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2 Literaturübersicht

2.1 Mykobakterien

2.1.1 Vorkommen und Klassifizierung

Mykobakterien gehören zur Ordnung Actinomyceales und sind die einzige Gattung der Fami-lie Mycobacteriaceae.

Die Gattung Mycobacterium umfasst mehr als hundert Spezies, die obligat oder fakultativ pathogen sowie rein saprophytär sind (NICOLET 1985).

Die saprophytären Umweltkeime kommen am häufigsten vor. Hierzu gehören zum Beispiel Mycobacterium (M.) fortuitum, M. marinum, M. smegmatis, sowie M. terrae, M. gordonae, M. phlei und M. kansasii. Sie sind hauptsächlich in Wald- und Ackerböden, sowie in Schwimmbädern, Aquarien, natürlichen Gewässern und teilweise auch im Staub zu finden (DEDIÈ et al.1993, SZEWZYK et al. 2000). Im Staub ist zwar kein Wachstum der Bakterien nachweisbar, aber unter trockenen Bedingungen sind sie über Wochen bis Monate überle-bensfähig und können auf diesem Wege weit verbreitet werden (SCHULZE-RÖBBECKE, 1993).

Die obligat pathogenen Mykobakterien, wie M. tuberculosis, M. africanum, M. microti und M. bovis werden dem M. tuberculosis–Komplex zugeordnet. Sie sind Erreger der klassischen Tuberkulose. Das ebenfalls pathogene M. leprae verursacht das Krankheitsbild der Lepra. Die Gruppe dieser Mykobakterien sind auf einen Wirt angewiesen (SCHULZE-RÖBBECKE 1993, DEDIÈ et al.1993, KAYSER et al. 1998). So ist der Mensch Hauptwirt von M. tubercu-losis, M. africanum und M. leprae, das Rind Hauptwirt von M. bovis und die Wühlmaus Hauptwirt von M. microti (NICOLET 1985, HOF & DÖRRIES 2002). Die eigentliche Über-tragung geht von allen drei Hauptwirten aus, dabei kann aber besonders bei M. bovis eine ak-tive Infektionskette zwischen anderen Haustieren, Wildtieren und dem Menschen beobachtet werden (NICOLET 1985, WILESMITH & CLIFTON-HADLEY 1994).

Als letzte Gruppe sind die fakultativ pathogenen Mykobakterien zu nennen, die auch als My-kobakterien, die keine Tuberkulose und keine Lepra erzeugen, definiert und unter dem Begriff MOTT (engl. mycobacteria other than tubercle bacilli) zusammengefasst werden (HOF &

DÖRRIES 2002). Hierzu zählen unter anderem M. avium und M. intercellulare, die aufgrund der strukturellen Übereinstimmung zum M. avium–Komplex (MAC) zusammengefasst wer-den (DEDIÈ et al.1993, HAHN et al. 2001, METCHOCK et al. 1999). M. avium subspecies avium ist ubiquitär und Haupterreger der aviären Tuberkuklose. Es hat ein breites

Wirtspekt-rum, das hauptsächlich Vögel, aber auch Säuger und Menschen umfasst. Für den Menschen ist es nur dann pathogen, wenn der Immunstatus herabgesetzt ist und ein entsprechend hoher Infektionsdruck vorliegt. M. avium subspecies paratuberculosis ist der Erreger der Paratuber-kulose beim Wiederkäuer und steht im Verdacht, beim Menschen Verursacher von Morbus Crohn zu sein.

M. avium subspecies silvaticum verursacht die Paratuberkulose beim Säuger und die Tuberku-lose beim Vogel (SCOPE 1999). Da die TuberkuTuberku-lose beim Vogel stets eine offene Form ist, wird der Erreger massenhaft freigesetzt und kann bis zu sieben Jahre im Boden überleben. Im Gegensatz zu M. avium lebt M. intracellulare nicht parasitär, sondern ist im Grünfutter und auf Weiden zu finden und nur sporadisch im tierischen Organismus oder Kuhmilch nachzu-weisen. Die Gefahr, dass Menschen eine solche Mykobakterioseninfektion erleiden, ist bei Kleinkindern, oder bei Menschen mit einer Immundefizienz am höchsten (DEDIÈ et al. 1993, HAHN et al. 2001).

