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3. 5 Die Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907

3.6 Der Völkerbund 1920

Der amerikanische Präsident und Pazifist Woodrow Wilson hielt am 22. Januar 1917 eine Ansprache an den Senat, welche dem Völkerbund zum Leben verhalf. Auch nach dieser Rede unterstützte er Europa bei der Bildung der zwischenstaatlichen Organisation, welcher die USA aber nicht beitraten, weil die Opposition im Senat dies nicht möglich machte. Wilson forderte eine neue Gestaltung der staatlichen Verbindungen und eine Aufhebung der damaligen

„Machtallianzen“, welche von ihm balance of power genannt wurden. Zudem verlangte er ein System der vereinigten Sicherheit (community of power). Er betonte seine Meinung über den zukünftigen Weg, den Europa einschlagen sollte, folgendermaßen: Only a tranquil Europe can be a stable Europe. There must be, not a balance of power, but a community of power; not organized rivalries, but an organized common peace (…) The world must be safe for democracy. Its peace must be planted upon the tested foundations of political liberty192.

Am 18. Januar 1918 verkündete Woodrow Wilson seinen Vorschlag für einen gerechten und dauerhaften Frieden193: Er stellte auf der Versailler Friedenskonferenz die 14 Punkte für einen gerechten Frieden vor. Wie er in seiner Rede immer wieder wiederholte, wünschte er sich solche Friedensbedingungen, welche auch der unterlegene Gegner als gerecht empfand194. Ein wichtiger Aspekt in seinen 14 Punkten war die Bildung einer Vereinigung aller Staaten, welche den ewigen Frieden durch eine neue Friedensordnung schaffen sollte195.

Papst Benedikt XV. rief in seiner Friedensbotschaft vom 1. August 1917 alle kriegführenden Staaten dazu auf, dass diese Frieden schließen sollten. Er berief sich auf genaue Vorschläge zur gleichmäßigen Abrüstung, zur kollektiven Sanktionen gegen Friedensbrecher und obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit196.

Auch Bertha von Suttner forderte 1905 die Bildung des Völkerbundes: Und wenn dieses Fürchterliche einträfe, dann würden uns die Leute verhöhnen, statt einzugestehen, dass wir recht haben, wenn wir warnend rufen: Europa beeile dich, dich zu verbrüdern, beeile dich, den

192 Woodrow Wilson, „Peace without Victory“am 22. Januar 1917, zitiert nach Norman A. Graebner, Ideas and diplomacy: readings in the intellectual tradition of American foreign policy (1964) 441f.

193 Horst Dippel, Geschichte der USA (2007) 85.

194 Manfred Berg /Philipp Gassert, Deutschland und die USA in der internationalen Geschichte des 20.

Jahrhunderts (2004) 268.

195 Norman Weiss, Kompetenzlehre internationaler Organisationen (2009) 98.

196 Joseph Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten, Die Diplomatie des Vatikans im Dienste des Weltfriedens seit dem Kongreß von Vervins 1598, Sammlung ausgewählter Aktenstückeüber die Friedenstätigkeit des Hl. Stuhles, Band 1 (1927) 464ff.

- 40 - Krieg unter deinen Nationen auszuschalten, sonst kann der nächste Zwischenfall dich zugrunde richten und 1909 schrieb sie So wie unser Europa heute noch organisiert ist oder vielmehr unorganisiert ist, ist der Ausbruch einer Konflagration allstündlich möglich. Eben darum, weil es so ist, und weil die Pazifisten es wissen, geht ihr Streben dahin, dem ganzen Völkerverkehrssystem eine andere Grundlage zu geben197.

Nach dem Schrecken des Ersten Weltkrieges wurde am 10. Januar 1920 der Völkerbund im Rahmen der Friedenskonferenzen in Paris gegründet198. Er war eine internationale Organisation mit Sitz in Genf199.

Die Kernelemente der Völkerbundsatzung hinsichtlich der Kriegs- und Friedensfrage waren in den Artikeln 8 und 9 die Abrüstungsbestimmungen, in den Artikeln 10 bis 16 die Gewährleistung und Sicherung des Weltfriedens und in Artikeln 11 bis 15 die Schiedssprechung bei internationalen Konflikten. Mit Hinblick auf das Kriegsrecht brachte Artikel 11 Absatz 1 der Völkerbundsatzung eine Wende: Ausdrücklich wird hiermit festgestellt, dass jeder Krieg und jede Bedrohung mit Krieg, mag davon unmittelbar ein Bundesmitglied betroffen werden oder nicht, eine Angelegenheit des ganzen Bundes ist, und dass dieser die zum wirksamen Schutz des Völkerfriedens geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat. Tritt ein solcher Fall ein, so beruft der Generalsekretär unverzüglich auf Antrag irgendeines Bundesmitgliedes den Rat.200 Mit diesen Worten wurde das klassische Verständnis des Völkerrechts in seinen Grundpfeilern erschüttert. Den Staaten wurde damit die Möglichkeit genommen mittels ihrer Souveränität den Kriegsbeginn selbst zu bestimmen und einen Angriff zu beginnen. Diese Möglichkeit stand nicht mehr dem Staat selbst zu, sondern nur mehr der Staatengemeinschaft. Im zuvor genannten klassischen Völkerrecht war die Entscheidung über Krieg und Frieden eine innerstaatliche politische Angelegenheit, welche keiner Kontrolle unterworfen werden konnte. Mit dem Völkerbund aber war eine solche internationale Organisation gegeben, welche die Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Krieges durchführen konnte. Die Bestimmungen in Artikel 11 bis 15 der Völkerbundsatzung (VBS) vermochten aber nicht den Krieg materiell zu regeln, sondern nur in formeller Hinsicht eine Regelung des bevorstehenden Krieges zu treffen.

