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Organisierte Kriminalität in Deutschland

4. Lagebild der Organisierten Kriminalität in Deutschland

4.4 Entwicklung der OK

4.4.3 Neue Arbeitsbereiche der OK

Im Hinblick auf die zunehmende Professionalisierung ist auch eine deutliche Neuorientierung der Organisierten Kriminalität auf Computerdelikte erkennbar.

Dabei nutzen die Vereinigungen die Computermanipulation vor allem bei EC-Karten oder bei Online-Banking über das

201Immer wieder kommt es vor, dass Geheimdienstler in OK-Tätigkeiten involviert sind, z.B. in den Rauschgiftschmuggel.

Die Schlussfolgerung, dass sich solche Geheimdienste aus diesen Einnahmen finanzieren, scheint jedoch nicht korrekt, vielmehr handelt es sich um persönliche Bereicherungen.

Vor allem ehemalige Agenten des KGB „schliddern“ zuneh-mend in den Bereich der OK

ternet, um Geld auf ein schwarzes Konto zu transferieren.

Hierbei werden durch professionelle Hacker gespeicherte Da-ten der Kunden geknackt und gegen andere DaDa-ten ausge-tauscht. Somit sind auch die neuen Kontrollsysteme der Ban-ken, wie Iris- und Fingerabdruckvergleich wirkungslos.

Der Betrug mit EC- und Kreditkarten stieg folglich in Deutsch-land 2002202 um 60%. In diesem Bereich sind die Zahlen seit 1987 (3000) 1999 auf 45.359 gestiegen. Der Kreditkartenbetrug macht hier den Löwenanteil aus (36.613). In Hinblick auf aus-wärtige Entwicklungen muss mit einem weiteren Anstieg in Deutschland gerechnet werden. Z.B. soll in Russland die Computerkriminalität bei einigen Banden den gleichen Stel-lenwert wie der Drogenhandel erreicht haben. Indem diese Pin-Codes und Konten entschlüsseln, illegale Versteigerungen im Internet durchführen und auch in Kinder- und Tierporno-graphie investieren203. Ähnliche Entwicklungen sind in den USA und in Europa erkennbar.

Die Organisierte Kriminalität erschließt zunehmend auch neue gewinnträchtige Kriminalitätsbereiche. Die Spitze der Perver-sion ist der Organhandel. Da Organe (Nieren, Au-gen/Augenhornhaut) überall benötigt werden, aber dieser Handel einerseits staatlich eingeschränkt wird und zum ande-ren Organe sehr selten frei zur Verfügung stehen, griff die Or-ganisierte Kriminalität, vor allem die italienischen OK-Organisationen auf diesen Bereich zurück. Um an solche Or-gane zu kommen, werden in vielen Fällen Flüchtlingen für Schleusungshilfe Organe entnommen. Da die Organisierte Kriminalität nicht bereit ist, für adäquate medizinische Ver-sorgung zu bezahlen, sterben viele Opfer. Auch greifen Ban-den oft darauf zurück, Menschen zu töten und sie dann

202Nach den Kriminalitätsstatistiken des BKA 1999, Wiesbaden 2000; vgl. Lagebild OK 2002, a.a.O., S. 22 m.w. Zahlenanga-ben

203Nach einer DPA-Meldung vom 04.07.01

zunehmen“. Diese Abartigkeit konnte z.B. in Brasilien festge-stellt werden, wo Straßenkinder ermordet wurden, um an ihre Organe zu gelangen. Auch in Deutschland hat dieser Bereich zur Verunsicherung beigetragen. Eine Folge ist sicherlich, dass Personen mit einem Spendenausweis zu Zielpersonen kriminel-ler Personen werden könnten.

Auch der moderne Sklavenhandel, der vor allem von afrika-nischen Gruppierungen204 verfolgt wird, ist eine neue äußerst brutale Seite der Organisierten Kriminalität. Der globale Markt mit afrikanischen Kindern oder Frauen als Sklaven dehnt sich zur Zeit dramatisch aus205. Daher ist zu befürchten, dass ein Überschwappen dieses Gewerbes nach Deutschland nur noch eine Frage der Zeit ist. Schon jetzt gibt es Vermutungen, dass deutsche Firmen im Ausland solche Sklaven als Arbeits-kräfte von den afrikanischen OK-Gruppierungen ordern. Wie bewusst oder in welcher Zahl dies der Fall ist, muss weiter be-obachtet werden.

Nicht nur der Organhandel und der Sklavenhandel wird zu-nehmend genutzt, sondern auch die knapper werdenden Ressourcen. Hierbei ist in vielen Fällen erkennbar, dass in Län-dern, wo Wasser oder Öl knapp ist, die Organisierte Kriminali-tät eingreift und diese Ressourcen aufkauft, um sie dann nach einiger Zeit gewinnbringend zu verkaufen. Beispiele hier-für sind in Italien erkennbar, wo wichtige Wasserressourcen, die für die Landwirtschaft entscheidend sind, von italieni-schen OK-Gruppierungen gekauft worden sind. Auch in Russ-land sieht man, dass immer mehr russische OK-Gruppierungen in das Erdöl/Erdgas-Geschäft206 einsteigen. In Zukunft wird sich

204Vor allem die Nigeria Connection betreibt dieses Geschäft;

dabei wird die Route Benin-Gabun in erster Linie für die Sklaventransporte genutzt.

