• Keine Ergebnisse gefunden

Metabolische Aktivierung von Proteratogenen zur Erweiterung von In-vitro-Systemen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Metabolische Aktivierung von Proteratogenen zur Erweiterung von In-vitro-Systemen"

Copied!
214
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Tierärztliche Hochschule Hannover

Metabolische Aktivierung von Proteratogenen zur Erweiterung von In-vitro-Systemen

INAUGURAL – DISSERTATION

zur Erlangung des Grades eines Doktors der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von Michael Hettwer

Friesoythe

Hannover 2011

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: 1. Prof. Dr. Dr. h.c. H. Nau

Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik

2. Prof. Dr. P. Steinberg

Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik

1. Gutachter: Prof. Dr. P. Steinberg 2. Gutachter: Prof. Dr. W. Bäumer

Tag der mündlichen Prüfung: 02.05.2011

Gefördert durch die EU im Rahmen des

Integrated Project (IP) ReProTect, LSHB-CT-2004–503257

(3)

Für meine Familie

(4)
(5)

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

1.1 Alternativmethoden zum Tierversuch... 1

1.1.1 Alternative Verfahren zur Untersuchung auf Reproduktionstoxizität... 5

1.2 Biotransformation... 9

1.2.1 Phase-1-Metabolismus ... 10

1.2.2 Phase-2-Metabolismus ... 13

1.2.3 Phase-3-Metabolismus ... 16

1.2.4 Biotransformationssysteme ... 16

1.2.4.1 Isolierte Hepatozyten... 17

1.2.4.2 Leberschnitte ... 20

1.2.4.3 Zelllinien ... 21

1.2.4.4 Subzelluläre Fraktionen... 22

1.3 Teratogenität... 23

1.4 Verwendung und Eigenschaften des Cyclophosphamid... 28

1.4.1 Teratogenität des CPA ... 31

1.4.2 In-vitro-Studien zur Teratogenität des CPA ... 32

1.5 Verwendung und Eigenschaften der Valproinsäure und des Valpromid ... 34

1.5.1 Teratogenität der VPA und des VPD ... 38

1.5.2 In-vitro-Studien zur Teratogenität der VPA und des VPD ... 41

2 Ziel der Arbeit ... 44

3 Material und Methoden ... 46

3.1 Testsubstanzen ... 46

3.2 Zelllinien... 46

3.2.1 Kultivierung... 46

3.2.2 Subkultivierung ... 47

3.2.3 Zellzahlbestimmung... 48

3.2.4 Kryokonservierung / Auftauen ... 48

3.2.5 Überprüfung der Zellkulturen auf Mykoplasmenkontamination... 50

3.3 Primäre Hepatozyten ... 51

3.3.1 Isolierung ... 52

3.3.2 Aussaat und Kultivierung ... 53

3.3.3 Charakterisierung ... 54

3.3.3.1 Albumin... 54

3.3.3.2 Harnstoff ... 56

3.3.3.3 EROD / ECOD... 57

3.4 Leberhomogenat (S9-Mix) ... 59

3.4.1 Aufarbeitung des S9-Mix ... 60

3.4.1.1 Proteinfällung... 60

3.4.1.2 Membranfiltration... 61

3.4.1.3 Antioxidanzzugabe ... 61

(6)

Inhaltsverzeichnis

3.4.1.4 Festphasenextraktion ... 62

3.5 F9-Zielzellsystem ... 62

3.5.1 Morphologieveränderung... 62

3.5.2 pRSV-Luc-Reportergen-Assay ... 63

3.6 Embryonaler Stammzelltest (EST)... 64

3.6.1 Zytotoxizitätsbestimmung mittels MTT-Test ... 65

3.6.2 ES-D3-Differenzierungsassay... 67

3.6.3 Prädiktionsmodell (PM)... 69

3.7 Kombination von Hepatozyten als biotransformierendes System mit dem EST ... 70

3.8 Chemisch-analytische Erfassung von Valproinsäure (VPA), Valpromid (VPD) und Cyclophosphamid (CPA)... 74

3.8.1 Herstellung der Stammlösungen... 75

3.8.2 Extraktion, Derivatisierung und Analyse von VPD und VPA ... 75

3.8.3 Extraktion, Derivatisierung und Analyse von CPA ... 77

3.8.4 Validierung der Quantifizierungen von VPD, VPA und CPA ... 78

3.9 Statistik ... 79

3.9.1 Kolmogorov-Smirnov-Test ... 80

3.9.2 t-Test nach Student ... 80

3.9.3 U-Test nach Mann und Whitney ... 81

3.9.4 Einfaktorielle Varianzanalyse (ANOVA)... 81

3.9.5 H-Test nach Kruskal und Wallis... 81

3.10 Geräte und Materialien ... 82

3.11 Antikörper und Reagenzien ... 83

3.12 Lösungen und Puffer... 85

4 Ergebnisse ... 87

4.1 Kombination der subzellulären Leberfraktion S9 mit F9-Zellen... 87

4.1.1 Effekte von VPD und VPA auf F9-Zellen ... 87

4.1.2 Die Metabolisierung von VPD durch den S9-Mix und die Kombination der S9-Fraktion mit der F9-Kultur ... 89

4.2 Charakterisierung der primären Leberzellen... 94

4.2.1 Untersuchungen der Leberzellen von Maus und Ratte... 94

4.2.2 Syntheseleistung und metabolische Aktivität der Mausleberzellen unter variierenden Kultivierungsbedingungen... 97

4.3 Substanztestung auf embryotoxisches Potenzial mit dem EST ... 101

4.3.1 Effekte des CPA bei Testung über zehn und über sieben Tage im EST... 101

4.3.2 Effekte des VPD bei Testung über zehn und über sieben Tage im EST... 103

4.3.3 Effekte der VPA bei Testung über zehn und über sieben Tage im EST... 105

4.4 Kombination des ESTs mit primären Leberzellen der Maus ... 107

4.4.1 ES-D3-Stammzellmedium im MTT-Assay mit BALB/c-3T3-Fibroblasten ... 107

4.4.2 Ermittlung der maximalen Inkubationsdauer... 108

(7)

Inhaltsverzeichnis

4.4.3 Effekte auf die Stammzelldifferenzierung und

metabolische Umsetzung des CPA nach Inkubation

mit primären Leberzellen der Maus ... 109

4.4.4 Effekte auf die Stammzelldifferenzierung und metabolische Umsetzung von VPD nach Inkubation mit primären Leberzellen der Maus ... 115

4.5 Die metabolische Aktivierung von VPD zu VPA durch humane Leberzellen in vitro... 118

5 Diskussion ... 120

5.1 Untersuchungen zur Kombination des S9-Mix mit F9-Zellen ... 120

5.2 Untersuchungen zur primären Leberzellkultur ... 126

5.3 Untersuchung der Testsubstanzen im EST ... 129

5.3.1 Cyclophosphamid ... 129

5.3.2 Valpromid ... 132

5.3.3 Valproinsäure... 134

5.4 Untersuchungen zur Inkubation der proteratogenen Testsubstanzen mit primären Hepatozyten und ihrer nachfolgenden Testung im EST... 135

5.4.1 Cyclophosphamid ... 137

5.4.2 Valpromid ... 139

5.5 Schlussfolgerungen und Ausblick ... 142

6 Zusammenfassung... 146

7 Summary ... 150

8 Literaturverzeichnis ... 153

9 Zitierfähige Publikationen... 198

10 Anhang ... 199

10.1 Abbildungsverzeichnis ... 199

10.2 Tabellenverzeichnis ... 202

(8)

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

ALDH Aldehyd-Dehydrogenase

BfR Bundesinstitut für Risikobewertung

CALUX Chemically Activated Luciferase Expression CPA Cyclophosphamid

CYP Cytochrom P450

DMEM Dulbecco’s Modified Eagle Medium DMSO Dimethylsulfoxid

EB Embryoid Bodies

ECOD 7-Ethoxycoumarin-O-Deethylase

ECVAM European Centre for the Validation of Alternative Methods EG Europäische Gemeinschaft

EROD 7-Ethoxyresorufin-O-Deethylase ES embryonale Stammzellen

EST Embryonaler Stammzelltest EU Europäische Union

FACS Fluorescence Activated Cell Sorting FBS fötales Rinderserum

5-FU 5-Fluorouracil

GC-MS Gaschromatographie-Massenspektrometrie GST Glutathion-S-Transferase

HDAC Histon-Deacetylase

IC50 50 %ige inhibitorische Konzentration

ID50 50 %ige Inhibition der Stammzelldifferenzierung JRC Joint Research Centre

kDa Kilodalton

mLIF murine Leukemia Inhibitory Factor

MM Micromass

MTT 3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-diphenyltetrazolium-Bromid

(9)

Abkürzungsverzeichnis

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development PBS phosphatgepufferte Salzlösung

PM Prädiktionsmodell des ESTs

PPAR Peroxisome Proliferator Activated Receptors

REACH Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals ROS reaktive Sauerstoffspezies

SOP Standard Operating Procedure SULT Sulfotransferase

Tab. Tabelle

UGT UDP-Glukuronosyltransferase VPA Valproinsäure

VPD Valpromid

WEC Whole Embryo Culture

ZEBET Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch

(10)
(11)

1 Einleitung

1 Einleitung

1.1 Alternativmethoden zum Tierversuch

Als Alternativmethoden zum Tierversuch werden solche Methoden bezeichnet, die geeignet sind, den Einsatz von höheren Wirbeltieren in der biomedizinischen Lehre, Forschung und Substanztestung zu verfeinern (refine), zu reduzieren (reduce) oder gar komplett zu ersetzen (replace) (WORTH u. BALLS 2004). In Anlehnung an eine Studie zu experimentellen Techniken im Labor aus dem Jahre 1959 (RUSSEL u.

