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2 Umweltbewusstsein und Umweltverhalten

3.3 Klimaschutz

In dieser Arbeit wird dem Verständnis von Sennekamp und Glaser (2011, S. 332) gefolgt, die unter dem Begriff Klimaschutz alle Maßnahmen verstehen, die es sich zum Ziel setz-ten, den anthropogenen Klimawandel ausgelöst durch THG-Emissionen so weit wie möglich einzudämmen (BMU, 2020, S. 15).

Internationale Zusammenarbeit ist für den Klimaschutz notwendig, damit dieser weltweit umgesetzt werden kann (IPCC, 2018a, S. 31). Ein Musterbeispiel für eine effektive Kli-maschutzpolitik ist das 1989 verabschiedete Montrealer Protokoll, welches sich zum Ziel setzte, die Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) zu stoppen, wodurch eine globale Reduktion um bis zu 75 % erreicht werden konnte (Ranke, 2019, S. 49).

Weiterhin gilt das 1997 beschlossene und 2005 in Kraft getretene Kyoto-Protokoll als Meilenstein der internationalen Klimaschutzpolitik. Erstmalig wurden völkerrechtlich ver-bindliche Ziele für die Vertragsstaaten zur Minderung der Treibhausgasemissionen for-muliert (Sennekamp & Glaser, 2011, S. 333). Im Rahmen der Weltklimakonferenz in Doha 2012 und der damit einhergehenden Fortführung des Abkommens verpflichtete sich Deutschland seine Emissionen bis 2020 um 40 % zu reduzieren (BMU, 2020, S. 15).

Einen weiteren Schritt stellt das Pariser Abkommen aus dem Jahr 2015 dar, welches von 195 Ländern sowie der Europäischen Union (EU) unterzeichnet wurde. Das hierbei formulierte Ziel besagt, die durchschnittliche globale Erwärmung bis 2100 auf maximal 2 °C und wenn möglich auf 1,5 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu beschränken (BMU, 2020, S. 15; Niebert, 2016, S. 255; Ranke, 2019, S. 55). Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, dürfen sich nicht mehr als 420 ppm Kohlendioxid in der Atmosphäre befin-den. Da heutzutage schon ein Wert von über 400 ppm erreicht ist (vgl. Abbildung 1 in

3.1), verbleiben noch weniger als 20 ppm. Somit müssen die Emissionen rasch sinken (Deutsche Forschungsgemeinschaft [DFG], 2019, S. 10; Niebert, 2016, S. 256), da an-sonsten das gesetzte Ziel nicht erreicht werden kann. Doch auch das Zwei-Grad-Ziel erfordert drastische konkrete Maßnahmen im Sinne der THG-Emissionsreduktion (DFG, 2019, S. 13; Leichenko & O'Brien, 2019, S. 35). Eine Temperaturzunahme von 2 °C wird als Kipppunkt (vgl. Kapitel 3) gesehen (Ranke, 2019, S. 71), ab dem die negativen Aus-wirkungen des anthropogenen Klimawandels unbeherrschbar scheinen (Rahmstorf &

Schellnhuber, 2018, S. 120; Sennekamp & Glaser, 2011, S. 335).

Wie schon im bisherigen Verlauf des Kapitels beschrieben, emittiert Deutschland eine große Menge an Kohlendioxid (Deutsches Klima Konsortium & Helmholtz Klima Initia-tive, 2020, S. 5). Trotzdem scheint es einige positive Entwicklungen zu geben. Im Jahr 2019 wurden geschätzt 805 Mio. t Treibhausgase ausgestoßen – dies entspricht einer Reduzierung der THG um 35,7 % gegenüber dem Niveau von 1990 (BMU, 2020, S. 26).

Untersuchungen ergeben, dass etwa zwei Drittel der Menschen in Deutschland den Um-welt- und Klimaschutz als zentrale Herausforderung ansehen (Bundesministerium für Umwelt & BMU, 2019, S. 7) und die Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung im Vergleich zu anderen Aufgaben der Öffentlichkeit mit Abstand am höchsten ist (Kessel & Tischler, 1984, S. 34). Klimaschutz ist in der breiten Öffentlichkeit bekannt (Sennekamp & Glaser, 2011, S. 332) und immer mehr Menschen realisieren den Zusammenhang zwischen ih-rem eigenen Konsumverhalten und Klimaschutz und erkennen ihren individuellen Bei-trag (BMU, 2020, S. 54). Ein zentrales Ziel der Bundesregierung ist es, eine Treibhaus-gasneutralität bis 2050 zu erreichen. Auf Grundlage dessen wurden Programme, Ge-setze und Pläne aufgestellt und verabschiedet, wie z.B. der Klimaschutzplan 2050 (BMU, 2020, S. 12; 14). In dieser Arbeit wird der Fokus auf Deutschland gelegt, da es als In-dustrieland besondere Verantwortung in Bezug auf den Umgang mit dem Klimawandel trägt. Vor allem Länder des Globalen Südens werden dazu angehalten ihre vergleichs-weise hohen Emissionen (Wynes & Nicholas, 2017, S. 2) zu reduzieren (BMU, 2020, S.

