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betreffen. Diese unscharfe Grenzziehung zwischen Young Carer und Young Adult Carer in der Exploration kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass junge pflegende Erwachsene ohne ihre Sorgeerfahrungen als Kind oder Jugendliche nicht systematisch in den Blick genommen werden können.

Sekundäranalyse der österreichischen Studien, herauszufinden, mit welchen möglichen Erfahrungen, Herausforderungen und Schwierigkeiten diese jungen Erwachsenen entlang ihrer sensiblen Lebensphasen aus Sicht der Expert_Innen zu tun haben bzw. konfrontiert sind.

Lenkt man die Aufmerksamkeit auf die Lebensphasen der Young Adult Carer, konnten die Lebensphasen der Aus- und Weiterbildung, hierbei insbesondere die Phase des Studiums sowie die Phase des Verlassens des Elternhauses, der Partner- und Freundschaftsbeziehungen sowie der Freizeit identifiziert werden. Diese Phasen wurden als Übergangs- und Ablöseprozesse verstanden und lassen sich somit als „Transition to Adulthood“ (Nagl-Cupal et al. 2015c) begreifen. Die dokumentierten Erfahrungen, Herausforderungen und Schwierigkeiten der Young Adult Carer entlang dieser identifizierten Lebensphasen, decken sich zum Teil mit empirischen Arbeiten aus dem angloamerikanischen Raum und sind höchst individuell und vielschichtig konstruiert. So konnte herausgearbeitet werden, dass die jungen Erwachsenen insgesamt vor erheblichen Herausforderungen gegenüberstehen. Im Mittelpunkt steht dabei die Vereinbarkeit ihres Sorgearrangements mit den Anforderungen, den Gegebenheiten und den Strukturen der Lebensphasen sowie ihrer individuell gewünschten Lebensplanung. Aus diesen andauernden (Un-)vereinbarkeitsprozessen resultieren für die Young Adult Carer höchst unterschiedliche Formen von Erfahrungen, Herausforderungen und Schwierigkeiten und wirken sich aber auch auf die Person selbst aus.

Um hier nur einige Beispiele anzuführen, besitzen Young Adult Carer eine eingeschränkte Auswahlmöglichkeit der Studienwahl bzw. bei der Wahl ihrer Universität und sind durchgängig damit beschäftigt, ihre Pflegeverantwortung mit dem Studium und den damit verbundenen starren Universitätsstrukturen auf einen Nenner zu bringen. Der Prozess, sich vom Elternhaus zu lösen und in die erste Unabhängigkeit zu treten, wird aufgrund der Sorgetätigkeiten von den jungen Erwachsenen oft hinausgezögert. Und wenn sie diesen Schritt getan haben, sind sie mit Schuldgefühlen konfrontiert, nicht bei ihrer zu pflegenden Person zu sein und führen nicht selten ein caring at the distance durch. In der Lebensphase der Partner- und Freundschaftsbeziehungen wiederum, wird von den Expert_Innen konstatiert, dass sie aufgrund von früheren negativen Erfahrungen im Kontext ihrer Sorgeverpflichtung Schwierigkeiten aufweisen, soziale Bindungen einzugehen.

Zudem konnten im Rahmen der Exploration weitere Themenfelder aufgemacht und skizziert werden. Darunter mögliche Auswirkungen auf die Young Adult Carer, wobei hier mehrheitlich positive Wirkungen von den Expert_Innen genannt wurden, wie eine erhöhte Belastbarkeit, Problem- und Sozialkompetenz oder Verantwortungsbewusstsein. Aber auch unterschiedliche Bewältigungsstrategien, eine Einschätzung der Unterstützungsmaßnahmen und der deutsche bzw. österreichische Wohlfahrtstaat waren weitere Themenfelder, die im Kontext der Young Adult Carer besprochen wurden. Bei den letzten beiden Blöcken waren sich alle Expert_Innen einig, dass hier die sozialpolitische und zivilgesellschaftliche Bewusstseinsbildung,

Sensibilisierung und Aufklärung das zentrale Momentum ist, um überhaupt Young Adult Carer in weiterer Folge unterstützen zu können.

