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2. Literatur und theoretische Grundlagen

2.5 Umwelt-, Natur-, Biotop und Artenschutz

2.5.1 Ursachen und Trends

Der seit mehreren Dekaden internationalisierte Arten- und Naturschutz hat für die Mitgliedsstaaten der EU mit der FFH-Richtlinie 92/43/EWG und der Vogelschutzrichtlinie 79/409/EWG, ersetzt durch 2009/147/EG, einen Rahmen geschaffen, in dem grenzüberschreitenden Belange des Erhalts und des Schutzes des Naturerbes, von Flora und Fauna sowie Lebensgemeinschaften, direkt in die Staaten hineinwirken und damit rechtsverbindlich sind. Zusätzlich sind in den einzelnen Staaten deren eigene Naturschutzbelange in Form von speziellen Natur- und Artenschutzgesetzen rechtsverbindlich.

Hintergrund für diese Richtlinien war und ist u.a. der beobachtete Lebensraumverlust für viele Arten und Lebensgemeinschaften sowie zusätzlich negative Umweltauswirkungen durch Industrie und Gewerbe (Meador, 1996; Schäfer und Metzger, 2009), Land- und Forstwirtschaft (Conway und Pretty, 2013: 17–93) und Habitatverlust und genetische Isolierung durch Städtebau, Flurbereinigung und Verkehrswegenetze (Mader, 1984; Murphy, 1988; Harris, 1989;

Bender et al., 1998; Millenium Ecosystem Assessment, 2005b). Für eine vergleichende Zusammenfassung siehe auch Wittig (2012: 260). Aus diesem Ursachenkomplex resultierte damals aber auch teilweise bis zum heutigen Zeitpunkt ein beobachteter Rückgang der Häufigkeit bzw. Verringerung der Gesamtpopulation vieler Tier- und Pflanzenarten und Lebensgemeinschaften (Wilson, 1988; EEA, 2013b; EEA und Publications Office of the European Union, 2015; Wahl et al., 2015; Habel et al., 2016; Deutscher Bundestag, 2017a).

Der bereits vor 1950 vorhandene Trend der Ersetzung iodochorer Florenelemente durch

Epökophyten aus anderen Florengebieten, also Archäophyten und Neophyten, ist rückläufig (Schroeder, 1998: 405f).

Dabei existiert eine Korrelation des Gefährdungsgrades v.a. von Pflanzenarten und der Bevorzugung relativ extremer Biotope. Für Deutschland sind folgende Artengruppen besonders gefährdet (Wittig, 2012: 254):

• Arten die sich am Rande ihres natürlichen Verbreitungsgebietes befinden bzw. nur extrazonal vorkommen

• Arten wasserhaushaltsmäßig extremer Standorte

• Arten oligotropher Standorte

• Arten saurer Standorte

Als Schlussfolgerung ergibt sich eine Gefährdung der Gemeinschaften dieser Standorte.

(Schroeder, 1998: 405f) führt an, dass der Rückgang der Sippengarnituren von Epökophyten und Apophyten insbesondere die meso- bis euhemeroben Standorte betrifft.

Die Effizienz von Artenschutzmaßnahmen wird immer wieder evaluiert. Der Flächenschutz, also der Schutz mittels Naturschutzgebieten, wurde für Schleswig-Holstein in den 1970er Jahren als unzureichend erkannt, da die Mehrzahl der der gefährdeten Pflanzenarten außerhalb dieser Gebiete lag und Vorkommen rückläufig waren (Raabe, 1979 in Wittig, 2012: 258).

Der Biodiversitätsverlust kann u.a. als das Überleben der Menschheit selber gefährdend betrachtet werden (Cardinale et al., 2012), da er für die Menschheit notwendige Ecosystem services (Millenium Ecosystem Assessment, 2005b; TEEB, 2010) beeinflusst. Durch vielfältige oder besondere Maßnahmen im Umweltschutz, wie das DDT Verbot in den 1970er Jahren, aber auch durch Investitionen in den Artenschutz und Unterschutzstellung und die damit verbundenen Maßnahmen konnten und können für Populationen stabilisierende Effekte erzielt werden (Mammen und Stubbe, 2004; Donald et al., 2007; EEA und Publications Office of the European Union, 2015; Waldron et al., 2017). In vielen Fällen, trotz der vielfältigen Maßnahmen, ist aber eine weitere, teilweise kritische, Verringerung der Gesamtpopulationen zu verzeichnen, bis hin zum Aussterben von Arten im europäischen oder deutschen Kontext (EEA und Publications Office of the European Union, 2015; Bundesamt für Naturschutz, 2015;

