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Abkürzungsverzeichnis

4 Ziele von Auslandsaufenthalten

4.4 Entwicklung von Eigenschaften, Soft Skills und Kompetenzen als Ziel des Auslandsaufenthaltes des Auslandsaufenthaltes

4.4.1 Variabilität und Stabilität von Personen

Die Veränderung von Personen über die Lebensspanne ist Forschungsgegenstand der Entwicklungspsychologie und wird dort unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert (Montada, 1995; Oerter & Montada, 1998). Warum sind beispielsweise Eigenschaften unter bestimmten Bedingungen stabil und verändern sich unter anderen Umständen? Oder warum entstehen diesbezüglich intra- und interindividuelle Unterschiede? Unbestritten ist die Kombination aus internen und externen Bedingungen, die auf die Entwicklung der Person wirken. Neben Prozessen wie der Sozialisation und Reifung gehören auch die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und der Umgang mit Problemen und Krisen zu den Modellvorstellungen, die zur Klärung der Fragen herangezogen werden. Zunächst werden jedoch die Begriffe der Stabilität und Variabilität genauer betrachtet.

In der psychologischen Forschungsliteratur werden unterschiedliche Stabilitätskonzepte beschrieben, die parallel nebeneinander stehen und in verschiedenen Bezugsrahmen gelten.

Oerter und Montada (1998) verwenden den Begriff der Stabilität oder Kontinuität für die Beschreibung verschiedener Sachverhalte: (1) für den Erhalt individueller Unterschiede, (2) für den geordneten Aufbau aufeinanderfolgender Schritte und (3) für die Erklärung interindividuell unterschiedlicher Entwicklungsverläufe aus bereits vorgegebenen interindividuellen Unterschieden. Damit wird die Kontinuität als langfristige Wirksamkeit von Dispositionen, Kompetenzen und Selbstkonzept dargestellt, welche die weitere Entwicklung einer Person beeinflussen, und ist somit vorwiegend als Erklärungsmodell für die Entwicklung interindividueller Unterschiede zu verstehen.

Kagan (1980) differenziert unter Bezugnahme auf methodische Aspekte die absolute von der normativen Stabilität. Die absolute Stabilität ist dann gegeben, wenn zwischen zwei Messungen keine Veränderungen identifiziert werden können, während die normative Stabilität oder Positionsstabilität dann auftritt, wenn die Position der Individuen innerhalb

einer Gruppe (z.B. Alterskohorte) unverändert bleibt. Kagan gibt zu bedenken, dass das Auftreten von Stabilität auch auf Messfehler zurückzuführen sein kann: So kann das Messinstrument ungeeignet sein oder die Messeinheiten zu groß gewählt worden sein, wenn beispielsweise nur zwischen „vorhanden“ und „nicht vorhanden“ in Bezug auf ein stärker zu differenzierendes Merkmal gewählt wurde.

Mortimer, Finch und Kumka (1982) unterscheiden vier unterschiedliche Arten der Stabilität über die Zeit:

Die Strukturelle Stabilität beschreibt die Zusammensetzung einer Variable. Betrachtet man beispielsweise aggressives Verhalten bei Kindern, müssen in unterschiedlichen Lebensphasen verschiedene Verhaltensweisen herangezogen werden, um das Konzept zu beschreiben. Schaubroeck und Green (1989) verweisen darauf, dass sich auch Konstrukte wie zum Beispiel Arbeitszufriedenheit im Laufe eines Arbeitslebens in ihrer Zusammensetzung verändern können. Als Kriterium für die Stabilität einer Variable kann dementsprechend die Stabilität ihrer Faktorenstruktur angenommen werden.

Normative Stabilität bedeutet die Kontinuität von individuellen Rängen oder Unterschieden (Kagan, 1980), die in der Regel anhand von Korrelationen zwischen verschiedenen Variablen festgestellt wird. Dabei bedeutet eine hohe Korrelation, dass die relative Position der Person gleichgeblieben ist, während eine geringe Korrelation für Veränderungen der relativen Position der Person über die Zeit spricht.