In Folge dessen, dass der bisherige Forschungsstand beider Sprachräume zu Young (Adult) Carer aus empirischen Momentaufnahmen zusammengesetzt ist, wurde aus einer soziologischen Sichtweise zwei Forschungsdesiderate festgemacht.

Die internationale Young Carer Forschung arbeitet gegenwärtig theorielos, wenn darum geht Young (Adult) Carer gesellschaftstheoretisch zu verorten. Die internationale Debatte um Care und Care Work, die im Rahmen des „traditionsreichen Forschungsfeld“ (Aulenbacher et al. 2015:

7) eine breite Betrachtung

„[...] Art und Weise, wie Selbst- und die Fürsorge [...] im Kontext der für die Moderne und den Kapitalismus spezifischen ökonomischen Ungleichheits- und bürgerlichen Gleichheitsordnung, im Verhältnis von Markt und Demokratie, von in- und exklusiven nationalstaatlich gerahmten Rechten von Bürgerinnen und Bürgern wie von Menschenrechten, von Privatwirtschaft, Gemeinwirtschaft, Staat und Privathaushalt, von Dominanz beanspruchenden Leitlinien wie der Verwertung, der Rationalisierung und anderen mehr gegenüber den Belangen der Existenzsicherung und des Lebens [...].“ (ebd.)

stattfindet, hat wiederum verabsäumt, Young (Adult) Carer in ihre Forschungsagenda aufzunehmen. Inwieweit sich die Gruppe der Young (Adult) Carer in diesem gesellschaftstheoretischen Kontext verorten lassen und welche Rolle sie darin spielen (oder eben auch nicht), wäre Aufgabe dieses Forschungsfeldes im Rahmen zukünftiger Forschungsvorhaben. Genau diese Einschätzung einer Theorielosigkeit der Young (Adult) Carer-Forschung und der quasi Nicht-Berücksichtigung der Young (Adult) Carer innerhalb der international geführten Debatte um Care und Care Work lässt sich als erstes Forschungsdesiderat festmachen.

Richtet man den Fokus auf Young Adult Carer im Kontext ihres Sorgearrangements und den damit verbundenen Lebensphasen, lässt sich ein zweites Forschungsdesiderat lokalisieren.

Ausgehend von den bisherigen Forschungsarbeiten zu Young Adult Carern und der hier durch geführten Exploration findet man zahlreiche Anhaltspunkte in Form von empirischen Momentaufnahmen vor, die verdeutlichen, dass es hier um ein höchst kritischen Lebensabschnitt für junge Erwachsene handelt. Dennoch fehlt es bislang an einer systematischen Betrachtung, sich diesen Lebensabschnitt im Kontext der Sorgeverantwortung sowie den damit verbundenen gesellschaftlichen Strukturen in ihrer Gesamtheit zu nähern.

Darunter fällt insbesondere die gegenwärtige Betrachtung der Transformation des Wohlfahrtstaates und dessen Beziehung auf das Sorgearrangement der Young Adult Carer sowie dessen Anforderungen an junge Erwachsene.

Von diesem Umstand ausgehend, wurde entschieden, auf Basis des Produktionsgewinnes dieser Arbeit zu den möglichen Erfahrungen, Herausforderungen und Schwierigkeiten in den sensiblen Lebensphasen der Young (Adult) Carer eine Skizzierung einer konzeptionellen Forschungsperspektive aufzubereiten. Dieses Vorhaben ermöglicht die zwei oben festgehaltenen Forschungsdesiderate aufzugreifen und soziologisch in den Blick zu nehmen.