205Die UNICEF geht von 200.000 Sklaven (Kinder und Frauen) im westafrikanischen Raum aus

206Auch in Tschetschenien

dadurch das Problem der Wasserknappheit und der Kampf um das goldene Nass verschärfen und zwar in allen Regio-nen, in denen Wasserknappheit herrscht (Afrika, Naher Osten).

Inwieweit diese Probleme für Deutschland relevant werden, ist schwer abschätzbar (steigende Rohölpreise?).

Aber auch im Arzneimittelbereich erkennt man immer häufi-ger OK-Strukturen, so z.B. beim Doping von Sportlern oder bei der Mästung von Tieren mit solchen Mitteln, wie beim Schweinemastskandal (Fütterung von Antibiotika) in Bayern und NRW. Ob es sich bei solchen Tätigleiten um OK-Grup-pierungen, oder ob es sich um Wirtschaftsorganisationen mit mafiosen Strukturen handelt, ist noch nicht vollständig ge-klärt. Noch schlimmere Folgen hatte die Maul- und Klauen-seuche für Europa. Auch hier sollen OK-Strukturen nicht ganz unschuldig sein. Es wird vermutet, dass die Triaden das ver-seuchte Fleisch aus Südostasien nach Großbritannien ge-schmuggelt haben und dort zu einem billigen Preis an die dortigen China-Restaurants weiterverkauft haben. Da die Tri-aden auch weiterhin Mastmittel, Tiere und Arzneien nach Eu-ropa207 schmuggeln, sind immer neue Gesundheitsrisiken auch für Deutschland zu befürchten.

Durch die hohen Gewinne der OK-Gruppierungen gewinnen diese an wirtschaftlicher Macht. Um diese zu erweitern, legen die internationalen OK-Organisationen ein großes Augenmerk auf den wirtschaftlichen Bereich208. Die illegalen Gewinne sol-len wirtschaftlich investiert (Aktien, Immobilien, Grundstücke, eigene Firmen aufbauen) werden, um noch höhere Gewinne zu ermöglichen. Dabei findet in Deutschland natürlich eine

207Zumeist über die Niederlande; dabei dient der Hafen von Rotterdam als zentraler Umschlagsplatz

208Auch in Bezug auf die betrügerischen Aneignungen von EU-Fördergeldern und Subventionen, vor allem von Seiten ita-lienischer Organisationen, da ein Hauptteil dieser Mittel nach Italien fließen

Konzentration auf die Kapitalgroßstädte Frankfurt, Düsseldorf und München statt. So werden die OK-Organisationen schon teilweise zu einer wirtschaftlichen Macht von nicht zu unter-schätzender Bedeutung. Aber auch in den USA gibt es Bestre-bungen der New Yorker Cosa Nostra in die Wallstreet einzu-steigen, um dort Gewinne zu machen (auch durch Aktienbetrug). Diese Entwicklung ist weltweit erkennbar. Der Bürgermeister von Corleone, Guiseppe Cippriani beschrieb das Phänomen folgendermaßen: „Aus Killern werden Banker.

Die Mafia zeigt sich mit einem neuen Gesicht, aber dem glei-chen harten Herzen“.209

An letzter Stelle bei der Untersuchung der Entwicklung der Kriminalitätsfelder der Organisierten Kriminalität soll ein tradi-tioneller Bereich stehen: Geldfälschungen.

Seit der Neueinführung des Euros versuchen europaweit Fäl-scher, „Blüten“ in Umlauf zu bringen. Dies nutzen auch OK-Gruppen. Daher ist zu befürchten, dass in nächster Zeit ver-stärkte Überfälle auf Druckereien stattfinden, die Druckplatten für den Euro oder Original-Geldscheine lagern. Von der Fäl-schungssicherheit ist es abhängig, ob die Organisierte Krimi-nalität in großem Maße diesen Deliktsbereich wiederentde-cken wird.

Auch die illegalen DM-Barbestände, die die OK-Grup-pierungen durch u.a. Drogengeschäften, Schutzgelderpres-sungen und Lösegelder erwirtschafteten, müssen nach der Eu-roeinführung wieder in den Wirtschaftskreislauf einfließen.

Diese Situation bedeutet für die OK-Gruppierungen nicht nur einen Nachteil, sondern kann sich bei professionellen OK-Organisationen auch als Vorteil herausstellen. Denn Bank-räuber, Geiselnehmer und andere Einzeltäter, die mit Straf-taten an Bargeldbestände vor der Euroeinführung kamen, könnten heute an diese Gruppierungen herantreten, um die-ses Geld zu waschen. Damit könnte die OK erneut hohe

209Zitiert nach Giuseppe Cipriani, in dem SPIEGEL, Nr. 47/1999

winne machen, denn insgesamt sollen nach Polizeiangaben noch 120 Mio. DM/61,4 Mio. EUR an registrierten Geldscheinen aus Straftaten nicht wieder aufgetaucht sein. Daher steigen auch nach der Euroeinführung die Geldwäsche-Aktivitäten210. Eine zusammenfassende Einschätzung der Entwicklung der OK kommt von Küster: „Die Organisierte Kriminalität wird quantitativ und qualitativ weiter an Bedeutung gewinnen. In-ternationale Währungsverflechtungen, weltweite Finanztrans-aktionen, länderübergreifender Güter- und Warenaustausch und die Freizügigkeit sowie der Reiseverkehr werden zu einer noch stärkeren Internationalisierung und Professionalisierung der Organisierten Kriminalität führen.“211

5. Politische Einflussnahme der Organisierten