• Keine Ergebnisse gefunden

Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsl e- e-ben

Organisierte Kriminalität in Deutschland

4. Lagebild der Organisierten Kriminalität in Deutschland

4.2 OK-Gruppierungen in Deutschland

4.3.7 Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsl e- e-ben

In diesem Feld muss man wie so oft zwei Seiten betrachten:

Straftaten i.Z. mit dem Wirtschaftleben: Hier ist eine Besonder-heit der Organisierten Kriminalität zu erkennen. Denn in die-sem Feld sind fast nur deutsche Straftäter aktiv. Bei diesen Fäl-len handelt es sich um die sogenannte „Weiße-Kragen-Kriminalität“. Bei dieser Wirtschaftskriminalität geht es um Be-trug (in vielen Fällen Anlage/KreditbeBe-trug), illegale Beschäfti-gung, Veruntreuung und Steuerhinterziehung, die in der Hauptsache von Unternehmen durchgeführt werden, die nicht auf die Organisierte Kriminalität spezialisiert sind, son-dern diese nur für ihre wirtschaftlichen Zwecke nutzen. Ein möglicher Kontaktpunkt ist die sogenannte Wirtschaftspio-nage. In solchen Fällen beauftragen Firmen OK-Gruppen, Dienstgeheimnisse von konkurrierenden Firmen zu stehlen.

Natürlich gibt es auch Fälle, in denen die Wirtschaftsunter-nehmen vollkommen in den OK-Bereich abgleiten. Dann han-delt es sich in der Regel um OK-Organisationen, die schon lange gefestigt sind und über eine weitgeführte Arbeitsteilung verfügen (Anwälte, Anlageberater etc.).

Sicherlich sind auch OK-Gruppen interessiert, in diesen Bereich vorzustoßen, da dieser zu hohen Gewinnen führt. Doch dafür ist eine langfristige Etablierung nötig, die in der Regel auf

144Vgl. „Die Welt“ vom 02.03.2004

ruption aufgebaut ist145. Der Mafia-Experte Jürgen Roth geht davon aus, dass 50% der Einnahmen von OK-Gruppierungen sofort wieder in die Korruption gesteckt werden. Diese ist vor allem im wirtschaftlichen Bereich notwendig. Auch benötigt man Partner aus der sauberen Wirtschaftswelt. In diesen Be-reichen tut sich die ausländische OK noch sehr schwer. Daher versuchen diese Organisationen die deutsche Wirtschaft zu unterwandern. In diesem Zusammenhang warnt Wenk: „Die Organisierte Kriminalität kann sich erheblich auf der gewerbli-chen Wirtschaft abstützen, so dass immer mehr die Gefahr ei-ner Beteiligung an kriminellen Machenschaften besteht.“146 Eine Ausnahme stellt in diesem Bereich nach Polizeiangaben die Bauwirtschaft dar. Hier sollen vor allem die italienischen Gruppierungen eine dominante Stellung eingenommen ha-ben. Besonders in NRW soll die Macht der sizilianischen Mafia im Baugeschäft enorm gestiegen sein.147

145Siehe einen Korruptionsfall in Frankfurt/Main, der im Juli 2001 aufgedeckt wurde. Nach diesem wurden mindestens 100 Mitarbeiter der Baubehörde und der städtischen Woh-nungsgesellschaften mit Bargeld bzw. Urlaubsreisen von Un-ternehmern bestochen. (Der Spiegel sprach in seiner Ausga-be vom 16.07.01, Nr. 29, S. 34 von 200 Tatverdächtigen). Im Gegenzug erhielten die Baufirmen Aufträge und die Behör-den duldeten Preisabsprachen. Da die StA Frankfurt noch ermittelt, kann noch nicht festgestellt werden, ob es sich hierbei um eine Form der OK handelt.

146Zitiert nach Wenk, aus „Organisierte Kriminalität in einem Europa durchlässiger Grenzen“, a.a.O., S. 239; Lagebild OK 2002, BKA Wiesbaden, 2003, S. 22: Anteil deutscher Gruppie-rungen: 60%; Italiener: 10%; Türken: 10%.

147Z.B. wurden am 21.3.2001 bei einer Razzia in der Baubran-che (600 Polizisten; 140 Steuerfahnder) 3 Personen identifi-ziert, die Kontakte in süditalienische Dörfer hatten, in denen Führungspersonen der italienischen Mafia leben.

Im Bezug auf diese Entwicklung nutzen OK-Gruppierungen Deutschland auch als Investitionsgebiet.

