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4. Exploration des Sorgefeldes der Young Adult Carer

4.3. Unterstützungsmaßnahmen und der Wohlfahrtstaat

Expert_In D (24) teilt die Einschätzung bezüglich dieser fehlenden Betrachtung und merkte dazu an, dass sich die Lebensphasen stark überlappen, was auch Expert_In A (23) so sieht, und dadurch Herausforderungen in einem größeren Ausmaß herausbilden.

„Wenn ich mir vorstelle, dass jemand zu Hause pflegt, arbeitet, ein Stück in der Uni ist und es doch schafft, eine so gute Peer-Beziehung zu haben, dass daraus eine Beziehung oder Familie werden könnte(..) dass dies dann eine sehr große Herausforderung ist.“ (D: 24)

Die anderen Expert_Innen, so der grundlegende Eindruck, waren in ihren Antworten eher unsicher. So schätzt Expert_In C (20) ein, dass bei einer Gleichzeitigkeit verschiedener Phasen das Stressniveau bezüglich der Vereinbarkeit mit der Sorgeverantwortung merklich steigt.

„(..) was für mich stressig wäre, wenn ich mein Studium finanzieren müsste und dann so 10 Stunden in der Woche arbeiten. Muss ich das irgendwie vereinbaren, plus meine Freunde sehen, plus meine Freundin, plus meine Familie. Und wenn du dann noch jemanden pflegst, hast du noch weniger Zeit. Ich glaube je mehr sich das kumuliert, desto stressiger wird das wenn du jemanden pflegst.“ (E: 20)

Expert_In D (20) wiederum ist sich nicht sicher, ob bei einer solchen Gleichzeitigkeit neue Herausforderungen entstehen. Eher wird vermutet, dass sich die Art und Weise der Organisation für die Young Adult Carer ändert. Es entsteht somit ein anderer Anspruch an Organisation, wenn mehrere Lebensphasen parallel verlaufen und durchlebt werden.

(Döhner/Salzmann 2017). Das Anliegen dieser Arbeit war es demnach, die Einschätzungen bezüglich Unterstützungsmaßnahmen bei den Expert_Innen einzuholen, um dann herauszufinden zu können, wo die Hauptherausforderungen zu lokalisieren sind, was aus Sicht der Expert_Innen zu tun wäre, um eine bessere Umsetzung zu gewährleisten und welche Unterstützung die Young Adult gegenwärtig tatsächlich in Anspruch nehmen.

Grundsätzlich konnten in Österreich oder in Deutschland keine expliziten Unterstützungsmaßnahmen für Young Adult Carer ausgemacht werden. Als die zentrale Herausforderung für zukünftige Unterstützungsmaßnahmen haben alle Expert_Innen die (fehlende) Bewusstseinsbildung, Sensibilisierung und Aufklärung angesprochen. So spricht Expert_In C (28), aber auch Expert_In F (30, 38), ausführlich davon, dass das Bewusstsein gegenüber Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Sorgetätigkeiten übernehmen, als eine Voraussetzung vorhanden sein muss, zum Beispiel bei unterschiedlichen Pflegediensten, um überhaupt Unterstützungsmaßnahmen initiieren zu können. Der nächste Schritt wäre die Sensibilisierung unterschiedlichster Multiplikatoren sowie Kooperations- und Kommunikationsbemühungen untereinander, die Kontakt mit Young (Adult) Carer im Rahmen ihrer Tätigkeitsbereiche haben. Darunter fallen zum Beispiel Schulen und Schulsozialarbeiter, Universitäten, Jugendämter, Pflegedienste und Hilfsorganisationen, Ärzte oder Apotheker. Eine bessere Kommunikation und einen offeneren Umgang wünschen sich, aus Sicht von Expert_In E (32), zudem die Young Adult Carer selbst.

„Das ist ein wichtiger Punkt die Kommunikation zwischen den Institutionen und insbesondere auch mit den jungen Erwachsenen. Wo schnell negative Gefühle bei den jungen Erwachsenen auftauchen, wenn da eben Kommunikation nicht stattfindet (..)“ (E: 32)

Auch Expert_In D (32) und F (29) führen die (fehlende) gesellschaftliche Aufklärung und die Sensibilisierung in Sozial- und Bildungseinrichtungen als jene Herausforderung an, die es als erste zu lösen gilt.