Ipsative Stabilität liegt dann vor, wenn im Verlauf der betrachteten Zeit intraindividuelle Veränderungen weder in Bezug auf die Ausprägung der Variable noch in der relativen Position der Variablen zueinander stattgefunden haben. So kann man beispielsweise feststellen, dass eine Person zwar weniger belastbar geworden ist als zu einem früheren Zeitpunkt, die Belastbarkeit aber immer noch ebenso viel stärker ausgeprägt ist als der Neurotizismus der Person.

Die Stabilität des Levels schließlich bezieht sich auf die Stabilität der Ausprägung einer Variable über die Zeit (Baltes & Nesselroade, 1973). Gemessen wird die Veränderung in Gruppenmittelwerten oder die Veränderung eines intrapersonellen Wertes, wie beispielsweise des IQ. Wie auch die normative Stabilität geht die Stabilität des Levels von einer strukturellen Invarianz der Variablen aus.

Golembiewski, Billingsley und Yeager (1976) ermittelten in Abhängigkeit von den in Untersuchungen eingesetzten Messinstrumenten und den zugrunde liegenden Variablen drei Arten der Stabilität: Eine Alpha-Stabilität wird dann gemessen, wenn sie mit einem vollständig kalibrierten Messinstrument festgestellt wurde, zum Beispiel einer Waage.

Weniger gut messbare Konstrukte unterliegen der Beta-Stabilität. So kann eine Person aufgrund von Reifungs- oder Lernprozessen etwas anders wahrnehmen als zu einem vorherigen Zeitpunkt, obwohl der Sachverhalt sich eigentlich nicht geändert hat. Von Gamma-Stabilität ist dann die Rede, wenn die Veränderung, die jemand auf einer instabilen Dimension durchlaufen hat, sehr groß ist. Conley (1984a) unterscheidet die transsituative Stabilität (Konsistenz) als Gleichheit oder Ähnlichkeit des Verhaltens in unterschiedlichen Situationen von der temporalen Stabilität als Gleichheit oder Ähnlichkeit des Verhaltens über die Zeit.

Wie stabil sind Personen?

Dass Menschen im Verlauf ihres Lebens Dinge hinzulernen, andere dafür verlernen und so ihre Kompetenzen und Fähigkeiten Veränderungen unterworfen sind, lässt schon die Alltagsbeobachtung feststellen. Ursachen für solche Veränderungen können nicht alleine der Kultur oder der Biologie zugeschrieben werden, sondern sie sind das Ergebnis variierender und interagierender Systeme innerhalb des Lebenskontextes von Personen (Staudinger &

Lindenberger, 2003). Während sich im Laufe des Lebens die Möglichkeiten der biologischen Entwicklung reduzieren, gewinnen die kulturbedingten Entwicklungsmöglichkeiten fortschreitend an Bedeutung.

Determiniert wird die Entwicklung zudem durch die Bedingungen und Restriktionen, aber auch Gelegenheiten, welche sich im Laufe des Lebens aus diesen Bedingungen ergeben (Lerner, Dowling & Roth, 2003), Brandstädter und Lerner (1999) sprechen von den developmental hazards. Die biologische Entwicklung während der ersten Lebensjahre beispielsweise ist eine Bedingung für den Verlauf der Entwicklung in den folgenden Jahren.

Jede beobachtete Entwicklung kann schließlich nur als eine der möglichen Manifestationen betrachtet werden, von denen in anderen Konstellationen fast unendlich viele andere möglich gewesen wären.

