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Pflanzensoziologische Klassifizierungen und Methodiken

2. Literatur und theoretische Grundlagen

2.2 Ökosystemtypen und natürliche Lebensgemeinschaften Mitteleuropas

2.2.1 Klassifizierungsansätze und –systematiken

2.2.1.3 Pflanzensoziologische Klassifizierungen und Methodiken

„Ein wesentlicher Gegenstand pflanzensoziologischer Arbeiten besteht darin, an konkreten Pflanzenbeständen im Gelände die abstrakten Vegetationseinheiten (Syntaxa) nach definierten Kriterien zu beschreiben und voneinander abzugrenzen“ (Pott, 1992: 32). Die Syntaxonomie ist daher als das Ergebnis des Versuches einer pflanzensoziologischen Systematisierung und Kategorisierung um- und beschreibbar. Hierbei werden analytische Merkmale, wie Abundanz, Dominanz, Frequenz, Soziabilität, Vitalität, sowie synthetische Merkmale, wie Gesellschaftsstetigkeit und Gesellschaftstreue, Minimum-Areale von Arten und Bestände in Gesellschaften betrachtet. Die Auswertung von Vegetationsaufnahmen durch statistisch-mathematische Verfahren, wie Ermittlung der mittleren Artenzahl, des mittleren Deckungsgrades sowie der Berücksichtigung anderer ableitbarer Daten, z.B. ökologische Zeigerwerte, bildet dabei die Grundlage der Herausarbeitung eines „sauberen Typus“. Dabei werden u.a. diagnostische Arten von Pflanzenbeständen (Charakter- und Differentialarten) und damit von Gesellschaften ermittelt (Pott, 1992: 32ff; Dierschke, 1994: 270-350). Braun-Blanquet schuf ab den 1920er Jahren für Deutschland und Mitteleuropa die bislang gebräuchlichste Gesellschaftssystematisierung. Durch die relative lange wissenschaftliche Auseinandersetzung ist das System bzw. die Syntaxonomie für den deutschen und mittel-europäischen Raum detailliert herausgearbeitet (Pott, 1992; Ellenberg, 1996).

Gesellschaftstreue ist, unabhängig vom Deckungsgrad der Art, die „Festigkeit“ der Bindung der Art an eine Gesellschaft und dient einer „mehrdimensionalen Gesellschaftsgliederung“

(Dierschke, 1994: 276), z.B. in Charakter-, Differential- und Begleitarten.

Charakterarten prägen eine Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen einer Klassifikation durch ihre Stetigkeit und Gesellschaftstreue und sind dabei meistens Namensgeber der Hauptrangstufen. Sie sind aber nicht auf ein Syntaxon beschränkt.

Differentialarten von Gesellschaften und Gesellschaftskomplexen haben z.B. genetische, feuchtigkeitsbedingte, nährstoffbedingte oder geographische Ursachen ihrer An- oder Abwesenheit. Es lassen sich daher syntaxonomische, synökologische, synchorologische, syndynamische Typen von Differentialarten unterscheiden (Dierschke, 1994: 273f), die aber meist erst relevant unterhalb der Assoziationsebene werden (Dierschke, 1994: 303ff).

Begleitarten treten auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaftskomplexe auf, sind aber in ihren erfassbaren Merkmalen, wie Stetigkeit, Abundanz indifferent (nicht gesellschaftsbestimmend).

Durch die mehrdimensionale Gesellschaftsgliederung der Syntaxonomie werden Gesellschaftskomplexe hierarchisch systematisiert. Hierbei wird nach dem System von Braun-Blanquet mittels Rangstufen die Hierarchie verbindlich festgelegt und syntaktisch identifizierbar gemacht:

Klassengruppe – Klasse – Ordnung – Verband – Assoziation KG – K – O – V – A

-ea – -etea – -etalia – -ion – -etum.

