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Der Unterricht unter Havemann

Im Dokument Georg Wilhelm Schraders Manuskript (Seite 67-71)

4 Die Königliche Pferdearzneischule zu Hannover

4.2 Der Unterricht unter Havemann

Einen detaillierten Einblick in die Schule und den Unterricht unter Havemann findet man in der Festschrift zum 100 jährigen Jubiläum der Königlichen Thierarzneischule zu Hannover von Karl Günther (1878). Hierin finden sich - wenn auch aus zweiter Hand - Äußerungen Havemanns bezüglich seiner Anstellung und seines Unterrichts, die Aufschluss über seinen Charakter und seine Lehrmethode geben. Als Kersting 1784 unerwartet starb, wurde Havemann als sein Nachfolger nach Hannover berufen. Diesem Ruf folgte er nur ungern, denn sein eigentliches Interesse galt dem Gestütswesen. Auch das Ober-Hofmarstall-Departement sah vor, ihm die Stelle zunächst ad interim zu übertragen. Der Grund hierfür lag aber nicht im Zweifel an seiner fachlichen Kompetenz, sondern vielmehr befürchtete man, seine „übertriebene Selbstunterschätzung“ und seine Schüchternheit könnten ihn bei seinen Vorlesungen einschränken.

Nachdem Havemann sieben Jahre lang die Schule interimistisch übernommen und sich während dieser Zeit auch kein adäquater Nachfolger gefunden hatte, wurde er 1791 schließlich zum ersten Lehrer und Direktor ernannt. Es wurden ihm Vorschläge unterbreitet, wie der Unterricht ablaufen sollte, zu denen er sich aber recht kritisch äußerte und seine eigenen Ansichten darlegte. Danach sah er vor, täglich eine Stunde zu unterrichten, wobei viermal wöchentlich ein Vortrag und zweimal Repe-titionen gehalten werden sollten. Er vertrat den Standpunkt, dass die wenig oder gar nicht vorgebildeten Schüler mit umfangreichen Erklärungen vollkommen überfordert seien und war deshalb der Meinung, man könne den Schülern den Unterrichtsstoff am besten vermitteln, indem man „die Gründlichkeit mit der Kürze verbinden und denen Lehrlingen nur jedesmal wenig Sachen möglichst sinnlich vortragen“ müsse.

Im Sommer sollten die innerlichen Krankheiten, Beschlag, Osteologie und Exterieur, im Winter die äußerlichen Krankheiten, Anatomie und Operationen vorgetragen wer-den, so dass der ganze Kurs in einem Jahr beendet werden könnte. Dabei kommt es natürlich auch immer auf die Lernfähigkeit der Schüler an, wie lange sich die Stu-dienzeit insgesamt beläuft. Am 23. November wurden Havemann schließlich die

„Principien“ unterbreitet, nach denen die Schule eingerichtet werden sollte, zu denen er aber wiederum seine Meinung äußern sollte.

Daraus entstanden die folgenden Aufnahme-Bedingungen für Eleven:

„a. gesunder, nicht durch Vorurtheile verschrobener Verstand;

b. Fleiss;

c. Schreiben;

d. muss schon mit Pferden umgegangen sein;

e. Sprachkenntnisse können ohne Schaden fehlen, da alles deutsch gelehrt wird.“

Der Unterricht beinhaltete schließlich folgende „Lectionen“:

I. Die Lehre vom äusseren Pferde (…) II. Die Lehre von den Knochen (…) III. Die Kenntniss des Hufes (…) IV. Die Zergliederung des Pferdes (…)

V. Die Lehre von den äusseren Krankheiten Hier habe ich gelehrt:

1) Die Ursachen derselben.

2) Welche Pferde und unter welchen Umständen sie vornehmlich zu diesem oder jenem Gebrechen disponiren.

3) Die Vortheile, wie die Gebrechen am sichersten zu erkennen.

4) Wann und unter welchen Umständen sie dem Pferde wesentlich nachtheilig.

5) Wie die Natur derselben beschaffen.

6) Unter welchen Umständen sie heil- oder unheilbar sind, und ob vielleicht Disposition zum Recidive zurückbleibt.

7) Wie die Heilung nach ihrer differenten Natur anzustellen.

VI. Die Lehre von den inneren Krankheiten (…)

In den vorliegenden Handschriften sind letztlich auch die hier aufgezeigten Aspekte des Havemannschen Unterrichts zu finden, die er wie folgt darlegt:

„Bei dem Vortrage der äusseren und inneren Krankheiten mache ich meine Schüler mit den Kennzeichen, woran die Güte der empfohlenen Arzneien zu erkennen, was sie für eine Wirkung haben, in welcher Dosis und in welcher Verbindung sie zu geben sind, bekannt. Eben dieser Vortrag giebt mir auch bald hier, bald dort Gelegenheit, ihnen von den Wirkungen der differenten Weiden, des verschiedenen Wassers, der Futterkörner und der übrigen Nahrungsmittel zu reden, die näheren Umstände zu bestimmen, wann dieses Korn heilsam und jenes nachtheilig wirkt. Ferner, was Bewegung und Ruhe in gehörigem Maasse und was es im Uebermaasse für Einfluss aufs Pferd hat. Was die Ställe unter diesen oder jenen Umständen für Wirkung aufs Pferd machen u.s.w. Auch habe ich in diesen Vorlesungen Manches aus der Naturlehre, Chemie und anderen Wissenschaften beizubringen und zu erklären gesucht, um in den Lehrlingen möglichst deutliche Begriffe zu erwecken.“

