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Umsetzung ergonomischer Anforderungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Leitwarten

Im Dokument Bildschirmarbeit in Leitwarten (Seite 130-134)

4.11 Weitergehende Analysen .1 Allgemeine Vorbemerkungen

4.11.2 Umsetzung ergonomischer Anforderungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Leitwarten

Zunächst wurde über alle Merkmale, die keine Null-Varianz aufwiesen (d. h. nicht bei allen untersuchten Arbeitsplätze „erfüllt“ oder „nicht erfüllt“ waren) einfaktorielle Vari-anzanalysen mit dem (z. T. geschätzten und daher ungenauen) Jahr der Inbetrieb-nahme gerechnet. Damit sollte geprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen der Gestaltungsgüte eines Arbeitsplatzes und dem Jahr der Inbetriebnahme der Leitwar-te besLeitwar-teht, indem sich hier etwa ein Trend zu einer besseren Erfüllung der Merkmale (oder auch nur bestimmter einzelner Merkmale) über den Verlauf der Zeit ergibt. Die Ergebnisse dieser Varianzanalysen (einige Jahre aus dem Zeitraum von ca. 1975 bis 2010 waren dabei nur einfach besetzt) haben jedoch keinen eindeutigen Trend er-kennen lassen, mit Ausnahme der Merkmale der Größe des Wartenraums, auch be-zogen auf die Anzahl der fest eingerichteten Arbeitsplätze. Anhand der verfügbaren Indikatoren deutet sich an, dass die Wartenräume über den Zeitraum, in dem die un-tersuchten Leitwarten in Betrieb genommen wurden, tendenziell größer ausgelegt

worden sind. Bei anderen Indikatoren gab es einige sehr wenige signifikante Ergeb-nisse (allerdings weniger als per Zufall zu erwarten wären), die aber keine Entspre-chung in anderen Variablen zum gleichen thematischen Kontext erkennen ließen.

Insofern ist davon auszugehen, dass mit Ausnahme der räumlichen Merkmale keine besonderen Merkmale einen deutlichen Trend zur Verbesserung des Erfüllungsgra-des erkennen lassen (wobei eine zunehmende Raumgröße alleine noch keine Ver-besserung darstellt, z. B. wenn dort mehr Arbeitsplätze eingerichtet sind). Dies mag auch darin begründet sein, dass das Jahr der Inbetriebnahme natürlich nicht den Stand der Dinge in einer Leitwarte darstellt, weil in den älteren Leitwarten, aber auch in den jüngeren, Nachrüstungen stattgefunden haben, so dass hier häufig auch keine Unterschiede zu erwarten waren. Dass die Raumgrößen davon abweichen, erscheint konsistent, da hier in der Regel keine baulichen Veränderungen vorgenommen wur-den, die sich auf den erhobenen Merkmalen abbilden sollten – insofern macht der gefundene Unterschied bei diesen Merkmalen Sinn. Auch eine Gruppierung der Leitwarten in alt (Inbetriebnahme vor 1990), mittel (1990 bis 1999) und jung (ab 2000) hat keine substantiellen Änderungen ergeben, wobei sich gelegentlich Unter-schiede bei den alten Leitwarten zeigten, jedoch auch hier nicht generalisierbar. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass bestimmte Merkmale in neueren Leitwarten grundsätzlich besser erfüllt sind als in alten – wenn von der Tendenz bei den räumlichen Bedingungen einmal abgesehen wird. Hier hätte man sich ge-wünscht, dass einige der alt bekannten ergonomischen Probleme in den neueren Leitwarten nicht mehr auftauchen. Davon kann aber offensichtlich nicht ausgegangen werden, wenn man einmal davon absieht, dass einige banale Anforderungen (z. B.

Klimaanlage vorhanden oder Trennung von Bildschirm und Tastatur) inzwischen in allen Leitwarten erfüllt waren.

Anders sieht die Sache dagegen aus, wenn man den Erfüllungsgrad bzw. den Grad der Verletzung aller Merkmale einer Leitwarte in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der In-betriebnahme analysiert. Abbildung 4.37 zeigt die Erfüllungsgrade über alle relevan-ten Merkmale je untersuchtem Arbeitsplatz in Abhängigkeit vom Jahr der Inbetrieb-nahme der Leitwarte.

Wie dieser Abbildung zu entnehmen ist, zeigt sich hierbei eine Zunahme des Erfüllungsgrads über den Zeitraum der Inbetriebnahme der untersuchten Arbeits-plätze (b = 0,31). Insgesamt deutet sich damit eine Tendenz an, dass über alle Merkmale eine stärkere Berücksichtigung ergonomischer Anforderungen erfolgt, auch wenn sich das, wie oben gezeigt, nicht an einzelnen Merkmalen festmachen läßt.

Um zu überprüfen, ob es sich hierbei nicht um eine Verschiebung zwischen „Gelb“

(= „teilweise erfüllt“) und „Grün“ (= „erfüllt“) handelt, sondern um einen tatsächlichen Rückgang der Verletzungen, wurde auch die Gesamtzahl der Verstöße mit dem Jahr der Inbetriebnahme in Beziehung gesetzt. Die Ergebnisse zeigt Abbildung 4.38.

