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Tuberkulose beim Menschen

Im Dokument Nitratassimilation bei Mykobakterien (Seite 27-40)

2 Literaturübersicht

2.3 Tuberkulose beim Menschen

2.3.1 Historischer Hintergrund der humanen Tuberkulose

Die Geschichte der Tuberkulose ist weit zurück zu verfolgen. Schon Skelette, die aus dem Neolithikum stammen, zeigen typische Veränderungen, die wahrscheinlich durch eine spinale Tuberkulose verursacht wurden (GRANGE 1998). An Mumien, die aus der Zeit 4000-2000 vor Christi Geburt (v. Chr.) stammen, sind ebenfalls charakteristische Läsionen einer Tuber-kulose festgestellt worden. Kapur, Whittam und Musser gehen davon aus, dass M. tuberculo-sis möglicherweise schon vor 15000 Jahren existiert hat (KAPUR et al. 1994). In der nachfol-genden Abbildung sind die wichtigsten Eckdaten der Tuberkulosegeschichte anhand einer Zeitleiste aufgeführt, um eine bessere Übersicht zu geben.

Abbildung 1: Wichtige Eckdaten der Tuberkulosegeschichte Quelle: eigene Darstellung

Die erste schriftliche Dokumentation ist dem ersten Buch der Veda zu entnehmen. Dieses Buch gehört zu der ältesten, indischen, religiösen Literatursammlung und ist ungefähr zwi-schen 2000 und 1500 v. Chr. verfasst worden (GRANGE 1998). Auch die Rindertuberkulose ist schon früh dokumentiert worden. So werden in der Bibel im 3. Buch Moses krankhafte Veränderungen beschrieben, die als bovine Tuberkulose zu deuten sind (SELBITZ &

BISPING 1995).

Hippokrates prägte um 400 v. Chr. den Begriff der „Phthisis“, der gleichbedeutend mit Schwindsucht ist (HAHN et al. 2001). Viele Jahre später um 1300 nach Christi Geburt (n. Chr.) sind erste fragwürdige Therapieformen von John of Gaddesden entwickelt worden.

In seiner „Curatio scrofulorum“ beschreibt er eine Mischung aus Wieselblut und Taubenkot (GRANGE 1998). Im 16. und 17. Jahrhundert starben unzählige Menschen an den Folgen der Tuberkulose. Die häufigste Form, die tuberkulöse Lymphadenitis, wurde als „Scrofulose“

bezeichnet. Die vielen tuberkulosebedingten Todesfälle führten zu großen Anstrengungen, um die Ursache und mögliche Therapien der Krankheit zu finden. Im Jahr 1546 wurde von Giro-lamo Fracastoro zum ersten Mal die Theorie aufgestellt, dass die Ursache für die Schwind-sucht außerhalb des menschlichen Körpers liegt. 1689 prägte der englische Arzt Thomas G.

Morton den Ausdruck „Tuberkel“. Hiermit beschreibt er in seiner „Phthisiologia“ die typi-schen knötchen- oder höckerförmigen Läsionen der Tuberkulose. Von dem Begriff Tuberkel leitete 1832 Johann Lucas Schönlein als Krankheitsbild die „Tuberkulose“ (Tbc) ab (HAHN et al. 2001). Zuvor im Jahre 1782 stellte Buchan seine mögliche Tuberkulosetherapie vor. Er behauptete, dass eine Muttermilchaufnahme direkt aus der Brust eine erfolgreiche Möglich-keit zur Bekämpfung der Tuberkulose sei (GRANGE 1998). Die Vermutung, dass die Tuber-kulose übertragbar ist, wurde häufig diskutiert. Im Jahr 1843 erbrachte der hannoversche Arzt Philip Klenke den ersten experimentellen Beweis für diese Vermutung. Er injizierte einem Kaninchen tuberkulöses Leichenmaterial, woraufhin das Kaninchen anschließend ausgeprägte typische Veränderungen in der Lunge und Leber zeigte (SELBITZ & BISPING 1995).

In Giuseppe Verdis Oper „La Traviata“, die 1853 zum ersten Mal aufgeführt wurde, wird eine romantische Seite der Krankeit verkörpert, da in dem Stück die aufopferungsvolle Liebende Marguerite Gautier an Schwindsucht stirbt. So wurde die Tuberkulose zu einer Legende der Bühne.