Eine subjektorientierte Forschungsperspektive auf das Sorgearrangement der Young Adult Carer

Zentral besteht in der Forschungsperspektive auf Young (Adult) Carer, die ich gedanklich verfolge, der Anspruch, das Sorgearrangement und der damit verbundenen alltäglichen Praxis und der vorzufindenden Handlungen sowie der Lebenswelt und ihr wechselseitiges Verhältnis zu sozialen Lebensbereichen im engeren Sinn und zur Gesellschaft(-struktur) im weitesten Sinn theoriegeleitet und systematisch in den Blick zu nehmen.

Konzept der alltäglichen Lebensführung

Für dieses Vorhaben erscheint das subjektorientieren Konzept der „alltäglichen Lebensführung“

(Jurczyk/Rerrich 1993; Kudera/Voß 2000; Voß 1991a, 1991b; Voß/Weihrich 2001) äußerst produktiv zu sein.21 Den Kern der Betrachtung dieses analytischen Konzeptes bringt Angelika Diezinger (2010: 228), in Anlehnung an Günther G. Voß (1991b), sehr gut auf den Punkt. Es bezeichnet die Betrachtung des

„Arrangement bzw. den Zusammenhang der unterschiedlichen praktischen Tätigkeiten, die eine Person tagtäglich in den verschiedenen Lebensbereichen ausübt […] Entscheidend bestimmt wird sie jedoch zum anderen durch die Art und Weise, wie Menschen zeitlich, räumlich, sachlich, sozial und sinnhaft die je spezifischen Anforderungen in einzelnen Tätigkeitsfeldern organisieren, koordinieren und zu ihrem Alltag zusammenfügen. Diese Eigenlogik steht im Mittelpunkt des Interesses, denn sie – und nicht isolierte Einzelhandlungen – bestimmt, wie Menschen sich mit den Lebensbedingungen auseinandersetzen.“ (Diezinger 2010: 228)

Eine solche Perspektive erlaubt es, genau diese Eigenlogik des Sorgearrangements und die darin vorzufindenden Aktivitäten der Young Adult Carer als ein System eigener Qualität zu

21 Eine weitere Perspektive wäre auch in der Biographieforschung (Apitzsch 2003; Dausien 1994, 2006; Völter et al.

2005) zu finden. Solch ein Forschungszugang kann sich auf eine äußerst breit aufgestellte und fundierte

Forschungstradition (Blumer 1986; Ehrlich 1980; Garfinkel 1967; Goffman 1977, 1976, 1967; Schütz 2003, 2004) zurückgreifen, wo sich verschiedene Fragestelllungen zu Young Adult Carer formulieren lassen könnten. Aus zeitorganisatorischen Gründen wird diese Perspektive jedoch nicht weiterverfolgt.

verstehen. Somit ist es als eine „aktive Konstruktionsleistung des Subjekts“ zu begreifen „die zwar von gesellschaftlichen Strukturen und Mechanismen mitgeformt wird, aber als vermittelnde Kategorie zwischen Subjekt und Gesellschaft Eigenständigkeit besitzt und insbesondere die Handlungsräume des Subjekts in Auseinandersetzung mit diesen Strukturen berücksichtigt“

(Nissen 2001: 154). In diesem Sinne begreift und fasst das Konzept der Lebensführung die Herstellung von „Alltag und Struktur, Form und Gestalt der alltäglichen Tätigkeiten in ihrer ganzen Breite“ (ebd.: 155) und „arrangiert in gewisser Weise wo, wann und wie lange, mit welchem Inhalt, mit wem, warum und mit welchen Hilfsmitteln man in verschiedenen Bereichen tätig ist“ (Voß 1991c: 76).