BURCH 1959) werden diese potenziellen Eigenschaften alternativer Verfahren auch unter dem sog. „3R-Konzept“ zusammengefasst. In diesem Zusammenhang bedeutet ein verfeinerter Einsatz von Tieren die gezielte Auswahl einer optimal geeigneten Tierspezies und die größtmögliche Minimierung tierischer Leiden, Schmerzen, Schäden und Ängste zwecks Generierung von feineren und aussagekräftigeren Testergebnissen. Bezüglich einer Verminderung benötigter Tierzahlen darf die Qualität der Tierexperimente durch die verringerten Fallzahlen nicht negativ beeinflusst werden. Der vollständige Ersatz einer Verwendung lebender Wirbeltiere kann durch unterschiedliche Methoden wie die alternative Nutzung von Zelllinien pflanzlicher, tierischer und menschlicher Herkunft oder mittels Testung an höheren Pflanzen und Mikroorganismen erreicht werden. Darüber hinaus leisten auch physikalische und chemische Systeme einen wertvollen Beitrag zur Einsparung von Tierversuchen. Zu diesen zählen beispielsweise Technologien zur Ermittlung möglicher Beziehungen zwischen der Struktur einer Substanz und seiner biologischen Aktivität („QSARs“, quantitative structure-activity relationships) mittels Computermodellen (LIU u. LONG 2009) oder die Analyse einer Beeinflussung des Expressionsmusters von Genen oder Proteinen unter Einwirkung von Testsubstanzen (SCHRATTENHOLZ u. GROEBE 2007, DASTON u. NACIFF 2010, GROEBE et al. 2010).

Da die Durchführung von Tierversuchen ethische Konflikte hervorruft und sehr kostenintensiv, mit Leiden für die verwendeten Labortiere verbunden und bezüglich der Extrapolation erhaltener Versuchsdaten auf den Menschen sehr problematisch

(12)

1 Einleitung

sein kann (z.B. Contergan-Skandal), wurden die Forderung und Förderung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch im Sinne dieses 3R-Konzeptes zunehmend gesetzlich vorgeschrieben. In der BRD wurden bereits in den 70er Jahren der ausdrückliche Schutz von Versuchstieren und die Förderung von Alternativmethoden durch den Erlass des Tierschutzgesetzes formuliert. Im Jahre 1986 wurden EU-weit durch die Richtlinie 2010/63/EU „Zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere“ alle EG-Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der drei Leitprinzipien des „3R“ aufgefordert. In Deutschland gründete sich drei Jahre später innerhalb des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) die ZEBET (Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch), welche sich als erste staatliche Institution der Welt dem Aufgabengebiet der Dokumentation, Bewertung, Empfehlung, Durchsetzung und auch Erforschung von Alternativmethoden verpflichtete (SPIELMANN et al. 2008). Auf europäischer Ebene wurde 1991 das Zentrum für die Validierung von Alternativmethoden (European Centre for the Validation of Alternative Methods, ECVAM) als Abteilung der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (Joint Research Centre, JRC) etabliert (WORTH u.

BALLS 2004).

Jährlich wird eine hohe Anzahl an Versuchstieren eingesetzt, zum Beispiel waren es im Jahr 2005 weltweit 58,3 Millionen Wirbeltiere für Forschung, Toxizitätsprüfungen und Lehre (TAYLOR et al. 2008). Wie dem fünften Bericht der Europäischen Kommission über die statistischen Angaben zur Anzahl der in der EU für Versuchs- und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (KOM [2007] 675 endg.) zu entnehmen ist, betrug der Anteil aus europäischen Ländern 12,1 Millionen Tiere.

Neben einer Vielzahl von Einsatzbereichen (Abb. 1.1) wurden mehr als 60 % der Tierversuche im Bereich der Forschung und Entwicklung in der Human-, Zahn- und Tiermedizin sowie der biologischen Grundlagenforschung durchgeführt.

(13)

1 Einleitung

sonstige Zwecke (8 %) Ausbildung / Weiterbildung (1,6 %)

Diagnose von Krankheiten (2 %)

Toxikologische Untersuchungen, andere Sicherheitsprüfungen (8 %)

Herstellung / Qualitätskontrolle von Produkten für die

Veterinärmedizin (3,5 %)

Herstellung / Qualitätskontrolle von Produkten für die

Human- / Zahnmedizin (11,8 %)

Biologische

Grundlagenforschung (33 %)

Erforschung und Entwicklung von Produkten für die Human-, Zahn- und Veterinärmedizin (31 %)

Abb. 1.1: Anwendungsbereiche von Tierversuchen

Der Bereich „sonstige Zwecke“ umfasst Gebiete wie z.B. die Immunologie für die Produktion von mono- und polyklonalen Antikörpern oder Behandlungen in der Onkologie.

Quelle: Fifth Report on the Statistics on the Number of Animals used for Experiments in the EU; COM (2007) 675 final.

Zur Unterstützung der Alternativmethodenentwicklung erfolgte mit der siebten Änderungs-Direktive 2003/15/EG zur Kosmetik-Richtlinie 76/768/EWG und der EG- Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH, Verordnung [EG] Nr. 1907/2006) bezüglich der Sicherheitsprüfung von Kosmetika und Chemikalien die verbindliche Aufforderung, alternativen Verfahren vor den konventionellen In-vivo-Testsystemen Priorität einzuräumen. Der 3T3-NRU Test (OECD Test Nr. 432) zur Testung auf Phototoxizität, der Pyrogentest

„Pyrodetekt“, Hautmodelle wie EpiDerm® bzw. EPISKIN® (OECD Test Nr. 431) oder der HET-CAM (Hen's egg test on chorioallantoic membrane) zur Prüfung auf Verätzung und Reizung der Haut oder des Auges stellen validierte Methoden dar, die den Tierversuch vollständig oder weitgehend ersetzt haben. Auf komplexere toxikologische Endpunkte wie die Sensibilisierung, die chronische Toxizität, die Kanzerogenese oder die Reproduktionstoxizität kann jedoch gegenwärtig und auch in der näheren Zukunft nicht ohne die Inanspruchnahme von etablierten Tierversuchen geprüft werden (LILIENBLUM 2008). Die Verfeinerung dieser bestehenden In-vivo-Methoden und die Entwicklung von Alternativmethoden zu ihrer

(14)

1 Einleitung

Ergänzung stellen wichtige Forschungsschwerpunkte dar, um eine größtmögliche Reduzierung zukünftig benötigter Tierzahlen zu erreichen.

Innerhalb des sechsten EU-Forschungsrahmenprogramms wurden beispielsweise in den Jahren 2005 und 2006 die EU-Projekte „Sens-it-iv“ und „CarcinoGENOMICS“

zur Entwicklung von In-vitro-Methoden initiiert (ZUANG u. HARTUNG 2005). Bereits im Juli 2004 startete das von der GD RTD (Generaldirektion Forschung der EU- Kommission) finanzierte Projekt „ReProTect“ mit dem Ziel der Etablierung einer Test- Strategie zur Erlangung detaillierter Informationen bezüglich des Risikos von Substanzen für den Reproduktionszyklus der Säugetiere unter Einbeziehung bereits existierender sowie neu entwickelter In-vitro-Modelle (HARENG et al. 2005). Mit diesem Projekt reagierte das JRC auf Hochrechnungen, nach denen zur Durchführung ausstehender Risikobeurteilungen von Chemikalien im Rahmen von REACH auf den Gebieten der Reproduktions- und Entwicklungstoxizität der mit Abstand größte Versuchstiereinsatz von über 80 % zu erwarten sein wird (PEDERSEN et al. 2003, HÖFER et al. 2004, VAN DER JAGT et al. 2004, ROVIDA und HARTUNG 2009). Diese Prognose basiert vor allem auf der Tatsache, dass in den genannten Toxizitätsgebieten je standardisiertem Testsystem (OECD- Testrichtlinien 414 - 416, 421, 422) wenigstens zwei Generationen, hauptsächlich der Tierspezies Ratte und Kaninchen, beteiligt sind.

Auch im Rahmen des Zulassungsverfahrens von Arzneimitteln, welches in Europa durch die Schaffung eines Gemeinschaftskodexes (Richtlinie 2001/83/EG) und die zentralisierte Zulassung (Verordnung [EC] Nr. 726/2004) eine zunehmende Harmonisierung erfährt, werden Tierversuche eingesetzt. Hinsichtlich der reproduktionstoxikologischen Untersuchungen der drei Segmente Fertilität (inklusive Embryonalentwicklung bis zur Implantation), Embryo- / Fetogenese und prä- / postnatale Entwicklung kommt es dabei überwiegend zur Verwendung von Ratten und Kaninchen.

(15)

1 Einleitung

1.1.1 Alternative Verfahren zur Untersuchung auf Reproduktionstoxizität

Zur Bestimmung der Entwicklungs- und Fertilitätstoxizität von Substanzen ist die Durchführung von In-vivo-Studien notwendig, auch wenn auf diesem Sektor seit den späten siebziger Jahren In-vitro-Methoden entwickelt werden. Diese alternativen Testverfahren verwenden beispielsweise Zellkulturen, die vergleichsweise einfach und mit verhältnismäßig wenig Kostenaufwand durchzuführen sind, oder Embryokulturen, in denen sich die mehrstufigen und komplizierten Vorgänge der Embryogenese vollziehen (PIERSMA 2006). Neben den genannten Vorzügen der Zellkultur ist allerdings die Einfachheit dieses Systems nachteilig. Dadurch kann hier überwiegend nur der Substanzeinfluss auf einzelne Zellmechanismen wie die Zelladhäsion (BRAUN et al. 1979), die Proliferation (PRATT u. WILLIS 1985) oder die Zelldifferenzierung (PIERSMA et al. 1993) untersucht werden. Relevante Mängel von Zellkulturen aus primären Zellen wie die Beinknospenzellkultur (limb-BUD- micromass-test, MM, FLINT u. ORTON 1984) oder von Embryokulturen aus Hühner- (JELINEK 1982) und Rattenembryonen (NEW et al. 1976) bestehen in der Notwendigkeit, primäres tierisches Material einsetzen zu müssen oder in ihren teilweise sehr spezifischen, technischen Anforderungen.

Auf dem Gebiet der Entwicklungstoxizität stehen derzeit als validierte Alternativen drei Testmethoden zur Verfügung (VAN DARTEL et al. 2010 a, CHEN et al. 2010).

