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Umgang mit den „Schmerzenskindern“:

Im Dokument Kreisen in Brandenburg 1945–1952 (Seite 179-193)

Landwirtschaftliche Betriebsformen gegen territoriale Strukturen

1.6.5. Umgang mit den „Schmerzenskindern“:

Fallbeispiele

Problematik und die unterschiedlichen Muster der Ausgemeindungsverfahren sollen an beispielhaften Vorgängen veranschaulicht werden. Sie verdeutlichen vor allem den müh-samen Weg, der sowohl von Antragstellern wie auch von den Genehmigungsgremien zu-rückgelegt werden musste, bis häufi g über Kriterien zweiter und dritter Ordnung der po-litische Grundkonsens in der Beurteilung von Neubauernsiedlungen gefunden war und so die in der Landtagsdebatte vom 20. März 1947 erarbeiteten Kriterien im Kontext mit allgemeinen siedlungspolitischen und siedlungsplanerischen Vorstellungen zur Wirkung gelangen konnten.

1.6.5.1. „Es ist daher uns allen unverständlich, dass die Altbauern dem Aufstreben der Siedlergemeinschaft Felsenhagen so entgegentreten“:

Felsenhagen – Preddöhl (Kr. Ostprignitz)341

Das zur Gemeinde Preddöhl gehörende Gut Felsenhagen war im Zuge der Bodenreform aufgesiedelt worden; 61 Siedlerstellen waren entstanden. Die Bodenfl äche verteilte sich dadurch, dass die Bildung von Siedlungsgrundstücken ohne Rücksicht auf bestehende Ge-meindebezirksgrenzen vorgenommen worden war, auf die Gemeinden Preddöhl (166 ha), Steffenshagen (129 ha) und Triglitz (201ha), mit dem der Gutsbezirk Triglitz durch

Be-339 Zusammenschluss im Zuge der Gebietsreform von 1950 durch Verordnung vom 20. Juli 1950 (GuABl. S. 274).

340 Im Norden des Dorfes Ahlsdorf (Kr. Schweinitz) hatten Neubauern sechs Wohnbaracken errichtet;

sie mussten wieder abgerissen werden, da ein bauliches Zusammenwachsen mit dem Dorf nicht möglich war.

341 Rep. 203 Nr. 1001, Bl. 19; Nr. 1002, Bl. 60; Rep. 238 Perleberg Nr. 96, Bl. 16, 18, 25 – 28; Rep. 334 Ostprignitz Nr. 228; Rep. 350 Nr. 3053. Stenographische Berichte, 1. Wahlperiode, Drucks.

Nr. 462.

schluss des Preußischen Staatsministeriums vom 11. September 1928 (Amtsblatt der Re-gierung Potsdam S. 308) vereinigt worden war (vgl. Karte Nr. 3). Dadurch lagen die Län-dereien einzelner Siedler in bis zu vier Orten. Das führte zu erheblichen Erschwernissen bei Differenzierung, Veranlagung, Ablieferung und bei den landwirtschaftlichen Arbeiten überhaupt. Es war für alle Beteiligten offensichtlich, dass dieser verworrenen Sachlage durch einfache Gemeindebezirksänderungen, die lediglich eine andere gemeindliche Zu-ordnung unbewohnter Flächen zum Ziel hatten, nicht abgeholfen werden könne. Deshalb stellte die Gemeindebodenkommission von Felsenhagen am 17. August 1946 den Antrag auf Bildung einer selbständigen Gemeinde oder auf Eingemeindung nach Steffenshagen.

Sie meinte mit dem Hinweis, die bereits mehr als 20 Mitglieder der SED in ihrem Ortsteil wollten eine eigene Ortsgruppe bilden, ihrem Antrag mehr Gewicht beilegen zu können.

Alle drei beteiligten Gemeinden bekundeten ihre Zustimmung zu dem Vorhaben. Als je-doch die für den Ausgemeindungsantrag erforderlichen Unterlagen vorbereitet wurden, kam es zu Auseinandersetzungen.