Dies ermöglicht es, die komplexe Gesamtheit des Sorgearrangements der Young Adult Carer theoretisch und empirisch systematisch festzumachen. Auf diese Weise schafft man es (1) das Sorgearrangement als Eigenlogik zu begreifen, was weit über die bisherigen empirischen Momentaufnahmen hinausgeht. Dies schärft den Blick, die vorzufindenden Tätigkeiten mit den Sorge- und Carebegriff theoretisch in Bezug zu setzen (Becker-Schmidt 2007; Dölling 2010, 2013; Gerhard 2014; Voß 2010). Auch wird dadurch (2) die Möglichkeit geschaffen, die Lebensphasen – oder wie es Kerstin Jürgens (2001: 36) formuliert, die „Komplexität und das Zusammenspiel der verschiedenen Lebensbereiche [...] sowohl die Motivationen als auch die Rahmenbedingungen sowie die konkreten Modi von Alltagspraxis [...]“ – in ihrer vollen Breite aufzunehmen. So zum Beispiel die Übergänge (Bergmann et al. 2012; Nagl-Cupal et al. 2015c;

Social Exclusion Unit 2016), Gleichzeitigkeiten bzw. Überlappungen dieser Phasen. Darüber hinaus bieten sich (3) eine Reihe von weiteren spezifischen Anwendungsmöglichkeiten von Analysewerkzeugen an, um eine Betrachtung der alltäglichen Lebensführung und das Sorgearrangement der Young Adult Carer zu erweitern und zu präzisieren. Unter solchen Werkzeugen fallen u.a. das „doing family“ (Jurczyk et al. 2010), „(un-)doing gender“ (zum Überblick Gildenmeister 2010; Gildenmeister/Wetterer 1992; Goffman 1977, 2001;

West/Zimmermann 1987; Wetterer 2009), doing difference“ (Fenstermaker/West 2001) oder die Berücksichtigung von Differenzierungslinien entlang von Alter, Geschlecht, Klasse, Bildung, Ethnie, uvm. (Nissen 2001: 155).

Handlungs- und Interaktionskrisen

Eine weitere Betrachtung der alltäglichen Lebensführung lässt sich im Verständnis finden, die Alltagpraxen als Handlungs- und Interaktionskrisen (Adloff et al. 2016) zu verstehen. Ein solches Verständnis einer „Unordnung des Sozialen“ (Antony et al. 2016: 3) bedingt immer einen nicht-krisenhaften Zustand, wonach durch ein Auftreten eines Phänomens – dies die Sorgeverpflichtung sein – „ein etablierter, gesichert oder verlässlich erscheinender Sachverhalt fraglich oder instabil zu werden droht“ (Friedrich 2007: 14). Je nachdem, welchen Blickwinkel

man einnimmt, können solche Handlungs- und Interaktionskrisen, um nur exemplarisch ein Beispiel zu nennen, im Rahmen einer Akteur_innenperspektive, als „Situationen des Sinnzusammenbruchs bzw. als Erfahrung der Unbewältigbarkeit“ (Antony et al. 2016: 7) verstanden werden. Oder man verbindet sie in einer forschungspraktischen Verschränkung mit einer Darstellungsperspektive der Teilnehmer_Innen, wodurch

„solche Situationen als Krisen [beschrieben werden], die von den beteiligten Handelnden selbst, als unbewältigbar markiert bzw. kommuniziert werden. Eine derartige Perspektive erlaubt es z.B., Interaktionen, die von den Beteiligten als nahe dem Abbruch stehend angezeigt oder tatsächlich abgebrochen werden, als Interaktionskrisen zu charakterisieren: Die interaktive Bewältigung der Situation gelingt nicht oder wird zumindest von den Handelnden in Frage gestellt.“ (ebd.: 11)

Ein solches Krisenverständnis bietet zweierlei soziologische Wissenserträge. Es schärft den Blick auf die unthematisierten und nicht-explizierbaren „praktischen Hintergründe“ von Handlungen und Interaktionen. Und sie „erlauben es auch, ja machen es sogar notwendig, den soziologischen informierten Blick auf die historisch-kulturell variierende Geltung verschiedener Ordnungsniveaus, Normalitäten und Rationalitäten zu richten“ (Antony et al. 2016: 13; vgl. Adloff et al. 2015).