Der embryonale Stammzelltest (embryonic stem cell test, EST) basiert auf der Fähigkeit embryonaler Stammzellen der permanenten Maus-Zelllinie ES-D3 (DOETSCHMANN et al. 1985), spontan in kontrahierende Herzmuskelzellen ausdifferenzieren zu können (MALTSEV et al. 1994, HESCHELER et al. 1997).

Diese Differenzierungsprozesse werden in der Erhaltungskultur durch Zugabe eines Glykoproteins (murine leukemia inhibitory factor, mLIF) unterbunden (WILLIAMS et al. 1988) und während der Durchführung des ESTs durch Anwendung der „Hanging- Drop-Kultur“ in Abwesenheit von mLIF induziert. Am Tag 10 des ESTs erfolgt die Auswertung der ES-Differenzierungsrate am Mikroskop und zusätzlich die Ermittlung möglicher zytotoxischer Effekte der zu untersuchenden Testsubstanz auf die Stammzellen und adulten Fibroblasten (BALB/c-3T3). Damit berücksichtigt der EST

(16)

1 Einleitung

sowohl Aspekte der embryonalen als auch der maternalen Toxizität (BUESEN et al.

2004). Die Bestimmung der Testkonzentrationen, bei denen die Stammzelldifferenzierung (inhibition of differentiation, ID50) bzw. die Lebensrate der ES-D3- und BALB/c-3T3-Zellen (inhibitory concentration, IC50) zu 50 % gehemmt werden, erfolgt mit Hilfe erstellter Dosis-Wirkungskurven in Relation zur Lösungsmittelkontrolle. Unter Einbeziehung der ermittelten ID50- und IC50-Werte in ein mathematisches Prädiktionsmodell (PM) (SCHOLZ et al. 1999) können getestete Substanzen in die drei Klassen „nicht“, „schwach“ oder „stark embryotoxisch“

eingestuft werden. Mit dem Ziel einer Weiterentwicklung des validierten EST- Protokolls (INVITTOX no. 113) und zur verbesserten Möglichkeit einer Substanztestung im Hochdurchsatz-Verfahren (high throughput) wurden und werden diverse Ansätze verfolgt wie z.B.:

- die quantitative Analyse der Genexpression mittels TaqMan-PCR (ZUR NIEDEN et al. 2001);

- die Ermittlung der MHC (myosin heavy chain)- bzw. α-Aktinin-Expression durch quantitative FACS (fluorescence-activated cell sorting)-Analyse (SEILER et al. 2004, BUESEN et al. 2009);

- die differenzierte Betrachtung der zellulären Proliferation und Differenzierung unter Substanzeinfluß (VAN DARTEL et al. 2009);

- die Untersuchung der Genexpression während der Kardiomyozyten- Differenzierung durch Eingliederung der Transkriptomik über Mikroarray- Technologie (PELLIZZER et al. 2004, VAN DARTEL et al. 2010 b);

- die Adaptation des EST-Protokolls an ein 96-Well-Format mit evtl.

automatischer Erfassung der Kardiomyozyten-Kontraktionen (DE SMETH et al. 2008, PETERS et al. 2008 a).

Mit der Beinknospenzellkultur (MM) werden Testsubstanzen auf ihr Potenzial untersucht, die Entwicklung undifferenzierter Gliedknospenzellen in Knorpelzellen zu stören (FLINT u. ORTON, 1984). Hierfür erfolgt die Entnahme von Mesenchymzellen aus den Extremitätenknospen von Rattenembryonen am Tag 13 der Gestation.

(17)

1 Einleitung

Dieser Test wurde für eine Durchführung im Mikrotiterplattenformat optimiert (FLINT 1993).

Die Kultur aus Rattenembryonen (whole embryo culture, WEC) (NEW et al. 1976) nutzt die prinzipielle Möglichkeit, Säugerembryonen für den Zeitraum der Befruchtung bis zur Vollendung der Organogenese außerhalb des mütterlichen Organismus kultivieren zu können (BROWN et al. 1995). Nach dem validierten Protokoll der WEC werden Rattenembryonen am Gestationstag (GD) 9,5 explantiert, für 48 Stunden in einer Rollerkultur mit einer Testsubstanz inkubiert und anschließend auf Veränderungen bezüglich Morphologie, Funktionalität, Wachstum und Zellviabilität untersucht.

In der Validierungsstudie zu diesen drei Verfahren wurden je Testsystem in vier verschiedenen Laboratorien 20 Testsubstanzen getestet. Diese wurden mit dem EST zu 78 %, mit dem MM-Test zu 70 % und mit der WEC zu 80 % richtig klassifiziert. Die Toxizitätseinstufung der stark embryotoxischen Verbindungen erfolgte mit allen drei Systemen zu 100 % korrekt (GENSCHOW et al. 2002). Eine nachfolgende Studie mit dem EST unter Testung von weiteren 63 Substanzen durch den Pharmakonzern Pfizer bestätigte zunächst das Ergebnis der Validierungsstudie (PAQUETTE et al.

2008). Im Zuge einer zweiten Evaluierung (EU-Projekt ReProTect) wurden jedoch nur zwei der insgesamt 13 getesteten Substanzen durch den EST korrekt klassifiziert, womit die Notwendigkeit einer Überarbeitung bzw. Verfeinerung des PM im Zuge einer fortzuführenden Datenbasiserweiterung deutlich wird (MARX- STOELTING et al. 2009).

Neben diesen drei validierten sind noch besonders zwei weitere Alternativmethoden erwähnenswert, die die Verwendung von Hühner- und Frosch-Embryonen zur Embryotoxizitätsmessung vorsehen. Laut einer Studie fehlt allerdings dem sogenannten CHEST (chick embryotoxicity screening test) das Potenzial, spezielle Effekte auf die Embryonalentwicklung von allgemeiner Toxizität unterscheiden zu können (BROWN et al. 1995). Mit dem zweiten Testsystem, dem FETAX (frog embryo teratogenesis assay), erfolgte die Klassifizierung von 40 getesteten Substanzen zu 79 % – 83 % korrekt (BANTLE et al. 1990), jedoch ist sein Einsatz auf wasserlösliche Substanzen beschränkt.

(18)

1 Einleitung

Die Entwicklung alternativer Testmethoden über die letzten Jahrzehnte hat eine Fülle von In-vitro-Verfahren hervorgebracht, die neben diversen Vorteilen aber auch ihre Limitierungen vorweisen (Tab. 1.1). Insbesondere die Erfassung systemischer Effekte unter Berücksichtigung der pharmakokinetischen Parameter Absorption (absorption), Stoffverteilung (distribution), Metabolismus (metabolism) und Ausscheidung (excretion), die allesamt in der Fachliteratur unter dem Akronym

„ADME“ zusammengefasst werden (FRANTZ et al. 1994), kann im vollen Umfang nach wie vor nur in vivo erfolgen (SPIELMANN et al. 2008).

In-vitro-Systeme

Vorteile Nachteile

- Versuchsbedingungen sind kontrollierbar - keine Erfassung von:

- Reduktion systemischer Effekte • systemischen Einflüssen

- Reduktion der Test-Variabilität • komplexen toxischen Wirkungen - Testung von derselben Dosierung an

einer Vielzahl verschiedener Zellen / Geweben möglich

chronischen Effekten Heilungsprozessen Pharmakokinetik - Durchführung zeitabhängiger Studien

mit häufiger Probennahme möglich

- kaum Erfassung von

organspezifischer Sensitivität - Methoden sind vergleichsweise schnell

und billig

- limitierter Metabolismus - Einsatz von nur geringer

Testsubstanzmenge möglich

- Menge an toxischem Abfall minimal - Nutzung von menschlichen Zellen /

Gewebe möglich

- Nutzung transgener Zellen mit

menschlichen Genen möglich

- Reduktion der Tierversuchszahl

Tab. 1.1: Vor- und Nachteile von In-vitro-Systemen, modifiziert nach SPIELMANN et al.

2008

Bezüglich einer Substanztestung auf Entwicklungstoxizität sind außerdem nicht nur die ADME-Parameter im mütterlichen Individuum relevant sondern auch noch diejenigen des sich entwickelnden Embryos. Darüber hinaus müssen weitere Aspekte des gesamten Reproduktionszyklusses (Fertilität, Implantation, Embryo- und Fetogenese, postnatale Entwicklung) berücksichtigt werden (SPIELMANN 2005). Es wird deutlich, dass keine einzelne In-vitro-Methode alle denkbaren Interaktionen

(19)

1 Einleitung

zwischen Test-Stoff und Organismus berücksichtigen kann (PIERSMA 2004, SCHENK et al. 2010), so dass zukünftig die Ausarbeitung von „intelligenten Test- Strategien“ (ITS) voranzutreiben ist. Diese bestehen aus Batterien individueller Tests, die jeweils eine andere Komponente eines multifaktoriellen toxischen Effekts untersuchen (BLAAUBOER 2002, COMBES et al. 2003).

1.2 Biotransformation

Der Organismus ist ständig gegenüber Stoffen von endogener (z.B. Gallenfarbstoffe, Steroidhormone) oder exogener Herkunft (z.B. Pharmaka, Konservierungsstoffe) exponiert wobei sowohl die körpereigenen Stoffe (Endobiotika) wie auch körperfremde Substanzen (Xenobiotika) toxische Effekte auslösen können.

Wirkungsvolle Mechanismen der Biotransformation können dabei durch enzymatische Umwandlung die Inaktivierung schädlicher Substanzen herbeiführen (KOOLMANN u. RÖHM 1998) und durch Bildung von hydrophileren Produkten besonders die Ausscheidung lipophiler Ausgangsstoffe unterstützen (LEWIS u.

PRATT 1998). Diese metabolischen Reaktionen verlaufen prinzipiell in zwei Phasen ab (Kap. 1.2.1, Kap. 1.2.2.) und vollziehen sich hauptsächlich in der Leber, aber auch in einem nicht unerheblichen Umfang in anderen Organen wie Niere, Lunge, Darm, Gehirn und Haut (NAU et al. 2003, COECKE et al. 2006).

