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Eingemeinden, Ausgemeinden, Zusammenschließen:

Im Dokument Kreisen in Brandenburg 1945–1952 (Seite 111-130)

Gestaltung des rechtlichen Rahmens

1.5. Auf der Suche nach Verfahren und Kriterien

1.5.3. Eingemeinden, Ausgemeinden, Zusammenschließen:

Formulierung von Entscheidungskriterien

Als der Umfang der Gemeindebezirksänderungen allmählich klarer hervortrat und bald auch Anträge auf solche Änderungen in zunehmender Zahl gestellt wurden, erwies es sich, wie erwähnt, dass die Provinzialverwaltung weder über konzeptionelle Vorstellun-gen für die künftige innere Organisation des Landes noch über Entscheidungsgrundla-gen für die Bearbeitung von Einzelfällen verfügte. Zusätzlich zu der Beantwortung der schwerwiegenden Frage, wie mit den kommunalpolitischen Entscheidungen der Besat-zungsmacht und dem eigenmächtigen Handeln einzelner Orte umgegangen werden sollte, waren über die in der Kommunalpolitik bisher behandelten auch neue Entscheidungsfel-der entstanden. InsbesonEntscheidungsfel-dere waren Fragen nach Entscheidungsfel-der gegenüber den sogenannten „Zwerg-(Kleinst)-Gemeinden“212 einzuschlagenden Strategie und nach der kommunalpolitischen Einordnung von Neubauernsiedlungen zu beantworten.

Während für die Bearbeitung des ersten Problemfeldes Erfahrungen und Handlungs-hilfen aus einem über 50jährigen Bemühen um Lösungen zur Verfügung standen, musste bei letzterem Neuland betreten werden. Das Thema „Zwerggemeinden“ hatte spätestens seit Vorbereitung und Erlass der Landgemeindeordnung von 1891 auf der Tagesordnung der preußischen Kommunalpolitik gestanden. Trotz ernsthafter Bestrebungen und ver-schiedentlicher Anläufe war kein befriedigendes Ergebnis erreicht worden, der letzte und bemerkenswerteste Versuch, mit dem Runderlass des Reichsministers des Innern „Maß-nahmen zur Hebung der Verwaltungskraft kreisangehöriger Gemeinden“ vom 6. Januar 1939 (RMBliV. Sp. 33) das unmöglich Scheinende doch noch zu zwingen, im Kriegsge-töse untergegangen213.

Diese Vorgeschichte, vor allem die Absichten, Diskussionen und Kontroversen der kommunalpolitischen Entwicklung seit dem Ende des 1. Weltkrieges, Wege und Irrwege

212 Als Zwerggemeinden wurden Gemeinden mit bis zu 200 Einwohnern (auch die Grenze von 300 Einwohnern ist zu fi nden) angesprochen, die qualitativ nicht die notwendigen Voraussetzungen für ein eigenständiges Gemeindeleben besaßen. Vgl. Striemer, Die sozialwirtschaftliche Bedeutung;

ders., Das Stadt-Land-Problem, S. 227 – 228. Ostwald/Scherf, Die Siedlungsstruktur der DDR, S. 249, setzen das Größenlimit bei 350 Einwohnern an.

Im Fall der Eingemeindung von Neu Friedrichsdorf nach Rathenow wurde sogar diese Gemeinde mit 445 Einwohnern als Zwerggemeinde defi niert. Das Problem der Zwerggemeinden sollte ein dauerndes bleiben. Noch 1974 wurde die Existenz von zu vielen Kleinsiedlungen beklagt.