Auch hier ist ein deutlicher Trend erkennbar. Der Anteil an Verstößen gegen relevan-te Merkmale nimmt mit spärelevan-terem Jahr der Inbetriebnahme ab, und zwar etwa im glei-chem Umfang, wie die Zunahme der Erfüllungsgrade (b = -0,29). Der oben berichtete Trend zur Verbesserungen ist also nicht auf einen Rückgang einer akzeptablen Erfül-lung, sondern sehr deutlich auf einen Rückgang bei den Verletzungen zurückzufüh-ren. Dies dürfte insgesamt positiv zu beurteilen sein. Offensichtlich wird ergonomi-schen Anforderungen also in letzter Zeit eine etwas stärkere Beachtung geergonomi-schenkt.

Abb. 4.37 Erfüllungsgrad über alle Merkmale je Arbeitsplatz nach dem Jahr der Inbetriebnahme der Leitwarte

Abb. 4.38 Verletzungen der Merkmale insgesamt je Arbeitsplatz nach dem Jahr der Inbetriebnahme der Leitwarte

Interessant war daher herauszufinden, ob dieser Rückgang an Verletzungen ergo-nomischer Anforderungen auf bestimmte Bereiche der Merkmale zurückgeführt wer-den kann, oder ob sich auch hier, ähnlich wie bei wer-den Einzelmerkmalen, keine sys-tematischen Trends erkennen lassen.

Abbildung 4.39 zeigt daher den Anteil an Verletzungen relevanter Merkmale aufge-gliedert nach den Merkmalsbereichen der Checkliste. Es wird deutlich, dass der da-bei zu beobachtende Trend recht unterschiedlich ist. Während für die „Sonstigen

Ar-beitsbedingungen“ sogar ein Anstieg der Verletzungen zu erkennen ist (b = 0,54), dem allerdings wegen der insgesamt geringen Anzahl von Merkmalen und der erheb-lichen Schwankungen (z. T. zwischen 0 % und 100 %) keine besondere Bedeutung beigemessen werden sollte, sinkt der Anteil von Merkmalen mit Verstößen für die Bereiche „Wartenraum“ und „Arbeitsorganisation“ (beide b = -0,06) nur leicht ab, während sich die deutlichsten Verbesserungen für die Bereichen „Arbeitsplatz“ und

„Arbeitsmittel“ (b = -0,67) ergeben. Auch bei den „Umgebungsbedingungen“ ist eine Abnahme der Verletzungen beobachtbar (b = -0,39), während bei der Mensch-Maschine-Interaktion nur eine sehr geringe Abnahme der Verstöße zu beobachten ist (b = -0,19).

Abb. 4.39 Verletzungen von Merkmalen aus den unterschiedlichen thematischen Merkmalsbereichen je Arbeitsplatz nach dem Jahr der Inbetriebnahme der Leitwarte

(WR = Wartenraum, AP = Arbeitsplatz, AM = Arbeitsmittel, MM = Mensch-Maschine-Kommunikation, UB = Umgebungsbedingungen, AO = Arbeitsorganisation, SO = sonstige Arbeitsbedingungen)

Bei aller gebotenen Zurückhaltung bei der gegeben Datenlage scheint sich damit anzudeuten, dass Merkmale aus dem Bereich der „klassischen“ Ergonomie (antrhor-pometrische Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsmitteln und Arbeitsumgebung) im Laufe der Zeit besser umgesetzt werden als Merkmale aus dem Bereich der Mensch-Maschine-Kommunikation und der Arbeitsorganisation. So erfreulich das für die erst-genannten Bereiche auch sein mag, zeigt sich darin doch ein eher eingeschränktes Verständnis von Ergonomie und der (nach der BildscharbV) umzusetzenden Anfor-derungen. In der BildscharbV (2008) wird ausdrücklich auf die Grundsätze der Infor-mationsverarbeitung durch den Menschen Bezug genommen; ein Bereich, in dem die ergonomischen Vorgaben offensichtlich am wenigsten (s. o.) und nur langsam umgesetzt werden – hier sind offensichtlich noch erhebliche Verbesserungen erfor-derlich, die zügig umgesetzt werden sollten. Dies kann u. U. auch daran liegen, dass sich in dem hier zur Diskussion stehenden Bereich der Gestaltung von Leitwarten,

bei Herstellern wie Betreibern, die Bedeutung dieses Bereichs der Ergonomie noch nicht hinreichend etabliert hat. Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, dass Mode-erscheinungen wichtiger sind als gesicherte Erkenntnisse (z. B. in der Verbannung von Farbe, inkl. Farbcodierung von den Prozessleitbildern).

Auf der Basis der dargestellten Ergebnisse, zum Erfüllungsgrad wie zur zeitlichen Entwicklung des Erfüllungsgrads der Merkmale aus dem Bereich der Informations-verarbeitung, sollte daher hier einer der wichtigsten Ansatzpunkte für die Verbesse-rung des derzeitigen und zukünftigen Gestaltungszustands von Leitwarten liegen.

Im Dokument Bildschirmarbeit in Leitwarten (Seite 130-134)