Die Tuberkulose bekam viele Namen. Die massenhaften Todesfälle veranlassten die Men-schen im 19. Jahrhundert, die Tuberkulose als „Weiße Pest“ zu bezeichnen. Durch die an-schließende industrielle Revolution verbreitete sich die Tuberkulose besonders in der Arbei-terklasse. Die Menschen lebten unter schlechten hygienischen Bedingungen dichtgedrängt in

kleinsten Behausungen. Somit konnte sich die Krankheit schnell ausbreiten. Sie bekam den Namen „Krankheit des Proletariats“.

Später in der NS-Zeit wurde die Tuberkulose sogar als „asoziale Krankheit“ bezeichnet.

1882 berichtete Robert Koch vor der Berliner Physiologischen Gesellschaft über die Entde-ckung des Tuberkuloseerregers. Er nahm Stellung zum Zoonosecharakter, indem er Ergebnis-se zahlreicher Tierversuche vorlegte. Er erklärte, dass insbesondere das an Perlsucht erkrankte Rind eine Infektionsquelle für den Menschen darstellt. Von nun an wusste man, dass Fleisch und Milch tuberkulös erkrankter Rinder für den Verzehr ungeeignet sind. 1890 entdeckte Ro-bert Koch das Tuberkulin, das er aus dem Erreger isoliert hatte. Dieses Präparat sollte ur-sprünglich als Heilmittel dienen, was katastrophale Folgen hatte (SELBITZ & BISPING 1995). Ein Fortschritt in der Diagnostik der Tuberkulose war die Erfindung des Röntgengerä-tes im Jahr 1895 ( COMSTOCK & O`BRIEN 1998).

In der Zeit von 1898 bis 1921 wurde intensiv an der Erforschung einer wirksamen Vakzine gearbeitet. Im Jahr 1898 gelang Theobald Smith die Differenzierung von M. bovis, die einen großen Fortschritt für die Forschungsarbeiten brachte.

Erst 1921 wurde von Albert Calmette und Camille Guérin ein attenuierter Lebendimpfstoff aus M. bovis hergestellt, der bis heute weltweit eingesetzt wird. Dieser Impfstoff ist unter dem Kürzel BCG bekannt.

Die Eindämmung der Tuberkulose gelang aber erst nach der Erfindung wirksamer Tuberku-lostatika wie Thiosemikrabazon (1943), Streptomycin (1946) und Isoniazid (1952).

Seitdem ist es das Ziel der Mykobakterienforschung, weitere wirksame Tuberkulostatika und einen funktionsfähigen Impfstoff zu entwickeln (HAHN et al. 2001, SELBITZ & BISPING 1995, COMSTOCK & O`BRIEN 1998).

Bis heute ist die humane Tuberkulose nicht getilgt, weil die steigende Anzahl multiresistenter Bakterienstämme und der drastische Anstieg von HIV-Infektionen die weitere Verbreitung der Tuberkulose begünstigen.

2.3.2 Epidemiologie

Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ist heute an Tuberkulose erkrankt. Jährlich sterben zwei Millionen Menschen an den Folgen der Erkrankung (ROBERT KOCH INSTIUT 2004, KURT & HAAS 2002). Obwohl Tuberkulose durch Einnahme einer bestimmten Medikamen-tenkombination heilbar ist, sterben noch immer mehr Menschen an Tuberkulose, als an jeder anderen behandelbaren Infektionskrankheit (ROBERT KOCH INSTIUT 2004).

Pro Jahr infizieren sich weltweit schätzungsweise 100 Millionen Menschen mit M. tuberculo-sis, wovon 5-10% im Verlauf ihres Lebens eine aktive Tuberkulose entwickeln. 95% aller Erkrankungsfälle treten in den Entwicklungsländern auf (HÖRNER ZU BENTRUP & RUS-SEL 2001).

Täglich sterben 5.000 Menschen an Tuberkulose und mehr als 20.000 Menschen entwickeln eine aktive Form (DEUTSCHES ZENTRALKOMITEE ZUR BEKÄMPFUNG DER TU-BERKULOSE 2004).

