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Arbeitsstuhl und Arbeitsfläche .1 Gestaltungsempfehlung

Im Dokument Bildschirmarbeit in Leitwarten (Seite 165-169)

4.11 Weitergehende Analysen .1 Allgemeine Vorbemerkungen

5.4.1 Arbeitsstuhl und Arbeitsfläche .1 Gestaltungsempfehlung

Die Arbeitsmittel sollen an die unterschiedlichen Körpermaße der Leitwartenopera-teure anpassbar und für den 24-Stunden Einsatz robust ausgelegt sein.

5.4.1.2 Anlass für die Gestaltungsempfehlung

Die Arbeitsmittel sollen den Leitwartenoperateur dabei unterstützen, seine Ar-beitsaufgabe effektiv, reibungslos, fehlerfrei, sicher und ohne kurz- bzw. langfristige Beeinträchtigung seiner Gesundheit oder seines Wohlbefindens ausüben zu können.

Um diese Ziele erreichen zu können, sollten die zur Verfügung stehenden Arbeitsmit-tel an die unterschiedlichen Körpermaße der Leitwartenoperateure anpassbar sein, um aus ergonomischer Sicht anzustrebende Körperhaltungen zu ermöglichen (vgl.

Kroemer, 1997; DIN EN ISO 11064-4:2004; Helander, 2006; Schmidtke, 2007b).

Die Ergebnisse aus der vorliegenden Untersuchung haben jedoch gezeigt, dass die Möglichkeit, die Arbeitsmittel den individuellen Unterschieden anzupassen, selten gegeben sind und die tatsächlich vorhandenen selten genutzt werden. Die Anpas-sung beschränkte sich häufig auf die Höhe des Arbeitsstuhles. Das Problem der An-passbarkeit und der tatsächlich erfolgenden Anpassung ist insbesondere bei Arbeits-plätzen mit wechselnden Mitarbeitern relevant, wie dies in der Regel in Leitwarten der Fall ist (NA 76:2003). Bei Busfahrern z. B. gibt es mittlerweile Chipkarten, die die individuellen Grundeinstellungen speichern, so dass die Fahrer nicht jedes Mal jede Änderung der Einstellung per Hand vornehmen müssen (Bretschneider-Hagemes et al., 2012). Grundsätzlich ist eine derartige Lösung auch für Leitwartenarbeitsplätze denkbar.

5.4.1.3 Allgemeine und spezifische Gestaltungsempfehlungen

Arbeitsstühle in Leitwarten sind einer besonderen Belastung ausgesetzt. Anders als im Büro- oder Verwaltungsbereich sind sie in der Regel 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche im Einsatz. Da dieser Zeitraum im Mehrschichtbetrieb abgedeckt wird, arbeiten verschiedene Leitwartenoperateure wechselnd am selben Arbeitsplatz und setzen dieselben Arbeitsmittel ein (vgl. NA 76:2003). Diese Leitwartenoperateure einer Leitwarte unterscheiden sich hinsichtlich Körpergröße und Körpergewicht er-heblich. Dies bedeutet zunächst, dass die Arbeitsstühle äußerst robust sein und sich an die anthropometrischen Unterschiede anpassen lassen müssen. Als nicht prakti-kable Alternative zur Verstellbarkeit wären personenbezogene Arbeitsstühle denkbar.

Dies dürfte aber aufgrund des zur Lagerung der Arbeitsstühle nötigen Platzbedarfs und der Gefahr, dass die Arbeitsstühle im Weg stehen, in den meisten Fällen – ins-besondere bei einer Vielzahl von Leitwartenoperateuren – nicht praktikabel sein.

Eine wichtige Funktion ergonomisch günstiger Arbeitsstühle ist das Ermöglichen dy-namischen Sitzens (Schmidtke, 1993b, 2007b). Sie dient der Unterstützung der ein-zelnen Bewegungen und der unterschiedlichen Arbeitshaltungen des Leitwartenope-rateurs, z. B. bei unterschiedlichen Aufgaben wie Überwachen oder Steuerungsein-griffen. Erfahrungen aus der vorliegenden Untersuchung zeigen jedoch, dass diese

Funktion häufig deaktiviert wird. Hier scheint daher eine gründliche Einführung in den Sinn und Zweck der korrekten Einstellung und Nutzung erforderlich.

