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Organisierte Kriminalität in Deutschland

7. Bekämpfung der OK in Deutschland 1. Sicherheitsbehörden

7.2 Mittel und Methoden der OK-Bekämpfung

7.2.1 Technische Mittel

Der technische Bereich bei den ND-Mitteln deckt alle Informa-tionen ab, die durch den Einsatz von technischen Geräten erhoben wurden. Allerdings sollte hier der menschliche Aspekt nicht unerwähnt bleiben. Es sind Spezialisten gefragt, die z.B.

bei einer Observation Fotos machen, Telefone abhören oder in seltenen Fällen Abhörmikrophone (sog. Wanzen) einsetzen.

Bevor die technischen Möglichkeiten erläutert werden, muss man zuerst auf die Observation267 eingehen:

• Observation bedeutet, das planvolle, selektive und ziel-gerichtete Beobachten von Personen bzw. Objekten.

266Vgl. Korte, „Die Informationsgewinnung der Nachrichten-dienste mit nachrichtendienstlichen Mitteln“, Beiträge zur in-neren Sicherheit, Heft 16, Brühl, 2001, S. 41 ff, m.w.H.; Rose-Stahl: „Recht der Nachrichtendienste“, Beiträge zur inneren Sicherheit, Heft 18, Brühl 2002, S. 57 ff

267Vgl. u.a. Korte, a.a.O., S. 73 ff, FN 266

Dieses Mittel wenden sowohl Polizei, Geheimdienste und Zollfahndung an, um Informationen über Zielpersonen (aber auch Kontaktpersonen), mögliche Zielobjekte (kon-spirative Wohnungen, Kneipen usw.) und über Ereignisse, die in Bezug zu bestimmten Personen oder Organisatio-nen stehen, zu erhalten.

Neben dieser Aufklärungsfunktion wird die Observation auch als Schutzobservation eingesetzt. Dies ist vor allem der Fall, wenn Treffs von V-Männern und VM-Führer bei den Nachrichtendiensten bzw. verdeckte Ermittler (VE) in Polizeibereichen abgesichert werden müssen. Die Formen der Observation sind sehr unterschiedlich (Spontan-, Planobservation; Stand-, Bewegungsobservation). Damit die Observation erfolgreich im Bereich der Organisierten Kriminalität eingesetzt werden kann, müssen gut ausge-bildete Beamte (im Fall der Polizei häufig MEK-Ange-hörige) vor Ort sein. Außerdem muss eine hohe Anzahl von Observanten und unterschiedlichen Fahrzeugen zur Verfügung stehen, damit eine unauffällige Observation erfolgen kann. Da die Organisierte Kriminalität in den meisten Fällen über unerschöpfliche finanzielle Ressour-cen verfügt und somit auch technisches Gerät einsetzt, wie z.B. Scanner, die den Funkverkehr orten und Geräte, die den Polizeifunk einfangen, müssen die Sicherheits-behörden ständig neue Methoden entwickeln. Als Bei-spiel sind hier nur die Spurfolgesender, die an den Ziel-fahrzeugen angebracht werden, zu nennen und damit eine Verfolgung auch außerhalb der Sichtweite ermögli-chen. Durch die Verschlüsselungssysteme bei Funkgeräten und Verzicht auf Funkverkehr werden Abhöraktionen durch die OK verhindert.

Ein weiteres Ziel der Observation ist es, mit Tarnmitteln Fo-toaufnahmen und Filmaufzeichnungen aufzunehmen, um bspw. Identifizierungen von Personen vorzunehmen.

Dabei ist es wichtig, dass solche Aufnahmen von Exper-ten durchgeführt werden, um möglichst perfekte Bilder zu erhalten.

• Weitere technische Möglichkeit ist das Abhören von Tele-fonaten potentieller Zielpersonen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Sicherheitsbehörden Handys, Festnetzappa-rate oder aber auch Telefone in Telefonzellen abhören wollen268.

Bei diesem ND-Mittel muss man kurz auf eine Besonder-heit eingehen. Denn seit 1992 hatte das ZKA die Möglich-keit, schon bei einem begründeten Verdacht Telefone abzuhören. Ein Privileg, das bisher nur den deutschen Geheimdiensten vorbehalten war. Im Zuge dieser Befug-nis wurde heftig diskutiert, ob durch diese Maßnahme das einfach-gesetzliche Trennungsgebot269 (kein Verfas-sungsrang) zwischen Polizei und Geheimdiensten ange-tastet wird.

Ein weiteres technisches Einsatzmittel in Bezug auf Telefo-ne, insbesondere auf Handys, sind die sogenannte IMSI-Geräte. Diese Geräte befinden sich getarnt in einem Au-to der Polizei. Nähert sich ein Handybenutzer dem AuAu-to

268In 388 OK-Verfahren wurden 3.332 Abhörmaßnahmen mit einer Dauer von bis zu 3 Monaten im Jahr 2002 durch die Po-lizeibehörden geschaltet. Bei den Zahlen müssen Parallelan-schlüsse und Anschlusswechsel von Tatverdächtigen berück-sichtigt werden. Z. B. zweistellige Zahlen bei einer einzigen Verdachtsperson. (Angaben: „Die Welt“ vom 24.09.2003)

269Vgl. Rose-Stahl, a.a.O., S. 83 ff, 86 „Bedeutung des Tren-nungsgebotes“; Albert, Helmut. Das „Trennungsgebot“ ein für Polizei und Verfassungsschutz überholtes Entwicklungs-konzept? in: ZRP 1995, S. 105 ff; vgl. Gusy, ZRP 1987, S. 45:

