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Untersuchungen zur Kombination des S9-Mix mit F9-Zellen

Da die Kombination des S9-Mix mit den F9-Zellen zur Prüfung des Proteratogens VPD verwendet werden sollte, wurde als erstes untersucht, welche Effekte das VPD und sein teratogener Metabolit VPA auf das F9-Zielzellsystem ausüben.

In früheren Arbeiten konnten mit Hilfe der F9-Zelllinie Hinweise auf das strukturabhängige teratogene Potenzial der VPA und einiger ihrer Derivate festgestellt sowie mögliche Wirkmechanismen identifiziert werden (vergl. Kapitel 1.5.2). Die dort beschriebenen Veränderungen der F9-Zellkulturmorphologie zu einer geringeren Zelldichte unter der Ausbildung von filamentartigen Strukturen (LAMPEN et al. 1999, WERLING et al. 2001) konnten in dieser Arbeit mit 0,25, 0,5 sowie 1 mM VPA hervorgerufen werden. Somit wurde bereits durch die mikroskopische Beurteilung der Zellmorphologie ab Verwendung der niedrigsten eingesetzten Konzentration von 0,25 mM VPA eine F9-Zelldifferenzierung nachgewiesen. Da in undifferenzierten F9-Zellen virale Promotoren reprimiert vorliegen und erst durch

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Differenzierungsvorgänge der Zelle exprimiert werden (SLEIGH 1987), sind die Ergebnisse zum pRSV-Luc-Reportergen-Assay ein weiterer Hinweis auf die Induktion der F9-Zell-Differenzierung durch die VPA. Mit der Konzentration von 0,25 mM VPA stieg die Luciferase-Aktivität in den transfizierten F9-Zellen um 50 % an. Im Vergleich zur DMSO-Kontrolle ist diese Erhöhung zwar nicht signifikant, unter Berücksichtigung der fortgesetzten VPA-Konzentrationsreihe ist jedoch eine Tendenz offensichtlich. Die Aktivität des Reporter-Gens war mit 0,5 mM VPA um das 3,1fache und mit 1 mM VPA um das 4,8fache erhöht. Bei einem Vergleich der in dieser Studie erhaltenen Induktionswerte mit den Resultaten einer anderen Arbeitsgruppe (LAMPEN et al. 1999) ist ein Unterschied in der ermittelten Stärke der Luciferase-Aktivierung auffällig. So konnten LAMPEN et al. (1999) mit der Konzentration von 0,3 mM VPA eine 2,5fache, mit 0,5 mM VPA eine 4fache und mit 1 mM VPA eine ca.

11fache Induktion des Lumineszenzsignals detektieren. Während sie zur Signalmessung ein Luminometer einsetzten, welches ausschließlich die Messung von Lumineszenz vorsieht, fand für diese Arbeit ein Multifunktions-Plattenlesegerät Verwendung. Offensichtlich konnte mit der Verwendung eines reinen Luminometers eine wesentlich sensitivere Detektion des Lichtsignals vorgenommen werden (LAMPEN et al. 1999), was die Unterschiede in den erhaltenen Induktionswerten erklärt.

In dieser Arbeit konnte mit ansteigender Konzentration der VPA eine zunehmend differenzierte F9-Zellkulturmorphologie und im CALUX-Assay eine Erhöhung der Luciferase-Aktivität induziert werden. Im Vergleich dazu wurde durch die Inkubation der F9-Zellen mit 1 mM VPD keine von der Kontrolle abweichende Zellmorphologie und keine erhöhte Aktivität des pRSV-Luc-Reportergens nachgewiesen. Da hierbei kein metabolisch aktivierendes System Verwendung fand, mit dem das VPD z.B. in das Teratogen VPA hätte umgesetzt werden können, bestätigen die generierten Ergebnisse die von einem Proteratogen zu erwartenden Effekte.

Die anschließende Inkubation des VPD mit dem Leber-S9-Mix führte zu den signifikant unterschiedlichen VPD-Umsatzraten von 10 % durch den S9-Mix des Menschen und von über 40 % durch den Ratten-S9-Mix. Die von diesen

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Umsatzmengen relativen Anteile an VPA betrugen beim Menschen 3,6 % und bei der Ratte ca. 10 %. Verglichen mit der In-Vivo-Situation ist dies ein beachtliches Ergebnis, da im menschlichen Organismus das VPD zu über 80 % (PISANI et al.

1981) und in der Ratte (BILLIG et al. 1990) zu ca. 60 % zur VPA verstoffwechselt wird. Das Fehlen spezifischer Co-Faktoren bzw. das Vorliegen einer zu geringen Konzentration der für den unbekannten VPD-Metabolismus verantwortlichen Enzyme könnten die niedrige VPD-Aktivierung erklären. Die in dieser Arbeit eingestellte Proteinkonzentration des S9-Mix wurde allerdings mit 15 mg / mL schon vergleichsweise hoch angesetzt, da beispielsweise in der Literatur angewandte Proteinmengen von 0,15 mg / mL bis 10 mg / mL aufgeführt sind (FANTEL et al.