Der Vorsitzende der GV von Preddöhl veranlasste durch seine Behauptung, bei ei-ner Ausgemeindung müsse der Boden der Neusiedler zur Privatbewirtschaftung an die Gemeinde zurückfallen, die Mitglieder der Gemeindevertretung zur Ablehnung des An-trags bzw. zur Stimmenthaltung. Der weiter für die Ausgemeindung eintretende Bürger-meister konnte sich dagegen nicht durchsetzen. Der Vorsitzende der VdgB von Preddöhl wieder um stiftete mit seinem Vorschlag, für Preddöhl und die Güter Felsenhagen, Bau und Ihleburg an einer vierten innerhalb der Gemarkung liegenden Stelle einen neuen Ortskern zu bilden, der auch im Zusammenhang mit der Ortslagenplanung aufgegriffen worden war, zusätzliche Verwirrung. So scheiterte das Anliegen schon im Ansatz. Die Befürwortung durch die Ortsgruppen Felsenhagen der SED und der VdgB, die es als un-verständlich erklärten, dass die Altbauern dem Aufstreben der Siedlergemeinschaft von Felsenhagen in dieser Weise entgegenträten, konnte nichts bewirken. Auch dem Boden-kulturamt Perleberg gelang es nicht, seine zustimmende Position durchzusetzen. Der An-trag wurde zurückgezogen.

Am 31. März 1948 brachte der Kreistagsabgeordnete Mosler (Vorsitzender des KV der SED) einen weiteren Ausgemeindungsantrag in den Kreistag ein. Dieser wurde ein-stimmig dessen Ausschuss für Gemeindeangelegenheiten überwiesen; dort blieb er lie-gen. Im November 1949 schließlich unterbreitete der RdK Ostprignitz diesen Antrag dem MdI. Hier verständigte man sich darauf, den Vorgang nach Maßgabe der Bestim-mungen aus „Gesetz über Änderung von Gemeindegrenzen im Zuge der Bodenreform“

vom 10. Oktober 1948 zu behandeln. Das bedeutete Verzögerung. Eine Vorsprache ei-nes Mitarbeiters des Rates des Kreises beim MdI im Januar 1950 vermochte das Verfah-ren ebenso wenig zu beschleunigen wie eine Mahnung des Landtags vom Februar 1950 und die erneute Vorlage des Gesamtvorgangs bei der Landesregierung durch den Rat des Kreises. Die endgültige Entscheidung erfolgte durch das Wirtschaftsministerium. Dieses lehnte die Genehmigung zur Bildung einer selbständigen Gemeinde Felsenhagen ab. Sie sei in fi nanzieller Hinsicht nicht lebensfähig und fi ele dem Kreis ständig zur Last. Das MdI nahm die Entscheidung hin. Am 1. August 1950 beschäftigte sich der Ausschuss für Kreis- und Gemeindeangelegenheiten des Landtags noch einmal mit dem Fall. Sein

Be-149 1.6. Landwirtschaftliche Betriebsformen gegen territoriale Strukturen

schluss, dem auch der Landtag auf seiner 69. Sitzung am 22. September 1950 beigetreten war, den Vorgang als Material der Regierung zu übergeben, bedeutete die endgültige Ab-lehnung. Bei diesem Sachstand blieb es.

1.6.5.2. „Neusiedler Müller wurde im Mai 1945 als Bürgermeister eingesetzt und somit Trennung von Göritz durchgeführt“:

Ausgemeindungsbestrebungen im Kreis Prenzlau

Nach der Rücknahme der nach Kriegsende von der sowjetischen Besatzungsmacht vor-genommenen oder geduldeten Ausgliederungen wurden in diesem Kreis verstärkt An-träge auf Ausgemeindung gestellt342. Am 3. Februar bzw. 19. März 1947 wandten sich der Bürgermeister von Göritz sowie der Bauernausschuss und der Ortsälteste von Mal-chow an den Landrat mit der Bitte, den OT MalMal-chow auszugemeinden (vgl. Karte Nr. 4).

