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2. Literatur und theoretische Grundlagen

2.10 Fledermäuse

In Europa sind derzeit 51 Arten bekannt und im Rahmen des EUROBATS Abkommen (EUROBATS, 2018) sowie nach Anhang IV der FFH-RL geschützt. Zusätzlich sind nach Anhang II der FFH-RL 14 Arten besonders geschützt. Hintergrund für den Schutz sind nach EUROBATS (2015) hauptsächlich folgende Aspekte:

• Verlust von Brutquartieren (roosts)

• Verlust von Nahrungsarealen (feeding areas)

• Insektensterben durch landwirtschaftlichen Pestizideinsatz

• Zunahme von Pestiziden im Baumaterial

• Vorurteile und Unverständnis.

Derzeit befinden sich im Gesamtkontext die europäischen Arten in einem guten Zustand, wobei für einige Arten Indikatoren dafür existieren, dass ein Populationsrückgang existiert (EEA, 2013a). Vergleichszeitraum ist die Spanne zwischen 1993-2011.

Derzeit sind 3 Arten, Eptesicus serotinus, Myotis daubentonii und Myotis dasycneme, vom European Bat Lyssavirus (Fledermaustollwut) befallen (Krapp und Niethammer, 2011: 540f).

Das White Nose Syndrom (WNS) verursacht in Europa im Vergleich zu Nordamerika keine Massensterben, obwohl es in den meisten Ländern Europas nachgewiesen ist (Frick et al., 2016:

254-257). Zu weiteren Gefährdungsursachen von Fledermauspopulationen und dem Umgang damit siehe auch Altringham et al. (2011: 243-284).

Ökologisches Verhalten

Innerhalb eines Jahres suchen Fledermäuse oftmals unterschiedliche Quartiere auf:

• Winterquartiere

• Sommerquartiere und Paarungsquartiere

• Zwischenquartiere, v.a. während der Wanderungen zwischen den Sommer- und Winterquartieren.

Es sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Quartierstypen von Fledermäusen bekannt:

Höhlen- und Felsspaltenbewohner sowie Baumbewohner (Borke, Baumlöcher und Spalten) (Altringham et al., 2011: 130-150), wobei Unterschiede teilweise verschwimmen können.

Ebenso sind Fledermäuse in vielen durch den Menschen geschaffenen Orten anzutreffen, wie in Minen, Kellern, Dachböden, Nistkästen oder in Mauerspalten und häufig nur dort, wie Eptesicus serotinus und Pipistrellus pipistrellus (ebenda). Zur Quartierswahl und Habitatnutzung von E. serotinus im urbanen Raum von Berlin-Spandau siehe Rosenau (2001).

Systematische Erhebung für das gesamte Stadtgebiet von Wien finden sich in Hüttmeir et al.

(2010). Ersatzhabitate, wie unterirdische Bunkerstrukturen des Nietoperek Nationalparks oder

aber auch während der Saison in Ermangelung anderer natürlicher geeigneter Strukturen genutzt (Krapp und Niethammer, 2011: 140f). Zur (fakultativen) Synanthropie von Fledermäusen vergleiche auch Voigt et al. (2016).

Höhlenbewohnende Arten sind gegenüber baumbewohnenden Arten auch innerhalb des Jahres tendenziell standorttreuer (Mitchell-Jones et al., 2017: 6). Zudem werden Bäume und deren Ritzen, Höhlen oder Spalten vor allem von wandernden Fledermausarten wie Nyctalus noctula, Nyctalus leisleri oder Pipistrellus nathusii als Quartiere ganzjährig, also auch während der Überwinterung, genutzt (Dietz et al., 2007: 94). Eine kurze überblickende Zusammenfassung zur Quartierwahl findet sich in Dietz et al. (2007: 96-98).

Typische ganzjährige Höhlenbewohner sind Rhinolophus spec., Myotis myotis v.a. im nördlichen Verbreitungsgebiet, Miniopterus schreibersii, Myotis oxygnathus, Myotis capaccinii (Dietz et al., 2007: 93-98; EUROBATS, 2016).

Zudem gibt es relative standortreue Arten, u.a. Rhinolophus spec., P. pipistrellus, Myotis bechsteinii sowie wandernde bzw. wanderfähige Arten, z.B. Myotis myotis, Myotis dasycneme, Nyctalus noctula, N. leisleri, Pipistrellus nathusii und Vespertilio murinus (Dietz et al., 2007:

68-69).

Vor allem in frostgefährdeten Regionen suchen Fledermäuse Winterquartiere auf, die frostfrei und mit der für sie idealen Temperatur- und Luftfeuchtigkeit ausgestattet sind. Diese finden sie häufig in unterirdischen Quartieren wie Höhlen, Kellern, Bergwerken sowie Kasematten oder anderen unterirdischen Strukturen von Festungsbauwerken oder Schlössern. Hintergrund ist der relativ hohe aber artenspezifisch unterschiedlich ausfallende Wasserverlust (Webb, 1995), auch während des Winterschlafes, der auch durch ein Aufwachen während der Winterruhe um zu trinken, ausgeglichen werden muss. Zusätzlich ist es möglich, dass während der eigentlichen Winterruhe Arten oder Individuen aufwachen, um zusätzlich zur Wasseraufnahme Nahrung zu suchen. Zudem bewegen sich v.a. größere Spezies häufiger als kleinere Spezies während der Winterruhe innerhalb des Winterquartiers (Altringham et al., 2011: 105-109). Größere Arten, wie z.B. Nyctalus noctula, überwintern auch in Baumspalten oder Borken und bilden dort oft kleinere Gruppen (ebenda).