Diese dramatischen Zahlen, die weiter ansteigend sind, veranlassten die WHO 1993 den ge-sundheitlichen Notstand auszurufen. Verantwortlich für die Verbreitung des Tuberkuloseerre-gers ist Armut, medizinische Unterversorgung, Migration und internationaler Reiseverkehr (ROBERT KOCH INSTIUT 2004, RAVIGLIONE et al. 1995).

Auch die weltweite Verbreitung des erworbenen Immundefizienz Syndrom (engl. Aquired Immune Deficiency Syndrome [AIDS]) trägt dazu bei, dass Tuberkulose immer häufiger auf-tritt (COSIVI et al. 1998). Eine Koinfektion von HIV und M. tuberculosis endet bei den AIDS-Patienten in 10% der Fälle tödlich. Besonders problematisch ist die Situation in Südost- Afrika. Hier sind ungefähr 31% aller erwachsenen Tuberkulosepatienten mit HIV infiziert (CORBETT et al. 2003).

Die Situation in der WHO-Region Europa, die auch die Staaten der ehemaligen Sowjetuni-on, die sogenannten Neuen Unabhängigen Staaten (NUS) umfasst, ist sehr unterschiedlich. So steigt die Tuberkuloserate in den osteuropäischen Ländern an, während sie in Westeuropa stetig abnimmt. Insgesamt liegt die Anzahl der Infizierten bei 200 Millionen (ROBERT KOCH INSTIUT 2004). Eine sehr hohe Infektionsrate liegt besonders in den Gefängnissen der NUS vor. Man vermutet, dass 10-20% der Inhaftierten an einer offenen Tuberkulose lei-den (PERLEMAN 2000). Insgesamt hat sich die Zahl der Tuberkuloseneuerkrankungen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Da sich in diesen Staaten der weltweit höchste Anstieg der HIV-Infektion abzeichnet, ist auch eine weitere Zunahme der Tuberkulose zu erwarten (DEUTSCHES ZENTRALKOMITEE ZUR BEKÄMPFUNG DER TUBERKULOSE 2004).

In Deutschland wurden im Jahr 2002 insgesamt 7.684 Neuerkrankungen registriert. Im Ver-gleich zum Vorjahr bedeutet dies eine relative Zunahme um 2,2%. Nach zehn Jahren stetigen Rückgangs, ist dies die erste Steigerung. Vermutlich ist sie auf die Umstellung des Meldewe-sens zurückzuführen. Die Inzidenz lag bei 9,3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner (RO-BERT KOCH INSTIUT 2004). Im internationalen Vergleich ist diese Inzidenz sehr niedrig, so liegt die Inzidenz in Südost Asien bei 39 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner und in

Afrika sogar bei 89 pro 100.000 Einwohner (WHO 2004). Laut dem Robert Koch Institut sind in den ersten neun Wochen diesen Jahres in Deutschland 958 Krankheitsfälle gemeldet wor-den, was im Vergleich zu 2003 eine Reduzierung von 24,4% bedeutet (ROBERT KOCH INSTIUT 2004).

Das größte Problem der Tuberkulosebekämpfung besteht in den zunehmenden Multiresisten-zen der Tuberkuloseerreger (engl. multidrug resistance [MDR]). Diese MDR entwickelt sich, wenn die Patienten die Therapie vorzeitig abbrechen, die Medikamente nicht regelmäßig ein-nehmen oder sich nicht an die entsprechenden Dosierungen halten. Laut dem neusten WHO-Report gibt es weltweit 300.000 neue Tuberkulosefälle mit multiresistenten Bakterien, von denen 79% nicht nur gegen Isoniazid und Rifampicin, sondern gegenüber mindestens drei der vier Hauptmedikamente resistent sind. Das Auftreten von Multiresistenzen ist in Teilen Ost-europas und der Russischen Förderation zehnmal häufiger als in anderen Teilen der Welt.

Besonders Kasachstan verzeichnet eine hohe Resistenzlage von 14%.

Um eine derart hohe Resistenzlage zu vermeiden, sind weltweit Bekämpfungsprogramme, sogenannte DOTS (Directly Observed Treatment Short Course)-Strategien entwickelt worden.

DOTS beinhaltet einen speziellen fünfstufigen Plan zur Behandlung und Kontrolle der Tuber-kulose (WHO 2004, ROBERT KOCH INSTIUT 2004).