Der Gutsbezirk Malchow war durch Beschluss des Preußischen Staatsministeriums vom 22. August 1928 (Amtsblatt der Regierung Potsdam S. 292) mit der Gemeinde Göritz vereinigt, eine Enklave von ca. 8 ha der Gemeinde Trebenow zugeschlagen worden. Der Bürgermeister konnte sich mit seinem Antrag auf die im Mai 1945 erfolgte Einsetzung eines eigenen Bürgermeisters für Malchow und auf die Zustimmung des Gemeinderates berufen. Auf dem Gut Malchow waren 77 Neusiedlerstellen geschaffen worden. Des-sen Einwohnerzahl war dadurch von ursprünglich 170 auf 350 Personen gestiegen. Gö-ritz hatte 820 Einwohner. Die Malchower Neubauern beschwerten sich über unhaltbare Zustände im Zusammenleben mit den Altbauern von Göritz, das dauernd zu Klagen und Unzufriedenheit führe. Die Gemeinde Göritz wiederum erhoffte sich von einer Ausge-meindung die Erleichterung der Verwaltungsarbeit. Am 12. September 1947 und 6. März 1948 – nach Einspruch beider Seiten – lehnte der Kreistag Prenzlau den Ausgemein-dungsantrag ab.

Am 16. März 1947 stimmten die Gemeindevertreter von Fahrenwalde für die Aus-gemeindung des OT Stramehl. Der Gutsbezirk Stramehl war durch Beschluss des Preu-ßischen Staatsministeriums vom 22. August 1928 (Amtsblatt der Regierung Potsdam S. 292) mit der Gemeinde Fahrenwalde vereinigt worden. In dem 4 km von der Hauptge-meinde (ca. 560 Einwohner) entfernten Ortsteil lebten ca. 218 Einwohner, überwiegend frühere Landarbeiter, unter denen das Gut im Zuge der Bodenreform aufgeteilt worden war. Der Ortsteil hatte eine eigene Schule. In ihm bestanden ein Ortsausschuss der VdgB und eine Ortsgruppe der SED. Letztere unterstützte den Antrag: „Die Selbständigma-chung ist neben der räumlichen Entfernung schon aus politischen Gründen notwendig, um dem Landarbeiter, der jahrelang unter der Knute der Junker geschuftet hat und sich von einer entfernten Gemeinde bevormunden lassen musste, das Gefühl der wirklichen politischen Freiheit zu geben. Stramehl hat in zwei Wahlen bewiesen, dass es politisch

342 Rep. 202C Nr. 1162, Bl. 197; Rep. 203 Nr. 872, Bl. 10; Nr. 1006; Rep. 250 Prenzlau Nr. 178;

Rep. 274 Nr. 200.

den richtigen Weg beschritten hat und jedes Mal 100 %ig die Politik der SED gutgehei-ßen hat“. Nachdem die Gemeindevertreter von Stramehl nochmals auf Ausgemeindung gedrängt hatten, stimmte der Kreistag Prenzlau dieser am 5. Mai 1948 zu. Die Abtei-lung Landes- und Kommunalverwaltung leitete jedoch den Antrag nicht an den Landtag weiter. Sie versteckte sich hingegen hinter ihm: Der Landtag beabsichtige nur solchen Grenzänderungsanträgen zuzustimmen, deren Vordringlichkeit unabweisbar sei. Diese Voraussetzung sei in diesem Falle nicht gegeben. Die wohl lediglich rein formal verkün-dete Zurückstellung des Antrags wurde nicht wieder aufgelöst. Der OT Stramehl verblieb in der Gemeinde Fahrenwalde, obwohl in Potsdam zugestanden worden war, Stramehl könne als selbständige kommunale Körperschaft ihre öffentlich-rechtlichen Verpfl ichtun-gen erfüllen.

Das gleiche Verfahren betrieb die Abteilung Landes- und Kommunalverwaltung im Fall des von der VdgB Tornow am 7. Juli 1947 gestellten Antrags auf Ausgemeindung von Tornow aus Dauer, der von Dauer selbst unterstützt worden war. Der Gutsbezirk Tornow war durch Beschluss des Preußischen Staatsministeriums vom 22. August 1928 (Amtsblatt der Regierung Potsdam S. 292) mit der Gemeinde Dauer vereinigt, die ihm zugehörige Enklave in den Herrenwiesen der Gemeinde Trebenow zugewiesen worden.