Brandstädter (1998) vertritt den Ansatz, dass Individuen nicht nur Produkt, sondern auch aktive Produzenten ihrer Entwicklung sind. Indem sie handeln und die Ergebnisse ihrer Handlungen erfahren, konstruieren Menschen „Arbeitsmodelle“ ihres Selbst und ihrer Umwelt, die wiederum die folgenden Handlungen beeinflussen und damit den Verlauf der weiteren Entwicklung. Wenn man demnach die Frage nach Veränderungen von Personen beantworten will, muss man gleichzeitig betrachten, wie Menschen ihre eigenen Kognitionen, Handlungen und sozialen Interaktionen selbst wahrnehmen. Die Intention, nach der man sich selbst wahrnimmt, und die daraus resultierende Welt bilden, so Brandstädter und Lerner

(1999), einen der wichtigsten Erklärungsansätze in der Entwicklungsforschung. Die Prozesse der intentionalen Selbstentwicklung werden als dialektischer Prozess wahrgenommen: „To the extent that development gradually forms intentionality and the self, intentional action comes to form development. This is a shift only in emphasis, however; the beliefs, values, and goals that guide activities of intentional self-development remain subject to change along historical and ontogenetic dimensions of time.” (Brandstädter & Lerner, 1999, S. xii).

Konstrukte wie Lebensaufgaben, Identitätsziele, Persönliche Projekte, Lebensplanung, Lebensthemen, die ursprünglich aus der Handlungstheorie entnommen sind, haben dazu geführt, dass der Absicht und Intention in der Entwicklung des Menschen eine größere Rolle zuerkannt werden musste (Bäckman & Dixon, 1992; Cantor & Fleeson, 1991). Normative Vorgaben und Rollenerwartungen, aber auch (altersgebundene) Veränderungen in physischen, materiellen und zeitlichen Ressourcen führen dazu, dass persönliche Ziele und Ansprüche an die Erfüllungen der Lebensaufgaben permanent variiert und angepasst werden. Diese Kultivierung trägt dazu bei, das Selbst mit den normativen Standards und Idealen aus der Umgebung in Übereinstimmung zu bringen. Im Verlauf ihrer eigenen Entwicklung generieren Menschen Intentionen über Intentionen, sie entwickeln also Absichten darüber, bestimmte Handlungen zu einem späteren Zeitpunkt durchführen oder vermeiden zu wollen.

Aber Individuen verändern sich nicht nur gezielt, sondern auch in Folge unkontrollierter Prozesse sowohl im eigenen Handeln als auch durch die Veränderung der normierenden Umgebung kultureller Systeme (Familie, Gesellschaft).

Besonders umstritten ist die Veränderung von Persönlichkeitseigenschaften (traits), vor allem im Erwachsenenalter (z.B. Costa & McCrae, 1993; Kogan, 1990; Roberts & Caspi, 2003).

Dabei ist die Diskussion Rubin (1981) zufolge häufig von Populismus geprägt, da die Entwicklung von Eigenschaften mit persönlichem Wachstum, Reifungspotenzial und einem positiven Menschenbild in Verbindung gebracht wird. Ist für einige Lebensaufgaben die Annahme einer gewissen Stabilität erforderlich, zum Beispiel wenn man sich auf einen Lebenspartner oder Berufsweg festlegen möchte, ist für andere Aufgaben eine minimale Flexibilität unentbehrlich und in Form von Therapie oder Training nicht nur erwünscht, sondern grundlegende Voraussetzung. Heatherton & Weinberger (1994) zufolge sind auch die verschiedenen Konzepte von Persönlichkeit, Stabilität und Veränderung Ursache für die unklare Befundlage.

Metaanalysen zeigten, dass traits, wenn sie in kurzen Zeitabständen gemessen werden, sehr hohe Korrelationen aufweisen, die in größeren Zeitabständen geringer werden (z.B. Conley,