Expert_In B (35) führt dann bezüglich der Konzeption von Unterstützungsmaßnahmen aus, dass zuvor die Frage geklärt werden muss, von welcher Form von Unterstützung gesprochen wird bzw. werden soll:

„Reden wir von Unterstützung für die Betroffenen selbst und in welcher Form, in der Form, dass die sich entlastet fühlen, in Form von unmittelbaren Angeboten, um diese Pflegesituation zu unterstützen oder um Unterstützungsformen, dass die weniger machen?“ (B: 35)

Aus Sicht von Expert_In B (35) müssen Unterstützungsmaßnahmen die ganze Familie erreichen und genau das Nichterreichen der betroffenen Familien wird als weitere zentrale

Herausforderung erwähnt. Den Grund dafür sieht man darin, dass die Familien selbst Hemmungen aufweisen, Hilfeleistungen von außen in Anspruch zu nehmen. Daher wird darauf hingewiesen, die Sicht der betroffenen Akteure zu berücksichtigen, um eine Einsicht dafür zu erhalten, wie man das vorhandene Pflegearrangement, je nach Form der Unterstützung, entlasten oder stützen kann.

Expert_In A (29) verweist als eine mögliche Unterstützungsform auf einen „Buddy“ hin, der außerhalb des Systems agiert. Diese Personen würden die betroffenen Young Adult Carer begleiten und sie in unterschiedlichsten Bereichen unterstützen.

Im Rahmen der Herausforderungen von Unterstützungsmaßnahmen weist Expert_In E (28) darauf hin, das ein Problem darin besteht, Unterstützungsangebote ausfindig zu machen, die für die Personengruppe einerseits bezüglich der Mobilität erreichbar sind bzw. sein müssen und andererseits muss die Gestaltung des Angebotes auch der Zielgruppe entsprechen.

„Daher glaube ich, muss das Angebot stimmen, muss der Zugang gut sein. Das ist ziemlich eine große Herausforderung, da etwas Passendes zu finden.“ (E: 28)

Abschließend spricht Expert_In F (28, 38) – aus einer wissenschaftlichen und praktischen Sicht –davon, dass die gesellschaftliche Stigmatisierung um Krankheit und Beeinträchtigung eine Barriere darstellt.

Eine weitere Station innerhalb dieses Themenblockes war es, festzuhalten, welche Angebote die jungen Erwachsenen in Anspruch nehmen. Jedoch haben lediglich Expert_In F (24) und Expert_In (D) (38) erwähnt, dass junge Erwachsene Selbsthilfegruppen in Anspruch nehmen.

Wir sehen also, dass bezüglich Unterstützungsmaßnahmen auf der wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Ebene im deutschsprachigen Raum insgesamt forcierte Bemühungen im Gange sind. Dennoch ist dabei anzumerken, dass junge Erwachsene gleichauf mit Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden sollten. Die zentrale Herausforderung und Forderung der Expert_Innen spiegelt sich jedoch außerhalb dieser Ebene ab. Sie alle drängen auf eine intensivere gesellschaftliche Aufklärung, institutionelle Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung mit all jenen Träger_Innen, die Kontakt mit Young (Adult) Carer besitzen, um überhaupt erst die Grundlage für zukünftige Unterstützungsangebote für diese Zielgruppen zu ermöglichen und einzurichten.

4.3.2. Young Adult Carer und der österreichische/deutsche Wohlfahrtstaat Der letzte Themenblock war jener, der am Beginn dieser Arbeit verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit erhalten hat. Im Laufe der Auseinandersetzung mit dem Forschungstand zu Young (Adult) Carer hat sich allerdings herausgestellt, dass sich hier eine Forschungslücke im

deutschsprachigen Raum auftut. In Kapitel 2.5 wurde daher eine knappe Skizzierung des österreichischen und deutschen Wohlfahrtstaates vorgenommen. In beiden findet man, mit unterschiedlichen Gewichtungen und Zusammensetzungen, ein Care-Regime mit (optionalen) familialistischem Charakter vor, der darauf abzielt, ein Sorgearrangement innerhalb der Sphäre Familie und Markt und entlang von Geschlecht, Migration und Klasse ausverhandeln zu lassen.