Das Gut Tornow mit 611 ha war im Zuge der Bodenreform auf 77 Neusiedler aufgeteilt worden. In dem Ortsteil, der 5 km von Dauer entfernt lag – dazwischen befand sich auf der allein möglichen Verbindung über die Fernstraße 109 noch die Gemeinde Göritz an der Abzweigung nach Dauer – wohnten ca. 361 Einwohner, während Dauer ca. 660 Ein-wohner zählte. Auch die Siedlungsplanung hatte sich wegen der geographischen Lage von Tornow und der starken Bevölkerungsverdichtung für die Ausgemeindung ausge-sprochen. Der Kreistag Prenzlau hatte einstimmig für die Ausgemeindung votiert und der RdK Prenzlau den Antrag ebenfalls zustimmend an das MdI weitergeleitet. Dort war bei dessen Bearbeitung, ohne auf die Neubauernproblematik einzugehen, nach der Maßgabe verfahren worden: „Die Tatsache, dass nach der Besetzung die Orts- und Bezirkskom-mandanten die betreffenden Gemeinden wieder selbständig gemacht haben, reicht für einen Beschluss des Präsidiums der Provinzialverwaltung nicht aus“. Weiteres geschah nicht. Der RdK Prenzlau musste viermal nach dem Sachstand fragen, bis er eine gleiche ablehnende Antwort bekam, wie im Verfahren Fahrenwalde/Stramehl ergangen. Als im MdI in der Vorbereitung der Gebietsreform von 1950 der Vorgang wiederbelebt wurde, ging man dort davon aus, Tornow sei wirtschaftlich selbständig und in der Lage, seine öffentlich-rechtlichen Verpfl ichtungen zu erfüllen. Konsequenzen wurden aus dieser Fest-stellung jedoch nicht gezogen.

Ebensolche Hintergründe und Abläufe waren bei den Ausgemeindungsverfahren von Dreesch aus Bietikow, Wilhelmshof aus Schönermark, Taschenberg und Kutzerow aus Jagow anzutreffen. Im letzteren Fall hatte die Siedlungsplanung die Ausgemeindung von Taschenberg und Kutzerow und deren Zusammenschluss zu einer selbständigen

Ge-151 1.6. Landwirtschaftliche Betriebsformen gegen territoriale Strukturen

meinde vorgeschlagen343. Obwohl das MdI frühere Ausgemeindungsbegehren der Orts-teile blockiert hatte, brachte die HA Landes-, Kreis- und Gemeindeverwaltung diese Vor-gänge im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Gebietsreform von 1950 wieder ins Gespräch. Sie wurden jedoch in die Planungen nicht aufgenommen.

1.6.5.3. „Bei unserem Bürgermeister werde ich nun hängen, weil ich mich an eine höhere Instanz wende“:

Hackenow – Alt Tucheband (Kr. Lebus)344

Auf halber Strecke stecken blieben die Ausgemeindungsbestrebungen von Hackenow aus Alt Tucheband. Der Gutsbezirk Hackenow war durch Beschluss des Preußischen Staats-ministeriums vom 14. August 1928 (Amtsblatt der Regierung Frankfurt S. 276) mit Alt Tucheband vereinigt worden.

Durch Weisung des Landrates von Lebus vom 4. Mai 1946, der auch der Gemeinderat von Alt Tucheband zugestimmt hatte, war der Ort von Alt Tucheband, zu dem es in etwa 3,5 km Entfernung lag, zum 1. Juli getrennt und mit der Bestellung eines Bürgermeisters zu einer selbständigen Gemeinde erhoben worden. Im Ort bestanden auf 400 ha 53 Sied-lerstellen, von denen 50 mit Neubauern besetzt waren, die im Zuge der Bodenreform von einer eigenen Gemeindebodenkommission Land zugeteilt erhalten hatten. Es fehlte an Saatgut und Vieh. Im gesamten Ort gab es nur acht Pferde. Die Stammgemeinde selbst, durch die Kriegsereignisse zu 75 % in Mitleidenschaft gezogen, hatte jegliche Hilfe ver-sagt. Sie hatte eigene, an der Grenze zu Neu Tucheband gelegene Ländereien, die wegen deren Abgelegenheit nur schwer erreichbar waren, an diese Gemeinde abtreten müssen.