197Viscount Edward Grey of Fallodon /Alfred H.Fried, Der Völkerbund- Ein Sammelbuch (1919) 10.

198 vgl. Hans J. Schlochauer /Herbert Krüger /Hermann Mosler / Ulrich Scheuner, Wörterbuch des Völkerrechts Band 3 Rapallo-Vertrag – Zypern, 597.

199 Art 7 VBS, vgl. Christian Meurer, Die Grundlagen des Versailler Friedens und der Völkerbund (1920) 107.

200 Artikel 11 Abs 1 Völkerbundsatzung, siehe auch Stephan Hobe /Otto Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 46.

- 41 - Zum Teil wurde hinsichtlich dieser Regelung von einem partiellen Kriegsverbot gesprochen:

Jeder Krieg, bei dem eine friedliche Streitbeilegung versucht wurde, war verboten. Auch wurde laut VBS der Krieg gegen jeden Staat, welcher die Empfehlung des Völkerbundrates zur Beilegung eines anschwellenden Konflikts angenommen hatte, verboten. Ein Staat, der den Schiedsspruch des Völkerbundrates akzeptierte, durfte ebenfalls nicht angegriffen werden.

Auch ist ein Angriff, welcher drei Monate nach dem Scheitern eines Schiedsversuches gestartet wurde, war verboten.201

Der Angriff gegen einen der Satzung unterliegenden Staat war ein Angriff gegen die kollektive Sicherheit des Völkerbundes und ein Bruch dessen Satzung und nicht, wie oftmals angenommen, ein Bruch des Friedensrechts. Bestraft im weitesten Sinn wurde hiermit nur die Nichteinleitung des dafür vorgesehenen Schiedsverfahrens202.

Artikel 11 VBS, welcher die Bestimmungen zur Erhaltung des Weltfriedens beinhaltet, war von Anfang an nicht von Erfolg gesegnet. Es bestand keine materielle Regelung hinsichtlich des Kriegs- oder Friedensrechts, sondern nur eine Vorbeugungsmaßnahme gegen den Krieg. In der VBS gab es somit kein generelles Gewaltverbot, welches den Krieg verbat und den Ausbruch und die Folgen des Krieges ächtete203.

Viele wichtige Themen wurden in dieser Zeit nicht behandelt, wodurch der Völkerbund zum Scheitern verurteilt war: Zu groß war das Eigeninteresse von einigen Staaten, welche nicht die Notwendigkeit eines Bündnisses verstanden, um Kriege zu verhindern. Schon im Jahre 1924 wurde dies von Hans Wehberger erkannt: Es ist jedoch eindringlich davor zu warnen von einer Fortbildung der Form des Völkerbundes allein irgendetwas Erhebliches zu erwarten. Die Zukunft des Völkerbundes hängt letzten Endes von der Stärke der moralischen Kräfte ab, die hinter ihm stehen. Auch ohne erhebliche Fortbildung des Völkerbundes wird der Bund Großes leisten können, wenn er anders als bisher, vom Geiste der Gerechtigkeit und Humanität beseelt wird.204

Ein Grund für das Scheitern des Völkerbundes war, dass ihm keinerlei Möglichkeit zur nötigen Zwangsgewalt bei der Durchsetzung von Beschlüssen durch die Satzung gegeben war205.

201 vgl. Stephan Hobe /Otto Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 47.

202 vgl. Otto Göppert, Der Völkerbund (1938) 491ff.

203 vgl. Wolfgang Vitzthum, Völkerrecht, 4. Auflage (2007) 643.

204 Walter Poeggel, Der Völkerbund als zwischenstaatliche Organisation für den Weltfrieden und die Haltung Deutschlands, Zum 75. Jahrestag der Gründung des Völkerbundes, Rosa-Luxemburg-Verein (1995) 62.

205 vgl. Hans J.Münk, Die Vereinten Nationen sechs Jahrzehnte nach ihrer Gründung- Bilanz und Reformperspektiven (2008) 8.

- 42 - Dadurch waren die Mitglieder frei in ihrer Entscheidung, ob diese die „Empfehlungen“

annahmen oder nicht206. Weiters zu kritisieren war das fehlende generelle Gewaltverbot, welches auch für den Friedensprozess der Frauen eine große Rolle gespielt hätte. Unterstützend zu alledem kam aber noch, dass es beim Völkerbund selbst an Universalität mangelte: Nie repräsentierte er eine gesamte Völkergemeinschaft. Im Jahre 1926 wurde Deutschland Mitglied, während die Sowjetunion erst 1934 beitrat. Zu diesem Zeitpunkt waren Japan, das Deutsche Reich und Italien schon wieder ausgetreten207.