1984a; Crook, 1941; Roberst & DelVecchio, 2000; Schuerger, Zarella & Hotz, 1989). Roberts und Caspi (2003) konnten das Alter als stärksten Prädiktor für die Stabilität von Persönlichkeitseigenschaften identifizieren: Während die Korrelation zwischen zwei Messzeitpunkten in der Kindheit noch bei .31 lag, stieg sie auf .54 während der Collegezeit und auf .74 im höheren Alter. Für das frühe Erwachsenenalter lassen sich dennoch Veränderungen nachweisen: Dudek und Hall (1991), Field und Millsap (1991) sowie Roberts, Helson und Klohnen (2000) befassten sich mit der Veränderung von traits in Gruppen und konnten Veränderungen in Bezug auf die Ausprägung der Mittelwerte feststellen. Jones und Meredith (1996) konnten auch individuelle Veränderungen der Persönlichkeitseigenschaften ausmachen, die in anderen Studien bestätigt und mit bestimmten Erfahrungen in Verbindung gebracht wurden (Pals, 1999; Roberts, 1997; Roberts & Chapman, 2000; Tower & Kasl, 1996).

Eine Langzeitstudie von Howard und Bray (1988), in der Führungskräfte über zwanzig Jahre ihres Berufslebens begleitet wurden, konnte deutliche Veränderungen von Persönlichkeitseigenschaften nachweisen: Während der Ehrgeiz der Untersuchungsteilnehmer deutlich abnahm, stiegen Leistungsmotivation, Interesse an Macht, Anschlussmotivation sowie Feindseligkeit und Autonomiebestreben an. Veränderungen konnten mit der Entwicklung der Karriere in Verbindung gebracht werden.

Siegler (1983) konnte als Ergebnis der „Duke Longitudinal Studies of Psychological Development“ gegenteilige Effekte nachweisen. Durchgeführt wurden zwei Langzeitstudien, die den Altersprozess in der zweiten Lebenshälfte untersuchen. Die Teilnehmer wurden in Kohorten mit jeweils fünf Jahren Altersabstand eingeteilt und zu vier Messzeitpunkten befragt (Siegler, 1983). Betrachtet wurden verschiedene Persönlichkeitsfaktoren (16 PF von Cattell, Saunders & Stice, 1957) sowie Kontrollüberzeugung (Jessor, Graves, Hanson & Jessor, 1968), Selbstkonzept (Back & Guptill, 1966), Leistungsorientierung (Rosen, 1956), Gefühlskontrolle (Bradburn, 1969), eine Checkliste psychosomatischer Beschwerden (Bradburn & Caplovitz, 1965) und die allgemeine Lebenszufriedenheit (Cantrill, 1965). Die Resultate der Studie zeigen, dass die Persönlichkeitseigenschaften innerhalb einer Periode von sechs Jahren zu einer relativ hohen Stabilität tendieren. Vor allem Geschlechtsunterschiede wurden weder durch das Alter noch durch die Einteilung in Kohorten oder im Verlauf der Zeit beeinflusst (Siegler, 1983). Erhebliche Zeiteffekte fanden sich lediglich auf der Dimension Konkretes vs. Abstraktes Denken. Ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen Zeit und Geschlecht zeigte sich im Bezug auf das Selbstvertrauen: Während Männer im Verlauf der Zeit selbstsicherer wurden, wurden Frauen unsicherer. Ein Kohorteneffekt lies sich auf der

Dimension Sicherheitsinteresse vs. Veränderungsbereitschaft“ erkennen, indem Frauen der älteren Kohorte sich als deutlich konservativer erwiesen als Männer, während dieser Unterschied in der jüngeren Kohorte weitgehend aufgehoben war.

Die Baltimore Longitudinal Study of Aging (Costa, McCrae & Arenberg, 1983) identifizierte ähnliche Hinweise für die Stabilität der mittels des 16 PF (Cattell, Saunders & Stice, 1957) gemessenen Persönlichkeitseigenschaften. Seit 1958 wurden in der Studie alle zwei Jahre Probanden einer Reihe von medizinischen, kognitiven und psychologischen Tests unterzogen, 1978 wurden erstmals auch Persönlichkeitseigenschaften gemessen. Zeitweise nahmen an der Studie bis zu 969 Personen teil. Festgestellt werden konnte eine Verringerung in den Merkmalen Sensitivität, Offenheit gegenüber Gefühlen und Unkonventionalität, was von Costa, McCrae und Arenberg (1983) als Abnahme des jugendlichen Idealismus interpretiert wurde.