Da sich aber im Grenzgebiet zwischen den beiden Gemeinden sechs Neubauern in einer weilerartigen Siedlung angesetzt hatten, war die Möglichkeit einer weiteren Vergrößerung des Ortes eröffnet worden345. Die Siedler von Hackenow lebten auf einem durch Kriegs-einwirkungen nahezu vollständig zerstörten Gut. Noch im September 1949 hausten sie in notdürftigen Unterkünften; Ende 1949 waren 18 Neubauten fertiggestellt und acht Um-bauten vorgenommen worden. Die Feldarbeiten litten unter Mangel an Zugkraft; sie wur-den zusätzlich behindert durch wur-den von Minen noch nicht freigeräumten Hauptentwäs-serungsgraben. Das Oder-Hochwasser des Frühjahrs 1947 hatte sein übriges getan. Als die Bewohner aus der Evakuierung zurückkehrten, fehlte der Bürgermeister. Das nahm das MdI zum Anlass, den alten Zustand wiederherzustellen. Am 6. Februar 1947 erklärte

343 Die Gutsbezirke waren durch Beschluss des Preußischen Staatsministeriums vom 22.8.1928 (Amts-blatt der Regierung Potsdam S. 291 – 292) aufgelöst worden. Der Gutsbezirk Dreesch wurde mit der Gemeinde Bietikow, der Gutsbezirk Wilhelmshof mit der Gemeinde Schönermark vereinigt, aus den Gutsbezirken Jagow, Kutzerow und Taschenberg eine neue Gemeinde mit dem Namen Jagow gebildet. Einwohnerzahlen: Bietikow ca. 453, Dreesch ca. 215; Schönermark ca. 455, Wilhelmshof ca. 327; Jagow ca. 370, Taschenberg ca. 310, Kutzerow ca. 254.

344 Rep. 203 Nr. 858, Bl. 9, 13; Nr. 1479, Bl. 43; Nr. 1498, Bl. 170 – 171; Rep. 208 Nr. 718, Bl. 57, 64;

Rep. 250 Lebus Nr. 1, Bl. 36; Rep. 274 Nr. 195.

345 Neu Tucheband wurde 1962 nach Alt Tucheband eingemeindet.

es die Anordnung des Landrates von Lebus als unzulässigen und rechtsunwirksamen Akt und bestimmte Hackenow weiterhin zum Bestandteil von Alt Tucheband. Der Kreistag Lebus schloss sich dem an und votierte auf seiner Sitzung am 10. April 1947 mit den Stimmen der Fraktionen von SED und VdgB ebenfalls für die Rückgliederung des Ortes.

Ein Neubauer fasste sich daraufhin ein Herz und wandte sich an Präsident Hoernle. Ihn bewegte weniger der kommunalrechtliche Status; er wollte bauen und konnte nicht. Die ungeklärten kommunalrechtlichen Verhältnisse in der Gemeinde hatten dazu geführt, dass kein gültiger Bebauungsplan angefertigt worden war. Daraus war ein circulus vitiosus entstanden: Kein Ortsbebauungsplan – keine Grundbucheintragung – keine Hofstellen-zuweisung – keine fi nanzielle Ausstattung. Er befürchtete zwar, dieses Vorgehens wegen

„hängen“ zu müssen; das erwies sich allerdings schnell als gegenstandslos. Bürgermeister Andreas wurde am 15. Dezember 1947 verhaftet. Die Aufforderung der DVLF um Über-prüfung des Geschehens und Berichterstattung lag über ein Jahr bei ihrem Adressaten, dem brandenburgischen Ministerium für Wirtschaftsplanung. Am 10. August 1949 ant-wortete dieses, ohne das zuständige MdI einzubeziehen, mit hinhaltenden Floskeln. Da-mit fand der Vorgang sein Ende.

1.6.5.4. „Nur die Kasse verbindet beide Ortsteile“:

