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5. 1 Abkommen, Übereinkommen und Päkte

Erst spät wurde ein besonderer Frauenschutz im Krieg erlassen. Dies geschah vor allem durch die auf den nächsten Seiten genannten Abkommen, Übereinkommen und Päkte.

5. 1. 1 Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte 1966

Zuallererst stehen Frauen die „normalen Menschenrechtsnormen“ des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte aus dem Jahre 1966 zu. So hat die Frau (wie alle Zivilisten) eine Garantie auf das Recht auf Leben311, auf das Verbot von Folter, oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe312 und der Freiheit und Sicherheit der Person313. Diese Normen beinhalten allerdings keinen speziellen Frauenschutz, sondern sind die Grundlage für zukünftig verfasste Verträge.

5. 1. 2 Das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe 1984

Dieses Übereinkommen beinhaltet zwar keinen generellen Schutz der Frau während Kriegszeiten, jedoch galt dieses seit Erlassung ohne Ausnahme auch während diesen. Artikel 1 dieses Übereinkommens gibt eine klare Definition des Wortes Folter, worunter auch die Vergewaltigung oder Zwangsprostitution als schwerste Verbrechen fallen: Als Folter ist jede

311 vgl. Artikel 6 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte.

312 vgl. Artikel 7 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte.

313 vgl. Artikel 9 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte.

- 61 - Handlung zu verstehen, durch die durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, … oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen…. Staaten werden in diesem Abkommen verpflichtet, dass diese die Folter verhindern314 und dass sie die TäterInnen bestrafen315.

5. 1. 3 Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes

Wichtig ist, dass bei diesem Thema eigene Tatbestände vorhanden sind, welche vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt werden können: Das Rom- Statut des IGH, welches 1988 verabschiedet wurde, beinhaltet diese316. Angeklagt werden können sowohl das Verbrechen des Völkermordes, als auch die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression. Das Verbrechen der Aggression konnte bisher aber mangels Definition aktuell nicht judiziert werden317.

Ein Bespiel für die Entwicklung des Art 6 lit d, e ICC ist die Geschichte der Kinder von Lidice318: Nach dem Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor und Chef der Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich, welches sich im Jahre 1942 in Prag ereignete, ließ Hitler als Repressalie alle erwachsenen Männer aus Lidice erschießen, Frauen wurden in Konzentrationslager gebracht. Die Kinder aber sollten, wenn sie dazu fähig waren

„eingedeutscht“ werden. So zog das internationale Strafrecht mit der Konvention der VN über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 09. Dezember 1948 die Konsequenz und fügte in Artikel 2 lit d als Tatbestandsmerkmal die Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind ein. Nahezu wortgleich wurde diese Bestimmung in das Römische Statut übernommen. Mit der Geburtenverhinderung sind somit auch Frauen betroffen, weil ihnen die Möglichkeit genommen wird weitere Generationen zu zeugen. Artikel 1 dieser Konvention verbietet Derogationsmöglichkeiten.

314 vgl. Artikel 2, 10, 11, 15, 16 Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (1984).

315 vgl. Artikel 4, 5, 6, 7, 8 Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (1984).

316 vgl. Stefan Kirsch, Begehungszusammenhang der Verbrechen gegen die Menschlichkeit (2009) 23.

317 vgl. Peter Becker / Reiner Braun / Dieter Deiseroth, Frieden durch Recht (2010) 157.

318 vgl. Jiří Burgerstein, Tschechien (1998) 60.