Auch in der Folge solcher Untersuchungen bleibt unklar, ob Veränderungen von traits während der Lebensspanne nur vereinzelt auftreten oder lediglich schlecht erfasst werden können. Theoretische Ansätze zur Erklärung der verschiedenen Befunde ergeben keine klare Perspektive (Kogan, 1990), da die Vielfalt der möglichen Erklärungsansätze zu unterschiedlichen Implikationen führt. Während psychometrische Modelle zur Persönlichkeit (z.B. Costa & McCrae, 1994) davon ausgehen, dass traits nicht von außen verändert werden können, nehmen kontextuelle Persönlichkeitsmodelle einen großen Umwelteinfluss auf die Persönlichkeitseinwicklung an (Lewis, 1999). Die in Untersuchungen gefundenen Konsistenzen werden dann mit der stabilisierenden Wirkung sozialer Rollen erklärt (Brim, 1965). Entwicklungspsychologen wie Erikson (1950) oder Levinson (1986) hingegen halten Veränderungen der Persönlichkeit aufgrund der zu bewältigenden Lebensaufgaben für unverzichtbar (Phasenmodelle). Dabei kann es zu den Lebensaufgaben gehören, trotz der variierenden Entwicklungsumstände (developmental hazards) einen stabilen Eindruck zu erwecken (Brandstädter & Lerner, 1999). Auch das durch Normen vorgegebene Lebensmodell führt zu relativ stabilen Ergebnissen.

Roberts und Caspi (2003) skizzieren zusammenfassend folgendes Bild von Persönlichkeitseigenschaften und ihrer Stabilität:

(1) Persönlichkeitseigenschaften sind, vor allem im Vergleich mit anderen psychologischen Konstrukten, relativ stabile Konstrukte und werden in ihrer Stabilität nur von Messungen aus dem Bereich der Kognition übertroffen (Conley, 1984b).

(2) Die Konsistenz von Persönlichkeitseigenschaften steigt mit zunehmendem Alter, ist aber nie so hoch, dass man ab einem bestimmten Alter Veränderungen ausschließen könnte.

(3) Studien, die individuelle und gemittelte Veränderungsfähigkeit betrachten, weisen darauf hin, dass Persönlichkeitsveränderungen auch bis ins hohe Alter noch auftreten können.

Menschen werden demnach als offene Systeme verstanden, die sich manchmal verändern und in anderen Situationen stabil bleiben: „The lifespan perspective comes closest to approximating the empirical picture of personality-trait development in that it specifies quite clearly that people are open systems and that they exhibit both continuity and change in personality throughout the life course.” (Roberts & Caspi, 2003, S. 185). Bedingt durch Selektion, Optimierung und Kompensation nehmen die Einflüsse der kulturellen und sozialen Umwelt, aber auch der Druck aus den eigenen Intentionen im Laufe der Zeit ab, so dass eine höhere Stabilität der Eigenschaften im Verlauf des Lebens erreicht wird.

Determinanten von Stabilität und Variabilität

Bereits weiter oben wurde deutlich, dass die Gründe für Stabilität und Variabilität der Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen auf innere und äußere Gründe zurückzuführen sind. Dementsprechend finden sich Hinweise auf Determinanten der Stabilität in der Psychologie, aber auch in anderen Wissenschaften, wie der Soziologie oder der Biologie.

Eine der bekanntesten Gründe für die Kontinuität von Persönlichkeitseigenschaften liegt in der Stabilität der Umwelt (Baltes, 1997; Buss, 1987; Ickes, Snyder & Garcia, 1997), wenngleich diese Annahme Roberts und Caspi (2003) zufolge nicht formal überprüft wurde.