Neben der Aufgabe der Detoxifizierung schädlicher Substanzen kann allerdings der Metabolismus über die Bildung von elektrophilen Intermediaten oder Radikalen auch zu einer Bioaktivierung bzw. Toxifizierung von Stoffen führen (BAILEY u.

DICKINSON 2003, IOANNIDES u. LEWIS 2004). So werden beispielsweise erst durch Cytochrom-P450-vermittelte Reaktionen der polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoff Benzo[a]pyren (Aufnahme durch z.B. Tabakrauch, übermäßig stark erhitztes Grillgut) zum kanzerogenen Epoxid (MORISSEAU u. HAMMOCK 2005) oder das all-trans-Retinol (Vitamin A) zur teratogen wirksamen all-trans- Retinsäure (DUESTER 1996) umgesetzt bzw. die Embryotoxizität des Antikonvulsivums Phenytoin entfaltet (SHANKS et al. 1989). Dabei ist die Arzneimittelentwicklung ein Bereich, in der das Prinzip der Bioaktivierung durch

(20)

1 Einleitung

Herstellung von Prodrugs ausgenutzt wird, um unerwünschten Effekten wie der limitierten Bioverfügbarkeit, der mangelnden Wirkungsspezifität oder einer chemischen Instabilität entgegen zu wirken (HAN 2000, ETTMAYER et al. 2004).

1.2.1 Phase-1-Metabolismus

Durch den Phase-1-Metabolismus werden infolge Oxidation, Reduktion oder Hydrolyse polare Gruppen wie -OH, -NH2 und -SH in Endo- oder Xenobiotika eingebaut, die nachfolgend (Phase 2) mit endogenen Molekülen des Intermediärstoffwechsels konjugiert werden (HÄRTTER 2000). Die Phase-1- Reaktionen werden neben Dehydrogenasen, Hydrolasen, Reduktasen und Prostaglandin-H-Synthasen (THALLINGER u. JOUKHADAR 2006) überwiegend durch membranständige Monooxygenasen katalysiert (COON et al. 1992, WRIGHTON u. STEVENS 1992). Diese sind Eisen tragende Hämproteine und werden als Cytochrom-P450-(CYP)-Enzyme bezeichnet, da sie unter Komplexbildung mit dem Kohlenmonoxid ein charakteristisches Absorptionsmaximum von 450 nm aufweisen (OMURA u. SATO 1964). Basierend auf einem Nomenklatursystem, welches Ende der 80er Jahre postuliert wurde (NEBERT et al. 1987), erfolgt die Kategorisierung der Cytochrom-P450-Enzyme (Abb. 1.2). Dabei werden CYPs bei einer Homologie der Aminosäuresequenz ≥ 40 % in einer „Familie“ (erste arabische Zahl) und bei einer Sequenzidentität ≥ 59 % in einer „Subfamilie“ (folgender Großbuchstabe) zusammengefasst, während „CYP“ für Cytochrom P450 steht und die letzte arabische Ziffer einzelne Isoenzyme benennt (RUCKPAUL 1993).

CYP 1 A 2

Cytochrom P450 Familie Subfamilie Isoenzym

Abb. 1.2: Nomenklatur der Cytochrom-P450-Enzyme

Die Leber repräsentiert das Hauptorgan des Cytochrom-P450-vermittelten Metabolismus und in ihr wurden auch als erstes CYP-Enzyme identifiziert

(21)

1 Einleitung

(KLINGENBERG 1958). Neben der Leber werden auch in vielen anderen Organen wie z.B. dem Darm, der Lunge, der Niere, des Gehirns, der Plazenta oder der Haut die Enzyme des CYP-Systems exprimiert (LIN u. LU 2001, PAINE et al. 2006).

Bisher wurden nicht weniger als 57 funktionelle CYP-Gene des Menschen identifiziert (GUENGERICH 2008), von denen für den Fremdstoffmetabolismus ausschließlich die Familien CYP1, CYP2, CYP3 und CYP4 verantwortlich zu sein scheinen (HAKKOLA 1994, GONZALEZ 1998, RUSHMORE u. KONG 2002, BJORNSSON et al. 2003). Während die CYPs sowohl mitochondrial als auch an das glatte Endoplasmatische Retikulum (mikrosomal) gebunden vorkommen (GOEPTAR et al. 1995) und an beiden Lokalisationen an der Biosynthese von Steroiden und Gallensäuren beteiligt sind, erfolgt der Fremdstoffmetabolismus nur durch mikrosomale P450-Enzyme (GONZALES u. KORZEKWA 1995). Dabei sind für die Umsetzung der Xenobiotika vor allem die CYPs 1A2, 2C9, 2C19, 2D6 und 3A4 von herausragender Bedeutung (SPATZENEGGER u. JAEGER 1995, ZHOU et al.

2009). Sie vertreten mit mehr als 50 % den Hauptanteil der Leber-CYPs (SHIMADA et al. 1994) und verstoffwechseln über 80 % aller Pharmaka (SERIPA et al. 2010), wobei über 50 % der Arzneimittel einer CYP-3A4-Metabolisierung unterliegen (WILLIAMS et al. 2004, CHEN et al. 2006). Die allgemeine chemische Reaktion, die durch die CYPs als Monooxygenasen katalysiert wird, ist im Wesentlichen eine Hydroxylierung (Abb. 1.3).

Abb. 1.3: Durch die CYP450 – Monooxygenasen katalysierte allgemeine Reaktion, nach LEWIS et al. 1998

Dabei wird molekularer Sauerstoff durch den aufeinander folgenden Einsatz zweier reduzierender Äquivalente (NADPH oder NADH) gespalten. Nachfolgend entstehen durch die Bindung eines Sauerstoffatoms an das Substrat (RH) ein oxygenierter Metabolit (ROH) sowie ein Molekül Wasser (LEWIS et al. 1998 a).

RH + O

2

P450 ROH + H

2

O

2H

+

,2e

-

(22)

1 Einleitung

Neben der grundsätzlich unterschiedlichen genetischen Situation und dem damit variablen CYP-Vorkommen zwischen verschiedenen Spezies (SMITH 1991, LEWIS et al. 1998 b, MARTIGNONI et al. 2006) unterliegt die Aktivität der Cytochrom-P450- Enzyme vielen Einflussfaktoren und kann sowohl zu einer Zunahme wie auch zu einer Abnahme führen. So bedingen z.B. Ethnie, Geschlecht, Alter, Nahrungsbestandteile und ganz maßgeblich auch Arzneimittel Unterschiede in der inter- und intraindividuellen CYP-Synthese (PARKINSON et al. 2004, WAUTHIER et al. 2007, WRIGHTON et al. 2000). Die wiederholte Exposition gegenüber Substanzen kann Ursache für die Induktion oder auch Inhibierung der CYP- Expression bzw. –Aktivität sein. Beispielsweise können Co-Medikationen zu unerwünschten Interaktionen von Pharmaka mit dem CYP-System (drug-drug interactions) und damit zu unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen wie einer zu geringen Wirksamkeit oder toxischen Effekten führen (PATSALOS u. PERUCCA 2003, FUHR 2007). So wird eine reversible Inhibition von CYPs verursacht, falls eine Substanz eine höhere Affinität für das katalytische CYP-Zentrum aufweist als eine andere. Sie wird dann vorrangig metabolisiert während die andere auf Grund erniedrigter Umsatzrate im Organismus akkumuliert. Durch das Absetzen des höher affinen Stoffes kann dieser Effekt wieder aufgehoben werden. Neben der reversiblen kann es jedoch auch zur irreversiblen Enzymhemmung kommen, beispielsweise durch beständige Komplexbildung zwischen Substanz und Eisenatom der Häm- Gruppe oder durch kovalente Modifikation des Häm-Proteins (MURRAY 2000, HOLLENBERG 2002).

Aufgrund dieser potenziellen Effekte wird bei der Entwicklung von Arzneimitteln die Wechselwirkung von Arzneistoff und dem CYP-System routinemäßig untersucht (WIENKERS u. HEATH 2005).

Bezüglich einer Induktion der P450-Expression sind Wechselwirkungen von Wirkstoff und zytosolischen wie auch nukleären Rezeptoren ausschlaggebend. Zur Auslösung einer Induktion der CYP1-Familie wurde über ein knock-out-Mausmodell die Rolle des Ah (aryl-hydrocarbon)-Rezeptors für diesen Prozess identifiziert (GONZALEZ u.

FERNANDEZ-SALGUERO 1998). Dieser transloziert nach Ligandenbindung vom

(23)

1 Einleitung

Zytoplasma in den Zellkern und aktiviert nach einer Heterodimer-Bildung mit Arnt (Ah receptor nuclear translocator) und der Bindung an Bereiche in den CYP1- Promotorregionen die Transkription (LI et al. 1998). Das Barbiturat Phenobarbital und diesem ähnliche Substanzen fungieren als CYP2B-Induktoren über eine Bindung an den zytosolischen CAR (constitutive androstane receptor, BAES et al. 1994) und anschließender Bindung an die CYP2B-Basensequenz PBREM (phenobarbital- response element module, HONKAKOSKI u. NEGISHI 1997). Der PXR (pregnane X receptor), auch als NR1/2 klassifiziert, vermittelt vorwiegend eine CYP3A-Induktion (XIE et al. 2001, COUMOUL et al. 2002). Die Rezeptorfamilie PPAR (peroxisome proliferator activated receptors), sehr von Bedeutung in der Regulation des Lipoprotein- und Fettsäuremetabolismus, moduliert vor allem die CYP4A-Expression (TUGWOOD et al. 1996). Sowohl CAR, PXR als auch PPAR bilden jeweils Heterodimere mit RXR (retinoid X receptor, MANGELSDORF u. EVANS 1995) aus.