Er war zudem sehr darauf bedacht, dass die Schüler seinem Unterricht folgen und das Gelehrte verstehen und später auch anwenden können. Dazu hielt er zwischen-durch „examinatorische Uebungen“ und bemühte sich, den Schülern möglichst viele Gelegenheiten zu praktischen Übungen zu bieten, indem er die im Anschluss zu tötenden und zu „zergliedernden“ Pferde dazu heranzog. Auch sollten die Schüler diejenigen Pflanzen kennenlernen, die in der Pferdepraxis angewandt werden und dem Tier entweder nutzen oder auch schaden. Diese wurden dann im Sommer gesammelt und getrocknet. Ein weiterer Punkt ist die „Zusammensetzung und

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Verfertigung der Arzneien“. Unter Havemanns Anleitung durfte ein älterer Schüler den jüngeren dieses demonstrieren.

So fing jeweils im September ein „Cursus“ an, in dem alles unterrichtet wurde, „was ein praktischer Pferdearzt hören und wissen muss“ und endete bestenfalls nach einem Jahr wieder im September. Sicherlich könnte man kritisieren, dass Have-manns Unterricht mit einem Jahr relativ kurz und knapp bemessen war, doch hierauf bemerkt er: „So wie der Prediger unleugbar im Ganzen am meisten Nutzen schafft, wenn er kurz, fasslich und mit Nachdruck predigt, gerade so ist es mit einem Lehrer der Pferdearzneiwissenschaft. Dies ist, wenn ich so sagen darf, gerade der Weg, um dem Lehrlinge anzukommen.“ Dies ist eine eindrucksvolle Schilderung dessen, wie Havemann seinen Unterricht vor allem inhaltlich gestaltete und wie der Umgang mit seinen Schülern war, was sich letztlich auch in den Vorlesungsschriften spiegelt.

Über die Unterrichtsmethode und Reihenfolge - in diesem Fall speziell die äusser-lichen Krankheiten betreffend - äußert Havemann sich folgendermaßen:

„… dann folgten die einzelnen äusserlichen Krankheiten, zuerst die entferntesten und nächsten Ursachen, dann die Symptome Erklärung der Natur der Krankheit, darauf gestützt die Vorhersagung und die Behandlung. Ein Compendium lege ich bei der Erklärung der äusseren Krankheiten nicht zu Grunde, indem ich kein schickliches Buch hierzu kenne. Die Meinung der wichtigsten und berühmtesten Schriftsteller in Ansehung der Ursachen, Natur und Heilung der Krankheiten führe ich entweder als Beweise für meine Meinung an, oder ich suche sie auch aus Gründen zu widerlegen (…).“

Die in den Handschriften zu findenden Rezepte schrieb Havemann sicherheitshalber auf eine Tafel, damit „beim Nachschreiben keine nachtheiligen Irrungen und grobe Fehler vorgehen.“ Ebenso berichtet er: „Die innerlichen Krankheiten, die ich gleich nach Beendigung der äusseren beginne, trage ich ebenso vor und dictire den Schü-lern das Wichtigste in die Feder.“ Beides Hinweise, die zeigen, dass zum einen der Vorlesungstext diktiert wurde, zum anderen, dass die Schüler offensichtlich die Mitschrift noch einmal ordentlich abschrieben.

Über die Dauer der einzelnen Fächer lässt sich folgendes finden:

„Beim bisherigen Lehrvortrage, da ich täglich eine Stunde unterrichte, habe ich zur Erklärung der äusseren Pferdekenntniss einschliesslich der examinatorischen Wiederholungen etwa zwei Monate, zum Vortrage der äusseren Krankheiten etwa drei, zur Erklärung der inneren etwa drei und einen halben Monat und zum Hufbeschlage etwa zwei Monate gebraucht. (…) Die Erfahrung lehrt, dass die Schüler, wenn sie zum zweiten Male eine Materie hören, alsdann erst anfangen sie recht zu begreifen und den mehrsten Nutzen davon haben.“

So äußerte ich Havemann im Dezember 1797 und gibt damit einen ausgezeichneten Einblick in seinen Unterricht und damit verbunden in die Art und Weise, wie die hier bearbeiteten Manuskripte zustande gekommen und aufgebaut sind.41

Abbildung 26 zeigt noch einmal den unter Havemann gültigen Lehrstoff an der hannoverschen Tierarzneischule, der in dieser Form bis zum Tode Havemanns 1819 vermittelt wurde.

Abb. 26: Lehrstoff, der an der tierärztlichen Ausbildungsstätte in Hannover in einjährigem Turnus ( 2 Semester) bis 1819 vermittelt wurde.42

41 Günther, K. (1878): Die Königliche Thierarzneischule zu Hannover in den ersten Hundert Jahren ihres Bestehens. Festschrift zum 100jährigen Jubiläum am 5. August 1878. Schmorl und v. Seefeld, Hannover. S. 19-39.

42 Aus: Die Tierärztliche Hochschule Hannover, Festschrift aus Anlaß der 150-Jahr-Feier vom 13.- 15.

Juni 1928, S. 15.

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