llllllllllllll
Onkologie Originalarbeit'
Methodik
Im Rahmen eines von der Karl und Veronica Carstens-Stiftung geförderten Forschungspro
jektes sollte überprüft werden, ob die Behaup
tung des fehlenden wissenschaftlichen Nach
weises für die unkonventionellen Krebsthera
pien zutrifft und ob dieser Vorwurf überhaupt berechtigt ist. Bei der Entscheidung für die Bearbeitung einer unkonventionellen Krebstherapie hinsichtlich der methodischen Beurteilung der durchgeführten Wirksamkeit
sprüfungen wurde auf die Erfüllung von zwei Kriterien Wert gelegt:
• erstens sollte eine berechtigte Hoffnung auf das Vorhandensein klinischer Prüfungen ge
geben sein,
• zweitens war die derzeitige Verbreitung in Mitteleuropa maßgeblich.
Unter Berücksichtigung der beiden Kriterien und umfangreichem Literaturstudium sowie Gesprächen mit Therapeuten und Betroffenen stellte sich die methodische Aufarbeitung fol
gender Therapien als notwendig heraus: aktive Fiebertherapie, Enzyme, Eactor AF2, Ganzkör
perhyperthermie, lokale Hyperthermie, Mistel
lektine, Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Manfred von Ardenne, Spurenelemente, Thy
mus, Vitamine A und C. Die im Rahmen des Projektes behandelte Therapie mit OK-432 (Pi- cibanil®) ist bereits veröffentlicht (1).
Die Literatur wurde auf drei Wegen gesucht:
Erstens mit Versuchen über DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information); zweitens über zahlreiche Kon
takte zu Eorschern und Klinikern auf diesen Gebieten; drittens über die Präparateherstel
ler. Die Recherche auf den letzten beiden We
gen gestaltete sich problemlos. Über DIMDI hingegen wurde sie durch z.T. fehlenden Nachweis vorhandener Literatur erschwert, weil die Zeitschriften, in denen Forschungsar
beiten zu unkonventionellen Therapierichtun
gen erschienen sind, häufig keine internatio
nale Verbreitung haben. Dennoch fanden sich zu den genannten zehn Behandlungsformen insgesamt fast 600 Publikationen. Erste Priori
tät für eine methodische Analyse und inhaltli
che Bewertung galt den randomisierten Stu
dien.
Methodische Bewertung und Kritik wurden in
dividuell für jede einzelne klinische Studie vor
genommen. Auf ein schematisches Bewer
tungsverfahren ist bewußt verzichtet worden, auch wurde keine Bewertungsskala entwickelt, die jeder klinischen Studie eine Methoden- Punktzahl zugewiesen hätte. Die in der Litera
tur vorhandenen Skalen sind unseres Erach
tens zu grobmaschig und auch problematisch;
unter anderem gehen bei einer solchen Aus
wertung viele Besonderheiten der einzelnen Studien verloren, denn Skalen bieten nur eine scheinbare, schematische Gerechtigkeit (7). Die Wertung erzielter Ergebnisse richtet sich nach der methodischen Qualität des gesamten Stu
dienablaufes. Dementsprechend sind beispiels
weise statistisch einwandfrei ausgewertete Da
ten in ihrem Resultat nicht anzuerkennen, wenn Planung und Durchführung der Studie mangelhaft waren.
Ergebnisse
In der folgenden zusammenfassenden Darstel
lung aller zehn in dieser Arbeit abgehandelten unkonventionellen Krebstherapien wurde da
her versucht, die Wertung der Ergebnisse un
ter Einbeziehung des Gesamturteils über den aus einer Eülle von Einzelschritten bestehen
den Studienablauf vorzunehmen:
1. Aktive Fiebertherapie
Obwohl die aktive Fiebertherapie seit über 100 Jahren diskutiert und angewendet wird, liegen nur zwei randomisierte und sechs nicht-rando- misierte klinische Studien vor. Die aus der An
fangszeit überlieferten häufigen Todesfälle sind bei den heute üblichen Präparaten und bei sachgemäßer Anwendung nicht mehr zu be
fürchten. Zu wenig ist aber bisher darüber ge
sichert, bei welchen Patienten, unterschieden nach Tumorlokalisation, Stadium, begleiten
den Risikofaktoren usw., mit subjektiven oder objektiven Verbesserungen zu rechnen ist.
2. Enzyme
Der therapeutische Einsatz proteolytischer Enzyme begann im 19. Jahrhundert. Von den rund 2500 Enzymen wurde die Wirksamkeit des proteolytischen Enzymgemisches Wobe- Mugos®, der Neuraminidase, Asparaginase, Urokinase und Hyaluronidase in insgesamt sechs randomisierten klinischen Studien un
tersucht. Da der Anteil der in der Medizin durchgeführten schlechten Studien außeror
dentlich hoch ist, ist die auf dem Gebiet der Enzymtherapie durchaus positiv zu
bewer-Die Behaup
tung fehlenden wissenschaftli
chen Nachwei
ses für die un
konventionellen Krebstherapien sollte geprüft werden
Hohe methodi
sche Qualität der Studien zur Enzymtherapie
Fast 600 Publi
kationen zu unkonventio
nellen Metho
den wurden analysiert
Originalarbeit Onkologie
Ganzkörper- hyperthermie:
erstaunlich ist die Unkenntnis der Autoren über Erfah
rungen ihrer Kollegen
Die optimale Darreichungs
form und Do
sierung von Selen muß noch ermittelt werden
tende methodische Qualität um so erfreulicher.