„Trennungsgebot“ als Prinzip mit Verfassungsrang. Das Bun-desverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 12.03.2004 die Telefonabhörpraxis/Postkontrolle des Zolls als verfassungswidrig erklärt. Die Ermächtigung zum Eingriff in das Grundrecht von Art. 10 GG bedürfe einer klaren gesetz-lichen Regelung und zwar bis Ende 2004. Bis zu diesem Zeit-punkt können die geltenden Regelungen geduldet werden.

auf eine gewisse Distanz (100 Meter wurden im Zuge der Medienberichterstattung genannt) wird das Telefon iden-tifiziert, d.h. die Nr. wird angezeigt und kann so lokalisiert werden. Ein rechtliche Grundlage für den Einsatz dieses Gerät gibt es noch nicht. Daher ist sein Einsatz auch höchst umstritten, obwohl dieses Gerät gerade im Zuge der Pre-Paid-Karten-Handys und der dadurch ständigen Wechsel unter den Handybenutzer ein Identifizierung der kriminellen Telefonbesitzer und deren Zuordnung zu einer Telefonnummer ermöglicht bzw. wesentlich vereinfacht.

• Durch das Internet und die weltweite Vernetzung wurden die Sicherheitsbehörden gezwungen, auch E-Mails lesbar zu machen. Das amerikanische FBI war die erste Polizei-behörde, die solche Abfangmaßnahmen von E-Mails ein-setzte. Die deutsche Polizei muss zunehmend in diesem Bereich aktiv werden.

• Nicht nur fernmündliche oder elektronische Kontakte können von den Sicherheitsbehörden abgehört werden, sondern durch Mikrophone und spezielle Richtmikropho-ne270 können Gespräche selbst innerhalb von Gebäuden abgehört werden. In diesem Zusammenhang möchte ich den großen Lauschangriff anführen, der der Polizei mehr Kompetenzen vor allem in der Bekämpfung der OK gibt.

Dabei müssen aber immer grundrechtsstaatliche Ge-sichtspunkte (Familie, Priester, Anwälte u.a. dürfen nicht abgehört werden) beachtet werden.271

270Die Zahl der Abhörmaßnahmen mit Richtmikrophonen au-ßerhalb von Wohnungen gibt das BKA mit 146 im Jahr 2002 an (siehe „Die Welt“ vom 24.09.2003)

271Vgl. Rose Stahl, G 10-Verfahren, S. 119 ff; die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 03.02.2004 führt hier zu zusätzlichen Neuregelungen in Gesetzen u. a. der StPO bis zum 30.06.2005

Anschließend muss aber darauf verwiesen werden, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Rechtsstaat ist, bei dem die Grundrechte (in den oben genannten Fällen: Unverletzlichkeit der Wohnung Art 13GG. Post-Fernmeldegeheimnis, Art 10 GG) einen sehr hohen Stellenwert besitzen272. Daher muss vor dem Einsatz solcher Mittel die rechtliche und tatsächliche Verhält-nismäßigkeit geprüft werden. Sie sollten erst dann eingesetzt werden, wenn es kein milderes Mittel gibt, das die effektive Bekämpfung von Straftaten garantiert. In den Kernbereich der Grundrechte (z.B. intime Telefonate) darf nach Art. 19 III GG sowieso nicht eingegriffen werden273.

Die technische Aufzählung wäre unvollständig, wenn man nicht auf die Möglichkeiten eingehen würde, die durch die computergestützte Vorgehensweise sich bieten. So wurde in Deutschland z.B. ein Verbundsystem zwischen den Polizeibe-hörden aufgebaut, so dass z.B. eine automatische Abglei-chung von Zielpersonen möglich wird. Durch den Computer werden viele Methoden der Sicherheitsbehörden verfeinert (Stimmerkennung, Peilsender etc.); doch auch die

272Vgl. Rose-Stahl, § 9 Abs. 2 BVerfSchG, S. 68 ff; Korte, a.a.O., S. 77 ff, 83, FN 266

273Bei der Polizei ist bei den meisten Einsätzen vorab eine rich-terliche Genehmigung erforderlich, das gilt im Rahmen der Lauschoperationen auch für das Bundesamt für Verfassungs-schutz (BfV) gem. § 9 Abs. 2 S. 2 BVerfSchG, es sei denn, der Präsident des BfV oder sein Vertreter können entsprechende Maßnahmen anordnen, wenn eine richterliche Anordnung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Sie muss dann unverzüglich beim Amtsgericht Köln nachgeholt werden. Im Polizeibereich wurden im Jahr 2001 18 Operationen im Wohnbereich (sog. Lauschoperationen) durchgeführt. (siehe Angaben „Die Welt“ vom 20.09.2002) Die Zahl für 2003 wird vom BKA mit 3 Lauschoperationen durch die Polizei ange-geben. (siehe Angaben „Die Welt“ vom 24.09.2003)

te Kriminalität nutzt diese Vorteile, womit es zu einem ständi-gen Wettlauf zwischen Sicherheitsbehörden und Verbrechern kommen wird.

Zum Abschluss dieser Aufzählung ist ein ND-Mittel zu erwäh-nen, das in Deutschland keine Anwendung findet: der Spio-nagesatellit. Bisher verfügen erst größere Staaten, wie die USA oder Russland über diese Aufklärungsart. Ursprünglich wurden militärische Entwicklungen über diese Satelliten verfolgt. In der OK-Bekämpfung wird diese Methode zunehmend einge-setzt. Der Einsatz ist aber nur beschränkt möglich und wird in der Regel nur genutzt, um illegale Anbauflächen von Drogen oder große Drogenumschlagsplätze (z.B. in Kolumbien) zu lo-kalisieren.