Aufgrund der unterschiedlichen Körpermaße der Leitwartenoperateure sind nicht nur höhenverstellbare Arbeitsstühle, sondern auch höhenverstellbare Arbeitsflächen empfehlenswert, um ergonomische Sitz- bzw. Körperhaltungen zu ermöglichen (s.

Abb. 5.6). In Bezug auf die Bewegungsergonomie sind, neben der Grundanpassbar-keit auf die jeweiligen Körperhöhen, insbesondere höhenverstellbare Tische wün-schenswert, die es ermöglichen, die Aufgaben wahlweise im Sitzen oder Stehen zu erledigen.

5.4.1.4 Wechselwirkungen mit anderen Gestaltungsmerkmalen

Mit höhenverstellbaren Arbeitsflächen ließe sich zwar auch die Höhe der Bildschirm-geräte beeinflussen. Allerdings sollte eine Lösung unabhängig von höhenverstellba-ren Arbeitsflächen gefunden werden, da ansonsten zu niedrige Arbeitsflächen z. B.

zu ungünstigen Arbeitshaltungen am Arbeitstisch führen und die Beinfreiheit unan-gemessen beeinträchtigen könnten. Als Lösung bietet sich an, dass sich der hintere Teil von Arbeitstischen, auf denen Bildschirmgeräte platziert sind, unabhängig vom vorderen Teil von Arbeitstischen, auf denen mit anderen Arbeitsmitteln gearbeitet wird, verstellen lässt (DIN EN ISO 11064-3:2003; BG Chemie, 2008; Stanton et al., 2010). Durch eine voneinander unabhängige Höhenverstellbarkeit der Arbeitsfläche und der Bildschirmebene (vgl. Abb. 5.11) sind noch bessere Anpassungen an inter-individuelle Unterschiede und intraindividuell unterschiedliche Arbeitshaltungen mög-lich. Auch sind Arbeitstische verfügbar, bei denen sich über die Höhe hinaus auch der Neigungswinkel der Bildschirmgeräte (über einen Motor gesteuert) einstellen lässt.

Es soll hier darauf hingewiesen werden, dass diese Optionen nicht dem Luxus des Leitwartenoperateurs dienen, sondern dabei helfen sollen, die Belastung und Bean-spruchung des Operateurs und damit gleichzeitig die Systemleistung zu optimieren.

Um den Beinraum unter der Arbeitsfläche nicht unnötig zu verringern, sollte die Tischplatte nicht zu dick sein. Um ausreichende Möglichkeiten für einen Wechsel der Beinposition und auch der Arbeitsposition vor mehreren nebeneinander angeordne-ten Bildschirmgeräangeordne-ten zu bieangeordne-ten, sollte der Beinraum neben einer ausreichenden Größe auch frei von Rollcontainern, Rechnern, Unterbauten bzw. Stützen und herun-terhängenden Kabeln sein (NE 66:1996; DIN EN ISO 11064-4:2004; BGI 650:2012).

Die Arbeitsfläche sollte eine matte Oberfläche aufweisen, um Reflexionen und Spie-gelungen zu vermeiden. Darüber hinaus sorgt eine helle Arbeitsfläche dafür, dass die Augen nicht ständig an unterschiedliche Leuchtdichten akkommodieren müssen. An-dere Überlegungen, wie etwa firmenspezifische Farbwahlen im Sinne von „corporate identity“ (z. B. glänzende weiße Oberflächen mit schwarzen Kanten), sollten, wenn sie normativen Empfehlungen entgegenstehen, dagegen zurücktreten (vgl. KAN, 2011).

[Bild: © JST und GAWO e.V.]

Abb. 5.11 Arbeitstisch mit separater Höhenverstellbarkeit der Arbeitsfläche und der Bildschirmebene

Darüber hinaus muss die Arbeitsfläche ausreichend Platz für Eingabemittel (Tastatu-ren, Mäuse, Rollbälle) sowie Unterlagen (z. B. Arbeitsanweisungen, Formulare, Lis-ten, Notizblöcke) bieten (DIN EN ISO 11064-4:2004; BGI 650:2012).