Ein allgemeines Gewaltverbot, der Zusammenhalt von Staaten auf internationaler Ebene und vermehrte Miteinbeziehung von Frauen in internationale politische Prozesse haben Frauen schon Jahrzehnte vor dem Scheitern des Völkerbundes gefordert. Aufgrund all dieser Probleme löste sich der Völkerbund am 18. April 1946 auf. Die erstmaligen Versuche alle Staaten zu vereinen, ein gemeinsames Recht zu bilden und das Kriegsrecht zu reformieren, wurden in weiterer Folge von den Vereinten Nationen wieder aufgenommen und verbessert.

3. 6. 1 Frauen und das Kriegsrecht des Völkerbundes

Viele Frauen unterstützten die Gründung des Völkerbundes und befürworteten diese208.

Besonders hervorzuheben ist dabei der Zusammenschluss zur Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF)209. Gegründet wurde diese Ende 1915 in Den Haag, nachdem unter anderem 28 deutsche Frauen, aber auch Jane Addams, die als besondere Vorreiterin im weiblichen Friedensprozess galt, sich für diese Liga aussprachen. Jane Addams war eine Vorreiterin der amerikanischen feministischen Bewegung und engagierte sich als Journalistin und Kämpferin für die Friedensbewegung in den 1920ern. 1931 erhielt sie den Friedennobelpreis210. Die IFFF schloss sich zusammen, um die Abrüstung weiter voranzutreiben und Friedensverhandlungen im Sinne der Vereinigung zu unterstützen211. Parallel zur Gründung des Völkerbundes fand die Zweite Internationale Frauenkonferenz in Zürich statt212. Insgesamt nahmen 150 Frauen aus 16 Ländern daran teil. Sie rügten den Inhalt

206 Art 10 VBS, vgl. Norman Weiss, Kompetenzlehre internationaler Organisationen, 110.

207 vgl. Pit Pietersen, Kriegsverbrechen der alliierten Siegermächte (2006) 112.

208 vgl. Anja Schüler, Frauenbewegung und soziale Reform (2004) 148.

209 vgl. Detlef Junker/Manfred Berg/Philipp Gassert, Deutschland und die USA in der Internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts (2004) 233.

210 vgl. Cathy Eberhart, Jane Addams (1860- 1935): Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Reformpolitik (2009) 45.

211 vgl. Birgit Sack, Zwischen religiöser Bindung und moderner Gesellschaft: Katholische Frauenbewegung und politische Kultur in der Weimarer Republik (1918/19-1933) (1998) 231.

212 vgl. Heidi Meinzolt, Quotierung der Weltsicherheit: Genderperspektiven zur UNO-Reform (2008) 1., http://www.wilpf.de/cms/upload/pdf/Quotierung_der_Weltsicherheit.pdf (Stand 5. Juli 2011).

- 43 - des Versailler Friedensvertrages, welcher keine tauglichen Friedensbedingungen enthielt, die für einen gerechten und dauerhaften Frieden sorgen konnten213. Zu den Forderungen der Frauen gehörte auch jene der vollständigen Abrüstung. Weitere Forderungen der Frauen waren ein Weltwirtschaftsplan, damit kein Finanzfiasko aufkommen könnte und die Gleichstellung von Männern und Frauen214. Sie unterstützten Woodrow Wilson bei der Völkerbundsidee, welcher von der Mobilisierungskraft der Frauen so sehr beeindruckt war, dass die Vorschläge aus der Frauenkonferenz teilweise wörtlich in die Völkerbundsatzung übernommen wurden215. Zwar waren hierbei nicht unmittelbar Frauenrechte betroffen, aber bemerkenswert ist, dass Frauen die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Meinungen schriftlich festzuhalten und in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Durch das Verständnis der Frauen, dass es im Krieg nicht vorwiegend um Geld, um Eigentum oder um Macht ging, sondern die Zivilbevölkerung dem Kriegsgeschehen schutzlos ausgeliefert war, konnte die VBS dem in gewissen Schritten vorbeugen. Direkt zu den Vorverhandlungen aber war keine einzige Frau geladen, weshalb von einer starken Beeinflussung nicht gesprochen werden konnte.216.

Speziell nach dem Ersten Weltkrieg stand das Verbot des Frauenhandels an erster Stelle. Sie wurden als Kriegsbeute verschleppt, zwangsprostituiert und verkauft, um damit Geld für das Leben nach dem Krieg zu erhalten. In Artikel 23c VBS findet sich das Verbot des Frauenhandels, mit welchem es dem Völkerbund möglich war die Abkommen über den Frauenhandel zu überwachen. Unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg wurden Fragebögen an die Mitgliedstaaten und NGO´s geschickt um Fortschritte, Gegenmaßnahmen, gesetzliche Grundlagen und behördliche Handhabung zu dokumentieren. Auch ein Funktionär zur Beseitigung des Mädchenhandels wurde eingestellt und ein Komitee gegründet217.