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6 Stand der Umweltbewusstseinsforschung

7.2 Untersuchungsdesign

Die Basis für die empirische Untersuchung und die Analyse bildet eine Stichprobe von n=6. Ein weiteres durchgeführtes Interview mit einer minderjährigen Person wurde nicht in die Analyse miteinbezogen, da bei wiederholtem Hören des Interviews deutlich wurde, dass die Interviewpartnerin in ihrem Alltag nur gewisse Verhaltensoptionen besitzt und in vielen Situationen abhängig von ihren Eltern Entscheidungen trifft. Ein zusätzliches Probeinterview galt der Testung und Modifikation des Leitfadens sowie der Schulung der Interviewenden (Mayring, 2016, S. 69)

Bei der Wahl der Interviewpartner*innen wurde beachtet, dass die interviewende Person die Befragten flüchtig kennt, doch eine gewisse Vertrauensbeziehung schon vorhanden ist, da dies zu einem inhaltlich gehaltvollen Interviewverlauf beiträgt (Mattissek et al., 2013, S. 161). Die soziodemographischen Faktoren wie Alter (im Fragebogen wurde das Geburtsjahr abgefragt) und Wohnort wurden zusätzlich berücksichtigt. Angestrebt wurde die Erzeugung eines ausgeglichenen Bildes. Im Nachfolgenden (vgl. Tabelle 1) findet sich eine Übersicht der soziodemographischen Angaben der Befragten.

Tabelle 1. Stichprobenbeschreibung der Interviewpartner*innen hinsichtlich der soziodemogra-phischen Faktoren (eigene Darstellung, Quelle: Ausgefüllte Fragebogen während der Interviews).

In der Tabelle sind ausgewählte soziodemographische Angaben der Befragten abgebildet: Der Wohnort, das Geburtsjahr, das Geschlecht sowie die/der Ausbildung(sabschluss) und die Berufs-tätigkeit. Die jeweiligen Zeilen 1 bis 6 stehen für die interviewten Personen Nr. 1 bis Nr. 6.

Wohnort Geburts-jahr

Geschlecht Ausbildung(sabschluss) Berufstätigkeit

1 Gemeinde 1999 weiblich Abitur Auszubildende

(Tou-rismuskauffrau)

2 Stadt 1956 männlich Handwerksmeister Rentner

3 Stadt 1998 männlich Bachelor of Science Student

4 Stadt 1996 männlich Tanzlehrer Rettungssanitäter

5 Gemeinde 2000 männlich Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik

Auszubildender

6 Stadt 1980 weiblich 2. Staatsexamen Lehramt Lehrerin

Die Erhebung erstreckte sich auf fünf Tage und wurde an verschiedenen Standorten in Heidelberg Face-to-Face durchgeführt. Alle Interviews wurden in einem möglichst alltäg-lichen Umfeld des*der Befragten geführt (Mattissek et al., 2013, S. 161). Da die Daten-erhebung mündlich und persönlich (Lamnek, 2008, S. 331) erfolgte, konnten die Gesprä-che mittels Smartphone aufgenommen werden. Die Interviews dauerten durchschnittlich

37 min. Dabei wurde die empfohlene Gesprächsdauer von 30 bis 60 min sowie die ma-ximale Dauer von höchstens 90 min aufgrund von möglicherweise aufkommenden Auf-merksamkeits-, Konzentrations- und Motivationsproblemen beachtet (Renner & Jacob, 2020, S. 9).

7.2.1 Problemzentrierte Interviews

Das problemzentrierte Interview ist ein Verfahren der qualitativer Analyse und arbeitet wie andere Interviewvarianten auf sprachlicher Basis (Mayring, 2016, S. 65–66). Fokus-siert werden (relevante) gesellschaftliche Problemstellungen (Mattissek et al., 2013, S. 166). Der*die Interviewer*in analysiert zuvor die Problemstellung und erarbeitet be-stimmte Aspekte, die in einem Leitfaden zusammengefasst werden, damit diese im Ver-lauf des Gesprächs gefragt werden können (Mayring, 2016, S. 67).

Das problemzentrierte Interview wird häufig zu den der Leitfadeninterviews gezählt (Mat-tissek et al., 2013, S. 159). Zwei wesentliche Merkmale können übergreifend festgehal-ten werden: Mittlere Offenheit (Mattissek et al., 2013, S. 159) und Teilstandardisierung.