6; 12). Deutschland strebt außerdem das Einnehmen einer Vorreiterrolle an (BMU, 2020, 6) und will als Vorbildnation fungieren (Deutsches Klima Konsortium & Helmholtz Klima Initiative, 2020, S. 5).

Lösungsstrategien – Mitigation und Adaption

Im Allgemeinen werden im Klimaschutz zwei Ebenen als mögliche Lösungen differen-ziert. Zum einen müssen die Folgen des Klimawandels möglichst vermieden werden (mitigation), indem man die Klimaänderung so weit wie möglich begrenzt. Zweitens sollte eine Anpassung (adaption) an die Auswirkungen des Klimawandels, eine Abschwä-chung der potenziell negativen Folgen und eine Verstärkung der potenziell positiven Fol-gen, stattfinden (Rahmstorf & Schellnhuber, 2018, S. 89; 110; Sennekamp & Glaser,

2011, S. 332). Eine Anpassung soll aufgrund des nach überwiegender Meinung nicht mehr aufzuhaltenden Klimawandels (Sennekamp & Glaser, 2011, S. 332) geschehen und diesen in einem erträglichen Maße halten (C. Schönwiese, 2019, S. 110). Trotzdem hat die Anpassungsstrategie Grenzen, da nicht immer Anpassungen möglich sind und nicht alle Folgen vermeidbar scheinen (C. Schönwiese, 2019, S. 111). Demnach tritt die zweite Ebene der Vorsorge bzw. Vermeidung in das Betrachtungsfeld (C. Schönwiese, 2019, S. 111), um den Klimawandel zu verlangsamen und bestenfalls zu stoppen (Swim

& Whitmarsh, 2019, S. 32). Es handelt sich um Eingriffe des Menschen zur Verringerung von Treibhausgasquellen im Sinne einer Dekarbonisierung (Rahmstorf & Schellnhuber, 2018, S. 89) sowie der Förderung von Senken (IPCC, 2013; 2014, S. 2, 2016, S. 19).

Beide Ebenen sind als komplementäre Maßnahmen eng miteinander gekoppelt (Hirsch-feld et al., 2017, S. 316) und können deshalb nicht eindeutig voneinander unterschieden werden (Sennekamp & Glaser, 2011, S. 332). In dieser Arbeit liegt jedoch der Fokus auf der zweiten Ebene, der Mitigation (Sennekamp & Glaser, 2011, S. 332).

Rahmstorf und Schellnhuber (2018, S. 89) erwähnen überdies eine dritte Lösungsmög-lichkeit: Die sog. Laissez-Faire-Strategie, wobei sie diesen Weg als nicht vollkommen unbedenklich einordnen. Die genannten Klimaschutzmaßnahmen werden überdies im Vergleich zu den Auswirkungen der Laissez-Faire-Strategie als ökonomisch sinnvoll ein-gestuft (Deutsches Klima Konsortium & Helmholtz Klima Initiative, 2020, S. 8). Somit scheint es viele Gründe für die Umsetzung des Klimaschutzes zu geben, doch hängt Klimaschutz mit zahlreichen Herausforderungen und Schwierigkeiten zusammen.

Herausforderungen und Schwierigkeiten im Klimaschutz

Bei der Umsetzung von klimaschützenden Maßnahmen stehen laut Sennekamp und Glaser (2011, S. 332) zwei Herausforderungen im Mittelpunkt: Zum einen die Frage nach der Dringlichkeit der Maßnahmen sowie die nachträgliche Reduktion der THG bei Nicht-erreichung der notwendigen Begrenzungen (Sennekamp & Glaser, 2011, S. 332). Fer-ner sind weitere Herausforderungen und Schwierigkeiten im Klimaschutz zu nennen.