1.2.2 Phase-2-Metabolismus

Durch den Phase-2-Metabolismus kommt es im Zuge einer Kopplung von Substraten (Bilirubin, Steroidhormone, Metabolite der Xenobiotika, Pharmaka) an sehr polare, negativ geladene endogene Moleküle zur Konjugat-Bildung (KOOLMANN u. RÖHM 1998). Dies führt im Allgemeinen zu einer Reduktion bis Elimination der biologischen Aktivität des Ausgangsmoleküls und auf Grund der erhöhten Wasserlöslichkeit zu einer erhöhten Ausscheidungsrate über Fäzes, Urin oder Galle (COECKE et al.

2006). Vereinzelt können jedoch Phase-2-Reaktionen durch Acetylierung oder Methylierung auch eine verstärkte Lipophilie sowie die Bildung von aktiveren und toxischeren Metaboliten verursachen (BOLTON et al 2000). Die beteiligten Enzyme (z.B. Glutathion-S-Transferasen (GST), UDP-Glukuronosyltransferasen (UGT), N- Acetyltransferasen (NAT), Sulfotransferasen (SULT), Epoxidhydrolasen, Esterasen, Amidasen) sind zytosolisch und / oder mikrosomal lokalisiert und übertragen z.B Glutathion, aktivierte Glukuronsäure oder Sulfatgruppen auf ihre Substrate bzw.

hydrolysieren oder spalten diese (NAU et al. 2003). Wie bei den CYPs bestehen auch bei den Enzymen des Phase-2-Metabolismus Interspezies-Unterschiede

(24)

1 Einleitung

hinsichtlich ihres Vorkommens. So sind beispielsweise Hunde nicht zur N- Acetylierung von Substanzen fähig (PARKINSON u. GRASSO 1993). Des Weiteren kann die Aktivität der Phase-2-Enzyme ebenfalls einer Induktion oder Inhibierung unterliegen. Diesbezüglich wurden verschiedene regulatorische Elemente wie z.B.

ARE (antioxidant response element)/EpRE (electrophile response element) oder XRE (xenobiotic-responsive element)/AhRE (aromatic hydrocarbon responsive element) in der Promotorregion von Phase-2-Genen identifiziert, wobei den ARE/EpRE und ihrem aktivierenden Transkriptionsfaktor NrF2 (NF-E2 related factor- 2) eine Schlüsselrolle in der Modulierung der Phase-2-Reaktionen beigemessen wird (ITOH et al. 1997, KEUM et al. 2003). Hinsichtlich der CYP-Expression bedeutsame Rezeptoren wie AhR, PPAR oder CAR stellen auch im Phase-2-Metabolismus Steuerelemente dar (RITTER 2000, BARBIER et al. 2003, SAINI et al. 2004).

Die durch die UGTs und SULTs katalysierten Reaktionen gelten als die wichtigsten und am häufigsten stattfindenden Umsetzungen.

Heute sind eine Vielzahl UGTs bekannt, welche gegenüber verschiedenen Substanzen eine vielseitige und überlagernde Substratspezifität zeigen (CRETTOL et al. 2010).

R-OH Ar-OH R-NH2 Ar-NH2 R-COOH Ar-COOH

R-O-Gluk Ar-O-Gluk R-NH-Gluk Ar-NH-Gluk R-COO-Gluk Ar-COO-Gluk

+ + UDP

Abb. 1.4: Durch die UGTs katalysierte allgemeine Reaktion, modifiziert nach RITTER 2000

R: Alkyl-Rest, Ar: Aryl-Rest, UDPGA: Uridin-5’-Diphospho-αD-Glukuronsäure, UGT: UDP-Glukuronosyltransferase

Es sind neun UGT-Gene auf dem UGT1A-Lokus des Chromosoms Nr. 2 kodiert und 15 weitere Gene der UGT2-Familie, aufgeteilt in 2A (drei Gene) und 2B (sieben

(25)

1 Einleitung

Gene und fünf Pseudogene), auf dem UGT2-Lokus des Chromosoms Nr. 4 lokalisiert (TUKEY et al. 2002).

Während die UGTs 1A7, 1A8 und 1A10 ausschließlich im Magen-Darm-Trakt und die UGT2A1 nur in der Nasenschleimhaut vorkommen, werden alle übrigen hauptsächlich in der Leber exprimiert (TUKEY u. STRASSBURG 2000). Sie befinden sich auf der luminalen Seite des Endoplasmatischen Retikulums und benötigen die UDP-aktivierte Glukuronsäure als Zucker-Co-Substrat. Diese wird UGT-vermittelt an diverse funktionelle Gruppen (z.B. Alkohole, Amine oder Karbonsäuren) ihrer Substrate (z.B. Xenobiotika, Steroide, Gallensäuren) gekoppelt (RITTER 2000, Abb.

1.4).

Neben den membrangebundenen SULTs des Golgi-Apparates, welche größere Biomoleküle wie Proteine metabolisieren, sind es die SULTs einer zweiten Klasse, die für die Verstoffwechslung von Hormonen, Bioaminen oder Xenobiotika zuständig sind. Wie schon die UGTs werden auch diese 13 bekannten cytosolischen SULTs des Menschen in Familien eingeteilt.

SULT

Sulfatsäure-Ester R-NH2 / R-OH +

PAP PAPS

Abb. 1.5: Durch die SULTSs katalysierte allgemeine Reaktion, modifiziert nach NIMMAGADDA et al. 2006

PAPS: 3’-Phosphoadenosin-5’-Phosphosulfat, PAP: Adenosin-3’,5’-Diphosphat

(26)

1 Einleitung

Dafür muss mindestens eine 45 %ige Aminosäurensequenzidentität vorliegen, während die weitere Kategorisierung in Subfamilien mit einer wenigstens 60 %igen Sequenzhomologie verbunden ist (NAGATA u. YAMAZOE 2000). Sie werden in vielen Organen wie z.B. der Leber, dem Darm, der Niere, der Lunge oder dem Gehirn exprimiert und katalysieren die Übertragung einer Sulfatgruppe, überwiegend dem Co-Substrat PAPS (3’-phosphoadenosine-5’-phosphosulfate) entstammend, an eine Reihe von nukleophilen Substraten wie Alkohole oder Amine (Abb. 1.5). Es entstehen dabei die Produkte PAP (adenosine 3’,5’-diphosphate) und Sulfatsäure- Ester (NIMMAGADDA et al. 2006).

1.2.3 Phase-3-Metabolismus

Neben der Einteilung der Biotransformation in die zwei klassischen Phasen 1 und 2 werden weiterführend noch verschiedene Transportproteine unter einer sogenannten

„Phase 3“ zusammengefasst. Diese Transporter sind sehr bedeutsam für die Verteilung und Exkretion von Phase-2-Konjugaten. Zu ihnen gehören ATP- abhängige Plasmamembran-Transporter wie beispielsweise P-Glykoproteine (BRINKMANN u. EICHELBAUM 2001), MRPs (multidrug resistance-associated proteins, BORST et al. 1999) oder OATP2 (organic anion transporting polypeptide 2, TIRONA u. KIM 2002). Ihre Klassifizierung als „Phase 3“ des Metabolismus ist jedoch nicht unumstritten und wird als irreführend bezeichnet, da mit der Bindung eines Fremdstoffes an ein Transportprotein allein keine Metabolisierung und damit keine Veränderung der chemischen Struktur einhergeht (JOSEPHY et al. 2005).

1.2.4 Biotransformationssysteme

Eine Hauptlimitierung der meisten bestehenden Alternativmethoden liegt in ihrer fehlenden Fähigkeit zur Metabolisierung von Xenobiotika. Da es zur Risikobewertung einer Testsubstanz jedoch unabdingbar ist, ihre biologische Umsetzung und damit das von ihren Metaboliten möglicherweise ausgehende toxische Potenzial zu berücksichtigen, ist die Einbeziehung der Biotransformation in bestehende sowie

(27)

1 Einleitung

zukünftig zu entwickelnde In-vitro-Systeme dringend notwendig (PIERSMA 2004, COECKE et al. 2006, BOLT u. HENGSTLER 2008, LILIENBLUM et al. 2008, SPIELMANN et al. 2008). Dabei kann die Kombination der metabolisierenden Einheit mit einem Testsystem unterschiedlich erfolgen. Beispielsweise bietet die Methode der Präinkubation auf Grund der getrennten Biotransformation den Vorteil, miteinander inkompatible Systeme, wie sie z.B. bei unterschiedlichen Kultivierungsbedingungen mehrerer Zelltypen bestehen, zu verknüpfen (BREMER et al. 2002, COECKE et al. 2006). Allerdings ist mit dieser Methodik die Detektion von instabilen und kurzlebigen Metaboliten erschwert, da diese erst von einem in das andere System überführt werden müssen und dabei an Aktivität verlieren können. Mit einer direkten Zusammenführung von aktivierender Einheit und Testsystem kann dieser Nachteil umgangen werden. Falls die Zellkulturanforderungen miteinander vereinbar sind, ist die Kombination von zwei oder mehr Zellkultursystemen zu einem einzigen System möglich (OGLESBY et al. 1986, BRUINIK u. MAIER 2007, CHO et al. 2007). Alternativ kann die Co-Kultur auch unter der Anwendung von so genannten Transwells, die über eine semipermeable Membran den Übertritt entstandener Metaboliten gewährleisten, möglich gemacht werden (SPRINGATE u. TAUB 2007).

Zur metabolischen Aktivierung können die nachfolgend angeführten Modelle in Erwägung gezogen werden.

1.2.4.1 Isolierte Hepatozyten

Die beispielsweise nach der traditionellen Kollagenase-Perfusionstechnik isolierten primären Hepatozyten (HOWARD et al. 1967) stellen ein häufig genutztes Modell zum Studium des Fremdstoffmetabolismus, der Enzyminduktion und der Lebertoxizität dar. Sie verfügen über das gesamte Spektrum an Fremdstoff- metabolisierenden Enzymen des Phase-1- und Phase-2-Metabolismus inklusive der notwendigen Co-Faktoren in physiologischen Mengen (BEGUE et al. 1993). Darüber hinaus können sie aus Lebern unterschiedlicher Spezies gewonnen werden. Unter Umständen stellt bei der Arbeit mit menschlichen Leberzellen der Aspekt der Verfügbarkeit eine bedeutende Limitierung dar. Allerdings können durch die

(28)

1 Einleitung

Entwicklung spezieller Techniken der Kryokonservierung (DIENER et al. 1993, HENGSTLER et al. 2000) humane Hepatozyten auch kommerziell erworben werden.