213 Dieses Kapitel preußischer und deutscher Kommunalpolitik soll in einer gesonderten Arbeit vorge-stellt werden.

auf dem Gebiet der Neugliederung der Gemeindestrukturen, waren bei den Kräften, die sich nach der deutschen Kapitulation 1945 ans Werk machten, eine neue, demokratische Ordnung zu schaffen, noch lebendig und gegenwärtig. Brill hatte in seinem Plan für den Aufbau der Verwaltung Thüringens vom 31. Mai 1945 allein durch die sachliche Fest-stellung, unter den 1.936 thüringischen Gemeinden befänden sich viele Zwerggemein-den, auf Handlungsbedarf aufmerksam gemacht, Treibert, Landrat von Ziegenhain und Präsident des Deutschen Landkreistages, diese Ansätze aufgenommen und zu der These verdichtet: „Das Problem liegt bei den Zwerggemeinden“; Gemeinden müssten eine sol-che Größe haben, „dass sich dort echtes kommunales Leben entwickeln kann“. Eine Zu-sammenlegung benachbarter Klein- und Zwerggemeinden bzw. ihren Anschluss an einen größeren Ort hielt er für unumgänglich und dringlich; als unterste Grenze der Größe einer Einzelgemeinde sah er die Zahl von 1.000 Einwohnern an. Diese Konzeption brachte er auch in die Beratungen der in Hessen zur Vorbereitung einer Verwaltungsreform gebilde-ten Kabinettskommission mit der zusätzlichen Begründung ein, je mehr kleine Gemein-den in einem Kreis lägen, desto schwieriger sei die Arbeit der Kreisverwaltung. Striemer führte diese Gedanken weiter und spitzte sie zu. Angesichts der Tatsache, dass kleine Orte die große Mehrheit der Gemeinden bildeten, erhob er die quantitative Größe zum entscheidenden Kriterium für ihre selbständige Existenz als kommunale Gebietskörper-schaft. Er kam dabei zu ähnlichen Größenordnungen wie Treibert. Ein Dorf von 150 bis 400 Einwohnern erklärte er für unfähig, kommunales Leben entfalten und seinen Einwoh-nern die erforderliche Lebensqualität gewährleisten zu können. Das könne erst bei einer Größenordnung von 800 bis 1.200 Einwohnern möglich sein. Nur dann sei auch eine op-timale Gliederung der gewerblichen und berufl ichen Strukturen möglich und eine solche Wirtschaftskraft zu erreichen, dass diese Orte als Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsein-heiten angesehen werden könnten. Allerdings sollten sie auch nicht größer sein, als es die Notwendigkeiten für die Schaffung gesunder Existenz- und Lebensverhältnisse erforder-ten. Die Quintessenz seiner Überlegungen bestand demgemäß in der Forderung, Städte zu verkleinern und Gemeinden zu vergrößern. Ohne darauf Bezug zu nehmen, war es die Weiterführung der im 3. Reich konzipierten Idee, Großstädte zu verkleinern und leis-tungsfähige Einheiten auf dem Lande zu schaffen214.

Eine solche Zielstellung kollidierte natürlich mit dem immer wachen, auf kommunale Eigenständigkeit orientierten Selbstbewusstsein vieler Gemeinden, das aus Eingemein-dungsbestrebungen immer wieder zusätzliche Nahrung erhielt. Sie erweiterte sich darü-ber hinaus ins Allgemeine: die kritische Prüfung des üdarü-berkommenen Gemeindebestands insgesamt und die Verständigung über Grundsätze und Kriterien für dessen zeitgemäße Aufstellung. Die Verfassungen der Provinzen und Länder regelten lediglich deren innere (statische) Gliederung. Bestimmungen, Zielstellungen und Kriterien für die Änderung von Gemeindebezirken enthielten sie nicht. DGO und DKO hatten ebenfalls auf deren Kodifi zierung verzichtet. Der auf die Wahrung des öffentlichen Wohls gerichtete Tenor

214 Post/Wahl (Hg.), Thüringen-Handbuch, S. 109; Treibert, Die Neuordnung, S. 13 – 14; Verwaltungs-reform in Hessen I, S. 51; Striemer, Das Stadt-Land-Problem, S. 227 – 229; Rechenberg, Die güns-tigste Stadtgröße, S. 53.