Die Lücke – was aus der bisherigen Literaturrecherche bekannt ist – besteht nun darin, dass die Rolle der Young (Adult) Carer und dessen Wirkung innerhalb der länderspezifischen Konstruktion der Care-Regime weitestgehend konzeptionell und empirisch unberücksichtigt geblieben ist. Somit bestand ein Teil der Exploration darin, bei den Expert_Innen unter anderem genauer nachzufragen, welche Sicht und welches Wisse entlang unterschiedlicher Fragestellungen diese auf die wohlfahrtstaatlichen Strukturen in Bezug auf die Young Adult Carer besitzen.

Insgesamt war es überraschend zu sehen, dass die Expert_Innen über die Thematik verhältnismäßig wenig wussten bzw. bisher nur punktuell Überlegungen angestellt haben.

Für Österreich spricht Expert_In B (41) davon, dass der österreichische Wohlfahrtstaat im Grunde nicht schlecht aufgestellt ist. Für Young Adult Carern bzw. die zu pflegende Person gibt es, wie für jeden anderen erwachsenen Menschen in Österreich, das Pflegegeld bzw. das Pflegestufenregelung, die sie in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus gibt es auch noch andere Bezüge, wie die Pflegeteilzeit oder Pflegekarenz, wobei hier je nach gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Erwerbsarbeit als Voraussetzung vorhanden sein muss. Es fehlt jedoch an einem aktiven Bewusstsein und einer aktiven Wahrnehmung dieser Zielgruppe seitens des Wohlfahrtstaates, um möglicherweise vorhandene Leistungen auf diese Gruppe gesetzlich treffsicherer zu machen. In diesem Zusammenhang wird für eine Form von Case-Management – Expert_In A (43) spricht hierbei von „Communitynurses“ – plädiert, das unabhängig von den möglichen Pflegestufen in die betroffenen Familien geht. Expert_In A (39, 43) sieht wiederum in der Kommunikation von bestehenden Leistungen nach außen das zentrale Problem und sieht dies als die größte Herausforderung des Wohlfahrtstaates an.

„Aber es hängt nach wie vor daran, dass die Menschen nicht wissen, was es gibt und nicht (...) Aber die Instrumente, mit denen sie versucht haben, zu zeigen, was es gibt, nach wie vor nicht tauglich sind.“ (A: 39)

In Deutschland konnten die entsprechenden Expert_Innen auch nur punktuell über dieses Thema etwas berichten. Auch hier verweisen zum Beispiel Expert_In D (40) und Expert_In C (38) auf das deutsche Pflegestufensystem und andere wohlfahrtstaatlichen Leistungen, die mit der Pflege zusammenhängen, wie zum Beispiel Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege. Dabei wird angemerkt, dass es in Deutschland gegenwärtig zu einer Novellierung der

Pflegegesetzgebung gekommen ist, jedoch ist darüber kein Detailwissen vorhanden. Die Expert_Innen C (46), D (46), E (36) und F (38) konstatieren auch, wie schon die Expert_Innen für Österreich, die zentrale Problematik, dass der deutsche Wohlfahrtstaat keine Leistungen, zugeschnitten für Young (Adult) Carer, aufzuweisen hat, da ihm überhaupt nicht bewusst ist, dass diese Zielgruppen existieren. Somit sprachen alle Expert_Innen über das fehlende Bewusstsein über pflegende Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene seitens des deutschen Wohlfahrtstaates.

In weiterer Folge stellt Expert_In E (36) fest, dass der Wohlfahrtstaat sich der Frage stellen muss, ob seine vorhandenen gesetzlichen Rahmenbedingungen überhaupt für junge Erwachsene geeignet sind.

„(..) „Kann man sie in einen Topf mit allen anderen werfen mit anderen pflegenden Angehörigen oder kann man das eben nicht?“ Ich sage mal überspitzt formuliert, wie bei einer 75-Jährigen, die ihren Mann zu Hause pflegt, hat die die gleichen Probleme wie eine 24-Jährige, die ihre Mutter zu Hause pflegt?“ (E: 36)

Es zeigt sich also, dass zu Young Adult Carer in Bezug auf den österreichischen bzw.

deutschen Wohlfahrtstaat Überlegungen bei den Expert_Innen vorhanden sind, die jedoch insgesamt kaum eine detaillierte Auskunft geben. Jedoch konnte herausgearbeitet werden, dass die Expert_Innen die gesellschaftliche Aufklärung, Wahrnehmung und Sensibilisierung beim Wohlfahrtstaat gegenüber diesen jungen Pflegenden als den wesentlichsten Schritt ansehen.

4.4. Sekundäranalyse zur österreichischen Situation von Young (Adult)