Eine subjektorientierte Forschungsperspektive schafft zudem die Möglichkeit, eine Berücksichtigung, Einbindung und Rückführung von bzw. auf gesellschaftstheoretischen Konzeptionen, Gesellschaftsdiagnosen und Gesellschaftsstrukturen – daher auf die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit und erfüllt somit eine wesentliche Kernaufgabe der Soziologie. Es nimmt dementsprechend das zentrale Forschungsdesiderat einer gesellschaftstheoretischen Theorielosigkeit auf, das zuvor formuliert wurde. Das Konzept der alltäglichen Lebensführung versteht sich explizit als personales Handlungssystem und fungiert als Verbindung zwischen Struktur und Handeln (Diezinger 2010: 228). Günther G. Voß bezeichnet es auch als „missing link“ (Voß 1991b) zwischen Individuum und Gesellschaft. Diese Verschränkung lehnt sich an die Überlegungen der „structuration theory“ von Anthony Giddens (1984) an, das eine empirische Nachvollziehbarkeit ermöglicht, „[…] der die Reproduktion von Gesellschaft als dialektisches Zusammenspiel von Struktur (structure) und Handeln (agency) betrachtet“ (Lutz/Davis 2005:

232). Auch Antony et al. (2016: 13) verweist darauf, dass „die Wirksamkeit, der Antagonismus oder das Zusammenwirken von gesellschaftlichen Strukturierungen in der alltäglichen

Lebenswelt“ mitaufgenommen und im Sinne, dass es „keine Makrokrise geben [kann], die sich nicht auf der Ebene von Handlungs- und Interaktionskrisen zeigt.“22

Welche konkreten gesellschaftstheoretischen Theorien, Überlegungen und Diagnosen nun schlussendlich als Ausgangs- und Rückführungspunkt in Betracht kommen, bleibt dieses Kapitel im Detail schuldig. Nichtsdestotrotz soll ausgehend von kapitalistisch-kritischen Sozial- und Zeitdiagnosen zwei makrosoziologische Transformationsprozesse markiert werden und geklärt werden, inwiefern diese auf das Sorgearrangement der Young (Adult) Carer in Verbindung stehen und sich niederschlagen (können).

Brigitte Aulenbacher (2014: 1) führt dazu innerhalb der soziologischen Sozial- und Zeitdiagnosen über den geschichtlichen und gegenwärtigen Verlauf des Gesellschaftsgefüges exemplarisch vier Vertreter_Innen (Burawoy 2014; Dörre 2012; Klinger 2014; Negt 2001) auf, die alle den Befund teilen, dass „seit den 1990er Jahren eine forcierte Ökonomisierung des Sozialen zu vermerken ist“ (Aulenbacher 2014: 1). Diese Ökonomisierung des Sozialen berührt sowohl Formen der Gesellschaftsstruktur, wie den Wohlfahrtstaat, aber auch die Menschen in ihren individuellen Alltags- und Lebenswelten – oder wie es Klaus Dörre (2009, 2010) nach Aulenbacher (2014: 1) formulieren würde: „[…] wodurch Kommodifizierungs- und Dekommodifizierungsprozesse in verschiedenen Felder, aber auch im Kontext des kapitalistischen Zeitregimes und Lebensentwurfs in den Blick geraten.“

Da sich Young (Adult) Carer als Individuen in dieser kapitalistischen Gesellschaftsformation be- und wiederfinden, lassen sich im Rahmen einer subjektorientierten Forschungsperspektive mit dem zuvor beschriebenen Konzept der alltäglichen Lebensführung jene Strukturen in eine Analyse mitaufnehmen und berücksichtigen, wo Transformationsprozesse unter kapitalistischen Vorzeichen zu beobachten sind. Diese wiederum haben, im Verständnis von der Dualität von Struktur und Handeln nach Anthony Giddens (1984), einen zentralen Stellenwert, wenn es darum geht, wie, in welcher Art und Weise und als was das Sorgearrangement der Young (Adult) Carer zu kontextualisieren ist.

Social Investment

So lässt sich zum Beispiel, anhand von spezifischen Fragestellungen, die Restrukturierung des Wohlfahrt- und Sozialstaates (Atzmüller 2015; Esping-Andersen 1996a; Giddens 1998;

Lütz/Czada 2004) in einen „aktivierenden Wohlfahrtstaat“ (exemplarisch Lessenich 2004, 2012) in Form der Steuerungsumpolung eines Social Investment (Priddat 2004) in den Blick nehmen.