81 1.5. Auf der Suche nach Verfahren und Kriterien

der bisherigen Kommunalpolitik wird jedoch in vielen der zu besprechenden Einzelent-scheidungen durchschimmern.

Noch vor den zu treffenden Verfahrensregelungen hatte sich also sehr früh ein ande-res Entscheidungsfeld geöffnet, das nach Abstimmung und – wenn möglich – nach ein-heitlicher Handhabung verlangte. War das Verfahren zur Bestimmung von Gemeinden als selbständige politische Körperschaften ein mehr technisches, verwaltungsrechtliches Problem, dessen Erörterung noch bis zum Sommer 1947 hatte warten können, eröffnete die Festlegung von Kriterien für die Gemeindebildung eine andere Dimension. Ihre mög-lichen Folgen ließen eine erhebliche Sprengkraft befürchten. Im Kern ging es um die De-fi nition des Status der Gemeinde und darum, ihre Stellung und Funktion im neuen gesell-schaftlichen Umfeld zu umreißen. Das war ebenfalls kein brandenburgisches Anliegen allein; mit diesem Fragenkomplex sahen sich die Verwaltungen in allen Gliedern der SBZ konfrontiert. Orientierung oder Einfl ussnahme von zentralen Stellen oder Gremien waren ebenso wenig wie bei der behandelten Suche nach einer zentral abgestimmten ge-setzlichen Verfahrensregelung für das Feld der Gemeindebezirksänderungen zu erwarten.

Einigkeit aber bestand in allen Gliedern der SBZ über die herausragende Bedeutung der Gemeinden. Auf der Kommunalpolitischen Landeskonferenz des LV Brandenburg der SED am 6. Juni 1947 hatte das Mickin, der stellvertretende Leiter der Abteilung Kommu-nalpolitik beim Landesvorstand, in die These gekleidet: „Das Fundament der Selbstver-waltung liegt in der Gemeinde“.

Die sich selbst verwaltenden Gemeinden aber sollten lebensfähig und in der Lage sein, ein selbstbestimmtes kommunales Dasein zu führen, um aus eigener Kraft heraus wirtschaftliche Disproportionen und Schwierigkeiten des Aufbaus, der Integration der Umsiedler und der Neubauern bewältigen zu können. Das setzte eine gewisse Größe vo-raus. Und sogleich tat sich das allgemeine, bereits früher beobachtete Dilemma auf. Es materialisierte sich jetzt in dem Gegensatz, lebensfähige Gemeinden anzustreben und zu-gleich die allgemeinen Selbstverwaltungsrechte zu respektieren. Dieser Gegensatz sollte sich über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg als unaufl ösbar erweisen und den Handlungsrahmen der verantwortlichen staatlichen Stellen stark eingrenzen. Wenn auch nach allgemeinen Kriterien für die Zusammenlegung von Gemeinden – die für einen Teil der Betroffenen zwangsläufi g den Verlust der kommunalen Selbständigkeit zu Folge ha-ben würde – gesucht wurde, so dominierten doch Fragen nach dem Existenzrecht der Zwerggemeinden den Prozess.

Diese Ambivalenz hatte zu anfänglichen Schwankungen in der SED-Führung beim Abwägen der kommunalen Selbstverwaltungsrechte gegen effektive Gemeindestrukturen geführt. Der Entwurf für die Kommunalpolitischen Richtlinien hatte noch die Schaffung von Großgemeinden nach wirtschaftlichen Zusammenhängen und die Zusammenlegung kleiner Ortsgemeinden zu Flächengemeinden verlangt. Dieser Passus jedoch fehlte in den verabschiedeten Richtlinien. Weder der Entwurf noch die Richtlinien selbst enthielten praktische Hinweise zu Gemeindestrukturen oder zum Verhältnis von Gemeindegröße zu einem selbstbestimmten Gemeindeleben. Fechner war in seinem den Entwurf der Richt-linien erläuternden Referat auf der 4. Tagung des PV der SED am 16./17. Juli 1946 nur auf allgemeine Fragen der Kommunalpolitik eingegangen. Hinweise auf die Problematik

gab es allerdings auch auf dieser Tagung. Wohlgemuth hatte in der Diskussion auf die mit kleinen Orten verbundenen Fragen anhand von Beispielen vorpommerscher Gemeinden aufmerksam gemacht. Sie hatte dort „traurige Verhältnisse“ vorgefunden. Diese seien da-durch charakterisiert, dass besonders in kleinen Gemeinden der Gemeindevorsteher als

„Ortsgewaltiger“ auftrete und machen könne, was er wolle.