Offenheit bedeutet, dass dem*der Gesprächspartner*in keine Antwortvorgaben gegeben werden (Mattissek et al., 2013, S. 166; Pfaffenbach, 2011, S. 160) und sie zu freien Er-zählungen angeregt werden (Flick, 1995, S. 178). Teilstandardisierung in Form von halb-strukturierten Interviews ist ein Versuch Vorteile von standardisierten und nicht standar-disierten Gesprächen zu kombinieren und Nachteile zu meiden (Renner & Jacob, 2020, S. 16). Dabei kann der*die Interviewer*in abhängig von dem Gesprächsverlauf flexibel reagieren (Mattissek et al., 2013, S. 166), da kein starrer Fragenkatalog besteht (Pfaf-fenbach, 2011, S. 160). Wenn weniger theoretische und empirische Befunde vorliegen, ist laut Renner und Jacob (2020, S. 17) ein solches exploratives Vorgehen empfehlens-wert, damit viele Aspekte erkundet werden können.

Die Basis halbstrukturierter Interviews, auch teilstrukturierte oder Leitfaden-Interviews genannt (Flick, 1995, S. 177), bilden trotz alledem Interviewleitfäden (Renner & Jacob, 2020, S. 16) (vgl. Anhang A). Wesentliche Aspekte zum Thema, welche im Verlauf des Interviews angesprochen werden können bzw. sollten, werden vorab in einem Interview-leitfaden zusammengefasst (Mattissek et al., 2013, S. 167). Die Interviewerin der durch-geführten Gespräche dieser Arbeit formatierte diejenigen Fragen, die auf jeden Fall an-gesprochen werden sollten, fett (vgl. Anhang A.2). Der Leitfaden allgemein spiegelt die problemspezifischen Überlegungen des*der Forschenden wider. Theoretische Erklä-rungsansätze und weiteres Vorverständis werden festgehalten und bilden die Basis der Konstruktion eines Leitfadens (Pfaffenbach, 2011, S. 160). Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung aus mehr oder minder ausformulierte Fragen sowie

Formulierungsalternativen in einer sinnvollen Reihenfolge (Mayring, 2016, S. 69). Dies ist für den Gesprächsverlauf strukturgebend, dient der thematischen Orientierung und sorgt für eine gewisse Vergleichbarkeit der einzelnen Interviews bei der Auswertung.

Dennoch sind individuelle Varianten in Form von Zusatzfragen oder Formulierungsän-derungen oder dem Überspringen von Fragen während des Interviews möglich, denn dies liegt im Ermessen der interviewenden Person (Renner & Jacob, 2020, S. 16–17).

Zu den jeweiligen Themenblöcken werden offene Einstiegsfragen und spezifischere Nachfragen formuliert (Harms & Truffer, 2005, S. 13). Generell lässt sich jedoch festhal-ten, dass bei der Konzeption des Leitfadens vorwiegend offene Fragen verwendet wor-den sind, bei wor-denen kein Antwortschema vorgegeben ist (Lamnek, 2008, S. 345). Im Leitfaden wurde neben ausgewählten Umwelteinstellungen und dem Verhalten in den Bereichen Ernährung und Mobilität auch das Umweltwissen abgefragt. Es handelt sich dabei um die Teilaspekte Faktenwissen und Wissen über kausale Zusammenhänge (vgl.

2.2.1), welche eine Art Wissenstest darstellen können (Schubert, 2000, S. 28).

Im deutschsprachigen Raum wird besonders häufig von der Skala zum Allgemeinen Um-weltbewusstsein von Preisendörfer (1998) bzw. Diekmann und Preisendörfer (1998) Ge-brauch gemacht. Es handelt sich dabei um eine Operationalisierung der drei Items der affektiven, kognitiven und konativen Einstellungskomponente (Scholl et al., 2016, S. 46).

In dieser Arbeit wurde die Einteilung der Umwelteinstellung an die beschriebene Skala angelehnt. Nichtsdestotrotz wurde an der Einteilung des Umweltbewusstseins in die drei Dimensionen Umweltwissen, Umwelteinstellungen und Umweltverhalten festgehalten.

Da das berichtete Verhalten in der vorliegenden Arbeit in Form von Interviews untersucht wird, wurde die Skala des Allgemeinen Umweltbewusstseins modifiziert.