2.1.2 Charakteristika

2.1.2.1 Allgemeine Beschreibung

Mykobakterien sind schlanke, gerade bis leicht gekrümmte 0,2–0,6 x 1,0–10µm lange, unbe-wegliche Stäbchen, die keine Sporen bilden (SALFINGER & KAFADER 1992, KAYSER et al. 1998, BÖTTGER 2001, METCHOCK et al. 1999). Sie werden den Gram-positiven Bakte-rien zugeordnet, obwohl die Anfärbbarkeit in der Gramfärbung nur sehr schwach oder gar nicht ausgebildet ist. Es werden weitere Differenzierungsfärbungen benötigt, um einen ein-deutigen Nachweis von Mykobakterien zu erbringen. Diese Färbemethoden, zu denen die Ziehl-Neelsen- und die Auraminfärbung gehören, funktionieren, indem das enthaltene Karbol-fuchsin mit den Mykolsäuren der Zellwand einen Komplex bildet. Dieser Komplex kann mit Salzsäure-Alkohol nicht wieder aufgelöst werden. Deshalb werden die Mykobakterien auch als säurefest bezeichnet (PETZOLD & KIRCHHOFF 1986, SALFINGER & KAFADER 1992, HAHN et al. 2001). Sie wachsen unter aeroben bis mikroaeroben Bedingungen bei ei-nem Kohlenstoffdioxid (CO2)-Gehalt von 5-10%. Die optimale Wachstumstemperatur beträgt 37°C.

Die Struktur der Zellwand der Mykobakterien ist in Schichten eingeteilt, welche von innen nach außen, aus Murein, Arabinogalaktan, Mykolsäuren und Glykolipiden aufgebaut ist (KAYSER et al. 1998). Von besonderer Bedeutung ist der Lipidgehalt, der bei den

Saprophyten bei 8,4% und bei den Tuberkuloseerregern bei 13,4-23,8% liegt (WILSON &

MILES 1964). Der Anteil an Glykolipiden und Wachsen (bis zu 60% der Bakterientrocken-substanz) ist verantwortlich für die Resistenz der Mykobakterien gegen chemische und physi-kalische Noxen (CARTER & WISE 2004). Er bewirkt ihr langsames Wachstum, da die Nähr-stoffe nur mit geringer Geschwindigkeit ins Zellinnere diffundieren können und ist verant-wortlich für die geringe Permeabilität für Antibiotika (HOF & DÖRRIES 2002). Betrachtet man die biochemische Struktur der Zellwand können vier Wachse (A bis D) differenziert werden. Wachs C enthält das Mykosid Trehalose-6,6’-dimycolat, das als Cordfaktor bezeich-net wird und verantwortlich für die zopfartige Bildung von Bakterienaggregaten ist. Wachs D hat die besondere immunologische Fähigkeit als Adjuvans die humorale und zelluläre Im-munantwort zu steigern (COLLINS 1989, HAHN et al. 2001, HOF & DÖRRIES 2002). Die enthaltenen Phosphatide führen als Reizstoffe im Körper des Wirtes zur Bildung von Granu-lomen. Tuberkulin, ein Hapten der Zellwand wird in gereinigter Form für den Nachweis eines Kontaktes mit Mykobakterien verwendet (KAYSER et al. 1998).

2.1.2.2 Resistenz gegen äußere Einflüsse

Mykobakterien sind gegen zahlreiche Einwirkungen resistent. Aufgrund ihrer wachsartigen Oberfläche überstehen sie Austrocknung und können so mehrere Wochen in der Luft und im Hausstaub überleben (MIMS et al. 1996). In Fäkalien, Gülle und Abwässern können sie bis zu 6 Monaten überleben Der Kontakt mit Säuren oder Basen führt ebenfalls nicht zum Abster-ben. Man kann lebende Mykobakterien durch Gewinnung von Magensaft bei Tuberkulosepa-tienten, die abgehustetes Sputum geschluckt haben, nachweisen (HAHN et al. 2001). Durch Erwärmung auf über 100°C über einen bestimmten Zeitraum sterben die Mykobakterien je-doch schnell ab (SELBITZ 2002). Ein Beispiel, bei dem Mykobakterien durch gezielte Er-wärmung abgetötet werden sollen, ist die Milchpasteurisierung. Werden die Bakterien ultra-violettem (UV) Licht unter 300nm, direktem Sonnenlicht und oxidierenden Verbindungen ausgesetzt, so sterben sie nach kurzer Zeit ab (DEDIÈ et al.1993).