Zum einen ist das Konzept von Hardin (1968) tragedy of the commons zu erwähnen, welches aus der engen Abhängigkeit zwischen Umwelt und Menschen resultiert brück & Fischer, 1999, S. 574) und die Übernutzung der Ressourcen beschreibt (Hell-brück & Fischer, 1999, S. 575–576). Das Problem ist auch unter den Begriffen commons dilemma oder Allmende-Klemme bekannt (Hellbrück & Fischer, 1999, S. 574). Das Ent-kommen dieses ökologisch-sozialen Dilemmas könne laut Hellbrück und Fischer (1999, S. 575) zu einer der größten Herausforderungen der Politik sowie der Sozialwissen-schaften werden. Die Allmende-Klemme ist zurückzuführen auf einen freien, unkontrol-lierten Zugang zu begrenzten Ressourcen bzw. Allgemeingütern und einem rationalen, egoistischen Verhalten der beteiligten Individuen (Schubert, 2000, S. 43–44), denn

nahezu alle Umweltgelegenheiten sind common pool resource-Probleme (DeSombre, 2018, S. 28). Bei deren Nutzung herrscht Rivalität zwischen den Nutzer*innen und es besteht die Gefahr von Trittbrettfahrer*innen (DeSombre, 2018, S. 29). Dieses Trittbrett-fahrerproblem wird in der Theorie des kollektiven Handelns (Olson 1956) beschrieben.

Akteur*innen, die weiterhin für die Übernutzung der Allgemeingüter sorgen und sich nicht an kooperativen Lösungen im Klimaschutz beteiligen wollen, können nur schwer in ihrem Handeln aufgehalten werden (Hellbrück & Fischer, 1999, S. 575–576).

Überdies herrscht Ungerechtigkeit in Bezug auf die Treibhausgasemissionen und die Betroffenheit des Klimawandels. Sozial schwächere Bevölkerungsgruppen leiden häufig am stärksten unter den Auswirkungen (vgl. Kapitel 1) (Forschung für Nachhaltige Entwicklung [FONA], 2014). Hirschfeld et al. (2017, S. 319) sieht Verteilungskonflikte zwischen Globalem Süden und Globalem Norden und die Frage nach der Verantwort-lichkeit als weitere Herausforderung im Klimaschutz. Sennekamp und Glaser (2011, S. 338) verweisen auf die möglichen problematischen Folgen der fehlenden Verpflich-tungen gegenüber des Klimaschutzes. Darüber hinaus führt Hirschfeld et al. (2017, S. 319) die Zeitstruktur des Klimawandels als Schwierigkeit an, da die Folgen zeitverzö-gert stattfinden, doch die Politik insbesondere aktuelle Probleme in den Fokus nimmt.

Zudem ist der Klimawandel ein globales Phänomen (Swim & Whitmarsh, 2019, S. 27), da sich THG-Emissionen im Verlauf der Zeit ansammeln und sich auf globaler Ebene vermischen. Die Emissionen haben verschiedene Auswirkungen auf Regionen, Bevöl-kerungsgruppen und weitere Akteure (Leichenko & O'Brien, 2019, S. 4). Deshalb ist in-ternationale Zusammenarbeit vonnöten, um dem Klimawandel zu begegnen und effektiv zu bekämpfen (IPCC, 2013; 2014, S. 3). Aus inhaltlichen Gründen müssen verschiedene Akteure miteinbezogen werden (Sennekamp & Glaser, 2011, S. 332).

Individuelle Ebene

Von der Autorin wird weder die politische noch die wirtschaftliche Ebene untersucht, sondern vielmehr der Beitrag von Individuen zum Umweltschutz. Die Gründe für diese Wahl sind wie folgt: Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass Umweltschutz ohne die Mithilfe der Bevölkerung nicht wirksam ist. Beispielsweise müssen technische Innovationen Anklang in der Bevölkerung finden, um wirklich umgesetzt zu werden (Prei-sendörfer, 1999, S. 17; 18). Ferner verbleiben poltisch-strukturelle Maßnahmen ohne Wirkung, sofern keine individuelle Handlungsbereitschaft vorhanden ist (Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen [SRU], 1994, S. 156). Zwar ist die Wirtschaft für ei-nen wesentlichen Anteil der Emissioei-nen verantwortlich, doch hängt auch die Produktion oftmals von der Nachfrage der Konsument*innen ab (Preisendörfer, 1999, S. 18).

Zudem gilt es zu bedenken, dass im Zuge des globalen Bevölkerungswachstums eine Etablierung nachhaltiger Konsummuster notwendig erscheint (Bundesministerium für Umwelt et al., 2016, S. 19). Nachhaltigkeit gilt als Leitbild in den Diskussionen über Ver-haltensänderungen (Hellbrück & Kals, 2012, S. 93). Nachhaltigkeit bedeutet dabei einen dauerhaft tragfähigen Wirtschafts- und Konsumstils zu entwickeln (Bodenstein et al., 1997, S. 6), damit entsprechend des Brundtland Berichtes (United Nations, 1987) künf-tige Generationen ausreichend Ressourcen zur Verfügung haben (Ranke, 2019, S. 98).