Eine spätere Wortmeldung wurde anscheinend überhaupt nicht beachtet. Es muss of-fen bleiben, ob Glier den Entwurf der Kommunalpolitischen Richtlinien kannte; sein Vorschlag jedenfalls, der als Auslegung der Zentrale-Orte-Theorie verstanden werden könnte, ging von einer ähnlichen Strategie aus. Er favorisierte eine Stärkung der Mittel-städte. Diese könnten in geschlossenen Wirtschaftsgebieten von einheitlicher Struktur, die lediglich durch die Existenz einer Vielzahl kleiner kommunaler Gemeinwesen gestört seien, neben den Großstädten zu neuen Kraftzentren werden und die Basis für größere Räume umfassende Bebauungspläne abgeben. Dem stünden allerdings Gemeindepartiku-larismus und kurzsichtiges Handelns der zuständigen Stellen entgegen215.

Die prinzipielle Haltung der Parteiführung zur Behandlung von Gemeinden und ih-rer Gemarkungen erläuterte Zimmer auf der Thüringer Kreiskommunalkonferenz am 30.

September/1.Oktober 1946 mit der Auslegung der Kommunalpolitischen Richtlinien und der DGO. Er musste sich dabei im Spagat zwischen eigentlich Gewolltem und politisch Beschlossenem üben: „Grundsätzlich wünschen wir uns als Partei, dass Eingemeindun-gen nur dort vorEingemeindun-genommen werden, wo es aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen zwingend notwendig ist. Nach Möglichkeit wollen wir alle beteiligten Kreise überzeugen, dass eine Eingemeindung oder Zusammenlegung vorteilhaft ist. Nur in den seltensten Fällen darf die Ausnahme eintreten, dass gegen den Willen großer Teile entschieden wird.

So sehr wir überzeugt sind, dass in größeren Gemeinden das politische Leben erstarkt und lebendiger ist, und so sehr wir auch begrüßen, wenn aus wirtschaftlichen Gründen eine Eingemeindung oder Zusammenlegung erfolgt, so wenig wünschen wir aber auch nur ir-gendwie den Anschein zu erwecken, als wollten wir Rechte missachten“216. Ausgemein-dungen erwähnte er nicht; über sie wurde auf der Beratung auch nicht gesprochen. Was sich allerdings als Garantie für die existierenden Gemeinden darstellte, sollte sich gegen die Ausgemeindungsbestrebungen von Ortsteilen wenden.

Schon bald jedoch wurde auch in der neuen Ordnung offenbar: Kleinstgemeinden waren der lebendige Widerspruch zum politisch Angestrebten. Mit ihnen war weder eine effektive Gemeindeorganisation zu erreichen, noch konnten in ihnen die Prinzipien der Selbstverwaltung zum Tragen gelangen. Zimmer suchte also nach Auswegen und verfi el auf eine Ersatzlösung217. Diese unterbreitete er am 8. Januar 1947 dem thüringischen Lan-desdirektor Böhme. Er verließ zwar den vor drei Monaten verkündeten Standpunkt nicht, Kleinstgemeinden möglichst einzugemeinden oder zusammenzulegen, fügte aber jetzt eine bedeutsame Einschränkung hinzu: wenn sie örtlich beieinanderliegen. Wichtiger

215 DY 30/IV 2/13 Nr. 6, Bl. 90; Nr. 39, Bl. 118 – 119. – Glier, Zur Entwicklung, S. 130.

216 Rep. 333 Nr. 66, Bl. 182. DY 30/IV 2/13 Nr. 7, Bl. 28; Nr. 611, Bl. 44.

217 ThStAW Land Thüringen 1945 – 1952 MdI Nr. 1465, Bl. 1 – 8, 41. DO 1/8 Nr. 11.

Post/Wahl (Hg.), Thüringen-Handbuch, S. 125.