Entsprechend der Klassifikation können Charakter- (C) oder Differentialarten (D) in verschiedenen Ebenen vorkommen z.B. CKG, DO usw. Charakter- und Differentialarten sind dabei in der Nomenklatur der Rangstufen namensgebend. Gegebenenfalls können neben den o.g. Hauptrangstufen Zwischenrangstufen notwendig werden (Dierschke, 1994: 294-297):

Unterverband – Unterordnung – Unterklasse UV – UO – UK

-enion – -enalia – -enea

Es können allerdings auch Gesellschaften auftreten, die keine Charakterarten aufweisen, da diese oftmals sensible Standortzeiger sind, und damit eine syntaxonomische Eingliederung in das Braun-Blanquet System schwierig ist. Insbesondere betrifft dies (stark) anthropogen beeinflusste Standorte. Die Unvollständigkeit bzw. Abnormität der Gesellschaft z.B. auf Assoziationsebene wird durch die Begriffe Fragment-, Basal- und Derivatgesellschaft beschrieben. Ebenso erschweren Neophyta die Syntaxonomie (Dierschke, 1994: 322-326).

Synsoziologie

Die Synsoziologie ist die soziologische Erfassung und Auswertung von Vegetationskomplexen, mit zwei grundsätzlichen Ansätzen: der systematisierende und der naturräumliche Ansatz. Der systematisierende Ansatz bestimmt vor allem das Inventar in ökologisch homogenen Landschaftsteilen und arbeitet Komplextypen durch Vergleichsaufnahmen heraus. Der naturräumliche Ansatz erfasst und kartiert Vegetationskomplexe für eine naturräumliche Gliederung unter geomorphologischen oder Nutzungsaspekten (quasi) homogener Raumeinheiten bzw. benutzt Raster als Erfassungs- und Auswertungsbasis. Beide Verfahren versuchen Komplextypen (Sigmeten) zu identifizieren und in größere Einheiten (Geosigmeten) zusammenzufassen (Dierschke, 1994: 516ff). Abb. A-14 veranschaulicht hierbei das Konzept.

Hierbei darf man auch nur mit lokalen Vegetationstypen arbeiten (Dierschke, 1994: 516-519).

Geosigmeten sind oftmals äquivalent zu Wuchs- oder Vegetationsgebieten, die somit vorherrschende Gesellschaften abbilden und Landschaftskomplexe inklusive aller Ersatz- und Naturgesellschaften umfassen. Die Beschreibung des Gesellschaftsinventars von Sigmeten und Geosigmeten lehnt sich dabei eng an die syntaxonomischen Übereinkünfte an bzw. übernimmt diese als Grundbaustein der Nomenklatur: Das Betulo-Querceto-Geosigmetum der nordwestdeutschen Altmoränengebiete enthält z.B. das Betulo-Querceto-, das Fraxino-Ulmeto- oder das Querco-Carpineto-Sigmetum (Dierschke, 1994: 522f).

Die Synsoziologie berücksichtigt entsprechend obiger Kurzdarstellung auch geographische Aspekte. Die verstärkte Berücksichtigung des geographischen Kontextes (Geosynsoziologie) versucht dabei mittels beschriebener Methodiken eine Landschaftsgliederung nach Wuchsformen und pflanzensoziologischen Aspekten zu erreichen.

Synchorologie

Die Synchorologie beschäftigt sich mit Fragestellungen räumlicher Beziehungen von Gesellschaftsarealen, d.h. mit Areal-Kerngebieten und Arealgrenzen, für das ein klares syntaxonomisches und großräumiges Bezugssystem notwendig ist. Dieses lässt sich erst durch großräumige pflanzensoziologische Untersuchungen herstellen (Dierschke, 1994: 576). Für übergeordnete Klassifizierungen dienen Arealdiagnosen, Arealtypen und Florenelemente.

Arealdiagnosen nutzen geographisch bedingte abiotische Faktoren der Florenzonen (Abb. A-14), Ozeanität (Abb. A-13) und Höhenstufen (Dierschke, 1994: 537-546) zur Abgrenzung und Charakterisierung.