Deutscher Bundestag, 2017b). Auch im globalen Kontext sind in den letzten Jahren viele Arten ausgestorben oder einem hohen Risiko des Aussterbens ausgesetzt (Cardillo et al., 2008;

Nach Schroeder (1998: 406) hat bis ca. 1950 der menschliche Einfluss in Mitteleuropa sowohl eine Zunahme der Standortdiversität als auch der Artenanzahl in der Flora verursacht. Seitdem verringert sich die standörtliche und floristische Vielfalt (in der Landschaft), verursacht hauptsächlich durch Mechanisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft. Maßgeblich hierbei ist die Beseitigung der natürlichen Standortvielfalt, übermäßige Düngung und die großflächige Anwendung von Herbiziden. Dadurch sind von den ehemals euhemeroben Pflanzengesellschaften immer größere Flächen in einen polyhemeroben Zustand übergewechselt, indem eine Veränderung der natürlichen Standortbedingungen induziert wurde. Siehe hierzu auch Abbildung A-16. Nur die Waldstandorte sind weitestgehend wenig verändert (Schroeder, 1998: 404). Zu grundsätzlich ähnlichen Aussagen kommt Dierschke (1994: 56-59). Zu Hemerobiegraden vergleiche auch Dierschke (1998: 66-73).

Nach Korneck et al. (1998, in Wittig, 2102: 256f) sind die wichtigsten Gefährdungsursachen für Gefäßpflanzen: Intensivierung der Nutzung und Nutzungsaufgabe durch die Landwirtschaft, Irreversible (durch Bebauung) und reversible Zerstörungen der Standorte, Nährstoffeinträge und die Unterbindung von Dynamik.

Thermophile Arten wie die Zaun- und Mauereidechse, die einen natürlichen Verbreitungsschwerpunkt eher im mediterranen Raum haben, kommen aber auch außerhalb Ihres natürlichen Verbreitungsschwerpunktes vor und breiten sich z.B. entlang von Bahnanlagen aus (Dudek, 2015). Weil sie deshalb Kulturfolger sind, müssen solche Arten in neubesiedelten Regionen nach FFH-RL nicht geschützt werden (Kapitel 2.4.3.3, Europäische Kommission, 2007: 10ff; Laufer, 2014; Bundesamt für Naturschutz, 2016).

Da Festungsstandorte z.B. auch Quartier für diese Eidechsenarten aber auch andere thermophile Reptilien sein können, müssen daher bei Standortentwicklungen zwingend auch Belange dieser beiden Richtlinien berücksichtigt werden, unabhängig vom geographischen Standort dieser Anlagen. Hierbei sollten Vorgaben der fachlich begründbare Habitatklassifikationen nach Europäische Kommission (2007) umgesetzt werden.

Durch die (scheinbar) fehlende Abstufung der Gefährdungssituation einzelner Arten und Gemeinschaften in o.g. Richtlinien analog zur IUCN-Listung oder zu nationalen Gefährdungseinstufungen, kann eine Gefährdungsabschätzung nach EU Recht nur bedingt umgesetzt werden. Siehe aber auch die Ausführungen zu FFH-RL Anhang II, IV und V Arten in Kapitel 2.4.3.3 sowie Europäische Kommission (2007). Zudem ist hier vordergründig die Überprüfung und Evaluation der Korrektheit oder die Veränderung der Listen politisch quasi

unmöglich oder war bei der Ausarbeitung der Richtlinien nicht gewollt. Um eine innereuropäische Evaluation der Gefährdungsabstufung umzusetzen, wurde allerdings nach Maßgabe der IUCN Kategorien eine „Europäische Rote Liste“ sukzessive aufgebaut die zum Teil zum Zeitpunkt der Einsicht noch unvollständig ist (IUCN, 2010).