Rauschendorf – Sonnenberg (Kr. Ruppin)346

Ungleiche wirtschaftliche Verhältnisse herrschten in Sonnenberg und seinem OT Rau-schendorf nach der Aufsiedlung des Gutes RauRau-schendorf. Der Gutsbezirk Rauschen-dorf war durch Beschluss des Preußischen Staatsministeriums vom 11. September 1928 (Amtsblatt der Regierung Potsdam S. 307) mit Sonnenberg vereinigt worden. Das Altbau-erndorf Sonnenberg verfügte bei gleichen Bodenverhältnissen für seine 750 ha landwirt-schaftliche Fläche über 60 Pferde, einen Traktor und hielt 200 Milchkühe; Rauschendorf standen für 600 ha, auf denen 79 Siedlerstellen angelegt worden waren, 18 Pferde und zwei Traktoren zur Verfügung, es hielt 51 Milchkühe. In beiden Orten bestanden selbstän-dige Ortsausschüsse der VdgB; diese wirtschafteten allerdings in eine Kasse. Der im Rah-men der Siedlungsplanung aufgestellte Bebauungsplan verursachte zusätzliche Schwie-rigkeiten; er ließ einen Zusammenbau der beiden Orte nicht zu; Rauschendorf sollte in Richtung Neulögow, das Sonnenberg entgegengesetzt lag, erweitert werden. 1946 hatte die Rauschendorfer Ortsgruppe der SED deshalb beantragt, aus dem Ort eine selbstän-dige Gemeinde zu bilden. Nachdem der Vorgang nahezu zwei Jahre liegengeblieben war, nahm sich der Ausschuss für Gemeindeangelegenheiten des Kreistages im März 1948 sei-ner an und beschloss, sich an Ort und Stelle der Stimmung der Bevölkerung zu vergewis-sern. Am 25. März 1948 tagte er gemeinsam mit einer öffentlichen Gemeindeversamm-lung in Sonnenberg. Während sich der Bürgermeister und die Gemeindevertreter für die Ausgemeindung aussprachen – ersterer betrachtete den Ortsteil lediglich als lästiges

An-346 Rep. 250 Ruppin Nr. 22; Nr. 23.

153 1.6. Landwirtschaftliche Betriebsformen gegen territoriale Strukturen

hängsel –, erklärte der Pfarrer der Gemeinde, ihm seien beide Orte gleich lieb, und enthob sich damit selbst einer eindeutigen Stellungnahme. Die Vertreter von Rauschendorf aller-dings hielten jetzt den Zeitpunkt für eine Trennung mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ortsteils für noch nicht gekommen; man könne wirtschaftlich noch nicht allein existieren; eine spätere Trennung sei jedoch notwendig. Dieser Auffassung schlos-sen sich in der folgenden Abstimmung die Einwohner an. Der Ausschuss für Gemeinde-angelegenheiten nahm diese Meinung auf und beschloss seinerseits, die Angelegenheit ruhen zu lassen, bis sich die Beteiligten selbst wieder meldeten. Dabei verblieb es.

1.6.5.5. „Eines besonderen Bescheides an den Rat des Kreises bedarf es nicht mehr“:

Herzhorn – Reichenow (Kr. Oberbarnim)347

Der Gutsbezirk Herzhorn war durch Beschluss des Preußischen Staatsministeriums vom 11. September 1928 (Amtsblatt der Regierung Potsdam S. 309) mit der Gemeinde Rei-chenow vereinigt worden. Das nach Kriegsende eingeleitete Ausgemeindungsverfahren offenbarte Unsicherheiten in der Handhabung der Bestimmungen von DGO und Rd. Erl.

Nr. XIV/2 vom 30. April 1947. Dadurch kam es zu Störungen und Irritationen. Herzhorn (1947: 262 Einwohner auf 594 ha) lag 3,5 km vom Hauptort Reichenow (1947: 516 Ein-wohner auf 1.106 ha) entfernt. Durch die Aufteilung des Gutes im Zuge der Bodenreform war Herzhorn eine reine Neubauernsiedlung. Zur Jahreswende 1948/49 lebten auf 65 Neubauernstellen schon 102 Alteingesessene und 194 Umsiedler. Der Ortsteil besaß eine eigene Schule. Die wegen der großen Entfernung vom Verwaltungssitz eingerichtete Ne-benstelle der Verwaltung wurde von einem Ortsältesten betreut. Es bestanden ein Ortsaus-schuss der VdgB, später auch ein solcher der Nationalen Front, sowie eine Ortsgruppe der SED. Die Bewohner beklagten wirtschaftliche Nachteile und ständige Misshelligkeiten.

Am 12. März 1947 beschloss die GV von Reichenow einstimmig die Ausgemeindung von Herzhorn. Der Kreistag Oberbarnim votierte am 11. Dezember 1947 ebenfalls einstim-mig dafür und reichte den entsprechenden Antrag unter Umgehung des vorgeschriebenen Verfahrens direkt beim Landtag ein. Dieser lehnte ihn am 24. März 1948 wegen des for-mellen Fehlers ab. Als die Akten daraufhin zur Einleitung der ordnungsgemäßen Bear-beitung an das MdI abgegeben werden sollte, stellte es sich heraus, dass sie beim Landtag nicht auffi ndbar waren. Beim RdK Oberbarnim existierte ebenfalls kein Vorgang, weil dieser nicht aktiv geworden war; ein willkommener Vorwand für den auf Verfahrensfra-gen fi xierten Referenten Hauschild, die Bearbeitung hinauszuzögern. Einen neuen Antrag unterbreitete der Rat des Kreises am 14. Januar 1949. Die HA Landes-, Kreis- und Ge-meindeverwaltung empfahl dem Landtag die Ablehnung wegen nicht ausreichender Be-gründung. Dieser folgte dem in seiner Sitzung am 10. Juni 1949.