83 1.5. Auf der Suche nach Verfahren und Kriterien

waren ihm zwei andere Möglichkeiten. Kleinstgemeinden sollten in „irgend einer Form“

zu einem unteren Gemeindeverband zusammengeschlossen oder von dem Bürgermeister einer in der Nähe liegenden größeren Gemeinde mitverwaltet werden, wie es nicht nur in Brandenburg mehrfach der Fall war. Bei Böhme traf er damit auf offene Ohren. Die-ser erinnerte sich gewiss noch an die Planungen von Brill, mit dem zusammen er im KZ Buchenwald inhaftiert gewesen war, im Rahmen einer Strukturreform Bezirksgemein-den zu bilBezirksgemein-den. Auf der Konferenz des Kommunalen Beirats beim LV Thüringen der SED im Juli 1946, ein Jahr nach der Initiative von Brill, brachte er das Projekt zur Sprache.

Er war damit jedoch auf keine Gegenliebe gestoßen. Auch seine Bemühungen, entspre-chende Vorschriften in die DGO aufzunehmen, waren gescheitert. Jetzt erhoffte er sich Unterstützung aus Berlin.

Sein Entwurf für ein „Gesetz zur Bildung von Bezirksgemeinden und Zweckverbän-den im Lande Thüringen“ lag alsbald auf dem Tisch. Er eröffnete GemeinZweckverbän-den in einem Kreisverband die Möglichkeit, „zur Erzielung einer geordneten hauptamtlichen Verwal-tung und zur Erfüllung sonstiger Aufgaben“ sich auf der Grundlage von Beschlüssen der beteiligten Gemeinden zu einer Bezirksgemeinde zu vereinigen. Verfassungsmäßige Or-gane der Bezirksgemeinde sollten die Bezirksvertretung und der Bezirksrat sein. Der Ent-wurf räumte den Kreistagen die Möglichkeit ein, bei Verweigerung durch eine Gemeinde über einen Beschluss eine solche Bezirksgemeinde zu bilden; er sprach dem Landtag das Recht zu, die Bildung einer Bezirksgemeinde anzuordnen, wenn dieses im öffentlichen Interesse erforderlich sei. Die Erinnerung an die Samtgemeinde und die rheinische Land-bürgermeisterei scheint auf, die – als Stützen des Gemeindenetzes gedacht – die kommu-nalpolitische Diskussion in Preußen seit der Einführung des parlamentarischen Systems mit geprägt hatten. Das Thema wurde auf der ersten Tagung des Kommunalpolitischen Beirats beim PV der SED (31. März – 2. April 1947 in Dresden)218 diskutiert. Zimmer

wa-218 Der Kommunalpolitische Beirat war auf der 1. Kommunalpolitischen Konferenz der SED am 1./2.7.1946 konstituiert worden. Er sollte Erfahrungen auf dem Gebiet der Kommunalpolitik in Zu-sammenarbeit mit der Abteilung Kommunalpolitik beim ZS der SED verallgemeinern, neue kom-munalpolitische Probleme erörtern, Richtlinien, Gesetzentwürfe und andere Dokumente auf dem Gebiet ausarbeiten und durchsetzen helfen sowie die politische und fachliche Qualifi zierung der örtlichen Volksvertretungen und der Verwaltungsangestellten unterstützen.

Bis zur Gründung der DDR traf sich der Beirat zu vier Beratungen (in Dresden, Alexisbad/Bal-lenstedt, Eisenach, Potsdam). Fiedler/Woitinas, Dokumente, drucken die Tagesordnungen und die Entschließungen dieser ersten vier Tagungen ab. Nach Oktober 1949 tagte der Beirat noch zweimal (in Chemnitz und Potsdam).