Sameroff (1995) prägte den Begriff environtype analog zum Genotyp, der den Menschen und seinen Phänotypen beeinflusst. McGue, Bacon und Lykken (1993) untersuchten die Ausprägung verschiedener Persönlichkeitseigenschaften von ein- und zweieiigen Zwillingen im Abstand von zehn Jahren und stellten fest, dass die eineiigen Zwillinge konsistentere und signifikantere Übereinstimmungen im Quervergleich aufwiesen als die zweieiigen Zwillinge (verglichen wurden die Ergebnisse von Zwilling 1 des ersten Messzeitpunktes mit denen von Zwilling 2 zum zweiten Messzeitpunkt). Die Autoren gehen davon aus, dass bis zu 80,0% der phänotypischen Stabilität auf die genetische Komponente in Form von physiologischen Funktionen oder das Zusammenspiel von Genen und Umwelt zurückzuführen ist.

Block (1982) sowie Brandstädter und Greve (1994) konnten zeigen, dass Menschen ihr Verhalten dem Druck aus der Umwelt anpassen, so dass auch Lebens- und

Arbeitsbedingungen als Determinanten des Verhaltens und somit der Auswirkungen der traits gelten können. Die Erwartungen der Umwelt wirken um so mehr, wenn implizite oder explizite Bestrafungen oder Belohnungen mit dem gezeigten Verhalten einhergehen (Sarbin, 1964). Die Identitätstheorie postuliert, dass Menschen ihr Selbstbild vor allem aus dem Feedback ihres Umfelds konstruieren (Stryker & Statham, 1985). Burke (1991) zufolge wird das Verhalten vor allem dann revidiert, wenn die aus der Umwelt zurückgemeldeten Informationen inkongruent mit dem Selbstbild erlebt werden. Roberts und Caspi (2003) machen ein wachsendes Commitment zur eigenen Identität dafür verantwortlich, dass mit zunehmendem Alter weniger Entwicklungen in den Persönlichkeitseigenschaften vertreten sind.

Häfeli, Kraft und Schallberger (1988) konnten in einer Längsschnittstudie den Einfluss von Arbeitsbedingungen auf die Ausprägung von Persönlichkeitseigenschaften aufzeigen. So führt beispielsweise stark eingeschränkter Handlungsraum bei der Arbeit zu ansteigender externaler Kontrollüberzeugung. Bereits 1964 veröffentlichte Helson eine Längsschnittstudie, in deren Rahmen er am Beispiel von Collegeabsolventinnen versuchte, einen Zusammenhang zwischen der Arbeitstätigkeit und der Ausprägung auf den Eigenschaften Normgebundenheit und Handlungsorientierung herzustellen. Während im ersten Untersuchungsabschnitt zwischen dem 21. und 27. Lebensjahr der Frauen kaum Korrelationen zu finden waren, wurde im zweiten Abschnitt bis zum 43. Lebensjahr ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Arbeitstätigkeit und der Ausprägung der Variablen hergestellt. Bei Männern und Frauen führte Erfolg in der Arbeit zu verbessertem Selbstbewusstsein und höherem Selbstwert (Baruch & Barnett, 1986; Serlin, 1980). Insgesamt kann demnach eine Wechselwirkung von Arbeit und Ausgestaltung der Persönlichkeit als relativ wahrscheinlich angesehen werden, wobei allerdings das Ineinandergreifen von beruflichem und außerberuflichem Lebensbereich berücksichtigt werden muss (Lempert, Hoff & Lappe, 1990).

Bei der Suche nach Gründen für die Anpassung der Persönlichkeit an die Lebensbedingungen unterscheiden Roberts und Caspi (2003) zwischen reaktiven, evokativen und proaktiven Prozessen. Von reaktiven Transaktionen ist die Rede, wenn unterschiedliche Individuen auf Umweltbedingungen reagieren und Erfahrungen neu in bestehende kognitive oder emotionale Schemata eingeordnet werden müssen. Epsteins Modell der Selbsttheorien (1991) und Tomkins Konzept der Scripte zum Selbst (1979) beruhen auf der Annahme, dass Menschen in der Lage sind, ihre Annahmen über sich zu aktualisieren oder zu revidieren. Fiske und Taylor