- 62 - Systematische Vergewaltigungen erfüllen den Tatbestand des Völkermordes319: Im Sinne dieses Statuts bedeutet "Völkermord" jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören - Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe; Allein im vorigen Jahrhundert fanden sich traurige Zeugnisse, dass systematische Vergewaltigungen keine Seltenheit sind, etwa die Vergewaltigung von Belgierinnen durch deutsche Soldaten während des Ersten Weltkrieges, aber auch während des Zweiten Weltkrieges durch deutsche und russische Soldaten. Interkontinental findet man ebenfalls dutzende Beispiele für diese Taten: Afghanistan, Haiti, Indien, Osttimor und der Kosovo sind nur wenige Beispiele für diese grauenhaften Taten320. Zwar nennt das ICC die Vergewaltigung nicht direkt Genozid, jedoch lässt sich dies durchaus rechtfertigen: Artikel 6 lit b ICC verlangt einen schweren körperlichen oder seelischen Schaden als Tatbestandsmerkmal321. Seelische Qualen sind schon dadurch gegeben, dass Frauen in vielen Gebieten mit gesellschaftlichen Konsequenzen rechnen müssen. Körperliche Folgen liegen meist nicht vor, jedoch genügen die seelischen Qualen, wenn diese mit der erforderlichen Intention veranlasst werden. Somit können auch Vergewaltigungen ohne Todesfolge genozidal sein. So entschied auch das Ruanda Tribunal im Akayesu-Urteil, indem er die Vergewaltigung der Tutsi Frauen als Genozid- Element verurteilte, dass diese als Kriegsstrategie durchgeführt wurden und sie somit nicht in einer Grauzone der Straflosigkeit verschwinden durften322. Das ICTR- Statut, welches das Statut des ad-hoc Gerichtshofes von Ruanda ist, bezeichnet die Vergewaltigung als besonderen Fall der Beeinträchtigung der persönlichen Würde323. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Vergewaltigung an Männern und Frauen eine Verletzung des humanitären Rechts ist. Ein negativer Aspekt des ad-hoc Statuts des ICTR und des ICTY ist aber, dass diese keine Definition der Vergewaltigung geben. Somit muss jedes Statut im Einzelfall entscheiden, ob eine Vergewaltigung vorliegt324.

319 vgl. Artikel 6 lit b ICC.

320 vgl. Sven-U.Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschheit: Sexualisierte Gewalt, Makrokriminalität und Völkerstrafrecht (2005) 66f.

321 Artikel 6 lit b ICC.

322 vgl. Gerhard Werle/ Florian Jessberger, Völkerstrafrecht, 280.

323 Artikel 4 lit e ICTR- Statut.

324 vgl. Robert Heinsch, Die Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts durch die Strafgerichtshöfe des ehemaligen Jugoslawien und Ruanda: Zur Bedeutung von internationalen Gerichtsentscheidungen als

Rechtsquelle des Völkerstrafrechts (2007) 199.

- 63 - Auch Artikel 7 Abs 1 lit g ICC verurteilt die Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Verbrechen gegen die Menschlichkeit fand erstmals Eingang in den Artikel 6 lit c des Statutes des Internationalen Militärgerichtes von Nürnberg325.

Im Römischen Statut setzt dies voraus, dass ein ausgedehnter und systematischer Angriff gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffes begangen wird326. Der Ursprung, dass die Vergewaltigung Teil des lit g dieses Artikels wurde, findet sich im ehemaligen Jugoslawien.

Zielgerichtet wurden Frauen vor den Augen ihrer Kinder und Familienangehörigen vergewaltigt, oder aber so lange inhaftiert, dass eine Abtreibung aus medizinischer Sicht nicht mehr möglich war. So wurde eine Unzahl von Frauen mit den Worten wir schicken euch kleine Serben in die Heimat zurückgebracht327. So wurde die Vergewaltigung neben der sexuellen Sklaverei, der Nötigung zur Prostitution, der erzwungenen Schwangerschaft, der Zwangssterilisation328 und jeder anderen Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere ein Tatbestandsmerkmal der Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Römischen Statutes.

Artikel 8 Absatz 2 lit b, xxii des ICC stellt die Vergewaltigung als Kriegsverbrechen unter Strafe, soweit dies ebenfalls eine schwere Verletzung der Genfer Abkommen darstellt329.

Die Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt an Frauen erfährt durch das ICC in drei Anklagepunkten besonderen Schutz, sodass keine Rechtslücke entstehen kann, wodurch sich Rechtsbrecher nicht in Sicherheit wahren können.