell ausgeübte Druck durch die Transplantatschwellung könnte Auslöser für eine verstärkte Osteoidproduktion mit Bildung neuen Knochens und gleichzeitig intensiver kno-chenabbauender Osteoklastenaktivität vor allem zu den frühen Untersuchungszeitpunkten gewesen sein. So wurde eventuell der Knochen der Tunnelwand durch Knochenabbau und den Druck des Ligamentersatzes in die Peripherie gedrängt.