(1991) dagegen gehen von relativ stabilen Selbstschemata aus, die sich, sind sie einmal etabliert, kaum noch verändern, da konsistente Informationen einfacher wahrgenommen und vorwiegend Erfahrungen aufgesucht werden, die konsistente Informationen vermitteln (Block, 1982). Optimierung, Kompensation und Immunisierung in Form von Bedeutungsverschiebungen sind Mechanismen, die bewusst eingesetzt werden können, um sich an Anforderungen aus der Umwelt anzupassen (Roberts & Caspi, 2003). Auch Kontakte zu verschiedenen Menschen bzw. ihre Vermeidung können das Selbstbild beeinflussen.

Norem (1998) ergänzt Verteidigungsmechanismen wie Unterdrückung oder Verdrängung als unbewusste Prozesse der Stabilisierung. Studien, die den Einfluss solcher strategischen Prozesse auf die Stabilität der Persönlichkeit messen, lassen sich allerdings nicht finden.

Evokative Transaktionen zeichnen sich durch ihre Interaktivität zwischen Individuum und ihrer Umwelt aus: Die besondere Struktur der Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen führt zu bestimmten Aktionen, auf welche ihr Umfeld reagiert. Diese Reaktion führt wiederum zu einer Aktion, bei der die neuen Informationen bereits berücksichtigt werden, etc.

(Roberts und Caspi, 2003). Das Konzept der Self-fullfilling-prophecy (Merton, 1948), bei der das Verhalten in einer Situation durch die Erwartungen über den Ausgang der Situation beeinflusst werden, beinhaltet ebenfalls evokative Transaktionen. Stabiles Verhalten wird dadurch gestärkt, dass Personen gegenseitig kongruentes Verhalten evozieren.

Proaktive Transaktionen schließlich beruhen auf der Annahme, dass Individuen ihre Lebensziele und Aufgaben selbst bestimmen und damit auch ihre Umgebung selbst auswählen (Baltes, 1997). Asendorpf und Wilpers (1998) zeigten, dass Freundschaften und Partnerschaften von Individuen die Stabilität der Entwicklung stark determinieren. Ennett und Bauman (1994) zufolge neigen Menschen dazu, sich mit ihnen ähnlichen Menschen zu umgeben. Eventuell kann auch die damit verbundene Entstehung von Verhaltensmustern in Gruppen zur Stabilität des Verhaltens beitragen und die Entwicklung von Normen begünstigen (Cairns & Cairns, 1994). Alwin, Cohen und Newcomb (1991) wiesen nach, dass liberale Frauen, die in den 1930er Jahren bereits an Universitäten studierten, über 50 Jahre relativ stabil in ihrer Liberalität blieben, denn sie heirateten auch liberale Männer und hatten verstärkt liberale Freunde. Caspi und Herbener (1990) zeigten, dass Menschen, die ihrem Lebenspartner in vielen Eigenschaften ähnlich waren, stabilere Persönlichkeitseigenschaften aufwiesen als andere.

Auch Veränderungen von Lebensumständen können Ursachen für persönliche Entwicklungen darstellen. Phasen der Veränderung in der Umgebung führen häufig zu inneren Konflikten und Identitätskrisen, die Passung zwischen Umwelt und Individuum muss neu gestaltet

werden (Hoff, 1992). Je stärker der Bruch zwischen beiden Lebensabschnitten, umso schwerer kann die Krise sein. Wechselt eine Person von sehr restriktiven Lebensbedingungen in freiere Situationen, können Überforderungen deutlich werden, insbesondere, wenn bereits eine Generalisierung der restriktiven Arbeitsformen auch auf die übrige Zeit und Entscheidungsspielräume der Person stattgefunden hat. In Abhängigkeit von der Lebenssituation können Individuen verschiedene Facetten ihrer Person entwickeln, die das gezeigte Verhalten dominieren.