Hierbei sind vor allem italienische und russische OK-Orga-nisationen zu nennen. Diese nutzen nicht nur die Möglichkeit, Immobilien, Gewerbegebiete etc. zur Verschleierung ihrer il-legalen Einnahmen oder zum Eigennutz (Einrichtung von Bor-dellen) aufzukaufen, sondern sie kaufen auch zunehmend Ak-tien und unterwandern somit die deutsche Wirtschaft und Börse. Gebietsschwerpunkte sind die deutschen Hauptstädte des Geldes Frankfurt/Main und Düsseldorf.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass durch den hohen Schaden (448 Mio. EUR)148 die Witschaftskriminalität die deut-sche Wirtschaft dauerhaft schädigen kann, da auch legale Unternehmen von dieser OK-Tätigkeit betroffen sind und sich auf lange Sicht diesem Druck nicht mehr entgegenstellen können und in Konkurs gehen. Dass dieses Kriminalitätsfeld zunehmend lukrativ wird, beweisen die Zahlen des BKA149. Mit 108.890 Wirtschaftsdelikten stieg der Wert um mehr als 20.000 Delikte. Dabei macht der Anlage- bzw. Kredit-Betrug mehr als die Hälfte aus. Inwieweit dies aber jeweils der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden kann, ist zweifelhaft. Mit ei-nem Anteil von 11,6% aller OK-Verfahren stellt aber die Krimi-nalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben inzwi-schen das drittstärkste Kriminalitätsfeld in Deutschland dar.150 Natürlich zählt zu den Schwerpunkten der Wirtschaftskrimina-lität auch der Betrug zum Nachteil von Versicherungen. Hier sind vor allem Organisationen aus Italien tätig. In manchen Fällen wurden sanierungswürdige Gebäude und Betriebe in

148Nach BKA Lagebild OK 1999, BKA Wiesbaden, 2000, S. 20;

Lagebild OK 2002, BKA Wiesbaden, 2003, S.21

149Nach der Kriminalitätsstatistik des BKA 1999, Wiesbaden 2000

150Nach Lagebild OK 2002, a.a.O., S. 21

Brand gesteckt, um so hohe Versicherungssummen zu erlan-gen. In der Sprache der Organisierten Kriminalität lautet dies dann „heiß saniert“151.

Ein völlig neuer Bereich in der Wirtschaftskriminalität sind die illegalen Arbeitsvermittlungen. Besonders südosteuropäi-sche152 und osteuropäische Gruppierungen, aber auch deut-sche Einzelpersonen sind in diesem Feld aktiv. Diese Personen beschaffen deutschen Arbeitgebern Schwarzarbeiter, die zu-meist aus dem Ausland kommen und in Deutschland entwe-der als Asylbewerber oentwe-der Illegale leben. Diese sind wesent-lich billiger als deutsche Arbeitskräfte. Besonders professionelle Vermittler fälschen Arbeitsbescheinigungen und Aufent-haltspapiere. In vielen Fällen arbeiten Schleuser und Vermittler eng zusammen. Nachdem eine Person illegal nach Deutsch-land geschleust wurde, wird diese an den Vermittler über-geben, damit dieser eine Arbeitsstelle für den Geschleusten findet. Die Arbeitsvermittler leben von der Provision, die ent-weder vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber bezahlt wird. In wie vielen Fällen Unternehmen gezielt solche Illegalen einstellten, ist nicht zu beantworten. Doch es ist zu vermuten, dass in hoher Zahl Unternehmen mit diesen Vermittlern wis-sentlich zusammenarbeiten.

4.3.8 Gewaltkriminalität

Unter dem Begriff „Gewaltkriminalität“ werden u.a. die Delik-te Erpressung insbesondere Schutzgelderpressung, Raub, Straf-taten gegen die persönliche Freiheit und StrafStraf-taten gegen das Leben verstanden.

151Der Begriff wurde durch die sizilianische Mafia/Cosa Nostra geprägt

152Nach Erkenntnissen des LfV Bayern: Verfassungsschutzbericht Bayern 2000, München 2001, S. 225, 226

Wenn Gewalt lediglich als flankierende Maßnahme für die Begehung von Straftaten aus anderen Kriminalitätsfeldern angewendet wird, handelt es sich zwar um Gewalt i.S. von Alternative b) der OK-Definition 1990, jedoch nicht um Ge-waltkriminalität i.S. der vorgestellten Kriminalitätsfelder. Deut-sche, Russen und Polen sind die dominierenden Nationalitä-ten in diesem Kriminalitätsfeld.153

Dieser Bereich gehört zu den klassischsten Deliktfeldern der Organisierten Kriminalität und wird von den meisten Bürgern mit der Organisierten Kriminalität in Verbindung gebracht.

Doch dieses Kriminalitätsfeld muss sehr differenziert betrach-tet werden, da es in verschiedenen Ausprägungen vor-kommt.