347 Rep. 203 Nr. 861, Bl. 383 – 384; Nr. 885, Bl. 11;Nr. 996; Rep. 274 Nr. 195; Rep. 350 Nr. 3095. – Stenographische Berichte, 1. Wahlperiode, Drucks. Nr. 250, 402.

Im Zusammenhang mit der Gebietsreform von 1950 versuchte der Ortsteil erneut, seine Interessen durchzusetzen und wandte sich mit einer entsprechenden Eingabe direkt an das MdI. Er hatte sich in der Zwischenzeit zu einem ausgesprochenen Notstandsgebiet entwickelt. Der 1948 begonnene Bau von Neubauerngehöften war nie beendet worden.

Die nur bis über den Keller gediehenen Bauten waren wieder zusammengestürzt. Ende 1949 standen für 79 Siedlerstellen erst vier Neubauten und fünf Umbauten zur Verfü-gung. Alle gesellschaftlichen Organisationen – Ortsausschuss der NF, VdgB, Ortsgruppe der SED – unterstützten den Vorschlag. Der VdgB-Landesverband sah in der Konstituie-rung einer neuen Gemeinde die Möglichkeit, ein Musterdorf zu schaffen. Auch die GV von Reichenow stimmte noch einmal geschlossen für die Ausgemeindung. Der Rat des Kreises beharrte auf seiner Zustimmung; Landrat Dr. Eisenführ348 verwandte sich am 22.

Mai 1950 bei Innenminister Lentzsch dafür. Angesichts dieser eindeutigen Meinungsäu-ßerung versicherte sich Hauschild der Rückendeckung seines Ministers. Dieser bestätigte den Ablehnungsvorschlag. Das Anliegen fi el somit nicht unter die Vorhaben der Gebiets-reform. Die Einwohner von Herzhorn gaben sich immer noch nicht zufrieden. Der Vor-sitzende der Ortsgruppe der SED, Rüdiger, und der VorVor-sitzende des Ortsausschusses der VdgB, Behlendorf, übergaben im Oktober 1950 in der öffentlichen Sprechstunde des Prä-sidenten der Republik eine Petition der Einwohner mit der Bitte, dem Ortsteil zur Selb-ständigkeit zu verhelfen. Von dem Argument, die Einwohner würden politisch nur nach-lässig betreut werden, versprachen sie sich Erfolg für ihren Vorstoß. Die Präsidialkanzlei reichte die Petition jedoch zur Bearbeitung an das brandenburgische MdI weiter. Dieses beschied sie am 6. Februar 1951 unter Hinweis auf den ablehnenden Beschluss des

Mai 1950 bei Innenminister Lentzsch dafür. Angesichts dieser eindeutigen Meinungsäu-ßerung versicherte sich Hauschild der Rückendeckung seines Ministers. Dieser bestätigte den Ablehnungsvorschlag. Das Anliegen fi el somit nicht unter die Vorhaben der Gebiets-reform. Die Einwohner von Herzhorn gaben sich immer noch nicht zufrieden. Der Vor-sitzende der Ortsgruppe der SED, Rüdiger, und der VorVor-sitzende des Ortsausschusses der VdgB, Behlendorf, übergaben im Oktober 1950 in der öffentlichen Sprechstunde des Prä-sidenten der Republik eine Petition der Einwohner mit der Bitte, dem Ortsteil zur Selb-ständigkeit zu verhelfen. Von dem Argument, die Einwohner würden politisch nur nach-lässig betreut werden, versprachen sie sich Erfolg für ihren Vorstoß. Die Präsidialkanzlei reichte die Petition jedoch zur Bearbeitung an das brandenburgische MdI weiter. Dieses beschied sie am 6. Februar 1951 unter Hinweis auf den ablehnenden Beschluss des

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