Neben den externen Einflüssen, mit denen die Individuen konfrontiert werden, sind aber auch Lerneffekte, die sich aus der Selbst- oder Fremdbeobachtung ergeben, einflussreiche Determinanten für Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen. Schon die Wirksamkeit der Psychotherapie, bei der Veränderungen von Gedankenschemata und Skripts eine zentrale Rolle spielen, weist auf diese Möglichkeit hin. Deci und Ryan (1990) konzipierten eine Theorie der Persönlichkeitsentwicklung, nach welcher die Entstehung des Selbstkonzeptes durch die Internalisierung ursprünglich externer Rollenanforderungen erfolgt. Aufgrund der Beobachtung des eigenen Verhaltens ziehen Individuen Schlussfolgerungen über das eigene Selbst, so dass veränderte Verhaltensweisen auch zu neuen Selbstkonzepten führen können.

Kohn und Schooler (1983) zeigten, dass Frauen, die einer Arbeit nachgingen, bei der sie relativ viel Selbstbestimmungsrecht hatten, auch im Umgang mit anderen Menschen selbstbestimmter waren. Psychisches Leiden oder als negativ bewertete Ausprägungsformen psychischer Merkmale fanden sich häufiger bei den Berufstätigen, deren Arbeitsinhalte mangelnde Komplexität, Vielfalt und Problemhaltigkeit aufwiesen. Dasselbe gilt, wenn restriktive Arbeitsformen vorherrschen, also Kontrollspielräume und Verantwortung in der Ausgestaltung der Tätigkeiten fehlen (Mortimer, Lorence & Kumka, 1986), oder wenn nur unzureichende zeitliche oder räumliche Dispositionschancen verfügbar waren.

Auch das Modelllernen kann eine Wirkung auf Verhaltesänderungen haben (Bandura, 1965):

Neues Verhalten wird gelernt, indem andere Personen beobachtet werden. Chao, Walz und Gardener (1992) identifizierten solche Effekte auch für das Berufsleben: So führte bei Managern und Ingenieuren der Einsatz von Mentoren zu größerer Arbeitszufriedenheit, höherem Verständnis für die Normen und Ziele der Organisation und letztlich auch zu höheren Löhnen.

Schließlich lässt sich auch der Wunsch nach Veränderungen der eigenen Person als Motiv für modifizierte Verhaltensweisen erkennen (Klar, Nadler & Malloy, 1992). Zirkel und Cantor (1990) befragten israelische und amerikanische Studierende zu angestrebten und erwünschten

Veränderungen in verschiedenen Bereichen (z.B. „Ich möchte versuchen, unabhängiger zu werden“; „Ich möchte versuchen, sozial kompetenter zu werden“ oder „Ich möchte versuchen, ein bestimmtes Körpergewicht zu erreichen“). Die Ergebnisse zeigen, dass fast alle befragten Personen sich in mindestens einem der Bereiche eine Veränderung für das vergangene Jahr gewünscht hatten und anstrebten, sich in der Zukunft in mehreren Bereichen zu verändern.

Besonders beliebt waren verstärkte Unabhängigkeit (64,0%), und Selbstsicherheit (62,0%) sowie eine Veränderung der äußeren Erscheinung (59,0%) und die Gewinnung einer grundsätzlich anderen Einstellung gegenüber der Welt und dem Leben (54,0%).

Insgesamt besteht vermutlich immer eine Wechselwirkung zwischen Faktoren in Situation und Person, die das Verhalten eines Menschen bestimmt (Amelang & Bartussek, 2001).

Anzunehmen ist, dass dementsprechend eine veränderte Umwelt auch zu verändertem Verhalten und neuen Eigenschaften führt. In den folgenden Abschnitten wird dargestellt, in welchem Ausmaß eine Person durch einen Auslandsaufenthalt mit anderen Bedingungen konfrontiert wird und wie damit einhergehende psychische Prozesse die Entwicklung der Person beeinflussen.