Arealtypen ergeben sich aus ähnlichen Arealdiagnosen. Nach Meusel und Jäger (1992) kann die mediterran-mitteleuropäische Flora in 12 Arealtypengruppen und insgesamt 130 Arealtypen unterteilt werden.

Mittels der Zuordnung von Florenelementen kann man insbesondere den Verbreitungsschwerpunkt bestimmter Arten einfacher darstellen als mit Arealtypen. Diese Arten sind also typisch für bestimmte Areale, bzw. kommen oft nur hier vor. Für Europa werden im Allgemeinen neun Florenelemente dargestellt und verwendet (basierend auf Walter & Straka (1970) in Schroeder (1998: 102); Dierschke, 1994: 585). Diese Florenelementbezeichnungen werden oft synonymhaft und äquivalent zu den in Kapitel 2.2.1.1 vorgestellten Florenprovinzen verwendet. Übergänge zu anderen Verbreitungsschwerpunkten kommen vor und sind mit dem Präfix „sub-“ kennzeichenbar, z.B. subpontisch-submediterranes Element. Schroeder (1998:

101) nennt 5 Florenelemente bzw. -regionen für Europa (Abb. A-15) und stellt z.B. die atlantische/ n Florenregion/ Florenelemente in den Rang einer Florenprovinz.

Tabelle 1: Florenelemente Europas und Beispiel typischer Arten, nach Dierschke (1994: 584-589)

Florenelemente Beispiel

Arktisches Florenelement Kraut-Weide (Salix herbacea) Boreales Florenelement Grau-Erle (Alnus incana) Mitteleuropäische Florenelement Rotbuche (Fagus sylvatica)

Atlantisches Florenelement Graue Glockenheide (Erica cinerea) Pontisches Florenelement Frühlings-Adonis (Adonis vernalis) Submediterranes Florenelement Buxbaum (Buxus sempervirens) Mediterranes Florenelement Thymian (Thymus vulgaris) Subsibirisches Florenelement Raues Veilchen (Viola hirta) Turanisches Florenelement Sanddorn (Hippophae rhamnoides) Ökologische Zeigerwerte

Das ökologische Verhalten von Gefäßpflanzenarten, v.a. des westlichen Mitteleuropas, gegenüber den abiotischen Faktoren Licht, Wärme, Kontinentalität, Feuchtigkeit, Bodenreaktion, Stickstoffversorgung sowie Salz- und Schwermetallgehalt wird durch sogenannte „Zeigerwerte“ dargestellt. Diese bilden das Auftreten der Arten in Konkurrenz-situation im Gelände ab und zeigen nicht den Anspruch einer Art an einen oder mehrere Umweltfaktoren. Ebenso bilden diese nicht das physiologische Optimum ab. Sie können daher u.a. zur ökologischen Kennzeichnung, Bewertung und (vorläufigen) Charakterisierung von Vegetationsaufnahmen und Beständen dienen (Ellenberg et al., 2001: 11f).

Zusätzlich wird die Kulturabhängigkeit (Hemerobie) dieser Arten, deren Lebensformtypen nach Raunkiaer sowie deren soziologisches Verhalten abgebildet. Bei letzterem erfolgt die syntaxonomische Eingliederbarkeit der Spezies als Charakterart nach Braun-Blanquet in großen Teilen Mitteleuropas.

Durch die u.a. genetisch verschiedenen Ökotypen sowie groß- und kleinräumigen Variationen der Konkurrenzsituation in Beständen sind die Zeigerwerte nur Richtwerte und müssen daher zwingend fallgerecht bewertet und ggf. „nachgeeicht“ werden, auch scheinbar absolute arealgeographische Werte wie Kontinentalitäts- und Temperaturzahlen. Zur weiteren Präzisierung der Anwendbarkeit und Interpretation der ökologischen Zeigerwerte siehe Ellenberg et. al (2001: 25-66).