Hierfür scheint ein tiefgreifender Wandel vonnöten – im sozialen, über den ökonomi-schen bis hin zum ökologiökonomi-schen Bereich (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit [BMUB], 2016, S. 6).

Das Umweltverhalten der Endverbraucher im privaten Haushalt wurde jedoch erst relativ spät zu einem Feld der Umweltpolitik und zu einem Gegenstand der empirischen For-schung. Zwar scheint es auf den ersten Blick so, als ob individuelles Verhalten nur einen geringen Beitrag zur globalen Klimakrise leistet, doch bei der Betrachtung der Gesamt-summe individuellen Verhaltens spielt individuelles Verhalten für das Kreieren von Um-weltproblemen eine wesentliche Rolle (DeSombre, 2018, S. 4). Hierfür sind zahlreiche Belege zu finden. Von besonderer Bedeutung ist, dass jegliche individuelle Aktivität mit Folgen für die Umwelt und das Klima von Individuen einhergeht. Oftmals sind herr-schende soziale Strukturen oder Institutionen die Ursache für individuelles Verhalten, allerdings sind diese nicht handlungsfähig (DeSombre, 2018, S. 5). Individuen können jedoch Institutionen und bestehende Strukturen effizient verändern (DeSombre, 2018, S. 6) sowie ihr persönliches Konsumverhalten ändern. Beispielsweise können Änderun-gen im Mobilitätssektor und eine Ernährungsumstellung Emissionen in einem wesentli-chen Ausmaß senken (vgl. Kapitel 4) (IPCC, 2013; 2014, S. 17). Damit trägt jedes Indi-viduum aufgrund der entsprechenden Lebensstils und Konsumverhalten eine Mitverant-wortung (BMUB, 2016, S. 6). Im Sinne des Klimaschutzes müsste die Bevölkerung in Deutschland die aktuell verursachten THG-Emissionen von über 10 t CO2-Äquivalenten um 85 bis 90 % reduzieren, da jede*r Bürger*in einen Ausstoß von maximal 1 bis 1,1 t CO2-Äquivalenten verursachen sollte (Friedrich, 2017, S. 95). Eine Möglichkeit die per-sönlichen Emissionen zu reduzieren, liegt im umweltbewussten alltäglichen Verhalten in Ernährung und Mobilität. Diese beiden Bereiche werden im nachfolgenden Kapitel fo-kussiert, denn der erste Schritt für das Verständnis des individuellen Einflusses ist die Kenntnis über die Wirksamkeit bestimmter Verhaltensweisen (Wynes & Nicholas, 2017, S. 1–2).

4 Fokus auf die Verhaltensbereiche Mobilität und Ernährung

Aufgrund der hohen Relevanz hinsichtlich des anthropogenen Klimawandels der beiden alltäglichen Lebensbereiche Mobilität und Ernährung (BMU, 2020, S. 8; IPCC, 2013c, S. 1) (vgl. Kapitel 4) wird diesen ein extra Kapitel gewidmet. Zudem ist es sinnvoll, ein-zelne Teilbereiche des Umweltbewusstseins voneinander zu unterscheiden (Schahn &

Giesinger, 1993, S. 12).

Wie Wynes und Nicholas (2017, S. 1) in ihrer Studie über die Möglichkeiten von Verhal-tensänderungen herausfinden, werden im Bildungs- und Politikbereich häufig Handlun-gen und Verhaltensweisen mit geringem Einfluss auf das Klima fokussiert. Sie empfeh-len in Bezug auf die Minderung von THG-Emissionen im globaempfeh-len Norden dringend eine fokussierte Betrachtungsweise auf high-impact actions, die ein höheres Potenzial für Emissionsreduktionen bieten. In ihrer Untersuchung identifizieren sie den Einfluss von diversen alltäglichen Verhaltensweisen auf das Klima (Wynes & Nicholas, 2017, S. 4).

Sie kommen zu folgenden Ergebnisse: High-impact Handlungen im Sinne der Emissi-onsminderung sind zum einen ein Kind weniger zu bekommen (58 t CO2e pro Jahr), der Verzicht auf den Besitz eines eigenen Autos (2,4 t CO2e pro Jahr), der Verzicht auf Flug-zeugreisen (1,6 t CO2e pro transatlantischen Flug) sowie eine pflanzenbasierte Ernäh-rung (0,8 t CO2e pro Jahr) (Wynes & Nicholas, 2017, S. 1). Damit kann der Beitrag zum Treibhauseffekt, die sog. Treibhausgasbilanz am stärksten verringert werden (Auditcert, 2020).