1979, MADLE 1981, KUGLER et al. 1987, LUIJTEN et al. 2008). Bezüglich der höheren VPD-Umsetzung durch den S9-Mix der Ratte als durch den S9-Mix des Menschen ist die Behandlung der Ratte mit dem PCB-Gemisch Aroclor 1254 zu berücksichtigen. Mit dieser Substanz wurde am Rattenmodell die Induktion vieler fremdstoffmetabolisierender Enzyme des Phase-1- und Phase 2-Metabolismus wie beispielsweise der CYPs 1A, 2B, 3A und 4A (DUBOIS et al. 1996, MEREDITH et al.

2003), der Epoxidhydrolase, DT-Diaphorase und UDP-Glukuronosyltransferase (LUBET et al. 1991, ELOVAARA et al. 2004) beschrieben.

Basierend auf den Ergebnissen zur VPD-Metabolisierung wurde für die nachfolgend durchgeführten Aufreinigungen des S9-Mix und seiner Kombinationen mit F9-Zellen die S9-Fraktion der Ratte verwendet. Die Tabelle 5.1 fasst die durch die unterschiedlichen Methoden der S9-Bearbeitung erhaltenen Ergebnisse, die im Folgenden detailliert interpretiert werden, zusammen.

Der Zweck der S9-Aufarbeitung bestand in der Reduzierung seiner Zytotoxizität unter möglichst geringem Verlust der Ausgangssubstanz VPD sowie seines Metaboliten VPA. Welcher Bestandteil im S9-Mix seine zytotoxische Wirkung verursacht, ist nicht näher bekannt. Theoretisch können beispielsweise Proteine die zellschädigenden S9-Effekte bedingen. Darüber hinaus bestehen auch Hinweise auf eine Herbeiführung von oxidativem Stress sowie einer proliferationshemmenden Wirkung der zum S9-Mix zugegebenen Co-Faktoren (LEBSANFT et al. 1989).

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Tab. 5.1: Auflistung der Bearbeitungsmethoden des mit 1 mM VPD inkubierten S9-Mix und der Effekte auf die F9-Viabilität, die Substanzfindung und die Luciferaseaktivität unter Inkubation der F9-Zellen mit der S9-Fraktion

↑ : Erhöhung, ↓ : Erniedrigung, – : keinen Effekt, n.b. : nicht bestimmt.

Mit der Membranfiltration über eine Filterkaskade mit abnehmender Porengröße sollte untersucht werden, inwieweit das Abtrennen von Molekülen bis zur Ausschlussgrenze von 3 kDa zu einer geringeren Absterberate der F9-Zellen führt.

Während mit dieser Methode eine Viabilität von immerhin 40 % erreicht werden konnte, führte die Zugabe der reduzierenden Ascorbinsäure zu keiner erhöhten F9-Viabilität. Damit ist der oxidative Stress als Ursache der S9-Zytotoxizität nicht wahrscheinlich. Mit der Koagulation der Proteine über eine Hitzefällung bei 70 °C bzw. 95 °C und ihrer anschließenden Filtration verringerte sich die F9-Sterberate in beiden Fällen drastisch. Damit besteht ein Hinweis auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der zytotoxischen Wirkung der S9-Fraktion und dem Gehalt der in ihr enthaltenen Proteine. Allerdings wurde nach der Erwärmung auf 95 °C ein um 36 % geringerer Anteil an VPD gefunden als nach der Denaturierung bei 70 °C. Da ein Substanzzerfall bei 95 °C auf Grund der Stabilität des VPD bis 123 °C (VPA bis 128 °C) auszuschließen ist, muss angenommen werden, dass mit dem Schritt der Vakuumtrocknung der 70 °C-Ansatz nicht vollständig eingeengt wurde. Damit blieb eine größere Menge des VPD im Probengefäß zurück. Der Einfluss einer nicht vollständigen Proben-Eintrocknung auf den Substanzgehalt im S9-Ansatz wurde nachfolgend noch weiter untersucht (siehe weiter unten).

Die Durchführung der Denaturierung des S9-Mix ohne eine anschließende Filtration über eine Polyethersulfonsäule reduzierte nach Inkubation der F9-Zellen mit diesen

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Ansätzen zwar die Lebensrate der Zellen, ergab jedoch einen Erhalt relativ hoher VPA-Anteile. Dies deutet darauf hin, dass Substanz während der vorherigen Testung im Säulenmaterial zurückgehalten wurde. Die Kopplung der thermischen Denaturierung mit einer Isopropanolfällung erzielte die höchste Viabilitätsrate.