Aus Brandenburg wurden in den Beirat berufen: Birkhölzer (PV der SED); Eifert (Bgm. Hopp-egarten), Köhne, F. Lange (OBM Brandenburg). Birkhölzer, Eifert und Lange zählten auch zum sogenannten „Engeren Beirat“. 1947 gehörten dem Beirat von Brandenburger Seite an: Hinze (PV der SED), F. Lange, Lufft, Trude Marx (Bgm. Neuruppin), Wottke (Landrat Lebus). 1949 gehörten ihm neben Lufft an: Münchenhagen (LV SED), Paatz (LV SED), Peplinski (Landrat Osthavelland), Pietsch (OBM Wittenberge), Elisabeth Prietzel (KV Teltow SED), Pohlmann, Szillat (OBM Rathe-now). Im Januar 1950 ersetzten Wollny (Landesregierung Brandenburg) Lufft und Rutzen (Landrat Cottbus) Prietzel. Des weiteren kamen hinzu Langenbach (Bgm. Velten) und Wölk (LV SED).

Bei den Provinzialvorständen der SED sollten Kommunalpolitische Ausschüsse gebildet werden.

Am 12.3.1950 reaktivierte der LV Brandenburg der SED als Ergebnis der Chemnitzer Tagung des

ren unterdessen Bedenken gekommen. Deshalb hatte er vor der Beratung eine Verständi-gung mit Beiratsmitglied Lufft, der kurz vor seiner Ernennung zum Abteilungsleiter im brandenburgischen MdI stand, gesucht. Beide kamen überein, dafür einzutreten, die Selb-ständigkeit der Kleinstgemeinden so weit wie möglich zu gewährleisten219. Auf der Ta-gung sprachen sich sämtliche Vertreter der Länder gegen Bezirksgemeinden aus. Selbst der Kommunalsekretär des LV Thüringen der SED distanzierte sich von dem Vorschlag.

Böhme war damit erneut gescheitert. Die letztlich gefundene Übereinkunft, anstelle der Liquidierung der Zwerggemeinden Zweckverbände oder freiwillige Arbeitsgemeinschaf-ten für gemeinsam zu lösende Aufgaben zu bilden, eilte der Zeit voraus; sie verpfl ichtete niemanden und bewirkte nichts.

Die zentralen Intentionen gab Fechner auf der Zonentagung der Landräte und Kreis-tagsvorsitzenden am 3./4. Mai 1947 in Bad Berka bekannt. Er ging auf Gemeinden und ihre Gebiete im einzelnen nicht ein, sondern orientierte allgemein darauf, „dass die Sta-bilität der Gebietsgrenzen baldmöglichst gewährleistet werden muss“220. Er erteilte damit Versuchen zu größeren Veränderungen eine deutliche Absage. Auf das Projekt Bezirks-gemeinden oder auf anderweitige Organisationsformen für KleinstBezirks-gemeinden wurde im Verlauf der weiteren Diskussionen weder in Thüringen – auch ein vom Kreistag Meinin-gen diskutierter Vorschlag zur Zusammenlegung kleinerer Gemeinden fand wie im

Thü-erweiterten Kommunalpolitischen Beirats am 14./15.2.1950 – und wohl auch im Zusammenhang mit der bevorstehenden Gebietsreform – seinen bis dahin kaum in Erscheinung getretenen Kommu-nalpolitischen Ausschuss. Dieser sollte als verlängerter Arm des LV vierteljährlich zusammentreten und sich der „richtigen Durcharbeitung kommunalpolitischer Probleme“ und der besseren Anlei-tung der Kreise widmen. Gleichzeitig wurde zur BeraAnlei-tung der Abteilung Kommunalpolitik beim LV ein Kommunalpolitischer Beirat aus den brandenburgischen Mitgliedern des Kommunalpolitischen Beirats beim PV der SED und „anderen wichtigen Kommunalfunktionären“ gebildet. Dieser sollte monatlich einmal zusammentreten.