Die Hepatozytensuspension ist vergleichsweise sehr einfach zu handhaben und hat zusätzlich den Vorteil, dass eine Testsubstanz die nicht adhärenten Leberzellen komplett umgeben und von jeder Seite aus erreichen kann. Allerdings verlieren die Hepatozyten unter konventionellen Bedingungen innerhalb weniger Stunden erheblich an metabolischer Kompetenz bei einhergehender Entdifferenzierung und insgesamt sehr kurzer Lebensdauer (MITAKA 1998). Da aber während einer akzeptablen Kurzzeit-Inkubation von zwei bis maximal vier Stunden Hauptmetabolite oder auch Interspezies-Unterschiede identifiziert werden können, kann diese Art der Kultivierung für screening-Analysen bezüglich der metabolischen Stabilität oder des metabolischen Profils von Testsubstanzen empfohlen werden (BERRY et al. 1992, GEBHARDT et al. 2003). Darüber hinaus ist eine verlängerte Nutzung der Hepatozyten durch deren Kultivierung bei Temperaturen unter 37 °C möglich. So konnten bei 25 °C bis zu 24 Stunden fortdauernd gute Werte der Viabilität, Synthese- und Biotransformationsleistungen der Leberzellen beobachtet werden (WIGG et al. 2003).

Mit der adhärenten Hepatozytenkultur ist es möglich, der Dedifferenzierung, dem Verlust der Syntheseleistung und der metabolischen Spezialisierung von Leberzellen über einen Zeitraum von etwa 48 Stunden entgegen zu wirken. Diese Kultivierungstechnik wurde durch den Einsatz modifizierter Kulturmedien (SINCLAIR et al. 1979, ENAT et al. 1987), Hormonen bzw. speziellen Wachstumsfaktoren (BLOCK et al. 1996) und der Anwendung von Kollagen oder Fibronektin als Oberflächenmatrices zur Unterstützung der Zelladhäsion weiterentwickelt (MICHALOPOULOS u. PITOT 1975, BISSELL u. GUZELIAN 1980, DESCHENES et al. 1980, SKETT 1994). Dadurch konnte die Aufrechterhaltung der Viabilität, des Differenzierungsgrades und der metabolischen Kompetenz der Hepatozyten über mehrere Tage erreicht werden.

Eine weitere Möglichkeit der Leberzellkultivierung besteht in der Durchführung einer Co-Kultur mit den nicht-parenchymalen Zellen der Leber. Während Kupffer- Sternzellen, endotheliale Zellen, Ito- und Gallengangsepithelzellen etwa 20 % des

(29)

1 Einleitung

Zellanteils in der Leber ausmachen (BRANDON et al. 2003), liegt ihr Anteil bei einer typischen Leberzellisolierung bei unter einem Prozent (AMMANN u. MAIER 1997).

Die Interaktion von Leberzellen mit den nicht-parenchymalen Zellen kann jedoch für die Leberzellfunktion bedeutsam sein, z.B. im Sinne einer möglichen Bereitstellung von Zytokinen als Co-Faktoren durch Kupffer-Sternzellen (BRANDON et al. 2003).

Daher kann über die Co-Kultur von Hepatozyten mit nicht-parenchymalen Leberzellen eine Annäherung an die In-vivo-Situation und eine bessere Kulturstabilität erreicht werden (GUGUEN-GUILLOUZO et al. 1983, MORIN u.

NORMAND 1986, DONATO et al. 1990, MILOSEVIC et al. 1999).

Mit der Anwendung der so genannten „Sandwich-Kultur“ als Immobilisierungsverfahren kann die Aufrechterhaltung der Zellviabilität, der Differenzierung und damit der metabolischen Kompetenz von Leberzellen über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen möglich gemacht werden (DUNN et al. 1989, BADER et al. 1992, YARMUSH et al. 1992, CROSS u. BAYLISS 2000). Hierbei werden die Leberzellen auf einer Kollagenschicht ausgesät und mit einer zweiten bedeckt, so dass eine dreidimensionale Kultur entsteht. In dieser sind, wie auch in vivo, die Leberzellen in der Extrazellulärsubstanz Kollagen eingebettet. Dadurch können die Ausbildung von Zell-Zell-Kontakten, der interzelluläre Stoffaustausch, die Ausbildung gallengangsähnlicher Strukturen und der Gasaustausch optimiert ablaufen (TUSCHL u. MUELLER 2006). Auf diese Weise wird das Mikromilieu der Leber simuliert und der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Zellmorphologie und Zellfunktion in direkter kausaler Verbindung stehen (DUNN et al. 1991, BADER et al.

1994, BADER et al. 1996). Auch wenn mit der Sandwich-Konfiguration, wie mit allen anderen Kultivierungsmethoden, keine In-vitro-Proliferation der Hepatozyten erzielt wird, eignet sie sich für Langzeit-Metabolismusstudien und die Erforschung der Transporter-vermittelten Exkretion von Arzneimitteln in die Galle sowie von Arzneimittel-Interaktionen (KERN et al. 1997, HEWITT et al. 2007).

(30)

1 Einleitung

1.2.4.2 Leberschnitte

Die zur Klärung von Metabolismusfragen verwendbaren Leberschnitte wurden erstmals in den frühen 20ern hergestellt (WARBURG et al. 1923). Durch den Nachteil ihrer variablen Gewebsdicke und damit schlechten Reproduzierbarkeit wurde nach der Etablierung von Methoden zur Isolierung von Rattenleberzellen (BERRY u. FRIEND 1969) vorerst die Kultivierung isolierter Hepatozyten das In-vitro- Modell der Wahl. Mit der Entwicklung des Mikrotoms nach Krumdieck (KRUMDIECK et al. 1980) konnten schließlich Schnitte mit einer Dicke von unter 250 µm verlässlich angefertigt werden. Dadurch wurden die Leberschnitte eine geeignete Alternative zur Erforschung des Fremdstoffmetabolismus, der Hepatotoxizität oder von Transportmechanismen (PARRISH et al. 1995, DE KANTER et al. 1999). Die schon unter Punkt 1.2.4.1 erwähnte Relevanz einer bestmöglichen Nachahmung der anatomischen Gegebenheiten in vivo für eine optimale metabolische Leistung wird mit den Gewebeschnitten effektiv umgesetzt. Während ihrer Herstellung ist kein Einsatz zellschädigender Proteasen nötig. Durch technisch optimierte Schneidevorrichtungen wird die Anzahl auftretender Gewebstraumata minimiert und im abgetrennten Leberstück bestehen intakte zelluläre Interaktionen über gap junctions sowie eine Zellumgebung wie im unversehrten Organ. Trotz der Vorteile der Leberschnitte ist auf Grund ihres Durchmessers das Eindringen vom Medium im Allgemeinen unausgewogen und inadäquat. Dadurch können zum einen wegen mangelnder Nährstoffversorgung Vakuolisierungen und Nekrosen auftreten (LUPP et al. 2001, NEUPERT et al. 2003) und zum anderen Testsubstanzen nur erschwert oder gar nicht in das Innere der Schnitte gelangen (WORBOYS et al. 1996). Diese Faktoren bedingen die relativ kurze Überlebensrate der Leberzellen unter Aufrechterhaltung einer akzeptablen metabolischen Kompetenz für 12 bis 24 Stunden (WRIGHT u. PAINE 1992, HASHEMI et al. 2000).

(31)

1 Einleitung

1.2.4.3 Zelllinien

Im Vergleich zu den primären Leberzellen sowie den Leberschnitten ist der Einsatz von Leberzelllinien durch die kontinuierliche Proliferation dieser Zellen und ihrer damit nahezu unbegrenzten Verfügbarkeit, sowie den relativ unkomplizierten Kulturbedingungen und der folglich guten Standardisierbarkeit gekennzeichnet.

Aufgrund der entweder nicht vorhandenen oder nur niedrig ausgeprägten Expressionsrate der meisten Enzyme des Phase-1- und Phase-2-Metabolismus erfolgt der Einsatz dieser Zelllinien für Metabolismusstudien jedoch nur sehr begrenzt (GUILLOUZO 1998, BRANDON et al. 2003).

Durch die Isolierung von Hepatomzellen aus Tumorgewebe des Leberparenchyms wurden Zelllinien wie die BC2 (GLAISE et al. 1998) oder die sehr weit verbreitet eingesetzten HepG2 (ADEN et al. 1979) generiert. Beide exprimieren viele bedeutende CYPs wie die CYP1A1/2, -2B6, -C9, -2E1 und -3A4, verglichen mit primären Hepatozyten aber auf nur sehr niedrigem Niveau (teilweise um zwei bis drei Größenordnungen darunter) (GOMEZ-LECHON et al. 2001, RODRIGUEZ-ANTONA et al. 2002). Auch Phase-2-Enzyme wie die UGTs, SULTs oder GSTs werden exprimiert, allerdings ebenfalls in nur sehr geringem Umfang (ROQUES et al. 1991, DONATO et al. 1994). Eine weitere Möglichkeit der Herstellung von metabolisierenden Zelllinien besteht in der Immortalisierung von Hepatozyten. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Transformation mit dem large T Antigen des Affenvirus SV-40 (simian-virus-40) (SMALLEY et al. 2001) oder die Transfektion mit Onkogenen wie Ha-rasEJ (FISCHBACH et al. 1991) oder c-Ha-ras (HOHNE et al.

1993) angewendet worden. Weitere Strategien zur Gewinnung immortalisierter Hepatozyten sind die Herstellung von Hybridzellen durch die Fusion von Hepatozyten mit Hepatom-Zelllinien (WIDMAN et al. 1979, UTESCH et al. 1992) oder die Erzeugung von transgenen Tieren. In diesen Tieren können Onkogene oder Wachstumsfaktoren vorliegen, deren Expression unter der Kontrolle gewebsspezifischer Promotoren steht (WU et al. 1994, DONATO et al. 2003). So wurde beispielsweise eine transgene Maus generiert, die das large T Antigen an die regulatorische Sequenz eines Pyruvatkinase-Gens der Leber gekoppelt trägt. Über

(32)

1 Einleitung

die selektive Expression des large T Antigens konnten dann in der Leber immortalisierte Leberzelllinien geerntet werden (COURJAULT-GAUTIER et al. 1997).