2.3.3 Ätiologie und Pathogenese

Die Tuberkulose wird in den häufigsten Fällen durch M. tuberculosis, M. bovis oder M. afri-canum verursacht. Da die bovine Tuberkulose in den entwickelten Ländern größtenteils ge-tilgt ist, ist die Infektion mit M. bovis nur noch in den Entwicklungsländern von Bedeutung.

Am häufigsten ist eine Infektion mit M. tuberculosis (BROSCH et al. 2002). M. africanum ist in bestimmten Regionen in Afrika vertreten. Hier verursacht er mit sehr unterschiedlicher Prävalenz bis zu 60% der Tuberkuloseerkrankungen (BONARD et al. 2000, VAN SOOLIN-GEN 2001). Die auch zum M. tuberculosis-Komplex zählenden M. microti und M. canetti sind sehr selten. So wurden lediglich vier Fälle einer M. microti-Infektion in den Niederlan-den gemeldet (KREMER et al. 1998).

Eine Infektion mit den entsprechenden Erregern erfolgt zu 95% aerogen über Inhalation erre-gerhaltiger Sputumtröpfchen oder Staubpartikel. Die erregerhaltigen Partikel sind im Durch-messer meist 1-5µm groß und gelangen ungehindert in alle Teile der Lunge, ohne vom muko-ziliären System abgefangen zu werden (HAHN et al. 2001). Infektionen über den Darmtrakt sind selten (ROBERT KOCH INSTITUT 2004). Die Übertragung der Mykobakterien erfolgt

über die offene Lungentuberkulose. Die kontagiösen Patienten können pro Jahr zwischen zehn und fünfzehn weitere Menschen infizieren (WHO 2004).

Nach Aufnahme des Erregers durchläuft die Krankheit unterschiedliche Stadien. Man unter-scheidet zwischen der Primärtuberkulose und der Sekundärtuberkulose, auch Postprimär-tuberkulose genannt (KAYSER et al. 1998).

Bei der Primärtuberkulose wird der Erreger eingeatmet und gelangt in die Alveolen der Lunge. Da die Mykobakterien keine Toxine bilden, werden sie von den Alveolarmakrophagen phagozytiert, ohne eine Entzündungsreaktion in Form einer Pneumonie auszulösen (FRIED-LAND 1999). In den Makrophagen sind sie in der Lage, die physiologische Verschmelzung von Phagosom und Lysosom zu verhindern. Somit können sie in dem Phagosom überleben und sich sogar vermehren (MIMS et al. 1996). Wenn die betroffenen Makrophagen durch Lymphokine wie Interferon-γ (INF-γ) oder Tumornekrosefaktor (TNF) stimuliert werden, kommt es zur Abtötung der phagozytierten Bakterien (HOF & DÖRRIES 2002).

Zerfallen die erregerhaltigen Makrophagen, werden entzündungsfördernde Stoffe freigesetzt.

Es bildet sich ein Primäraffekt (SALYERS & WHITT 1994).

Ein Teil der betroffenen Makrophagen gelangt auf lymphogenem Weg zum Hiluslymphkno-ten, wo eine T-Zellvermehrung ausgelöst wird. Regionaler Lymphknoten und Primäraffekt bilden den Primär- oder Ghon-Komplex (JUNGBLUT & KAUFMANN 2002). Durch die Stimulation des Lymphknotens kommt es zur zellvermittelten Immunantwort. Diese Immun-antwort kann 4-6 Wochen post infectionem durch den intrakutanen Tuberkulintest nachge-wiesen werden (MIMS et al. 1996).

Sie bewirkt die Bildung der typischen Granulome, die auch Tuberkel genannt werden. Im Zentrum des Tuberkels entsteht eine verkäsende Nekrose, die durch Calciumablagerungen auch verkalken kann. Viele aktivierte Makrophagen, sogenannte Epitheloidzellen lagern sich um die Nekrose. Teilweise lagern sich die Makrophagen auch zu Synzytien zusammen. Es entstehen mehrkernige Riesenzellen, die als Langhans-Riesenzellen bezeichnet werden. Den äußeren Wall des Granuloms bilden die Lymphozyten, die durch Ausschüttung ihrer Zytokine die Makrophagen fortdauernd stimulieren (COMSTOCK & O`BRIEN 1998, HOF & DÖR-RIES 2002).