Bei der Auswahl eines geeigneten Desinfektionsmittels sollte auf die Desinfektionsmittelliste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) zurückgegriffen werden. In dieser Liste sind alle Desinfektionsmittel aufgeführt, die sich als wirksam gegen Mykobakterien erwiesen haben, wie z. B. Formaldehyd, chlorabspaltende Mittel, Kresole, quarternäre Am-monium- oder Peroxidverbindungen (DVG 2003).

2.1.3 Differenzierungsmöglichkeiten

Die in Kapitel 2.1.2.1 vorgestellten Spezialfärbungen sind zur Diagnosefindung nicht ausrei-chend. Deshalb berücksichtigt die Einteilung nach RUNYON und TIMPE die Kulturmor-phologie, insbesondere das Pigmentationsverhalten und die Wachstumsgeschwindigkeit (RUNYON & TIMPE 1959).

Gruppeneinteilung Charakteristische Eigenschaften

Runyon- Gruppe I • langsamwachsende photochromogene Mykobakterien;

Farbstoffbildung findet nur nach Lichtexposition statt Runyon- Gruppe II • langsamwachsende skotochromogene Mykobakterien,

ei-ne Farbstoffbildung findet auch im Dunkeln statt

Runyon- Gruppe III • langsamwachsende, keinen Farbstoff bildende Mykobak-terien

Runyon- Gruppe IV • schnellwachsende Mykobakterien

Tabelle 1: Gruppeneinteilung von Mykobakterien nach Runyon

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an HOF & DÖRRIES 2002, CARTER &WISE 2004

Das Maß für die Wachstumsgeschwindigkeit ist die Kulturzeit. Sie wird danach bestimmt, wieviel Wachstumszeit eine Kolonie auf dem Nährboden benötigt, um für das menschliche Auge sichtbar zu werden.

Bei den schnellwachsenden Mykobakterien können schon nach einer Woche Kolonien identi-fiziert werden, während es bei den langsamwachsenden Mykobakterien mindestens sechs bis acht Wochen dauert, bis ein Wachstum sichtbar wird (HOF & DÖRRIES 2002).

Da bei dem Pigmentationsverhalten innerhalb einer Spezies Schwankungen auftreten können, wird diese Einteilung nur noch ergänzend angewendet.

Eine Einteilung in Risikogruppen aufgrund der unterschiedlichen Pathogenität ist von BÖTTGER vorgenommen worden (BÖTTGER 1991).

Gruppeneinteilung pathogene Eigenschaft klinische Relevanz Risikogruppe I saprophytäre Mykobakterien

zum Beispiel (z.B.) M. smegmatis

selten Risikogruppe II fakultativ pathogene

Mykobak-terien z.B. M. ulcerans

bei immunsupprimierten Patienten

Risikogruppe III obligat pathogene Mykobakte-rien z.B. M. tuberculosis

immer

Tabelle 2: Gruppeneinteilung von Mykobakterien nach Böttger Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an BÖTTGER 1991

Eine endgültige Differenzierung ist nur durch eine Kombination von biochemischen Profilen und genotypischen Untersuchungen zu erreichen (TORTOLI 2003). Das biochemische Profil wird beispielsweise (bspw.) durch Untersuchungen, wie Nitratreduktion, Katalaseaktivität und Niacinbildung bestimmt (HOF & DÖRRIES 2002). Genotypische Untersuchungen basieren auf Sequenzierungsanalysen des 16S rRNA-Gens oder des 65-kDa Hitze-Schock-Proteins.

Auch die Analyse der Mykolsäuren durch unterschiedliche Chromatographiemethoden sind hilfreich für die nähere Bestimmung und taxonomische Einordnung der einzelnen Spezies (PITULLE et al. 1992, TORTOLI 2003).

Im Dokument Nitratassimilation bei Mykobakterien (Seite 15-19)