Relevante Mängel von immortalisierten Zelllinien bestehen jedoch in einer möglicherweise veränderten Morphologie sowie in einer eventuellen genetischen Instabilität, die sich in Aberration, Austausch oder Verlust von Chromosomen manifestieren kann (SACK 1981).

Durch die Transfektion von Leber- sowie anderen Zelllinien mit Genen/cDNAs metabolisierender Enzyme können ebenfalls metabolisch kompetente Zelllinien erhalten werden (CRESPI et al. 1993, YOSHITOMI et al. 2001). Die vergleichsweise höheren Kosten dieser Methodik und vor allem der Umstand, dass mehr als zwei verschiedene Gene nur sehr erschwert in Zellen transfiziert werden können, limitieren ihren Gebrauch (BRANDON et al. 2003). Einsatzgebiete sind beispielsweise Untersuchungen auf ein CYP-induzierendes Potenzial von Xenobiotika oder die Überprüfung von drug-drug interactions (OGG et al. 1999, CUI et al. 2002).

1.2.4.4 Subzelluläre Fraktionen

Durch die Zentrifugation von Leberhomogenat bei 9000 x g wird ein Überstand gewonnen, der Enzyme des Phase-1- sowie des Phase-2-Metabolismus beinhaltet.

Basierend auf der für das Zentrifugieren verwendeten Beschleunigung und der englischen Bezeichnung des Begriffes Überstand (supernatant) wird dieser als „S9- Fraktion“ bezeichnet und seit Jahrzehnten vor allem zur Mutagenitätstestung im Ames-Test eingesetzt (MARON u. AMES 1983). Mit der Verwendung des S9-Mix unter Zugabe von Co-Faktoren wie NADPH oder Glutathion zur Unterstützung der GST-Aktivität kann das metabolische Profil des Säuger-Organismus umfassend abgedeckt werden.

Ein verbreitet eingesetztes In-vitro-Modell zur Untersuchung der metabolischen Umsetzung von Xenobiotika stellen neben der S9-Fraktion die Lebermikrosomen dar.

Diese können als Vesikel des ER durch Ultra-Zentrifugation des S9-Überstandes aus Lebergewebe, Leberschnitten, primären Hepatozyten oder auch Leberzelllinien

(33)

1 Einleitung

gewonnen werden (PELKONEN et al. 1974, SKAANILD u. FRIIES 2000, SUKHODUB u. BURCHELL 2005). Die mitochondriale Fraktion beinhaltet viele Enzyme wie CYPs, Esterasen, Epoxidhydrolasen und UGTs, deren verstoffwechselndes Potenzial allerdings ebenfalls von der Zugabe verschiedener Co-Faktoren abhängig ist. Hierzu zählen beispielsweise ein NADPH-regenerierendes System (NADPH und Glukose-6-Phosphat Dehydrogenase) oder die UDP-aktivierte Glukuronsäure (UDPGA) (ASHA u. VIDYAVATHI 2010). Der bei der Gewinnung der Mikrosomen erhaltene Überstand kann als so genannte „zytosolische Fraktion“

ebenfalls für Metabolismusstudien verwendet werden. Diese Fraktion enthält allerdings nur Phase-2-Enzyme wie die SULT, die NAT oder die GST; UGTs sind dagegen nicht vorhanden. Zur Nutzung der metabolischen Leistung ist auch hier die Zugabe von Co-Faktoren wie das Acetyl-CoA, das Glutathion oder das Adenosin-3’-Phosphat-5’-Phosphosulfat (für die SULT) erforderlich (ASHA u.

VIDYAVATHI 2010).

Die Vorteile einer Nutzung von subzellulären Fraktionen liegen in den relativ geringen Kosten, der einfachen Lagerung (auch die Kryokonservierung unter Beibehaltung der enzymatischen Aktivität ist möglich) und ihrer guten und Spezies übergreifenden Verfügbarkeit (EKINS et al. 2000). Den Mikrosomen und dem Zytosol fehlen jedoch bestimmte Enzyme. Darüber hinaus ist die Zytotoxizität der S9- Fraktion gegenüber Säugerzellen seit langer Zeit bekannt (MANSON u. SIMONS 1979, BENFORD et al. 1988). Daher ist ihre Verwendung für Metabolismusstudien in Kombination mit der Zellkultur problematisch. Wegen einer unphysiologischen Aufkonzentrierung vorhandener CYPs bzw. Phase-2-Enzymen in den subzellulären Fraktionen, sowie wegen der mangelnden Konkurrenzsituation auf Grund der fehlenden Enzyme, gestaltet sich die quantitative Beurteilung eines Fremdstoffumsatzes bezüglich der In-vivo-Situation schwierig (COECKE et al. 2006).

1.3 Teratogenität

Die Teratogenität (griech. „teratos“ = Monstrum) ist ein spezieller Aspekt der Embryotoxizität und bezeichnet die Fähigkeit unterschiedlichster Einflussfaktoren,

(34)

1 Einleitung

spezifische Missbildungen beim sich entwickelnden Lebewesen hervorzurufen, welche bei der Geburt als grobstrukturelle Abnormalitäten in Erscheinung treten (SULLIVAN 1992, SCHNORR 1996). Im Gegensatz dazu bezeichnen die Begriffe

„Embryo-“ und „Fetotoxizität“ Auswirkungen generalisierter toxischer Effekte auf die Entwicklung von Embryo oder Fetus, während sich der übergeordnete Begriff

„Reproduktionstoxizität“ auf schädliche Einflüsse jeglichen Aspekts des kompletten Reproduktionszyklus (Reifung und Produktion der Gameten, Fertilität, Befruchtung, Implantation, Embryo- und Fetogenese, Geburt, postnatale Entwicklung usw.) bezieht (SPIELMANN 2005).

Die vorgeburtliche Entwicklung von Mensch und Säugetier wird in die drei Phasen Blasto-, Embryo- und Fetogenese eingeteilt. Als erstes Organ entwickelt sich das Herz. Bei der Maus liegt bereits am Tag 7,5 ein primitiver Herzstrang vor, an dem sich an Tag 8,5 bereits Kontraktionen zeigen (KAUFMAN 1992). Beim Menschen bestehen am Tag 18 zwei primitive Herzschläuche, die sich am Tag 22 zu einem einheitlichen Endokardschlauch vereinigen, welcher kurz darauf schlagende Zellen aufweist (SCHNORR 1996). Mit der Stammzelldifferenzierung zu Kardiomyozyten im EST in vitro spiegeln sich die Prozesse der In-vivo-Herzmuskelbildung wider, da hohe Übereinstimmungen in den Aktionspotenzialen der Kontraktionen bestehen und charakteristische Gene (z.B. α-Aktin oder β-MHC) gleichermaßen exprimiert werden (WOBUS et al. 1991, MALTSEV et al. 1993, 1994). Unmittelbar nach Beginn der Kardiogenese folgt bei der Maus um Tag 8 und beim Menschen an Tag 19 mit Entstehung der Neuralplatte die Anlage des Nervensystems (NS). Über die Ausbildung der Neuralfalten formiert sich das Neuralrohr, das sich bei der Maus gegen Tag 10,5 und beim Menschen an Tag 28 komplett schließt (KAUFMAN 1992, SCHNORR 1996). Eine Vielzahl an teratogenen Faktoren kann die Prozesse der Herz- und NS-Entwicklung empfindlich stören. Zu diesen zählen genetische Ursachen wie Abweichungen in Anzahl oder Struktur der Chromosomen, und Umweltfaktoren physikalischen (z.B. ionisierende Strahlung, Hyperthermie), chemischen (z.B. Arzneimittel, Hormone, Vitaminmangel, Hypoxie) oder infektiösen Ursprungs (z.B. Toxoplasmose) (SCHNORR 1996, DE SANTIS et al. 2004). Dabei ist im Fall teratogener Substanzen eine Schwellenkonzentration charakteristisch,

(35)

1 Einleitung

unterhalb der im Vergleich zur Kontrolle kein signifikant höheres Missbildungsrisiko besteht. Die Teratogenität stellt ein multizelluläres Geschehen dar, und mit ansteigender Konzentration des einwirkenden Teratogens erhöhen sich sowohl Inzidenz wie auch Schwere der Fehlbildungen (BRENT 1986). Während die Induktion von Missbildungen grundsätzlich über den gesamten Zeitraum der Schwangerschaft möglich ist, bestehen Phasen höherer und erniedrigter Sensitivität.

So kennzeichnet den Embryo über den Zeitraum von der Befruchtung bis zur Implantation die ausgeprägte Kompetenz zur Erneuerung abgestorbener omnipotenter bzw. totipotenter Zellen. Daher kann aus der Einwirkung eines teratogenen Faktors während dieser Periode als „Alles-oder-Nichts-Antwort“

entweder die Embryolethalität oder die Reparatur eines ausgelösten Schadens resultieren (BECKMAN u. BRENT 1984). In dem Zeitfenster der Organogenese (beim Menschen von der Implantation bis zum 60. Tag) besteht die größte Empfindlichkeit des Embryos. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Exposition kann eine frühe Substanzeinwirkung vorwiegend Defekte des ZNS sowie des Herzens und ein später Substanzeinfluss Fehlbildungen der Gliedmaßen zur Folge haben (SULLIVAN 1993). Da sich während der anschließenden Fetogenese vordergründig das Körperwachstum sowie die histologische und funktionelle Weiterentwicklung der Organe vollziehen, tritt eine Entwicklungsstörung in diesem Zeitraum eher als eine Wachstumsretardierung, Funktionsstörung oder Verhaltensstörung in Erscheinung.