Aus den Forschungsfragen (vgl. Kapitel 6.2) ergeben sich nachfolgende Leitfragen für die Interviews:

1. Wie würdest du dein Mobilitäts- und Konsumverhalten beschreiben?

2. Was sind deine Hauptgründe für deine Entscheidung, dich so zu verhalten, wie du es tust?

3. Was müsste sich ändern, damit du dein Verhalten änderst?

4. Kennst du den CO2-Fußabdruck?

5. Was ist dir für eine attraktive Innenstadt wichtig?

Aufgrund der Verwendung der Du-Form in allen Interviews wurde im Gesprächsleitfaden die pronominale Anrede Sie entnommen (vgl. Anhang A).

Zur Einschätzung der Validität wurden Kontrollvariablen in Anlehnung an die Zusam-menstellung von Umweltbewusstseinsstudien durch Scholl et al. (2016, S. 15) erstellt:

Die in jedem Interview abgefragte subjektive Einschätzung des persönlichen

Umweltbewusstseins und Umweltwissens auf einer Skala von eins bis sechs, sowie die in manchen Interviews abgefragte Einschätzung der Umweltqualität in Deutschland. Die vorgeschlagenen Items wie die Abfrage der aktuell wichtigsten Probleme oder die Be-deutung des Umweltschutzes als gesellschaftspolitische Gestaltungsaufgabe wurden nicht aufgenommen.

7.2.2 Mental Maps

Die hinzugezogene Methode der Mental Maps stößt auf ein geräumiges Anwendungs-feld, da menschliche Vorstellungen von Räumen immer eine räumliche Dimension be-sitzen (Helfferich, 2014, S. 241; 255). Heute zählt die Methode zu den qualitativen, visu-ellen Forschungsmethoden (Helfferich, 2014, S. 241). Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen wie die Psychologie und die Geographie können anhand von Mental Maps zusammengebracht werden und ein paradisziplinäres Miteinander bilden (Hartmann, 2005, S. 19).

Der postmoderne Begriff Mental Maps (Hartmann, 2005, S. 9) beschreibt eine For-schungsmethode subjektiver oder kognitiver Karten. Es handelt sich dabei um gezeich-nete Pläne oder Karten eines Ortes oder Raumes, die subjektiv betrachtet werden (Helf-ferich, 2014, S: 242; 247). Subjektive Karten können als individuelle Konstruktion aufge-fasst werden, wobei nicht wie bei objektiven Karten Detail- oder Maßstabstreue erwartet werden. Mental Maps werden alternativ Images, Skizzen oder innere Stadtpläne ge-nannt (Helfferich, 2014, S. 242). In der Forschung kommen Mental Maps als bildlich dar-gestellte Raumkonstruktionen oder -repräsentationen zum Einsatz. Für die vorliegende Forschungsarbeit wurde der spezifischen Form der Narrativen Karten gefolgt, bei wel-chen der Prozess des Zeichnens mit verbalen Erklärungen und Kommentaren über das Gezeichnete kombiniert werden (Helfferich, 2014, S. 242; 247).

Durchführung

Voraussetzung ist, dass eine Abbildung der räumlichen Dimension möglich ist und der Raum für die Person erfahrbar oder mindestens vorstellbar ist (Gould & White, 1986, S. 1; Helfferich, 2014, S. 244). In der vorliegenden Arbeit wurde das Thema der attrakti-ven Innenstadt ausgewählt, welches für die Befragten nicht fremd sein sollte, sondern vielmehr alltägliches Handeln stattfindet.

Bei der Anwendung dieser Methode werden Personen aufgefordert, spontan eine Zeich-nung anzufertigen. Folglich werden räumliche Vorstellungen und Präferenzen sichtbar.

Der zu zeichnende Raum soll spezifiziert werden und sinnvoll mit Gruppendiskussionen oder wie in diesem Fall Interviews verbunden werden (Helfferich, 2014, S. 241; 244;

Mattissek et al., 2013, S. 173). In der Forschungsliteratur sind einige Aufforderungen

zum Zeichnen gegeben, welche als Vorbild für die eigene Formulierung galten (Helf-ferich, 2014, S. 245). Außerdem wissen Personen mehr über naheliegende Räume, wel-che uns zudem wichtiger erswel-cheinen und sich Personen mehr emotional verbunden füh-len (Gould & White, 1986, S. 22). In die Thematik wurde in Form einer offenen Frage Was ist dir für eine attraktive Innenstadt wichtig? eingestiegen. Im Anschluss daran folgte eine kurze Aufforderung zum Zeichnen. Die Aufgabe sollte zum einen zwar möglichst konkret sein, um eine Vergleichbarkeit zu schaffen; auf der anderen Seite sollten nicht zu viele spezifische Vorgaben gegeben werden. Zweiteres führt zu Ungewissheit in Be-zug auf die eigenen Gedanken der Befragten: Kam der Person das entsprechende Ele-ment spontan in den Kopf und ist für die persönlich relevant oder zeichnete sie es ledig-lich aufgrund der Aufforderung des*der Aufgabenstellenden (Helfferich, 2014, S. 245)?