22 Oder man vertritt die Blickwinkel einer „flat ontology of the social“ (Schatzki 2015: 12ff.; Latour 2005: 176), wonach Makrophänomene auf der identen sozialontologischen Ebene vorzufinden sind (Antony et al. 2016: 12).

Dieses Social Investment verfolgt das Ziel, in das Humankapital und somit in ein „proaktives Verhalten“ (ebd.: 93) zu investieren.23 Dass die Hauptzielgruppe dieser neuen Steuerung Kinder und Frauen sind, konnte schon dokumentiert werden (u.a. Sauer 2001, 2004). Inwieweit hier junge Erwachsene von diesen Anforderungen betroffen sind und ob und in welcher Weise sich aufgrund ihrer Sorgetätigkeiten mögliche Widersprüche in der Eigenlogik der alltäglichen Lebensführung und als ein Auslöser für eine Handlungs- und Interaktionskrise(n) niederschlagen bzw. dokumentieren lassen, wäre aus meiner Sicht einer Forschungsarbeit wert.

Entgrenzung- und Subjektivierung von Arbeit

In Anlehnung an Oechsle et al. (2009), die die Berufsentscheidungen sowie Orientierungen und Handlungsstrategien von jungen Frauen und Männern im Übergang von der Schule ins Studium anhand einer Triangulation von Erhebung- und Auswertungsmethoden untersucht haben, wäre aus meiner Sicht die Mitberücksichtigung des Strukturwandels von Arbeit in Form der Entgrenzung (Gottschall/Voß 2003; Kratzer 2003; Minssen 2000) und Subjektivierung (Baethge 2004; Lohr/Nickel 2005; Moldaschl/Voß 2002) eine weitere gesellschaftliche Rahmenbedingung, die es zu berücksichtigen gilt. Wenn man davon ausgeht, dass Young Adult Carer neben ihrer Sorgeverpflichtung einer Erwerbsarbeit nachgehen, lässt sich die Frage stellen, ob und auf welche Art und Weise die Prozesse einer „räumlichen und zeitlichen Entgrenzung“ (Oechsle et al. 2009: 30) der Arbeit und der Subjektivierung dieser im Sinne einer „doppelten Konstituierung“

(Lohr/Nickel 2005: 8) und der darin beschriebenen Ambivalenz, mit dem Pflegearrangement dieser jungen Erwachsenen, verschränkt sind. Oder umgekehrt, welche Rolle die Sorgeverpflichtung der Young Adult Carer auf die erhöhten „Anforderungen an einer (erwerbs-)biographischen Eigenleistung (…) im Kontext zur Entgrenzung und Subjektivität von Arbeit“

(Oechsle et al. 2009: 32) spielt.

Diese grob skizzierte Forschungsperspektive birgt das Potenzial, im Sinne einer subjektorientierten Soziologie, beide Forschungsdesiderate in den Blick zu nehmen. Das übergeordnete Ziel besteht darin, die Verschränkungen der Alltags- und Lebenswelt und der gesellschaftlichen Strukturebene systematisch ins Auge zu fassen.

Rückblickend und als eine Form eines Ausblickes ist abschließend zu sagen, dass für ein wissenschaftliches, sozialpolitisches und zivilgesellschaftliches Verständnis der Erfahrungen, Herausforderungen und Schwierigkeiten von Young (Adult) Carer eine, noch nicht vorhandene,

23 Für diese Idee bedanke ich mich bei Dr. Kristina Binner, die mich während einer unseren höchst interessanten Gespräche auf diesen Gedankengang hingewiesen hat.

Grundlagenforschung der Soziologie und Frauen- und Geschlechterforschung vonnöten ist. Was fehlt, ist die theoretische Verortung der Young (Adult) Carer in der Gesellschaft.