Für ein angenehmes Sitzgefühl und eine angemessene Hygiene sollte das Polster-material der Arbeitsstühle aus leicht zu reinigenden Materialen, robust, rutschfest und vor allem atmungsaktiv sein, um einen Wärme- und Feuchtigkeitsstau zu verhin-dern.

5.4.1.5 Handlungsempfehlungen

Arbeitsstühle und Arbeitstische, die robust und an die unterschiedlichen Körpermaße der Leitwartenoperateure anpassbar sind, sind zur Verfügung zu stellen. Allerdings nützen die besten Arbeitsmittel nichts, wenn dem Operateur das Wissen fehlt, wie diese für ihn optimal einzustellen sind. Von daher sind entsprechende Unterweisun-gen vorzunehmen.

5.4.1.6 Umsetzbarkeit im Gestaltungsprozess

Arbeitsstühle, die eine Anpassung an die anthropometrischen Unterschiede der Leit-wartenoperateure ermöglichen, lassen sich relativ schnell beschaffen und können sofort und ohne Beeinflussung anderer Gestaltungsbereiche umgesetzt werden. Bei der Planung einer neuen Leitwarte sollten die normativen Anforderungen und zusätz-lich die zu erwartenden Körpermaße der Leitwartenoperateure bei der Wahl der Ar-beitsmittel (hier insbesondere Arbeitsstühle und -tische) berücksichtigt werden.

Die Umrüstung einer Leitwarte mit anpassbaren Arbeitstischen kann dagegen auf-wendiger sein. Ein Zusatzaufwand kann z. B. durch die zusätzliche Stromversor-gung, durch die Anpassung der Höhe von Bildschirmgeräten oder durch Einschrän-kungen in der Einsicht auf Großbildprojektionen liegen. Sieht man von diesem Zu-satzaufwand ab, so ist allein für den Erwerb anpassbarer Arbeitsmittel nicht mit er-heblich höheren Kosten zu rechnen. Bei einer Vielzahl von umzurüstenden Arbeits-plätzen innerhalb eines kurzen Zeitraums summiert sich allerdings der Kostenauf-wand. Eine schrittweise Anschaffung ist zwar möglich, kann allerdings, wenn nicht mit ausreichenden Informationen für die Mitarbeiter begleitet, zu Unmut in der Beleg-schaft führen.

5.4.1.7 Weiterführende Literatur

BG Chemie: Bildschirmarbeitsplätze. Heidelberg: Berufsgenossenschaft der Che-mischen Industrie 2008 (Merkblätter der T-Reihe Sichere Technik, mit Gefähr-dungskatalog, T 044 und T 044a)

BGI 650: Bildschirm- und Büroarbeitsplätze. Leitfaden für die Gestaltung. Hamburg:

Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) 2012 [http://www.vbg.de/apl/zh/z418/titel.htm]

Bretschneider-Hagemes, M.; Brütting, M.; Flaspöler, E.; Nickel, P.: Bedienergo-nomie. In: Eichendorf, W.; Hedtmann, J. (Hrsg.): Praxishandbuch Verkehrsmedizin, Prävention – Sicherheit – Begutachtung. Wiesbaden: Universum Verlag 2012, 259-268

DIN EN ISO 11064-3: Ergonomische Gestaltung von Leitzentralen – Teil 3: Ausle-gung von Wartenräumen. Berlin: Beuth 2003-06

DIN EN ISO 11064-4: Ergonomische Gestaltung von Leitzentralen – Teil 4: Ausle-gung und Maße von Arbeitsplätzen. Berlin: Beuth 2004-10

Helander, M.: A guide to human factors and ergonomics. Boca Raton: CRC Press 2006

KAN: Positionspapier der KAN zu Gehäuseglanzgraden an Bildschirmgehäusen (erarbeitet durch Arbeitsschutzexperten unter der Federführung der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN)). Sankt Augustin: Verein zur Forderung der Arbeitssicherheit in Europa e.V. (VFA), 2011

Kroemer, K.H.E.: Design of the computer workstation. In Helander, M.; Landauer, T.K.; Prabhu, P.V. (Eds.): Handbook of human-computer interaction. Amsterdam:

Elsevier 1997, 1395-1414

NA 76: NAMUR-Checkliste für Messwarten und Leitstände. Leverkusen: Normen-arbeitsgemeinschaft für Mess- und Regeltechnik in der chemischen Industrie (NAMUR) 2003

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