In den Ausschuß wurden berufen: die neun Mitglieder des Kommunalpolitischen Beirats beim PV der SED, dazu: Baumeister (Bgm. Friesack), Biering (Kreistagsvorsitzender Oberbarnim), Boer (KV Lebus SED), Brenner (Bgm. Diepensee), Dombrowsky (KV Cottbus SED), Engel (KV Bran-denburg SED), Fanisch (Bgm. Mulknitz), Greibig (Bgm. Kyritz), Japs (KV Ostprignitz SED), Jen-ner (Bgm. Treuenbrietzen), Kühne (OBM Brandenburg), Kuhlmey (Bgm. Falkensee), Lange (Bgm.

Spremberg), Lassahn (KV Ruppin SED), Lentzsch, Martin (Stadtverordnetenvorsteher Frankfurt), Frau Maey (Bgm. Lübben), Meier (Landtagspräsident), Frau Milde (Bgm. Hellmersdorf), Muchow (KV Wittenberge SED), Müller (Bgm. Lauta), Müller (RdK Osthavelland), Frau Müller (Bgm.

Zehdenick), Paul (OBM Potsdam), Pfeiffer (Bgm. Kirchhain), Frau Powalka (Kreistagsvorsitzende Beeskow-Storkow), Promnitz (Landrat Westhavelland), Salvat (Landrat Luckenwalde), Schenk (Landrat Prenzlau), Schichhold (OBM Guben), Schmellenthin (OBM Forst), Schönfeld (Bgm. An-germünde), Seidler (KV Potsdam SED), Frau Soppa (Bgm. Friedland), Spielvogel (Landrat West-prignitz), Tempel (Bgm. Altlandsberg), Wiegelmann (Bgm. Templin), Wohmann (OBM Ebers-walde), Zander (KV Calau SED).

Zu Mitgliedern des Beirats wurden berufen: Dudek (Ortsvorsteher Fahrland), Höra (KV Teltow SED), Frau Köppen (Bgm. Zerpenschleuse), Kühne, Langenbach (Bgm. Velten), Leps (LV SED), Frau Milde (Bgm. Hellmersdorf), Münchenhagen (LV Brandenburg SED), Nehls (KV Bernau SED) Peplinski, Pietsch, Rutzen, Schulz (KV Zauch-Belzig SED), Szillat, Wölk, Wollny.

(Rep. 333 Nr. 30, Bl. 63; Nr. 32,Bl. 99, 269 – 272, 275 – 276. NY 4182 Nr. 1087, Bl. 162).

219 Rep. 203 Nr. 682, Bl. 2.

220 DY 30/IV 2/13 Nr. 44, Bl. 20.

85 1.5. Auf der Suche nach Verfahren und Kriterien

ringischen Landtag, so auch bei der Landesregierung keinen Anklang221 – noch in der Zentrale zurückgegriffen. Der unten im einzelnen vorgestellte Befehl 234 der SMAD vom 9. Oktober 1947 führte jedoch vor allem in Sachsen-Anhalt zu einem nochmaligen Nach-denken. Im Gegensatz zu Brandenburg, das aus diesem Befehl Ableitungen und Anregun-gen für die Effektivierung der Verwaltungsarbeit auf Kreisebene zu fi nden suchte, kon-zentrierte man sich dort darauf, eine rationelle Arbeit in den Gemeinden zu stimulieren und das Gemeindenetz insgesamt leistungsfähiger zu gestalten. Spiritus rector war Gill-ner222, der federführende Bearbeiter der Kommunalangelegenheiten im MdI. Er legte im

221 Thüringischer Landtag, 1. Wahlperiode, Drucks. Nr. 517.

222 Karl Gillner, geb. 28.1.1913 in Deutschkessel (Kr. Grünberg).

Nach dem am 25.2.1932 bestandenen Abitur von 1932–1936 Studium der Rechts- und Staatswis-senschaften an der Universität Hamburg