Das neuere Datum der qualitativ hervorzuhe
benden klinischen Studien ist auffallend.
3. Factor AF2
Das Thema Factor AF2 hat als einzige der bearbeiteten Therapieformen die Eigenschaft, daß es sich hierbei um ein sehr spezielles Prä
parat handelt, welches ausschließlich von ei
ner Firma hergestellt wird. Factor AF2 wurde in den 50er Jahren schon einmal erforscht.
Nach einer Phase des fehlenden Interesses an diesem Präparat ist es seit den 80er Jahren wieder vermehrt in Gebrauch gekommen. Zur Zeit liegen vier abgeschlossene klinische Stu
dien (2 randomisierte, 2 nicht-randomisierte) vor, von denen nur einer eine gewisse Aussa
gekraft zugesprochen werden kann.
4. Ganzkörperhyperthermie
Im Unterschied zu anderen unkonventionellen Krebstherapien, wie beispielsweise der Fieber
therapie und der Therapie mit Thymuspräpa
raten, kommt die Ganzkörperhyperthermie erst seit etwa 20 Jahren zur Anwendung. Somit existiert zur Zeit eine geringe Anzahl an Lite
raturstellen mit Berichten über praktische Er
fahrungen. Um so erstaunlicher ist die Un
kenntnis der wenigen Autoren über die Erfah
rungen ihrer Kollegen. Gerade weil die Ganz
körperhyperthermie ein Verfahren mit kurzer wissenschaftlicher Vergangenheit ist, fällt hier verstärkt auf, wie sehr die Arbeitsgruppen un
geachtet publizierter Resultate vor sich hin for
schen. Leider ist auch die einzige randomi
sierte klinische Studie vom Behandlungsablauf so angelegt, daß ihr keine therapeutische wei
terführende Aussage zu entnehmen ist.
5. Lokale Hyperthermie
Von den über 30 vorhandenen randomisierten und nicht-randomisierten klinischen Studien mit lokaler Hyperthermie wurden fünf rando
misierte Studien ausführlich besprochen und methodisch analysiert. Das abschließende Ge
samturteil über die methodische Qualität die
ser fünf klinischen Studien föllt unterschiedlich aus. Insgesamt gibt es 15 methodisch schlechte Studien zur lokalen Hyperthermie, deren Er
gebnis anzweifelbar ist. Derartige Arbeiten las
sen immer wieder Zweifel an der an sich schon nahezu bewiesenen Wirksamkeit dieser seit Beginn dieses Jahrhunderts eingesetzten The
rapieform aufkommen.
6. Mistellektine
Im Rahmen der Weiterforschung der nach der
Jahrhundertwende von Rudolf Steiner einge
führten Misteltherapie wurde in der letzten Zeit der Frage nach dem wirksamen Bestandteil des Mistelextraktes nachgegangen. Bei der für die Onkologie erwünschten Zytotoxizität sowie Immunmodulation und -stimulation haben sich die Mistellektine aus der Fülle der identifizier
ten Inhaltsstoffe als verantwortlich herausge
stellt. Die Darstellung des Ablaufes der einzi
gen prospektiv randomisierten klinischen Stu
die ist gut.
7. Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Manfred von Ardenne
Es existiert zur Sauerstoff-Mehrschritt-Thera- pie in der wissenschaftlichen Literatur bis heute keine klinische Studie bzgl. der Krebspro
phylaxe oder der positiven Beeinflussung des Krebsgeschehens, obwohl sich von Ardenne schon Anfang der siebziger Jahre der Erfor
schung von Krebstherapien zuwandte. Immer
hin sprechen die Ergebnisse einer Studie mit gesunden Probanden für eine positive Wirkung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie im Sinne des Postulats von Ardenne.
8. Spurenelemente
Aus den Ernährungswissenschaften, der Hu
man- und Veterinärmedizin stammende Resul
tate epidemiologischer Studien, in-vitro- und Tierversuchen und die Untersuchung mit ge
sunden Probanden weisen vielversprechend auf einen erfolgreichen Einsatz des Selens in der Krebstherapie hin. Selen wurde vor 80 Jah
ren erstmals in der Onkologie eingesetzt, die optimale Darreichungsform und Dosierung des Selens im Hinblick auf Wirkungen und Neben
wirkungen ist jedoch noch zu ermitteln.
Dem Zink kann aufgrund der vorliegenden Li
teratur vorerst eine eher unbedeutende Zu
kunftsperspektive in der Onkologie eingeräumt werden. Die weiteren 13 Spurenelemente fin
den in der Krebstherapie überhaupt keine sinnvolle Anwendung.
9. Thymus
Die ersten Anwendungen von Thymuspräpara
tionen in der Onkologie fanden in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts statt. Unter den acht randomisierten Studien zur Thymusthera
pie findet sich eine auffällige Diskrepanz in deren methodischen Qualität. Die fünf schlech
ten randomisierten Studien können den Wirk
samkeitsnachweis von Thymuspräparaten bei Krebspatienten nicht erbringen: Für die
The-Muskelrelaxans