Die Mechanismen, über die sich teratogene Effekte manifestieren, sind sehr vielfältig (Tab. 1.2). Herausragende Bedeutung hat in diesem Zusammenhang z.B. der Folsäure-Antagonismus. Die Folsäure wird als wasserlösliches B-Vitamin, vermittelt durch die Dihydrofolat-Reduktase (DHFR), zum Tetrahydrofolat (THF) reduziert und weiter zum 5-Methyltetrahydrofolat-Monoglutamat (5-MTHF) umgesetzt. Es agiert als essentielles Co-Enzym bei vielen biochemischen Prozessen, insbesondere bei der Synthese von Purinbasen, Thymidin oder auch der essentiellen Aminosäure Methionin (VAN DER PUT et al. 2001). Da stark proliferierendes Gewebe eine hohe DNA-Syntheserate aufweist, wird die Relevanz der Folat-abhängigen Reaktionen für die Entwicklung und das Wachstum des Embryos offensichtlich. Verschiedene Arzneimittel, wie z.B. Phenobarbital oder Trimethoprim, zeigen einen störenden

(36)

1 Einleitung

Einfluss auf die Resorption oder Metabolisierung der Folsäure (ZIMMERMAN et al.

1987, HALWACHS et al. 2007).

Mechanismus Pathogenese finaler Effekt

- gen. Mutation - zu-/abnehmender Zelltod - Abnormalitäten von:

- chrom. Schädigung - gestörte Zell-Zell-Interaktion • Wachstum - Modulation von: - reduzierte Biosynthese • Differenzierung

• Epigentik - mech. Spaltung von Gewebe • Organentwicklung

• Zellteilung - gestörte Morphogenese • Gewebsentwicklung

• Nukleinsäure-Synth.

• Enzymaktivität

• Energiehaushalt

• Redox-Status

• Zell-Integrität

• Signaltransduktion

Tab. 1.2: Potenzielle Mechanismen, Pathogenese und finale Effekte teratogener Faktoren zur Induktion kongenitaler Missbildungen, modifiziert nach ALEXANDER u.

TUAN 2010

Neben der Folsäure stellen auch die molekularen Signalwege während der Neurulation zur Induktion, Migration, Proliferation und Differenzierung der Neuralrohrzellen wichtige Angriffspunkte teratogener Agenzien dar. So werden z.B.

durch das Antiepileptikum Valproinsäure (VPA) Neuralrohrdefekte wie die Exencephalie bei der Maus (NAU et al. 1981 a) oder die Spina bifida beim Menschen (LINDHOUT u. MEINARDI 1984, ROBERT et al. 1984) induziert. Hierbei spielt unter anderem ein Enzym-vermittelter Teratogenitätsmechanismus eine Rolle: im Zuge einer VPA-vermittelten Inhibition von Histon-Deacetylasen (HDACs) können die DNA-Transkription und damit die Zellteilung, Differenzierung und Apoptose gestört werden (MARKS et al. 2000, GÖTTLICHER et al. 2001).

Des Weiteren wurde eine Beteiligung von oxidativem Stress an der Ausbildung verschiedener Geburtsdefekte von Extremitäten, Neuralrohr oder Herz-Kreislauf- System postuliert (ISHIBASHI et al. 1997, WELLFELT et al. 1999, FANTEL u.

PERSON 2002). Reaktive Sauerstoffspezies (reactive oxygen species, ROS) fungieren als sekundäre Botenstoffe und gelten als wichtig für den Ionen-Transport, die Immunabwehr, Transkription und Apoptose (HANSEN 2006, DENNERY 2007).

Oxidativer Stress entsteht bei einem Ungleichgewicht zwischen der Bildung von ROS

(37)

1 Einleitung

und der verteidigenden Aktivität antioxidativer Zellmechanismen und kann über die irreversible Oxidation von DNA, Proteinen und Lipiden zu einer Inaktivierung vieler Enzyme und schließlich zum Zelltod führen. Gerade der sich entwickelnde Embryo ist auf Grund geringer Kapazität antioxidativer Schutzmechanismen oxidativem Stress gegenüber sehr empfindlich, speziell während der Organogenese (ORNOY 2007).

Anhand des Thalidomids (Contergan®) wird die Speziesspezifität als Gesichtspunkt teratogener Wirksamkeit deutlich. Es wurde ab 1957 als Schlaf- und Beruhigungsmittel vertrieben, jedoch Anfang der 60er Jahre wieder vom Markt genommen, da sich Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen seiner Einnahme während der Schwangerschaft und der Ausbildung von besonders die Extremitäten betreffenden Geburtsfehlern häuften (LECK u. MILLAR 1962, WARD 1962). Neben den überwiegend auftretenden Phoko- und Amelien traten jedoch auch Defekte an z.B. Ohr, Genitalien, Niere, Darm und Nervensystem bei einer Mortalitätsrate von etwa 40 % während des ersten Lebensjahres auf (LENZ 1988, SMITHELLS u. NEWMAN 1992). Während das Thalidomid beim Menschen, Primatenspezies und Hühnern teratogene Effekte verursacht, kommt es bei Nagetieren und Hamstern zu keiner Herbeiführung entsprechender Fehlbildungen (FRATTA et al. 1965, SCHUMACHER et al. 1965). Die Ursache dieser Interspezies- Differenz ist bis heute nicht endgültig geklärt. Sowohl verschiedene Wege des Thalidomid-Metabolismus (BAUER et al. 1998), Variation in der Plazenta-Struktur als auch eine unterschiedliche Präsenz bzw. Beschaffenheit wichtiger Transport- Proteine und –Kanäle scheinen bedeutsame Faktoren zu sein (VARGESSON 2009).

Da Teratogene über eine Vielzahl von Signalwegen gleichzeitig wirken können, noch erheblicher Forschungsbedarf zur Identifikation molekularer Mechanismen der Ontogenese besteht und die Untersuchung der Interaktionen von Teratogenen mit biochemischen Zielstrukturen während ablaufender Entwicklungsprozesse Limitierungen unterliegt, kann sich die Bestimmung des genauen Wirkmechanismus vieler Teratogene als kompliziert erweisen (ALEXANDER u. TUAN 2010).

(38)

1 Einleitung

1.4 Verwendung und Eigenschaften des Cyclophosphamid

Das Cyclophosphamid (CPA) ist ein kristalliner Feststoff aus der Gruppe der Oxazaphosphorine mit alkylierender Wirkung. Seine antitumorale Wirkung wurde Ende der 50er Jahre an Ratten entdeckt (ARNOLD et al. 1958) und nachfolgend beispielsweise in einer Studie, die 33 verschiedene Tumortypen der Tierspezies Ratte, Maus, Hamster und Huhn umfasste (SUGIURA et al. 1961), sowie in klinischen Studien am Menschen bestätigt (BROCK 1989). Seitdem findet es weltweit erfolgreichen Einsatz als Zytostatikum in der Chemotherapie solider Tumoren (NICOLINI et al. 2004, YOUNG et al. 2006, LEBEAU et al. 2010), Lymphomen (KUJAWSKI et al. 2007) oder Leukämien (SHANAFELT et al. 2007).

Aufgrund seiner immunsuppressiven Eigenschaften wird das CPA besonders zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie den systemischen Lupus erythematodes (VASOO u. HUGHES 2005), die rheumatoide Arthritis (VERBURG et al. 2005) oder die Wegener-Granulomatose (LANGFORD et al. 2003) eingesetzt.

Das CPA ist ein Pro-Pharmakon (prodrug), welches erst nach metabolischer Aktivierung unter Bildung der Metabolite Acrolein und Phosphoramid Mustard (FENSELAU et al. 1977) therapeutisch wirksam ist (BROCK 1976). Auch sein kanzerogenes (SCHMÄHL u. HABS 1979), mutagenes (MOHN u. ELLENBERGER 1976) sowie teratogenes (MURTHY et al. 1973) Potenzial geht im Wesentlichen von seinen Metaboliten aus.

Nach oraler Aufnahme beträgt die Bioverfügbarkeit des CPA beim Menschen 85 % - 100 % (WAGNER u. FENNEBERG 1984, STEWART et al. 1995). Seine Verteilung im Körper erfolgt überwiegend über die Bindung an Erythrozyten (HIGHLEY et al.

1996, DUMEZ et al. 2004) und zu etwa 20 % in proteingebundener Form (MOORE 1991). CPA wird hauptsächlich in der Leber metabolisiert (SLADEK 1988). Hier findet auch vorwiegend die initiale Aktivierung des CPA zum 4-Hydroxy-CPA (4-OH-CPA) statt (Abb. 1.6) (COLVIN et al. 1976). Zu knapp 50 % wird diese Hydroxylierung über CYP2B6 (CHEN et al. 2004), zu etwa 25 % über CYP3A4 (HUANG et al. 2000) und zu 12 % über CYP2C9 katalysiert (ROY et al. 1999). Einen kleinen Beitrag zu dieser

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

The impact of com- pounds on neural promoter activity (FLuc, Firefly Luciferase under the control of the Tα1 promoter), general promoter activity (RLuc, Renilla Luciferase under

It can be seen that for small scopes typically several distinct scopes with the same sizes exist whereas for larger scopes the large number at a certain size in figure 2.1 is

As evident from Figure 2, India and countries such as Bangladesh, Kenya, Nigeria and Pakistan have a lower level of fatality rate in comparison to the developed countries – the

Analysis of gene expression by quantitative RT-PCR revealed significant decreases in gene expression in the neuronal precursor marker genes HES5 and NEUROD1 and the neuronal

a The signal of all PS was determined in five different test systems (UKK, UKN1, JRC, UKN4 and UNIGE) after incubation with compounds as in Fig.. Then, the values for the

We also measure the total amount of phosphorus (P-dose) in the PSG layer using Inductively Coupled Plasma Optical Emission Spectrometry (ICP-OES) and quantify the P dose in

1) A research group isolates cells from the inner cell mass (ICM) of a human blastocyst. 2) The cells proliferate in a culture dish and form colonies with cells lying closely

Figure 3.18.: Purity versus efficiency plot for selected classifiers on test data sample with signal and MC background and only continuum suppression variables as input. The result