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6     Diskussion

6.1.3     Untersuchung weiterer TMEV-(Unter)Stämme auf Anfallsentwicklung

Da die Unterschiede zwischen B6-Unterstämmen keinen Einfluss auf die Entwick-lung von Anfällen zeigten, wurden Virusunterschiede als weiterer Einflussfaktor un-tersucht. Durch die Unterstützung der Arbeitsgruppe an der University of Utah konn-ten wir die dort verwendekonn-ten Virusstämme in Hannover hinsichtlich der Anfallsinduk-tion untersuchen. Dadurch konnten zwei weitere Virusstämme getestet werden: Be-An-2 und DA. Beide Viren wurden bei Versuchen in Salt Lake City eingesetzt und führten dort zur Entstehung von akuten Anfällen (Libbey et al., 2011b). Bei dem DA-Stamm wurde zusätzlich gezeigt, dass auch chronische Anfälle hervorgerufen wur-den (Stewart et al., 2010a).

In unseren ersten Untersuchungen konnten durch Infektion von B6-Mäusen mit BeAn-2 akute und chronische Anfälle bei B6-Mäusen erzeugt werden. Die Prävalenz akuter Anfälle entsprach dabei mit 34 % in etwa der von Libbey et al. (2011b) be-schriebenen 40 %. Eine Epilepsieentstehung wurde auch in Folge einer BeAn-2-Infektion beobachtet, wobei es sich wegen kleiner Gruppengrößen nur um ein ein-zelnes Tier handelte. Dies wurde unseres Wissens zuvor noch nicht beschrieben.

Durch die geringen Gruppengrößen bedingt, war der Unterschied bei der Entwick-lung chronischer Anfälle zwischen BeAn-1 und BeAn-2 nicht signifikant. Bei akuten Anfällen ergaben sich hingegen statistische Unterschiede. Die Unterschiede zwi-schen den beiden BeAn-Virusstämmen wurden weiter untersucht und werden in spä-teren Kapiteln diskutiert (6.4).

Durch Infektionen von B6-Mäusen mit dem DA-Stamm konnten ebenfalls akute und chronische Anfälle hervorgerufen werden. Laut Literaturangaben ist die Prävalenz akuter Anfälle von der applizierten Virusdosis abhängig (Libbey et al., 2011b). In den meisten Versuchen in Salt Lake City wurde ein Virustiter von 2 x 104 bis 3 x 105 PFU verwendet (Libbey et al., 2008; Kirkman et al., 2010; Cusick et al., 2013; Barker-Haliski et al., 2015). Eine Titration der Virusdosis ergab, dass beispielsweise Tiere mit einer hohen Viruskonzentration (3 x 106 PFU) eine Anfallsprävalenz von circa 80

% zeigen (Libbey et al., 2011b). Tiere, welche mit geringeren Dosen infiziert wurden, zeigen eine entsprechend niedrigere Prävalenz. Die von uns eingesetzte Virusdosis

betrug 2,44 x 107 PFU. Damit wäre laut Literatur mit einer akuten Anfallsprävalenz von circa 80 % zu rechnen (Libbey et al., 2011b). Die von uns beobachtete Prä-valenz von 57 % war zwar niedriger als erwartet, aber ein statistischer Vergleich ergab keine signifikanten Unterschiede mit den Werten von Libbey et al. (2011b).

Der sehr hohe Virustiter wurde von uns gewählt, da eine möglichst hohe Anfallsprä-valenz gewünscht war.

DA-infizierte B6-Mäuse wurden 14 Wochen nach der Infektion mit EEG und Video auf die Entwicklung von chronischen Anfällen untersucht. Drei von 16 B6-Mäusen (18,75 %) entwickelten pi eine Epilepsie und alle untersuchten Mäuse zeigten Epi-lepsie-assoziierte EEG-Veränderungen. Die einzige vergleichbare Studie, bei der mit EEG und Video Mäuse überwacht wurden, wurde von Stewart et al. (2010a) durch-geführt. In dieser Studie wurde berichtet, dass 15 von 23 chronisch überwachten TMEV-infizierten Mäusen (65 %) Anfälle zeigten. Es ist jedoch zu beachten, dass hierbei nur Mäuse zu einem späten Zeitpunkt untersucht wurden, die in den ersten zwei Wochen pi mindestens einen Anfall gezeigt hatten (~ 60 % der infizierten Mäu-se). Im Gegensatz dazu wurden in unseren EEG-Untersuchungen alle infizierten B6-Mäuse überwacht. Hierbei konnte beobachtet werden, dass eine Maus, bei der keine akuten Anfälle beobachtet worden waren, trotzdem chronische epileptische Anfälle entwickelte (kontinuierliche EEG-Überwachung zum frühen und späten Zeitpunkt).