In diesen Tuberkeln können die Erreger Jahrzehnte persistieren, ohne dass es zu einem klini-schen Erscheinungsbild kommt (SALYERS & WHITT 1994). In 90% der Tuberkuloseinfek-tionen können die Mykobakterien durch die Bildung der Granulome inaktiviert werden.

Eine Sonderform der Primärtuberkulose ist die Progressive-Primärtuberkulose. Sie kann gelegentlich bei Kindern auftreten, die eine geschwächte zelluläre Immunität besitzen.

Ty-pisch für diese Form der Tuberkulose ist, dass sich kein Primärkomplex ausbildet, sondern dass die Bakterien massiv direkt aus dem Primäraffekt lymphogen und hämatogen in andere Organe streuen. In diesen Organen, sind meist Meningen, Leber und das Knochenmark be-troffen, bilden sich zahlreiche kleine Knötchen. Deshalb wird diese Form auch primäre Mili-artuberkulose genannt. Wird sie nicht rechtzeitig erkannt, endet sie meist letal (HAHN et al.

2001).

Eine weitere Sonderform ist die sogenannte Landouzy-Sepsis. Bei dieser Form der Tuberku-lose bildet sich kein Granulom, sondern es kommt, ähnlich wie bei einer Sepsis zu einer un-gehinderten Ausbreitung im gesamten Organismus. Häufig wird die Landouzy-Sepsis bei AIDS-Patienten beobachtet (HAHN et al. 2001, MC KINNEY et al. 1998).

Die Sekundärtuberkulose zeichnet sich dadurch aus, dass auch andere Organe außerhalb des Primärkomplexes betroffen sind und sich ein klinisches Erscheinungsbild entwickelt. Bei 5%

der mit Mykobakterien infizierten Menschen kommt es direkt im Anschluss an die Primärtu-berkulose zur Ausbildung der OrgantuPrimärtu-berkulose, bei weiteren 5% erst nach Jahren (KAYSER et al. 1998). Der Entwicklung einer Sekundärtuberkulose liegt eine Schwächung des Immun-systems zugrunde, die bspw. durch Unterernährung, Kortisonbehandlung, Alkoholismus oder durch körperliche Belastung hervorgerufen werden kann (HOF & DÖRRIES 2002, MIMS et al. 1996). Auch ein erneuter Kontakt mit dem Erreger, eine sogenannte Superinfektion kann zu einer Reaktivierung der Granulome führen (FRIEDLAND 1999). Eine Überaktivierung der Makrophagen führt zu einer vermehrten Ausschüttung von Zytokinen, was zu einer Verflüssi-gung der zentralen Nekrose führt. In diesem Medium können sich die Mykobakterien gut vermehren, was wiederum eine verstärkte Antigenbelastung verursacht. Bricht die flüssig-keitsgefüllte Kaverne in das Bronchialsystem, so entsteht die offene Lungentuberkulose.

Durch Einbruch in ein Blut- oder Lymphgefäß kommt es zur Generalisation mit Ansiedlung von Mykobakterien in unterschiedlichen Organen, wie Niere oder Zentrales Nervensystem (ZNS) (HAHN et al. 2001).

2.3.4 Klinische Merkmale der Tuberkulose

Die Tuberkulose beginnt schleichend. Meist entwickelt sich eine Infektion schon über einen längeren Zeitraum, bevor sich der Patient überhaupt krank fühlt (MIMS et al. 1996). Während die Ausbildung eines Primärkomplexes klinisch stumm verläuft, zeigen sich im Frühstadium unspezifische Krankheitssymptome wie Müdigkeit, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, leichtes Fieber und Appetitlosigkeit (LONG & COWIE 1999). Im fortgeschrittenen Stadium

entwi-ckeln sich Krankheitssymptome, die je nach Lokalisation unterschiedliche Ausprägungen zeigen (MAGNUSSEN & KANKOW 2001).