Offensichtlich führte der ergänzende Einsatz eines organischen Lösungsmittels zu einer effizienteren Proteinfällung. Allerdings wurden dabei wesentlich geringere Mengen an VPA gefunden. Ursache hierfür war aber nicht das Isopropanol, sondern der methodische Aspekt der vollständigen Trocknung des S9-Ansatzes nach Inkubation mit dem VPD. Mit der Vakuumtrocknung verflüchtigte sich ein Teil des VPA, denn unter der Einengung bis zur Restfeuchte wurden um 5 % - 11 % höhere VPA-Anteile gefunden. Zwei weitere Methoden der Proteinfällung unter Verwendung von Aceton und einer Kombination aus Chloroform und Methanol führten in der F9-Zellkultur zu einem vollständigen Absterben der Zellen, was sehr wahrscheinlich auf einer zu hohen Restkonzentration der verwendeten Lösungsmittel zurückzuführen ist.

Mit der Festphasenextraktion über die C8- sowie C18-Säulen werden unpolare, hydrophobe Substanzen gebunden und zurückgehalten. Da das VPD praktisch unlöslich in Wasser ist und die VPA als kurz- und verzweigtkettige Fettsäure mit ihrer Carboxylgruppe auch eine hydrophile Eigenschaft aufweist, wurden nach der Filtration über die beiden Säulen nur Anteile an VPA detektiert. Die C6H5-Säule ist bevorzugt selektiv für aromatische Verbindungen, weist aber eine der C8-Säule entsprechende Unpolarität auf. Diese Eigenschaft dürfte ursächlich sein für die ebenfalls ausgebliebene Detektion eines VPD-Anteils nach der S9-Aufreinigung mit dieser Säule. Da die F9-Viabilität nach der Inkubation mit den durch die drei Säulen filtrierten S9-Ansätzen mindestens 80 % betrug, kann die Beteiligung einer unpolaren Struktur am zytotoxischen Effekt des S9-Mix vermutet werden.

Beim Vergleich der Resultate der S9-Inkubationen mit 1 mM VPD unter Standardbedingung (Kapitel 4, Abb. 4.3) mit den Ergebnissen zu den S9-Aufarbeitungen (Kapitel 4, Abb. 4.4) ist ein Unterschied in den jeweils ermittelten Substanz-Defiziten auffällig. Betrug dieser Anteil nach der Inkubation mit 1 mM VPD

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unter Standardbedingung ca. 32 %, lag er unter den verschiedenen Methoden der S9-Aufarbeitung überwiegend im Bereich von 41 bis 89 %. Eine eventuell unterschiedliche metabolische Kompetenz der kommerziell bezogenen S9-Präparationen ist als Ursache für diese Diskrepanz unwahrscheinlich. Alle Inkubationen wurden mit gleichermaßen gewonnenen S9-Fraktionen desselben Rattenstammes, behandelt mit Aroclor 1254 (500 mg / kg), durchgeführt. Damit ist festzustellen, dass die Durchführung der unterschiedlichen Aufreinigungsmethoden generell zu einem gewissen Maß an Substanzverlust führte.

Bezüglich einer näheren Bestimmung des zytotoxischen Anteils im S9-Mix sind auf Grund der generierten Ergebnisse unpolare Proteine in Betracht zu ziehen, da zum einen der Schritt der Denaturierung und zum anderen auch die Separierung unpolarer Substanzen mittels Festphasenextraktion beachtliche Anstiege der Viabilitätsraten von F9-Zellen herbeiführen konnten.

Mit der Überprüfung eines eventuell induzierenden Effekts im pRSV-Luc-Assay konnte durch die vier Ansätze der gekoppelten Denaturierung und Isopropanolfällung keine erhöhte Luciferaseaktivität ermittelt werden. Eine Induktion war auch nicht zu erwarten, da bei diesen Proben der maximale VPA-Gehalt 0,13 mM betrug (Ansatz 11) und im Vorfeld mit der Konzentration von 0,25 mM VPA eine 1,5-fache Induktion erzielt worden war (Kapitel 4, Abbildung 4.2).

Vergleichend dazu wurde mit der C8-, C18- und C6H5-Aufreinigung des S9-Mix eine 2- bis 2,7fache Induktion der Luciferaseaktivität ermittelt. Das Ergebnis überrascht, da auch bei diesen Ansätzen der gefundene VPA-Anteil mit maximal 0,19 mM unterhalb der 0,25 mM VPA liegt, mit denen eine 1,5-fache Induktion bestimmt worden war. Eine mögliche Ursache für diesen Effekt könnte die Bildung anderer teratogener Metabolite sein. Da jedoch auch bei den denaturierten Ansätzen große Substanzdefizite gefunden wurden, wäre grundsätzlich auch bei diesen eine Induktion zu erwarten gewesen. Dieser Aspekt muss spekulativ bleiben, da nur die analytische Bestimmung der VPA und des VPD durchgeführt wurde.

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