Aus der Humanneurologie weiß man, dass in Folge einer Enzephalitis zwar häufig akute Anfälle auftreten, diese jedoch nicht zwingend vorgelegen haben müssen, um im späteren Leben von Patienten eine Epilepsie auszulösen (Libbey & Fujinami, 2014; Vezzani et al., 2016a).

Ein Vergleich der akuten Anfallsfrequenz zwischen BeAn-2- und DA-infizierten Mäu-sen führte zu keinen statistischen Unterschieden (34 % vs. 57 %). Unterschiede zwischen den beiden Stämmen bestanden hingegen in der Anfallsschwere und -frequenz. DA-infizierte Tiere zeigten einen höheren kumulativen Schweregrad, einen höheren maximalen Anfallsscore und eine höhere Frequenz von akuten Anfällen pro Maus. Diese Gegenüberstellung zwischen den beiden Virusstämmen wurde an der University of Utah nur anhand der Anfallsprävalenz durchgeführt (Libbey et al.,

in der Anfallsschwere und -frequenz lassen sich eventuell durch die höhere Neurovi-rulenz des DA-Stammes erklären (Oleszak et al., 2004). Dieser Stamm führt laut Li-teraturangaben zu einer erhöhten Entzündung der grauen Substanz des ZNS (Oles-zak et al., 2004).

Der früheste Zeitpunkt, zu dem Anfälle in Folge der TMEV-Infektion von der Arbeits-gruppe der University of Utah beobachtet wurden, war 3 dpi. Die meisten Anfälle wurden laut dieser Arbeitsgruppe an Tag 6 beobachtet. Die Anfallsfrequenz betrug durchschnittlich einen Anfall pro Maus pro 2 Stunden Überwachungszeitraum (Lib-bey et al., 2008). Die Anfälle wurden außerdem anhand ihrer Schweregrade nach Racine (1972) eingeteilt. Die meisten Anfälle hatten in den Arbeiten dieser Arbeits-gruppe Schweregrade zwischen 3 und 5. Einzelne Tiere wurden mit Anfällen des Schweregrades 2 assoziiert.

In den von uns durchgeführten Experimenten unterschieden sich die Anfallscharak-teristika: So traten Anfälle sehr viel früher, bereits einige Stunden pi (0 dpi) auf und der Großteil der Anfälle wurde 2 dpi beobachtet. Die Anfallsfrequenz war in unseren Versuchen auch geringer: Einige Mäuse zeigten nur einen einzelnen Anfall in der gesamten akuten Überwachungsphase. Die von uns beobachteten Schweregrade bewegten sich ebenfalls zwischen 3 und 5. Anfälle der Schweregrade 1 und 2 wur-den von uns nicht beobachtet, da diese nur sehr schwer auszumachen sind und häufig mit normalen Verhaltensweisen der Mäuse verwechselt werden können. Die Diskrepanzen bei verschiedenen Anfallscharakteristika zwischen Laboren eröffnete die Frage nach weiteren Einflussfaktoren. Ein möglicher Grund bestand in einer ab-weichenden Infektionsmethodik: In unseren Versuchen wurde zunächst auf eine ste-reotaktische Applikation der Virussuspension in das Striatum zurückgegriffen, wo-nach die Infektionsmethode und -lokalisation wo-nach Rücksprache mit der Arbeitsgrup-pe in Salt Lake City in eine Frei-Hand-Methode mit Injektion in den somatosensori-schen Kortex modifiziert wurde. Trotz dieser Anpassung konnte keine Erhöhung der Anfallshäufigkeiten oder eine Angleichung des frühesten Anfallszeitpunktes erreicht werden. Es bleibt offen, welche weiteren Faktoren eine Rolle hinsichtliche der unter-schiedlichen Anfallscharakteristika spielen, wobei diese von Faktoren wie einem ab-weichendem Mikrobiom, unterschiedlichen Haltungsbedingungen, einem unter-schiedlichen Virustiter, Abweichungen in der Versuchsdurchführung oder anderen

schwer erfassbaren Einflüssen abhängen können (Prinz et al., 2011; Collins & Ta-bak, 2014; Toth, 2015; Servick, 2016).