90% aller Tuberkulosefälle sind in der Lunge lokalisiert. Die Lungentuberkulose äußert sich durch chronischen Husten mit schleimigem, eitrigem und teilweise blutigem Exsudat (CO-HEN et al. 1996). Typisch ist auch die Ausbildung einer Belastungsdyspnoe oder Thorax-schmerzen (MATTHYS 2000). Je nach Alter des Patienten, kann eine Anaemie vorliegen.

Auch ein veränderter Aminotransferase- oder Serumalbumin-Wert kann hilfreiche Hinweise liefern (PÈREZ-GUZMÀM et al. 1999).

Ist die Tuberkulose im Bereich des Darmes lokalisiert, entstehen Symptome wie Abdomi-nalschmerzen, Ileus oder chronischer z. T. blutiger Durchfall (DEDIÈ et al. 1993).

Besonders gefährlich ist ein Befall der Meningen, der am häufigsten bei Kleinkindern auftritt und meist letal endet. Die Leitsymptome sind Leistungsschwäche, teilweise Wesensverände-rungen, Krämpfe, Benommenheit, starke Kopfschmerzen und Schwindelanfälle. Im Gegen-satz zu einer anderen bakteriellen Meningitis ist hier vor allem die Schädelbasis betroffen. Es kann zu Lähmungen der basalen Gehirnnerven kommen (BÖTTGER 2001).

Eine Manifestation im Bereich der Niere führt zu einer rezividierenden Pyelonephritis, die in einer Niereninsuffizienz enden kann. Klinisch auffällig ist häufig auch eine Hämaturie (NET-TER 2001).

Knochen oder Gelenke können bei einer Infektion vor allem mit M. bovis betroffen sein.

Signifikant sind die Auswirkungen im Bereich der Wirbelsäule auch Pott`s Disease genannt.

Sie äußert sich in Form von Rücken- oder Nackenschmerzen, Schwäche und Gangschwierig-keiten. Im Röntgenbild sind Deformationen der Wirbel und Bandscheiben zu erkennen (RE-ZAI et al. 1996).

Manifestiert sich die Krankheit nur auf Lymphknoten-Ebene, so sind vor allem die zervika-len und supraklavikulären Lymphknoten betroffen. Sie sind deutlich vergrößert, wenig schmerzhaft und können durch Perforation zur Fistelbildung neigen (DEDIÈ et al. 1993).

In seltenen Fällen kann die Krankheit auch Veränderungen der Haut verursachen, die sich in Form einer papulösen Entzündung mit zentralem Ulkus darstellt. Eine weitere charakteristi-sche Veränderung ist eine granulomatöse oder warzenähnliche Läsion, die sogenannte „Tu-berculosis verrucosa cutis“ (DIERICH et al. 2000).

Selten, aber besonders gefährlich ist eine Perikardlokalisation. Es kommt zu einer tuberku-lösen Perikarditis mit hochgradigem Perikarderguss. Dies führt zu einer starken Reduzierung des Herzminutenvolumen mit letaler Folge (HAHN et al. 2001).

2.3.5 Diagnostik

Da der Patient den Arzt mit unspezifischen Symptomen aufsucht, ist eine ausführliche A-namnese sehr wichtig. Bei der Erhebung der AA-namnese sollte auf das soziale Umfeld der Patienten und auf mögliche Kontakte mit tuberkuloseinfizierten Menschen eingegangen wer-den. Ein Auslandsaufenthalt ist ebenfalls wichtig zu hinterfragen, da in bestimmten Ländern eine hohe Ansteckungsgefahr besteht (MATTHYS 2000).

Liegen entsprechende Krankheitssymptome vor, sollte ein intrakutaner Tuberkulintest durchgeführt werden. Dieser Test liegt in unterschiedlichen Ausführungen vor. So wird bei Kindern der Moro-Test angewandt. Hierbei wird eine tuberkulinhaltige Salbe auf die Haut aufgetragen. Bei Reihenuntersuchungen wendet man den Tine-Test an. Dieser Test besteht aus einem Nadelstempel, dessen vier Spitzen mit Tuberkulin versehen sind und intrakutan appliziert werden. Bei einem möglichen Tuberkuloseverdacht ist die Anwendung des Men-del-Mantoux-Tests angebracht, da hier mittels Injektion eine größere Menge (10 internatio-nale Einheiten, I.E.) Tuberkulin intrakutan injiziert werden (HAHN et al. 2001).