Zu beachten sind zusätzlich Interventionen während des Zeichenvorgangs. Während der Datenerhebung im Rahmen dieser Arbeit wurde auch zu einer Vollständigkeit der Karte angeregt und unter Umständen der*die Befragte aufgefordert, weitere, zum Beispiel schon verbal geäußerte Elemente, einzuzeichnen. Ein Vorgehen wie dieses liefert mehr Daten, was dem Forschungsergebnis zugutekommen kann. Im Generellen sind für das Erstellen einer Mental Map besondere Kompetenzen erforderlich. Es ist ein gewisses Maß an Abstraktions-, Reduktions- und Selektionsvermögen notwendig (Helfferich, 2014, S. 241).

Warum Innenstadt?

Nun ist die Frage noch nicht vollständig geklärt, warum die Innenstadt als Thema der Mental Maps ausgewählt wurde. Johanna Wanka, ehemalige Bundesministerin für Bil-dung und Forschung berichtete der Nachrichtenagentur AFP, dass in der Stadt alle glo-balen Herausforderungen zusammentreffen – unter anderem der Klimawandel, die Nah-rungsmittelversorgung und Bildung (DIE WELT, 2015). Städte sind aufgrund ihrer hohen Bevölkerungs- und Infrastrukturdichte anfälliger für die Folgen des Klimawandels und demnach nimmt der Klimaschutz eine besondere Rolle ein (Kuttler et al., 2017, S. 232–

233). Städte in den Fokus zu nehmen ist auch wichtig, da der Trend hin zur Stadt als Wohnort sich noch verstärken wird (I. Gönner, 2007, S. 39). Darüber hinaus sind zent-rale Handlungsfelder mit wesentlichen Hebelwirkungen für eine transformative, nachhal-tige Stadtentwicklung in der Stadt zu finden: Mobilität und Infrastruktur, aber auch der Energiesektor (Nagorny-Koring, 2018, S. 55). Städte spielen darüber hinaus eine wich-tige Rolle im Ernährungssystem – als Produktions- und Konsumorte sowie Orte der Lo-gistik und Entsorgung (Rosol, 2015, S. 51). Um in der Untersuchung Einblick in die Ge-danken von Bürger*innen über eine mögliche, ggf. zukünftige, Stadt zu erhalten, wurden die Mental Maps in dieser Form aufgeführt.

7.2.3 CO2-Rechner

Nach der Interviewaufnahme wurden die Interviewpartner*innen gebeten, ihren persön-lichen CO2-Ausstoß zu mittels eines CO2-Rechners zu ermitteln – dies ist eine häufige Form des Ausdrucks von Emissionen (Leichenko & O'Brien, 2019, S. 92). Hierfür wurde von den Forschenden der Klimarechner von WWF (World Wildlife Fund) ausgewählt.

Dieser umfasst neben Mobilität und Ernährung weitere Lebensbereiche wie Wohnen. Im Zuge der Präsentation des Ergebnisses werden Tipps für eine Reduzierung des eigenen CO2-Fußabdrucks präsentiert (WWF (World Wide Fund for Nature) Deutschland, 2020).

Der CO2-Fußabdruck misst die Menge an Kohlendioxid in Tonnen CO2, welche durch das Verhalten von Individuen oder Gruppen, Städten oder Organisationen jährlich in die Atmosphäre emittiert wird (Leichenko & O'Brien, 2019, S. xi). Die Lebensbereiche Mobi-lität und Ernährung spielen neben weiteren Facetten des Lebens wie Heizen und Küh-lung, Strom, Kleidung oder dem Konsum von weiteren Gütern eine Rolle. Der CO2 -Fuß-abdruck wird für jegliche Verhaltensweisen abgeschätzt und addiert (Leichenko & O'B-rien, 2019, S. 92). Damit stellt der individuelle CO2-Fußabdruck die aufgrund des eige-nen Lebensstils auftretende Bilanz an Treibhausgasemissioeige-nen dar (Brade, 2014, S. 13). Anhand von CO2-Rechnern ist damit ein Vergleich von CO2-Emissionen möglich (Leichenko & O'Brien, 2019, S. 92).