12. Mai 1937 1. Juristische Staatsprüfung

1937 Amtsgericht Altona-Blankenese: Gerichtsreferendar

1. April 1938 Ernennung zum Regierungsreferendar

1938 Landherrenschaft Hamburg: Regierungsreferendar

1938 Regierung Liegnitz: Regierungsreferendar

1938 –1939 Landratsamt Grünberg: Regierungsreferendar

1939 Gemeinde Rothenburg/O.: Komm. Bürgermeister

1939 Landratsamt Grünberg: Regierungsreferendar

1939 Landbezirksverwaltung Hamburg: Regierungsreferendar

1939 IHK Magdeburg

1940 –1941 Regierung Magdeburg

14. Februar 1941 Große Staatsprüfung

Februar 1943 Ernennung zum Regierungsrat

12. März 1943 Versetzung an Preußische Bau- und Finanzdirektion Ber-lin (formell)

ab 6. September 1939 Wehrdienst, letzter Dienstgrad Oberleutnant in der deutsch-italienischen Panzerarmee in Afrika

2. Januar 1946 Entlassung aus Kriegsgefangenschaft 6. Mai 1946 –31.Oktober 1948 Landesregierung Sachsen-Anhalt, MdI 1. November 1948 –31. Dezember 1948 DVdI

6. September 1949 –15. Juli 1951 Ordnungsamt Mainz Juni 1951–30. April 1952 Notaufnahmelager Gießen,

Vorsitzender Beschwerdeausschuss Mai 1952–15. Juli 1952 Hessisches MdI

16. Juli 1952–31. August 1953 Notaufnahmelager Uelzen und Gießen.

Vorsitzender Beschwerdeausschuss September 1953 –31. Juli 1955 Bundesausgleichsamt

1955 –1959 Bre men: Senatskommission für das Personalwesen Direktor der Verwaltungsschule

Stellvertretendes Mitglied am Staatsgerichtshof

31. März 1964 Verstorben

Seit 1. Oktober 1931 NSDAP (Mitgl. Nr. 673.369)

Seit 1. August 1933 HJ

Seit 1. Mai 1938 NSKK

Seit 1. Mai 1946 SED

Gillner war anscheinend der einzige leitende Mitarbeiter in der Kommunalabteilung eines Innen-ministeriums der SBZ, dessen Übergang aus einer Hoheitsverwaltung des 3. Reiches gelungen war.

Er gehörte damit wohl zu den nominellen Nazis, die im Jahr 1948 mit 10,55 % unter den

Angestell-November 1947 den Entwurf eines Runderlasses „Maßnahmen zur Hebung der Verwal-tungskraft kreisangehöriger Gemeinden“ vor. Dessen Titel und dessen Regelungsgehalt entsprachen wörtlich bzw. sinngemäß dem des bereits zitierten Runderlasses des Reichs-ministers des Innern vom 6. Januar 1939. Er sah im einzelnen eine wesentliche Verringe-rung der Zahl der Gemeinden und die Hebung der Verwaltungskraft der weiterbestehen-den vor. Ohne Zahlenlimits zu setzen, sollten alle Kleingemeinweiterbestehen-den, die die Aufgaben aus

Angestell-November 1947 den Entwurf eines Runderlasses „Maßnahmen zur Hebung der Verwal-tungskraft kreisangehöriger Gemeinden“ vor. Dessen Titel und dessen Regelungsgehalt entsprachen wörtlich bzw. sinngemäß dem des bereits zitierten Runderlasses des Reichs-ministers des Innern vom 6. Januar 1939. Er sah im einzelnen eine wesentliche Verringe-rung der Zahl der Gemeinden und die Hebung der Verwaltungskraft der weiterbestehen-den vor. Ohne Zahlenlimits zu setzen, sollten alle Kleingemeinweiterbestehen-den, die die Aufgaben aus

Im Dokument Kreisen in Brandenburg 1945–1952 (Seite 111-130)