Das Tuberkulin ist ursprünglich eine Mischung von abgekochten Mykobakterien und Gly-cerol, auch unter dem Namen Alt-Tuberkulin bekannt. Heute nutzt man chemisch aufgereinig-tes Tuberkulin (PPD = purified protein derivate of tuberculin). Hatte der Patient Kontakt mit Mykobakterien, kommt es ca. 72 Stunden später zu einer allergischen Reaktion vom verzögerten Typ. Genauso wie beim Rind kommt es zu einer entzündlichen Reaktion mit nachfolgender Hautschwellung und Rötung. Eine positive Reaktion ist nicht gleichbedeutend mit einem Beweis einer M. tuberculosis-Infektion, da auch eine BCG-Impfung oder ein Kontakt mit apathogenen Mykobakterien zu einer positiven Reaktion führen kann (HOF &

DÖRRIES 2002).

Eine weitere Möglichkeit der Diagnosefindung ist die röntgenologisch, sonographisch oder computertomographisch gestützte Untersuchung (MAGNUSSEN & KANKOW 2001).

Wenn ein Nachweisverfahren einen positiven Befund zeigt, sollte ein mikroskopischer Er-regernachweis mittels Ziehl-Neelsen- oder Auramin-Färbung veranlasst werden. Für die mikroskopische Untersuchung eignen sich Bronchialsekret, Sputum, Liquor oder auch Kot.

Kann man im Mikroskop säurefeste Bakterien nachweisen, ist immer noch nicht klar, ob es sich um pathogene Mykobakterien handelt. Somit muss nachfolgend eine weitere Differenzie-rung vorgenommen werden (MIMS et al. 1996).

Eine Unterscheidungsmöglichkeit ist der kulturelle Erregernachweis auf Nährböden wie Löwenstein-Jensen oder 7H10/11-Agar. Bei einer Inokultationstemperatur von 37°C ist 4-8

Wochen später anhand der unterschiedlichen charakteristischen Koloniemorphologie eine Differenzierung möglich (SALFINGER & KAFADER 1992).

Die biochemische Untersuchung ist ebenso wie der kulturelle Nachweis eine sehr zeitauf-wendige Diagnostikmethode und eine Befunderhebung kann erst nach mehreren Wochen er-folgen. Zur biochemischen Untersuchung eignet sich bspw. der Niacin-Test. M. tuberculosis ist, im Gegensatz zu M. bovis und Mykobakterien der MOTT-Gruppe in der Lage, Niacin zu Nikotinsäure zu verstoffwechseln. Andere Verfahren sind der Nitratreduktase- oder Katala-se-Test. So ist M. tuberculosis im Gegensatz zu M. bovis in der Lage unter aeroben Bedin-gungen Nitrat zu Nitrit zu reduzieren, was M. bovis nicht kann. Durch die Erfassung mehrerer Testergebnisse kann eine relativ genaue Aussage über die isolierte Spezies getroffen werden (METCHOCK et al. 1999).

Ein Beispiel für ein diagnostisches Schnellverfahren ist der von Becton Dickinson auf dem Markt etablierte radiometrische BACTEC®-AFB-Test. Dieses automatische Kultursystem beschleunigt das Wachstum der Mykobakterien und unterdrückt gleichzeitig das Wachstum von möglichen Kontaminanten. Die Detektionszeit von M. tuberculosis wird mit 9 bis 14 Ta-gen angegeben. Bei diesem Test können stoffwechselaktive Mykobakterien aus radioaktiv markierter Palmitinsäure das Isotop 14C freisetzen, dass sich radiometrisch erfassen lässt (METCHOCK et al. 1999, FRIEDLAND 1999).

Weiter kann auch eine Analyse des Fettsäuremusters der Bakterien durchgeführt werden.

Diese Analyse kann mit Hilfe einer Gaschromatographie erfolgen, wobei eine High Perfor-mance Liquid Chromatography (HPLC) am schnellsten Ergebnisse liefert (SALFINGER &

KAFADER 1992, TORTOLI 2003).

Molekulardiagnostische Methoden gehören wohl zu den schnellsten und spezifischsten

Molekulardiagnostische Methoden gehören wohl zu den schnellsten und spezifischsten

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