Für das Aufsuchen geeigneter Plätze für die Winterruhe müssen von wandernden Baumbewohnern und allen nicht standorttreuen Höhlenbewohnern teilweise längere Strecken, bis zu mehreren hunderten von Kilometern zurückgelegt werden. Teilweise werden Strecken

deutlich über 1000km zurückgelegt, wobei v.a. Gebirge aufgesucht werden (Dietz et al., 2007:

68-75). In diesen hängen dann die einzelnen Individuen artenabhängig oder in großen Gruppen, wobei die Gruppengröße von der Umgebungstemperatur abhängig ist: je wärmer das Quartier umso kleiner die Gruppen (Altringham et al., 2011: 107ff). Zusätzlich werden solche Orte auch von anderen Quartierstypen aufgesucht und ganzjährig genutzt: „Underground habitats, such as caves, mines, fortifications and tunnels, play a vital role in the life-cycle of many European bat species, which use them as hibernation, breeding and transitional roost-sites, including during migration. Particularly in the latter case, it is often difficult to establish the importance of sites, owing to the transitory nature of their occupation.“ (EUROBATS, 2016).

Männliche Individuen wandernder Arten kehren oftmals nicht mehr in die Fortpflanzungsgebiete zurück und verbleiben in wärmeren Arealen (Dietz et al., 2007: 71f).

In den verschiedenen EUROBATS-Arealstaaten sind mindestens 33 Fledermausarten stark oder mittelmäßig abhängig von Quartieren in Schlössern/ Befestigungsanlagen (Marnell und Presetnik, 2010). Derzeit sind innerhalb Europas (Stand 2014) insgesamt 1895 unterirdische Habitate bekannt und gemeldet, davon 181 in Festungsanlagen. Der Großteil der unterirdischen Quartiere findet sich in Höhlen (900 Orte bzw. 47,6%) (EUROBATS, 2016). Insbesondere im mitteleuropäischen Tiefland Deutschlands, Polens sowie der baltischen Staaten aber auch in Belgien sind Festungen permanente oder temporäre Quartiere für Fledermäuse (ebenda sowie Abb. A-28). In Polen ist der Nietoperek Nationalpark bestehend aus Festungsanlagen/ Bunkern des 20. Jahrhunderts der wichtigste Standort. Hier wurden bis zu 32.000 Individuen gezählt. In der Zitadelle Spandau Berlin (D) zum Vergleich etwa 11.000 Individuen (EUROBATS, 2016).

Neben den eigentlichen Höhlen- oder Felsspaltenbewohnern existieren Arten die v.a. im Sommer aber auch während der Migrationen andere Strukturen, wie Baumhöhlen, geeignetes Altholz in Wäldern oder Parks, insbesondere als Wochenstuben nutzen. Gegebenenfalls werden unterirdische Quartiere wie Höhlen oder Keller als Zwischenquartiere genutzt, in denen aber so gut wie nie Wochenstuben vorzufinden sind. Zu diesen Arten zählen nach Krapp und Niethammer (2011): Myotis bechsteinii, Plecotus auritus, Myotis nattereri, Myotis brandtii, Myotis myotis, Nyctalus noctula, Nyctalus leisleri, Barbastella barbastellus (Überwinterung in Höhlen oder anderen Orten, Dietz et al. (2007: 94), Pipistrellus nathusii und Myotis daubentonii.

Abbildung 2: bekannte Nutzung von unterirdischen Strukturen durch Fledermausarten, Stand 2014, Daten nach EUROBATS (2016)

Fledermäuse sind dämmerungs- und nachaktive Insektenjäger und jagen je nach Art unterschiedliche Insekten. Die Jagdgebiete sind je nach Art unterschiedlich und lassen sich nach folgenden Kategorien aufstellen (vergleiche die Artenbeschreibungen in Krapp und Niethammer, 2011 und Dietz et al., 2007):

• in oder über Wäldern sowie an Waldrändern (die meisten Baumbewohner)

• freier Luftraum (N. noctula)

• über oder entlang von Wasserflächen (z.B. M. daubentonii)

• alle Jagdgebiete (B. barbastellus)

• Aufnahme vom Boden oder von Objekten (M. bechsteinii, P. auritus)

• Jagd im Offenland (Plecotus austriacus, Myotis oxygnathus)

Distanzen zwischen Jagdgebieten und Wochenstuben können sehr unterschiedlich groß sein, und auch intraannuell variabel sein. Nyctalus noctula hat oftmals keine festes Jagdgebiet (Dietz et al., 2007: 99f)

66,5%

15,2%

12,2%

2,3% 3,9%

hauptsächliche Nutzung unterirdischer Habitate durch Fledermäuse

Überwinterungsquartier

ganzjähriges Quartier

saisonale Aufzuchtstätte

Zwischenquartier bei Migrationen

andere Nutzungen